Die persönliche Freiheit in der Gütererzeugung.

In der Produktionsbewegung sind zwei treibende Kräfte zu unterscheiden: die technische und die wirtschaftliche. Die Wirkungen der technischen Kraft sind derart zwingend, dass sich in jeder Wirtschaftsordnung, auch in der kommunistischen, die wirtschaftlichen Einrichtungen fügen und einordnen müssen. Die Scheidung der Produktion in berufsmäßige Stufen (Rohstoffgewinnung, Gewerbe und Handel) in Zweige nach den Rohstoffen (Metall-, Textil-, Holz-, Lederindustrie u. s. w.) in Groß- und Kleinbetriebe ist eine Folge der technischen Entwicklung.

Selbst die radikalste Tat der modernen Volkswirtschaft, die Ersetzung der früheren geschlossenen Arbeitsfamilie mit einheitlichem Schaffen und Genuss in die getrennte Einzelberufs Wirtschaft mit den großen Problemen der Umsatzvermittlung, Wertbewegung und Einkommensverteilung ist durch die technische Umwälzung der Produktionsweisen und Methoden veranlasst. Anderseits ist die Technik aber auch wieder das Band, das trotz dieser äußeren Teilung den ganzen Produktionsprozess zu einem einheitlichen Vorgang vereinigt, in dem keine Stufe ihren Zweck ohne die anderen erfüllen kann. Alle sind solidarisch von der Rohstoffgewinnung an, bis zur Überleitung an die Genussstelle 4).


Auf diese Feststellung, dass in der Produktionsordnung die technische Meisterschaft, die auch den kleinsten Vorteil dem Ganzen zu Gute kommen lässt, das entscheidende Stichwort gibt, ist um deswillen besonderes Gewicht zu legen, weil an einem technisch vollkommenen Aufbau kein Wirtschaftssystem rütteln kann, und gerade für die technischen Fortschritte die aus der persönlichen Freiheit und nicht durch ein Machtwort sich entwickelnde Tüchtigkeit im einzelnen allein bestimmend ist.

Die wirtschaftliche Auseinandersetzung beginnt für den einzelnen mit dem Fragezeichen, inwieweit er für sein Schaffen und seine Interessen eine Vergütung aus dem allgemeinen Abrechnungs- und Austauschverkehr erhält, dessen Gerechtigkeit sich in der Wertbewegung und Einkommensverteilung erprobt. Zu diesem Zwecke wird die Wertbedeutung jedes Produktionsaktes in unzähligen Einzelformen besonders festgestellt, und trotz seiner Unvollendung wird das Teilgut (z. B. der Rohstoff, das Halbfabrikat) zum Gegenstand individuellen Eigentums. In Wirklichkeit ist es aber nur ein Anteil an einem bis zum Übergang in den Genuss sich hinziehenden einheitlichen Produktionsprozess. Sein Wert ist zwar privatrechtlich der Gegenstand endgültiger Abmachung, in Wirklichkeit aber nur eine mehr oder minder sicher berechnete Abfindung auf den sich am Schlusse des Produktionsprozesses herausstellenden Gesamtwert — ein ausgeschiedener Teil einer einheitlichen Wertentwicklung.

Aus diesem inneren Zusammenhang und der gegenseitigen Wechselwirkung der Produktion ergibt sich die Notwendigkeit eines planmäßigen Ineinandergreifens aller Einzelkräfte gleich dem Räderwerk einer kunstvollen Maschine. Der allgemeine Richtpunkt dieser Produktionsordnung ist der wirtschaftliche Nutzen, nicht im einseitigen Unternehmerinteresse, sondern im gegenseitigen Verhältnis, d. h. die allgemeine wirtschaftliche Zweckmäßigkeit, und die Seele des Ganzen ist die selbstverantwortliche persönliche Freiheit des einzelnen.

Hier liegt die entscheidende Frage, ob als Regulator der Produktions-, Wert- und Einkommensbewegung die persönliche Freiheit gestützt auf die Tatkraft und Verantwortlichkeit des einzelnen besser ist, oder ein Bevormundungssystem gleichviel ob es als Staatssozialismus von oben, oder als Kommunismus von unten kommt. Dass große Missbräuche und Schwierigkeiten auch bei dem System der persönlichen Freiheit als Produktionsordner möglich sind, und es noch großer Errungenschaften bedarf, um dieselben einzuengen, ist unzweifelhaft. Ebenso sicher ist aber auch, dass, wenn die Regulierung der Produktion im ganzen sich aus der freien Regung und inneren Kraft der einzelnen vollzieht, die Krisengefahren geringer sind, als wenn die Zufallsweisheit kleiner Kreise oder der Wankelmut der Menge diktatorisch eingreift. Im ersteren Falle handelt es sich um eine organisch tätige Gliederung, in letzterem um eine mechanische Einrichtung.

