Das öffentliche Wirtschaftsrecht.

In dem früheren abgeschlossenen Staat mit seiner leichten Übersehbarkeit und Sesshaftigkeit der Bevölkerung war der freiwillige Ausgleich der Interessen der Starken und Schwachen auf Grund der edelsten Kraft der Freiheit — des persönlichen Vertrauens — einfacher und der Missbrauch schwieriger, als in der modernen weitausgedehnten, vielgestaltigen Volkswirtschaft. Auch in dieser sind allerdings die sozialen Pflichten veränderlich, und muss die Einzelpersönlichkeit nach den gegebenen Verhältnissen aus sich heraus Gebote und Verbote gestalten. Unabweisbar ist jedoch die Notwendigkeit allgemeiner Normalbestimmungen über den Zwang zur Entsagung in der Gemeinschaft, d. i. die Ordnung der Ansprüche des Schwachen gegenüber dem Starken und der Pflichten des letzteren gegenüber dem ersteren durch die unabhängige Autorität des Gesetzes. Die Grenzen dieser Entsagung zu bestimmen, ist Aufgabe der sozialen Gerechtigkeit, die sich ebenso fernhält von dem kommunistischen Gesetz, dass jeder, der leistet, was er kann, Anspruch auf gleiche Behandlung habe, wie von der materialistischen Lehre, dass die natürliche Ungleichheit der Menschen als Maßstab für ihre Behandlung zu gelten habe. Ihre Formulierung sucht sie in dem öffentlichen Wirtschaftsrecht und ihre Lebenskraft in der weitgehendsten öffentlichen Behandlung der wirtschaftlichen Fragen. