Die wirtschaftlichen Vereinigungen.

„Das Wesen einer Vereinigung bleibt eine Verletzung des gemeinschaftlichen und eine Hervorkehrung des einseitigen Interesses“ (Scharnhorst). Dieser Satz klingt paradox im modernen Zeitalter der wirtschaftlichen Vereinigungen jeglicher Art und dennoch trifft er auch heute noch für manche Koalitionsbestrebungen den Kern der Beziehungen zwischen persönlicher Freiheit, Vereinigung und Staat. Die wirtschaftlichen Vereinigungen sind Gruppen lebensfähiger Gattungen unter Gleichgesinnten und Gleichstrebenden, verschieden nach Zweck, Form und Ausdehnung. In dem auf freier Erkenntnis beruhenden gleichen Interesse der Unterordnung beruht ihre prinzipielle Verschiedenheit gegenüber den sozialistischen Bestrebungen auf Zusammenballung ungleicher Interessen durch Zwang. Mit der Stärkung der Individualkraft und der Ergänzung der Selbsthilfe tritt ein durch vereinte Kraft gestärkter Egoismus in Tätigkeit, der überaus segensreich wirken, aber durch Häufung der Konflikte, durch Uebermacht und Monopolgelüste auch eine Gefahr für die persönliche Freiheit der übrigen und für die Schwächung des Staates als Beschützer der persönlichen Freiheit aller werden kann. Die wirtschaftliche Vereinigung kann Arznei und Gift, Fortschritt und Rückschritt sein; jedenfalls ist es eine Verirrung, das Gesellschaftsprinzip, das für den einzelnen vielfach eine Durchgangsstufe bildet, Mutlose nicht in Willensstarke verwandelt und im Unglück häufig versagt, als Seele des ganzen Wirtschaftslebens zu betrachten, eine genossenschaftliche Wirtschaftsordnung als Endziel anzustreben.

Von vornherein stehen außer Diskussion die Berufs- und alle sonstigen Vereinigungen, die nur die Förderung der gemeinschaftlichen wirtschaftlichen Interessen auf dem Gebiete der Produktion und Konsumtion, die Hebung der Kredit-, Spar- und Leistungsfähigkeit der Mitglieder ohne Eingriff in ihre Selbständigkeit bezwecken. Ihr Nutzen liegt auf der Hand; die korporative Berufsgliederung ist wie das gesamte, die freie Tätigkeit der Mitglieder fördernde Genossenschaftswesen auf dem großen Arbeitsfeld und bei den wechselnden Konjunkturen der modernen Volkswirtschaft als Stütze des einzelnen eine unbedingte Notwendigkeit. Nur darf das Vertrauen auf die Hilfe anderer nicht an Stelle des eigenen Vertrauens treten, die Genossenschaftskasse nicht Notstandskasse werden. Dass alle Mitglieder einer Genossenschaft gleiche Rechte und Pflichten haben, ist nicht erforderlich. Ihre Lebensfähigkeit im einzelnen hängt davon ab, dass den Mitgliedern die Kontrolle möglich ist, die Tüchtigen die Führung haben, das Interesse der Minderheit geschützt, der Teilnahmslosigkeit der Mitglieder entgegengetreten und die Konzentrierung auf den Geld-Vorteil nicht als alleinige Aufgabe behandelt wird. Soweit sich die Genossen persönlich übersehen können ist unbeschränkte Haftung, in allen anderen Fällen beschränkte Haftung am Platze. Im übrigen tritt der in früheren Zeiten in den Vordergrund gestellte Erziehungszweck im Interesse der Selbsthilfe nunmehr gegen die Sicherheitsfrage in den Hintergrund.


