Einundzwanzigste Fortsetzung

Dabei hat diese ganze Agitation etwas ausgesprochen Denunziatorisches. Es wird unablässig darauf hingewiesen, dass alle Polen russophil seien, dass die deutsche Regierung ihnen nicht trauen dürfe, und sich einzig und allein auf die Juden stützen müsse. Es braucht nicht gesagt zu werden, dass, wenn das wahr wäre, die Zentralmächte im Osten nichts zu suchen hätten, denn ihre „einzige Stütze" bedarf selber gar sehr der Stütze und würde beim ersten Konflikt jämmerlich hinweggefegt werden. Allein, man versetze sich in die Seele der Polen: ,, Abgesehen von unseren Soldaten bei den regulären Armeen, haben wir selber ein richtiges Heer ausgerüstet, die Blüte unserer Jugend haben wir hingegeben, die sich an der Seite Deutschlands und Österreich-Ungarns gegen Russland mit bewundernswürdiger Tapferkeit schlägt. Erst vor kurzem hat Kaiser Wilhelm ihre Führer mit hohen Auszeichnungen bedacht. Allein, die Juden versichern der deutschen Regierung, das alles sei pure Heuchelei, Heuchelei die schweren Opfer, die wir bringen, um diese Armee zu erhalten, Heuchelei die Verwüstung des Landes durch die Russen, Heuchelei war unser ganzer 100jähriger eiserner Kampf gegen Russland. Wir sind alle Russophilen. Die einzig wahren Freunde Deutschlands seien sie, die Juden, ihnen allein dürfe man trauen. — Sieht das nicht verzweifelt danach aus, wie wenn die Juden ein Interesse daran hätten, die besinnende Versöhnung zwischen Deutschen und Polen zu stören und Zwietracht zu säen, weil sie daraus für sich Vorteile erhoffen, indem sie Gelegenheit haben, der deutschen Regierung ihre Dienste gegen uns anzubieten? Das divido et impera wird also nicht von der deutschen Regierung, sondern von den Juden praktiziert.“

In diesem Lichte müssen den Polen die Dinge erscheinen. Nur wissen sie nicht, dass „die Juden" gar nicht die Juden sind, sondern ein paar Berliner Streber, für welche die Juden nur ein Mittel zum Ziele bilden.



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Gegen den jüdischen Jargon haben die Polen nie angekämpft, es ist ihnen nie eingefallen, in ihm eine Gefahr für ihre Sprache zu sehen. Manche Polen mögen ihn gern, manche dagegen finden ihn lächerlich und abgeschmackt. Keiner aber hasst ihn so sehr, wie die — Juden in Deutschland es tun. Von nun ab werden die Polen anfangen, in ihm das Mordinstrument zu sehen, mit dessen Hilfe die Deutschen die polnische Sprache austilgen sollen. In jedem Jargon redenden Juden werden sie einen verkappten Blutfeind sehen, der auf das Verderben des Landes lauert. Die Juden selber werden anfangen, ihn zu hassen, sie werden ihn, wie ehemals die Juden in Italien und Deutschland den gelben Fleck an der Brust, als ein Mal empfinden, welches sie aller Welt als verdächtige, minderwertige Fremde kennzeichnet. Jeder Jude, der sich nicht der heftigsten Feindschaft aussetzen will, wird sich hüten, Jargon zu reden, denn am Ende ist jedem das Hemd näher als der Rock. Man will doch nicht von seinen Landsleuten als Landesfeind beargwöhnt werden. Aus demselben Grund wird sich der gebildete Jude hüten müssen. Deutsch zu reden. Denn er wird den Polen nicht wie ein Landsmann erscheinen, der eine fremde Sprache spricht, weil sie ihm besonders lieb und geläufig ist, wie dies Tausende Polen auch tun, sondern als ein Vertreter der „germanischen Idee“, als einer, dessen sich fremder Einfluss zum Schaden der Landesbevölkerung jeder Zeit zu seinen Zwecken bedienen, kann. Es ist leicht, sich die Lage der Juden unter solchen Umständen auszumalen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die polnische Judenfrage