Wert- und Preisbewegung.

Der Güterumsatz im ganzen ist ein Tauschverkehr von Gütern mit Rücksicht auf ihre Verwendbarkeit für ein gegebenes Bedürfnis und ihre Erreichbarkeit als Ergebnis des Produktionsprozesses. Dass der Umsatz im einzelnen nicht unmittelbar als Tausch, sondern durch Benutzung des allgemeinen gesetzlich hierfür bestimmten Umsatzmittels, des Bargeldes und seiner Repräsentanten zur Ausführung gelangt, und sogar im Falle der Unzulänglichkeit dieses Vermittlers Schaden leidet, ändert nichts an dem Grundcharakter der Umsatzbewegung. Käufer und Verkäufer haben die vorerwähnten beiden Punkte, das Nutzungsinteresse und den Produktionsaufwand in Berechnung zu ziehen, wobei der erstere mehr das Nutzungsinteresse, der letztere mehr den Produktionsaufwand in Betracht nimmt. Der Wert, den jeder auf Grund seines Willens und seiner Erkenntnis dem einzelnen Gegenstand beilegt, ist nur eine Vorstellung, ein rein subjektiver Vorgang wobei sich im freien Willen die einzelnen subjektiven Wertermittlungen nur im gegenseitigen Verhältnis gruppieren, so dass alle Wertvorstellungen nur relative Bedeutung haben 13). Ihre objektive Verkörperung finden die Werte erst in dem Preis, d. h. dem auf Grund einer Vereinbarung zwischen Käufer und Verkäufer durch den Umsatz tatsächlich realisierten Werte.

Insoweit eine Wertvorstellung nicht in einem Preise ihre Verwirklichung finden kann, bleibt sie eine unbrauchbare Idee. Je häufiger die Einigung der widersprechenden Interessen für denselben Gegenstand auf einen bestimmten Preis erfolgt, desto mehr wird derselbe ein Maßstab für die Wertvorstellungen und ein Beharrungspunkt, nicht nur bei den Gegenständen, die unmittelbar in den Genuss übergehen, sondern auch bei den noch zur weiteren Verarbeitung im Produktionsprozess bestimmten Vorprodukten, über deren Gesamtwert erst am Ende dieses Prozesses im Preise des Ganzproduktes endgültige Entscheidung getroffen wird.


Trotz dieser Rückwirkung der Preise auf künftige Wertschätzungen ist der Preis doch nur ein für einen Augenblick fixierter Ausgleichspunkt. Die aus den äußersten Extremen — Not und Verschwendung — und den vielen Zwischenstufen entstehenden Werturteile der Konsumenten ringen mit denjenigen der Produzenten, und der sich hieraus entwickelnde Preis bildet den Anziehungspunkt, nach dem die Einzelgeschäfte mehr oder minder gravitieren.

Der Stärkere ist leichter in der Lage, seine Wertvorstellung nicht unterzuordnen. Mit solchen zunächst vereinzelten Abweichungen beginnt die Gegenströmung, die auf einen neuen Preissatz hinarbeitet. So entsteht aus Millionen selbständiger Einschätzungen ein organisch selbsttätiger Wertbildungsprozess und durch die Vervollkommnung des Werturteils im Einzelnen wird eine vernünftige Preisentwicklung im ganzen erzielt. Allerdings kommen auch Störungen dazwischen (Ausschreitungen der Spekulation, Mängel bei den Umlaufsmitteln, außerordentliche Ereignisse); sie müssen sich aber ausgleichen, wenn das Ganze gesund ist.

Jeder Versuch, an Stelle dieses äußerst feinen Räderwerkes, das durch die individuelle Vernunft im Gang gehalten wird und die individuelle Einsicht belohnt, eine kommunistische Zwangsregulierung zu setzen, wäre ebenso haltlos, wie die zahlreichen Theorien, die gerade auf diesem Gebiete besonders stark wuchern, und entweder nur die Nützlichkeit oder nur die Kosten, speziell den Arbeitsaufwand als Wertbildner anerkennen wollen. Wären alle Güter mit dem gleichen Arbeitsaufwand erreichbar, dann würde das Nützlichkeitsinteresse allein den Wert bestimmen; da aber die Schwierigkeiten der Produktion bei einem Gegenstande groß, bei einem anderen gering sind, muss bei gleichbleibendem Nutzungsinteresse der Wert größer oder geringer sein.