Andere Gesichtspunkte kommen für den Staat und die persönliche Freiheit, die im Staate ihren Beschützer suchen muss, bei den Koalitionen in Betracht, deren Zweck auf den Kampf mit den gegenüberstehenden Interessen gerichtet ist, z. B. den Unternehmer- und Arbeiterkoalitionen für die Austragung der Streitpunkte über Arbeitsbedingungen, Lohnverhältnisse u. s. w. Selbstredend ist derartigen Vereinigungen auf wirtschaftlichem Gebiete freie Bahn zu lassen. Aber die Möglichkeit besteht, dass durch Druck auf die außerhalb der Koalition Stehenden die persönliche Freiheit dieser verletzt, durch Gesetzumgehungen oder Verquickung mit politischen Bestrebungen und Hereinziehung internationaler Einflüsse das Interesse des Staates in Mitleidenschaft gezogen und zum Eingreifen sei es auf wirtschaftlichem Gebiete oder durch Handhabung der Befugnisse zur Wahrung der öffentlichen Ordnung in mehr oder minder großem Umfange veranlasst wird. Immerhin beziehen diese Koalitionen sich in der Hauptsache auf Spannungen vorübergehender Art, die nur Spezialinteressen einzelner Kreise, aber nicht die Grundlagen des Ganzen berühren.

Weit tiefer gehende Bedeutung kommt der mit den technischen Fortschritten in Kraft-, Raum- und Zeitausnutzung im engen Zusammenhang stehenden Tendenz zu, durch Bildung großer, kapitalkräftiger Unternehmervereinigungen Produktion, Lohn und Preisbewegung, sowie die vielgestaltigen Verzweigungen des Handels auf dem Wege privater Selbsthilfe von dem Widerstreit der Einzelinteressen unter sich loszulösen und in eine festgegliederte gemeinsame Interessenorganisation zu bringen. Sind diese großen Syndikate und Kartelle nicht Gesellschaftsformen, die durch Schaffung leistungsfähiger Zentralpunkte an Stelle der zersplitterten und kurzsichtigen Tätigkeit der Einzelunternehmer Ordnung in die Produktion bringen, Lebensfähiges erhalten, Minderwertiges verdrängen und die Zügellosigkeit des Wettbewerbs bekämpfen können, ohne sein Wesen zu zerstören? Sind sie nicht in der Lage, auf nationalem und internationalem Gebiete die Produktion zu ordnen und dahin zu verlegen, wo sie nach der Entwicklung der Technik die natürlichsten und rentabelsten Vorbedingungen findet, und der schlimmen Neigung entgegenzuarbeiten, den Rückgang des Gewinns an der Gütereinheit durch unrentable Steigerung der Mengenerzeugung, Verschlechterung der Qualität und Waghalsigkeit der Spekulation auszugleichen?

Dass die technischen Umwälzungen zunächst von dem privaten Unternehmungsgeist in ihren äußersten Konsequenzen nutzbar gemacht werden, ist die berechtigte Konsequenz der auf der persönlichen Freiheit beruhenden Wirtschaftsordnung. Ebensowenig ist zu bestreiten, dass die dem gegenwärtigen Stande der Technik angepassten Großassoziationen überflüssigen und nutzlosen Kräfteaufwand beseitigen, die produktive Tätigkeit steigern, sonst nicht ausführbare Großunternehmungen, für die vereinzelte Kräfte nicht genügen, verwirklichen, die Stabilität der wirtschaftlichen Verhältnisse durch Verringerung der Krisengefahr befestigen und zu einer Besserung der Einkommensverteilung und Arbeitsbedingungen führen können.

Aber auch das Gegenteil ist möglich, die Schattenseite des Egoismus, der kapitalistische Missbrauch, die Übermacht der Stärkeren und so bleibt die Frage übrig: Besteht ein Staat im Staate? Ist in und neben der Vereinigung im Grossen auch die persönliche Freiheit im Grossen und Kleinen gewahrt? Beispielsweise: in dem weit verzweigten Produktionsprozess der Eisenindustrie können durch Syndikate und Kartelle die Unternehmungen der Rohstofferzeugung (Kohlen und Erze) unter sich die Produktion regeln, ferner mit den Unternehmungen der Ganzfabrikation sich über die Produktionsordnung einigen und den Zwischenstufen der Halbfabrikation, sowie den Hilfszweigen die Einfügung ihrer Betriebe in diese wirtschaftliche Zusammenfassung des technisch in sich geschlossenen Produktionsprozesses erleichtern. Eine derartige Vereinheitlichung kann sozialen und wirtschaftlichen Nutzen bringen, Produktionsordner im nationalen und internationalen Verkehr werden, sofern sie sich in den Grenzen der technischen Notwendigkeit hält, gerecht und gut geleitet wird und den Arbeiterverhältnissen zu gute kommt. Ist das Gegenteil der Fall, wird der Zusammenbruch einer solchen Vereinigung eine Erlösung sein. Hier tritt am schärfsten die Notwendigkeit hervor, zu prüfen, ob nicht der eingangs erwähnte Satz zutrifft und ein Einschreiten des Staates geboten ist.

