Die Krisen.

Von vorneherein scheiden aus: die in Ursache und Wirkung örtlich und zeitlich entstehenden und in absehbarer Zeit vorübergehenden Störungen und die sich aus der notwendigen Ausmerzung unsolider Unternehmungen ergebenden Eingriffe in die regelmäßige Entwicklung. Bei der Vielgestaltigkeit und Beweglichkeit des wirtschaftlichen Lebens sind solche Vorkommnisse unvermeidbar. Die wirtschaftlichen Verhältnisse entwickeln sich stets wellenförmig; die Kräfte ringen mit Gegenkräften und mit dem Übergewicht auf einer Seite beginnen alsbald die Gegenwirkungen auf anderer Seite mit wechselnden Formen. Erst wenn das solide Geschäft in weitem Gebiete und für längere Zeit bedroht ist, kann man von Krisen sprechen, als den Verkündern krankhafter Zustände, die ihre Ursache entweder in außergewöhnlichen Vorgängen höherer zwingender Gewalt (Krieg, Missernten, Epidemien u. s. w.) oder in einer falschen Entwicklung eines oder mehrerer Punkte des Wirtschaftssystems haben.

Ihr Vorbote ist stets eine Veränderung in den Mengeverhältnissen, ihre Wirkung stets eine Schädigung der Produktion mit Beeinträchtigung des Einkommens aus Lohn und Zins und ihr Höhepunkt die Inanspruchnahme des Besitzes zur Deckung der Verluste und Überwindung der Krankheit. Diagnose und Abhilfe sind schwieriger bei Krisen, welche die ganze Produktion bzw. wichtige Teile umfassen oder internationalen Charakter tragen, als bei solchen, die nur einen Produktionszweig berühren, und sich nur innerhalb des Staatsgebietes abspielen.


Bemerkenswert ist, dass Krisen in den Rohstoffen der allgemeinen Nahrungsmittel oder in einzelnen hervorragenden Industriezweigen, vornehmlich in der Eisenindustrie, sichere Anzeichen für eine Verallgemeinerung der Gefahr sind. Die bedenklichste Ursache ist, abgesehen von den Wirkungen der Kriege, Epidemien und des schlechten Ausfalls der Rohstoffernten der Rückgang der Konsumkraft infolge schlechter Einkommensverteilung oder zunehmender Verschuldung gegenüber dem Geldkapitel, wodurch Schaffen und Verbrauch außer Gleichgewicht kommen. Hier ist das Übel weitverzweigt, und nur starke Selbsthilfe, unterstützt von gleichmäßiger Energie in Gesetzgebung und Verwaltung können allmählich Abhilfe schaffen.

Nicht minder gefährlich, aber weniger dauerhaft und nachhaltig sind die Krisen, die aus Missbrauch der Spekulation und aus Störungen in der Geldkapitalbewegung entstehen. Ihre Gefahr liegt in ihrer internationalen Tragweite, der Plötzlichkeit und Häufigkeit des Auftretens. Wenn eine mächtige Rohstoffspekulation große Vorräte aufhäuft, um dadurch höhere Preise zu erzielen, oder die Spekulation auf dem Geldkapitalmarkt sich derart verirrt, dass der Produktion die nötigen Betriebsfonds erschwert und entzogen werden, oder die Kredit wirtschaft durch planlose Überstürzung namentlich in Zeiten technischer Umwälzungen zu übermäßigen Produktionserweiterungen drängt, dann leidet auch häufig unerwartet das solide Geschäft. Alsbald wird aber auch die Gegenbewegung einsetzen und wird auch mit Opfern über kurz oder lang zum Zusammenbruch der unsoliden Unternehmungen fuhren.

Häufen sich jedoch derartige Störungen derart, dass die Produktion bald in die Höhe, bald zurückgeworfen wird, dann ist allerdings Prüfung und nötigenfalls Änderung der Grundlagen der Wirtschaftsordnung geboten. Je mehr ein Land mit Produktion oder Konsum aktiv oder passiv am internationalen Verkehr beteiligt ist, und je weniger der heimische Markt sein Rückgrat bildet, desto größer ist die Gefahr seiner Einbeziehung in derartige Krisen. Auf dem Wege der Zollpolitik lassen sich hier manche Nachteile abwenden. Die persönliche Freiheit und Tüchtigkeit der einzelnen und die wirtschaftliche Selbständigkeit des Staates sind die besten Stützen in Zeiten der Krise. Dass das Selbstinteresse des Besitzes auf Regelmäßigkeit, Verhütungs- und Ausgleichmaßregeln gerichtet ist, liegt in der Natur der Sache; denn heute den Besitz mit Anstrengung erkämpfen, um morgen der Enteignung durch Krisen ausgesetzt zu sein, ist wenig verlockend.

Auch für die Lohninteressen ist es das beste, wenn sie ohne die Produktion in Krisen zu stürzen, zum Austrag kommen. Weder in der Internationalität, noch in der Verquickung mit politischen Bestrebungen liegt für sie ein Vorteil. Gerade darin, dass sie die Austragung der wirtschaftlichen Kämpfe durch Wirkung und Gegenwirkung der verantwortlichen Einzelkräfte auf rein wirtschaftlichem Boden ermöglicht, liegt der Vorzug der persönlichen Freiheit und der auf ihr beruhenden Staatswesen. Unter einer kommunistischen Wirtschaftsform, in der von vorneherein das Ganze die Verantwortlichkeit für Heil und Unheil trägt, würden politische und wirtschaftliche Interessen abwechselnd Ursache und Wirkung von Krisen sein. Selbstredend müssen in Zeiten der Krisen Staat und Berufsorganisationen mehr als sonst eingreifen, und auch vor außerordentlichen Maßregeln nicht zurückschrecken; die Heilung kann aber nur durch die innere verantwortliche Kraft der Persönlichkeiten erfolgen 21).