Weit bedenklicher ist die den Ausgangspunkt der sozialistischen Lehre vom Werte bildende Kostentheorie, wonach die Güter einen Wert nur hätten, weil ihre Herstellung einen Produktionsaufwand erfordere, ihr Besitz einen solchen erspare und ihr Verlust den Wiederherstellungsaufwand notwendig mache. Hier wird die Verschiedenartigkeit der Stellung des Besitzes und Nichtbesitzes innerhalb der Produktion in den Vordergrund geschoben — ein interner Vorgang — dagegen verschwiegen, dass Gegenstände von ganz gleichem Produktions-Aufwand doch verschiedenen Wert wegen ihres Nutzungsinteresses haben, ohne welches die Produktion überhaupt keinen Zweck hätte. Die geringste Nutzungseigenschaft eines Gegenstandes für die unbedeutendste wirtschaftliche Absicht genügt zur Wertbildung, die aber ohne diese Voraussetzung nicht denkbar ist.

Gleiches gilt in bezug auf eine Abart der Kostentheorie, die Lehre, dass die Arbeitszeit d. h. die Menge geleisteter gesellschaftlich notwendiger Arbeit die absolute Grundlage des Wertes sei. Abgesehen davon, dass die Arbeit nur einen Teil des Produktionsaufwandes bildet, wird die Arbeitsmühe nur durch ein bestimmtes Nutzungsinteresse veranlasst; das Bedürfnis ist der Grund der Arbeit und trotz gleichem Arbeitsaufwand haben die Produkte ungleichen Wert. In dem Zugeständnis der Arbeitstheorie, dass nur die „gesellschaftlich notwendige“ Arbeit in Betracht komme, liegt die Anerkennung, dass die Verausgabung der Arbeitskraft nicht die gemeinsame Größe für den Austausch zweier Gegenstände ist, vielmehr der Beimessung eines Nutzungsinteresses bedarf.

Wie vernünftig gegliedert, überall hin ausgleichend, den einzelnen zum einsichtsvollen Handeln anspornend, und bei Missbräuche das Ganze warnend diese auf der persönlichen Freiheit beruhende Wertregulierung ist, möge der Einblick in einige wichtigere Vorgänge dartun.

Der Wertschätzung wird die Gütereinheit in einem bestimmten Maß- oder Gewichtsausdruck zu Grunde gelegt. Die größere Menge hat jedoch nicht stets den nach der Summe der Einheiten sich ergebenden Wert; sie kann selbständig eine größere oder geringere Nutzungseigenschaft haben; ersteres in Folge der Machtkonzentrierung, letzteres in Folge größerer Dringlichkeit des Absatzes.

Nach den Gattungen, denen die Gegenstände in Bezug auf die Bedürfnisse (Nahrung, Kleidung, Wohnung u. s. w.) angehören 14), vollzieht sich die Wertbewegung in folgenden Grenzen: Höchster Wichtigkeitsgrad des Nutzungsinteresses mit größter Schwierigkeit der Produktion — oberste Grenze; Geringster Grad des Nutzungsinteresses mit leichtester Produktion — unterster Punkt.

Hiernach werden unter den Gütern mit gleichem Genusszweck die mit dem geringeren Aufwand herstellbaren beim Genuss bevorzugt, die übrigen dagegen nur sparsam verwendet. Es ist unwirtschaftlich, mit großem Aufwand entbehrliche Güter herzustellen, dagegen wirtschaftlich, wichtige Güter, die nur geringen Aufwand erfordern, in großen Mengen zu produzieren. Bei Gegenständen, die mehreren Bedürfnisgattungen dienen können, müssen im Falle hoher Produktionskosten die geringeren Verwendungszwecke ausscheiden, während bei leichter Erreichbarkeit auch die minderwichtigen Nutzungsinteressen mit zur Geltung kommen können.

Mit anderen Worten: Die Wertbewegung wird entlastet von einer nachteiligen Beeinflussung seitens der schwer erreichbaren Güter durch die Minderung des Nutzungsinteresses an diesen und seitens der wichtigeren Nutzungsinteressen dadurch, dass alle Gegenstände, die den letzteren zu dienen geeignet sind, sich in deren Dienst stellen. So führt die persönliche Freiheit vermittelst der Gattungen zu einem selbsttätigen Wertausgleich, infolge dessen trotz aller Preisschwankungen sich über kurz oder lang ein vernünftiges Wertverhältnis von selbst wiederherstellt.

Nicht minder interessant ist, dass gleichwie die einzelnen Produktionsstufen von der Rohstoffgewinnung an über die Halb- und Ganzfabrikation hinweg bis zum Genuss einen einheitlichen Prozess bilden, auch die in dieser Kette gezahlten Teilpreise zwar privatrechtliche Wertabfindungen, wirtschaftlich aber nur schätzungsweise ermittelte Vorausbezahlungen auf den beim Konsum zur Erscheinung kommenden Schlusspreis sind. Werden durch diesen die vorhergegangenen Abfindungen als zu hoch oder zu niedrig befunden, so werden sich alsbald bei allen Teilabfindungen die Wertvorstellungen entsprechend zu berichtigen suchen. Gleiche Verhältnisse spielen sich auch zwischen den verschiedenen Produktionszweigen ab. Und die Folge? Diese organische Wechselwirkung im Kreislauf der Wertbewegung drängt auf Stetigkeit und Regelmäßigkeit, tritt der egoistischen Tendenz, billig zu kaufen und teuer zu verkaufen, entgegen und charakterisiert Koalitionen von Teilproduzenten oder einzelner Produktionszweige behufs künstlicher Steigerung ihrer Preise als einen Missbrauch, dem nicht nur der freie Verkehr, sondern bei starker Rückwirkung auf das Ganze namentlich in internationaler Beziehung auch die Wirtschaftspolitik kräftig entgegentreten muss.