Die persönliche Freiheit kann nie die Ausnutzung eines technischen Fortschritts verhindern, aber beanspruchen, dass hierdurch ihre Existenzbedingungen nicht verschlechtert, vielmehr verbessert werden. Der einzelne hat keinen Anspruch auf eine bestimmte Tätigkeit; aber die Güte der Wirtschaftsordnung im ganzen muss jedem eine Stütze für sein Streben bieten.

Die Hauptgefahr der Vereinigungen im Großen liegt in ihrer geldkapitalistischen Ausbeutung, in dem wachsenden Einfluss der Stärkeren gegenüber den Schwächeren innerhalb der Vereinigung, in der rücksichtslosen Bekämpfung der außen Bleibenden (Koalitionszwang) und in der Unterdrückung der Minderheit. Demgegenüber muss der Staat gegen jede Ringbildung, die nur einseitigen Kapitalinteressen dient und nicht zu einer besseren Einkommensverteilung, sei es durch Ordnung und Steigerung der produktiven Tätigkeit oder Verbesserung der Arbeitsbedingungen führt, Stellung nehmen und gegen einseitige Interessenschöpfungen der Mehrheit die Minderheit schützen. Dass betrügerischen und schwindelhaften Unternehmungen gegenüber ein wirksames Strafrecht einschreiten muss, liegt auf der Hand.

Besonders verderblich ist die Vereinigung des Geldkapitals zum Eingriff in die Produktion aus vorübergehendem Spekulationsinteresse ohne Rücksicht auf die Solidität und Dauerhaftigkeit des Betriebes. Derartige auf raschen Gewinn im Grossen berechnete Tagesgründungen sind der gefährlichste Gegner regelmäßiger Mittel- und Kleinbetriebe; sie erschweren ihnen die Rentabilität und die Möglichkeit, sich an der Kapitalansammlung im Kleinen, diesem Lebenselement einer befriedigenden Gesamtlage, zu beteiligen. Im übrigen hat das öffentliche Recht nicht die Aufgabe, zu bestimmen, was die wirtschaftlichen Vereinigungen tun sollen, sondern soll bestimmen, was sie nicht tun dürfen; es soll die Grenzen zur Wahrung der Konkurrenzfreiheit, der Bewegungskraft aller Dinge und Beschützerin des Konsums ziehen und Garantien gegen Übervorteilung und Täuschung verlangen. Zunächst ist weitgehende Öffentlichkeit über Zweck und Geschäftsführung (mit Ausnahme der geheim zu haltenden technischen Einrichtungen und Verfahrungsweisen), ferner eine Aufsicht hinsichtlich der wirklichen Ausführung gesetzlicher Bestimmungen erforderlich. Die Handhaben gegen Missbrauch liegen auf dem Gebiete der Handels- und Verkehrs-, Steuer- und Zollpolitik, auf letzterem namentlich, soweit es sich um die internationalen Beziehungen handelt, die unter Umständen bei kapitalmächtigen internationalen Kartellen die auswärtige Wirtschaftspolitik der Staaten stark durchkreuzen können. Die größte, wenngleich nur vorübergehende Gefahr bringen internationale Riesentrusts, die durch außergewöhnliche Spekulations- und Kapitalskraft einzelner Persönlichkeiten zum Teil mit fiktiven Werten veranlasst sind und mit diesen Gründern stehen und fallen. Im übrigen ist jeweils nach den gegebenen Verhältnissen zu prüfen, inwieweit dem Gesetz der großen Zahlen als Ausgleich vielgestaltiger Risiken Schranken gezogen werden müssen, ohne Zwergorganisationen oder Mittelmäßigkeit zu begünstigen. Je nach der weiteren Entwicklung können manche Einrichtungen früherer Wirtschaftsperioden, die beseitigt werden mussten, weil ihre Formen sich überlebt hatten, in neuen den modernen Organisationen entsprechenden Arten wieder zur Geltung kommen.