Bei den vielgestaltigen Fragen, die für eine regelmäßige Produktionsordnung in Betracht kommen, stehen zwei Hauptgruppen in dem Vordergrund. Zunächst die Frage der Beziehungen der heimischen nationalen Produktion zum internationalen Markte, und sodann die Frage der Verteilung der Produktion auf große, mittlere und kleine Betriebe.

Für das Verhältnis zwischen nationaler und internationaler Produktion gelten folgende 3 Grundsätze.

a) Der innere Markt muss das Rückgrat des Ganzen bilden mit der Maßgabe, dass unbeschadet der Gleichberechtigung aller nützlichen Leistungen ein Land diejenigen Produktionen bevorzugt, für die ihm die günstigsten natürlichen Vorbedingungen sei es in stofflicher oder in persönlicher Beziehung zustehen;

b) in internationaler Richtung ist auf die Ausnutzung neuer oder offenwerdender Konjunkturen und auf langfristige Sicherstellung in bezug auf die Zölle des Auslandes besonderer Wert zu legen;

c) in keinem Falle ist alles auf wenige Konten zu setzen, vielmehr empfiehlt es sich, stets mehrere Eisen im Feuer zu haben.

Jedes Bestreben, einen Agrar-, Industrie- oder Handelsstaat einseitig auf Kosten von Minderheiten über die natürlichen Grundlagen hinaus zu bilden, ist verderblich. Indessen muss jede Produktionsordnung die Entwicklung der heimischen Rohstoffproduktion soweit möglich derart anstreben, dass der Überschuss dieser Produkte über den eigenen Bedarf dazu dienen kann, die dem Lande fehlenden Rohstoffe vom Ausland günstig einzutauschen. Ein Land, das hinsichtlich der Rohstoffe vom Ausland im ganzen abhängig bleibt, muss diese Verbindlichkeit durch vermehrte Arbeit in Industrie und Handel ausgleichen. Besonderes Augenmerk ist auf die Bodenkultur für unentbehrliche Rohstoffe zu legen, da bei einer Versteifung des internationalen Marktes das Land mit Fehlbetrag sich lästigen Bedingungen des Auslandes unterwerfen muss — ein Gesichtspunkt, der zu gunsten der Kolonialpolitik spricht.

Im übrigen sollen die Berufe nicht gegen oder über, sondern nebeneinander wirken, und nie außer Acht lassen, dass sie durch ein gemeinsames nationales Wirtschaftsinteresse verbunden sind, dessen Schädigung an einer Stelle über kurz oder lang auch die anderen Teile in Mitleidenschaft ziehen muss. Würde statt der allgemeinen Zweckmäßigkeit das egoistische Interesse einzelner Produktionszweige die Produktionsordnung beherrschen, so würde die persönliche Freiheit bald durch wilde Konkurrenz, bald durch Monopolbestrebungen, stets durch Krisengefahr bedrängt. Dies gilt insbesondere für die internationalen Beziehungen. Durch eine starke Bevölkerungszunahme werden Industrie und Handel eines Landes ohnedies auf den internationalen Markt verwiesen, und unleugbar kann der internationale Verkehr bei umsichtigem Verfahren eine Quelle großer und reeller Gewinne werden, aber unter der Voraussetzung, dass zur Minderung der bei dem raschen Wechsel der internationalen Konjunkturen drohenden Verlustgefahr stets die nationale Rückzugslinie offen gehalten wird.

Man spricht von einer internationalen Produktionsteilung, von einem Gesamtinteresse der Menschheit, dass ein Weltarbeitsmarkt jeden Produktionszweig auf die zweckmäßigste Stelle bringen und die nationalen solidarisch verbundenen Produktionsgemeinschaften durch internationale ohne Rücksicht auf die Staatenorganisation tätige Produktionszweige ersetzen soll. Dies wäre die monopolistische Kapitalherrschaft an Stelle des für die Menschheit nützlichen Wettbewerbs der Staaten, die Unterdrückung der persönlichen Freiheit der Besitzschwachen zur Begründung der Uebermacht der Besitzstarken. Gegen internationale Vereinbarungen von Interessenten namentlich bei den auf den internationalen Verkehr angewiesenen Grossbetrieben behufs Eindämmung schädlicher Konkurrenz und Preisdrückerei lässt sich nichts einwenden, sofern sie für das nationale Wirtschaftsinteresse nicht nachteilig sind. Unter Umständen sind solche Unternehmungen vielmehr zu fördern. Dagegen kann keine Wirtschaftspolitik dulden, dass die internationalen Produktionsverhältnisse statt durch gegenseitige Verständigung verantwortlicher Staaten durch kapitalistische Monopoleinrichtungen beherrscht werden.