Das Lebenselement der Wertbewegung ist der freie Wettbewerb, und der Missbrauch dieser unentbehrlichen Kraft liegt gerade darin, ihre Freiheit zu beschränken oder zu schädigen.

Auch hier gilt es zunächst eine Theorie: „Der Preis der Produkte wird durch Angebot und Nachfrage bestimmt, und im Wege der freien Konkurrenz am freien Markt am besten geregelt“ als teils nichtssagend, teils zu weit gehend auszuschalten.

Angebot und Nachfrage sind nur die äußeren Formen für den Einfluss der Menge auf die Wertbewegung; entscheidend sind die Ursachen und Wirkungen der Mengenbildung. Unzweifelhaft kann in der modernen Volkswirtschaft noch mehr wie früher in den einzelnen Zweigen und Stufen der Produktion die Mengengruppierung zu sprungweisen und schädlichen Wertveränderungen Anlass geben, aber die Vielgestaltigkeit und Beweglichkeit der Produktion und des Verbrauchs in Verbindung mit der Ausdehnung und Leichtigkeit des Verkehrs werden solche Störungen schneller als früher überwinden. Im ganzen muss dieser Ausgleichungsprozess, abgesehen von allgemeinen Krisen — worüber nähere Erörterungen folgen — sich um so nachhaltiger vollziehen, als sich Angebot und Nachfrage bei der großen Menge derjenigen vollziehen, die zugleich Produzenten und Konsumenten sind, der Einseitigkeit sonach eine natürliche Grenze in dem Selbstinteresse der Produzenten als Konsumenten und umgekehrt gezogen ist. Erhalten sie schlechte Preise als Produzenten, ist auch ihre Kaufkraft als Konsumenten geschwächt.

In der Tat liegen die Gefahren der freien Konkurrenz für die Wertbildung nicht in dem Wettbewerb bei gleichen, sondern bei ungleichen Produktionsbedingungen. Wenn der Kleinbetrieb auch da, wo er die technisch zweckmäßigere Form ist, durch kapitalistische Großorganisationen bedrängt wird, wenn verwegene und unsolide Spekulation das reelle Geschäft erschwert, oder eine wilde internationale Konkurrenz Länder mit geringer Kulturstufe und Lebenshaltung, mit billigen Arbeitskräften und Löhnen an Stelle höherer Kulturländer zu setzen sucht, dann ist der freie Wettbewerb durch Schrankenlosigkeit bedroht und eine Grenze erforderlich, um zu verhindern, dass das Schlechte der Hammer, das Gute der Amboss wird.

Im Vordergrund steht die Abwehr der unlauteren Konkurrenz im weitesten Umfange und mit den schärfsten Mitteln. Nicht darum, ob eine Ware gut oder schlecht, nützlich oder unnütz ist, sondern ob sie im Verkehr als das ausgegeben wird, was sie wirklich ist, um die Quintessenz des Geschäftes, Vertrauen und Ehrlichkeit handelt es sich. Gegen die Welt des Scheins und Schwindels helfen nicht kasuistische Rechtsformeln; vielmehr sind freie den wechselnden Verhältnissen sich anpassende Sprüche von Sachverständigen auf der Grundlage breiter Öffentlichkeit nötig, sowie strenge Haftung für die vorsätzliche in der Ausübung eines formalen Rechts gegen die guten Sitten verstoßende Schädigung anderer. Im übrigen haben Staat und Gemeinde in ihren öffentlichen Einrichtungen, namentlich auf dem für die Wert- und Preisbewegung sehr wichtigen Gebiete des Verkehrswesens, reichliche Mittel, um die Konkurrenzfähigkeit der Schwächeren zu schützen, der Unterbindung der Konkurrenz durch Preismonopole entgegenzutreten, und das nationale Gesamtinteresse gegen die ausländische Konkurrenz zu wahren. Berechtigt ist weitgehende Rücksichtnahme auf bestehende mit der Preisbewegung verknüpfte Interessen, und nützlich sind die Bestrebungen zur Bekämpfung des Preisschleuderns mittelst fester Vereinbarungen über Absatzgebiet, Marktorganisation, Submissionsverfahren, Minimalpreis u. s. w., solange sie sich vom unmittelbaren oder mittelbaren Zwang fernhalten. Das zu Recht Bestehende hat Anspruch auf Anerkennung; aber niemand kann verlangen, dass der Zuwachs ihm allein gebühre, und durch neue Konkurrenz nicht geschmälert werden dürfe, oder dass sein Besitzwert vor dem Einfluss neuen Wettbewerbs privilegiert werde 15).

