Wirtschaftliche und politische Fragen.

Die wirtschaftliche Bewegung ist nicht rein mechanischer Art, sondern ein Teil der sittlichen Weltordnung, die Nebensonne der Kulturentwicklung. Ohne Sitten- und Charakterfestigkeit ist auf die Dauer wirtschaftlicher Erfolg im Einzelnen ebensowenig erreichbar, wie Weltanschauung und Staatspolitik nur in materielle Interessen aufgehen können. Die wirtschaftliche Tätigkeit, die Voraussetzung für die Existenz des Menschen, dient auch seiner inneren Vervollkommnung, und je gerechter der einzelne in der Wirtschaftsordnung gestellt ist, desto mehr wird er vom kleinlichen Geist, und die Menschheit von unfruchtbarem Streit in nichtwirtschaftlichen Dingen befreit sein. Aber nimmermehr ist es Aufgabe des Staates, für die einzelnen das Gleichgewicht zwischen Wirtschaftsführung, Politik, Philosophie, Sittlichkeit, Religion und Kunst zu vermitteln. Alle Kulturprobleme fließen in einander, aber die Ausgleichung dieser Welten muss der einzelne in sich selbst vollziehen; der Mensch lässt sich nicht teilen, die Sehnsucht nach Einheit und Lebensharmonie gibt ihm Charakter, und seine Stellungnahme in der Gesamtkultur ist die ureigenste Aufgabe seiner persönlichen Freiheit. Die kaufmännische Abgleichung zwischen Soll und Haben, die mit begrenzten Möglichkeiten rechnet, mit der Philosophie auszugleichen, deren Gewohnheit ist, zu verallgemeinern und alle Dinge ins Grosse zu übertragen, ist Sache der inneren Prüfung des einzelnen. Die Volkswirtschaft kennt nur einen philosophischen Standpunkt: Die Bejahung des Lebens im geordneten Reich der Dinge. Daher werden alle Kämpfe in nicht wirtschaftlichen Fragen vergiftet, wenn das wirtschaftliche Gebiet öffentlich nicht als neutrales behandelt, sondern unter Hereinziehung des Staates in ein unmittelbares öffentliches Frage- und Antwortspiel zwischen wirtschaftlichen und sonstigen Kulturinteressen verwickelt wird. Geistige Kultur und wirtschaftliche Entwicklung beeinflussen sich gegenseitig; jede muss aber ihre eigenen Lebensbedingungen haben, aus selbständiger Kraft bestehen und wirken. Ebenso haben im Staatsleben die politischen und wirtschaftlichen Interessen ihre besonderen Wege. In wirtschaftlichen Fragen tritt die Beweisführung über richtiges oder unrichtiges Handeln bald hervor, wirkt die weitgehendste Öffentlichkeit und Kritik klärend, ist der Egoismus das Lebenselement, Dezentralisation im ganzen und Unternehmungslust des einzelnen nützlich. Auf politischem Gebiete bestehen andere Tendenzen, vor allem hinsichtlich der Ausschaltung der Einzeltätigkeit. Kurz: für den wirtschaftlichen Fortschritt ist nichts gefährlicher, als Dienstleistungen wirtschaftlicher Art für politische Parteizwecke. Durch die Vermengung mit politischen Bestrebungen werden wirtschaftliche Klassenbewegungen gefährlich, und je mehr wirtschaftliche Macht zur Erreichung politischer Ziele missbraucht wird, desto sicherer tritt eine Gewaltherrschaft ein. In früheren Zeiten ging die Scheidung soweit, dass Länder trotz politischer Diktatur an der Spitze des wirtschaftlichen Fortschritts im Sinne der persönlichen Freiheit stehen, dagegen andere den freiesten politischen Prinzipien huldigende Länder der wirtschaftlichen Ausbeutung unterliegen konnten. Diesen Gegensätzen hat der moderne Staat eine Schranke in dem nationalen Gesamtinteresse als Einheitsmacht für die politischen und wirtschaftlichen Ziele gestellt, gleich dem Streben des einzelnen nach Einheit seines Lebens. Dem Staat, der nicht Nährboden und Schutzwehr für beide Gebiete ist, fehlt das Selbstbewusstsein. Dies schließt jedoch nicht aus, dass jedes Gebiet für sich tätig bleibt, gleichviel welche Wandlungen sich auf dem anderen vollziehen; Freunde der Macht in politischen Dingen können Gegner wirtschaftlicher Unfreiheit sein und umgekehrt. Nur muss jeder wirtschaftliche und politische Kampf Halt machen vor dem Lebensinteresse des Staates. Im übrigen wird die wirtschaftliche Entwicklung, je weniger sie sich von der persönlichen Freiheit entfernt, desto weniger ein Spielball politischer Partei- und Machtströmungen sein. Ohnedies steigt ihre Bedeutung im modernen Staat derart, dass ohne Förderung der wirtschaftlichen Interessen keine politische Gewalt gedeihen kann, und selbst bei der höchsten Kraftentfaltung der Staaten — dem Kriege — die wirtschaftlichen Zwecke im Vordergrund stehen. Andererseits dürfen wirtschaftliche Vorteile durch politische Nachteile nicht erkauft werden, und müssen alle wirtschaftlichen Interessen zurücktreten, wenn es sich um die Wahrung der nationalen Selbständigkeit des Staates handelt.