Wenn die Rohstoffproduktion sich gegen das Ausland abschließen, die Industrie übermäßige Ausführinteressen pflegen, der Handel statt Vermittler der Alleinherrscher sein will, und nutzlose persönliche Dienstleistungen in der öffentlichen und privaten Tätigkeit überwuchern, dann bedarf es einer starken Staatsgewalt, die durch sachverständige und unparteiische Wirtschaftspolitik die persönliche Freiheit vor Auswüchsen des Egoismus sichert.

Was die Betriebsformen betrifft, so hat die moderne Technik zu radikalen Umwälzungen teils zwingender Art, teils als Versuchsfeld kapitalistischer Machtbestrebungen sowie zu schweren Übergangszeiten geführt. Wo die Technik des Grossbetriebes allein oder in Konkurrenz mit dem Kleinbetrieb den größten wirtschaftlichen Nutzen bringt, beispielsweise wo die Maschine herrscht und die für den allgemeinen Bedarf nützliche industrielle Massenproduktion in Frage steht, oder der Großhandel neue Absatzwege vermittelt, oder die Bodenkultur nur bei Großbesitz mit umfassenden Kapitalsanlagen möglich und rentabel ist, liegt der Fortschritt und die Berechtigung dieser Betriebsform klar zutage. Maschinenkraft — Massenproduktion — Verbesserung der Arbeitsgelegenheit und Lebenshaltung — Bevölkerungszunahme — größerer Bedarf bilden eine geschlossene Kette. Auch ist die persönliche Freiheit, soziale und finanzielle Stellung der Arbeitsglieder eines Grossbetriebes keineswegs geringer zu werten, als diejenige eines für eigene Rechnung selbständig schaffenden Mittelproduzenten.

Im Gegenteil: Es bildet sich hier ein neuer sehr lebensfähiger Mittelstand und soweit es sich um den Übergang von nur äußerlich selbständigen Kleinunternehmungen in Teilfunktionen eines nützlichen Grossbetriebes handelt, vollzieht sich eine Umwertung wirtschaftlicher und politischer Scheinwerte — zum Vorteil der persönlichen Freiheit. Dass dem Grossbetrieb der Zuwachs, den seine technische Vervollkommnung selbst schafft, zufällt, ist kein Eingriff in den Mittelund Kleinbetrieb. Die technische Einheit des Produktionsprozesses wird sogar in solchen Industriezweigen, bei denen die Rohstoffe in konzentriertem Besitz und keine besonderen Spezialitäten ausgebildet sind, beispielsweise in der Eisenindustrie, zur völligen Zusammenfassung der verschiedenen Produktionsstufen von der Rohstoffgewinnung (Kohlen und Eisenerze) an bis zur Fertigstellung des Ganzfabrikats nicht in die Form eines einzelnen Grossbetriebs, sondern in eine geschlossene Betriebsgemeinschaft von Grossbetrieben mit einem einheitlichen Produktionsplan führen (vgl. Abschnitt 4 lit. b). Es liegt auf der Hand, dass solche Gemeinschaften nur innerhalb des Staates nützlich, auf internationalem Gebiete aber sehr bedenklich sein können. Auch wird der Staat bei solchen tiefeingreifenden Entwicklungen für eine unabhängige Instanz zu sorgen haben, die im Falle von Missbräuchen innerhalb der Gemeinschaften bei der Anteilsverteilung oder nach außen gegen die Dissidenten Schutz gegen unlauteren Wettbewerb bieten kann.

Ganz verschieden von den technisch als die zweckmäßigste Betriebsform zu betrachtenden Grossbetrieben sind die aus rein geldkapitalistischen Interessen künstlich zentralisierten Grossbetriebe, deren Kennzeichen weitgehendste Arbeitsteilung, niedrigste Löhne, Verschlechterung der Qualität, Überleitung der Arbeitskräfte vom Land in die Stadt, rücksichtslose Spekulation und Täuschung sind. Solchen technisch nicht berechtigten Einbrüchen in die Mittel- und Kleinunternehmungen muss die Wirtschaftspolitik entgegentreten, einerseits durch Untergrabung ihrer Lebensbedingungen, namentlich durch Bekämpfung jeder Täuschung und Unlauterkeit, andererseits durch Förderung der Kapitalbetriebskraft und Leistungsfähigkeit der Mittel- und Kleinbetriebe, insbesondere durch Vervollkommnung der technischen Ausbildung und Berücksichtigung bei den öffentlichen Unternehmungen. Die selbständigen Mittel- und Kleinbetriebe in Landwirtschaft, Gewerbe und Kleinhandel sind ein zu dauerhafter Kitt der ganzen Produktionsordnung, durch Sesshaftigkeit und Beständigkeit eine zu feste Stütze gegen Überhastung und Krisen und zu anpassungsfähig im Wechsel Verhältnis zwischen Schaffen und Genuss, als dass sie auf dem Gebiete, in dem sie technisch leistungsfähig sind, wehrlos der Übermacht der Konzentration des Geldkapitals preisgegeben werden könnten.