Gibt es in der Wert- und Preisbewegung einen festen Punkt? Einige sagen: Die Arbeitszeit. Diese ist jedoch wegen der Verschiedenheit der Arbeitsqualität kein einheitlicher, sondern ein in der Tarifierung schwankender Begriff. Andere suchen ihn im Geldwert. Dieser gibt aber nur das Wertverhältnis an, in dem ein Gegenstand zu allen übrigen steht, während die Werte sich untereinander abgleichen. Das Metallgeld hat allerdings einen eigenen gleichfalls von Erreichbarkeit und Verwendungszweck — dem ihm vom Staate als Privilegium überwiesenen Dienst des Umlaufsmittels — abhängigen Wert. Nur soweit dieser Vermittlerdienst es erheischt, und das Privileg des Staates wirkt, spielt der Geldwert eine besondere Rolle. Fällt dieses Privileg, das jedermann zur Annahme des Metallgeldes mit einem festen Wertsatz verpflichtet, so hat letzteres statt einem Monopolpreis nur den einfachen schwankenden Metall wert, und ob dieses Privileg für die Ewigkeit eine Notwendigkeit ist, bleibt eine offene Frage.

Die einzige unabhängig von dem menschlichen Willen für alle Zeiten in die Wertbewegung eingreifende Macht bleibt der unentbehrliche Bedürfnisstand der Menschen. Hier tritt die Pflicht der Selbsterhaltung als natürliche Schranke der persönlichen Freiheit ein; die größere oder geringere Schwierigkeit der Produktion ist bei dem Unentbehrlichen der einzige Bestimmungsgrund des Wertes, der Verwendungszweck steht unter dem Druck der Notwendigkeit und ist nicht frei. Es muss hier bei Vermehrung der Produktionskosten eine Werterhöhung eintreten, weil der Konsum nicht fallen kann. Der Wert auf dem Punkte der Unentbehrlichkeit ist also eine absolute Größe insofern, als den unentbehrlichen Produkten gegenüber alle sonstigen Produkte wertlos sind, und ihre Herstellung gleichgültig ist.

Hier tritt die hohe Bedeutung der heimischen Produktion der Rohstoffe für die Nahrungsmittel klar hervor. Wenn infolge des günstigen Ernteausfalls der unentbehrlichen Nahrungsmittel der zur Gewinnung des unentbehrlichen Tagesbedarfs notwendige Aufwand an Arbeitszeit von l 1/4 auf 1 fällt, sonach mit dem bisherigen Produktionsaufwand von 1 1/4 mehr oder bessere Gütereinheiten erzielt werden können, so können bei sonst gleichbleibenden Verhältnissen auch bei den minder dringenden Artikeln allgemeinen Bedarfs die Preise ohne Verminderung des Tagelohns sinken.

Das Gleiche ist der Fall, wenn ohne Schädigung des bisherigen Ertrages eine Minderung der Arbeitszeit bei gleichem Lohn infolge der technischen Vervollkommnung der Produktionsmethoden erfolgen kann. Diese Rückwirkung des festen Punktes auf die Wert- und Preisbewegung ist um so eingreifender, je mehr infolge der Kulturentwicklung Zahl und Umfang der für die unentbehrliche Lebenshaltung notwendigen Gegenstände wachsen.

Es ergibt sich hieraus, dass die natürliche Entwicklung beim Sinken der Preise nicht auch einen Rückgang der Löhne erheischt, und dass es verwerflich ist, im übrigen in künstlicher Weise billige Preise durch Lohndruck zu erstreben. Es ist ein aus der falschen Isolierung der Konsuminteressen entspringender Trugschluss, prinzipiell auf einen niedrigen Preisstand hinzuarbeiten. Ein niedriger Preisstand ist nutzlos, wenn auch die Löhne niedrig stehen. Er kommt überwiegend der Kauf- und Vermehrungskraft des Geldkapitalbesitzes zu Gute, zumal in dem Überwälzungsprozess, den jeder Preisrückgang zur Folge hat, der Schwächere zumeist den Kürzeren zieht. Die Wert- und Preisbewegung wird ihre Aufgabe, die Produktions- und Konsuminteressen in tunlichster Regelmäßigkeit auszugleichen, am besten erfüllen, wenn Missbräuche mit Nachdruck beseitigt und die allgemeinen öffentlichen Organisationen im besten Stande gehalten werden, von jeder künstlichen Nachhilfe aber abgesehen wird.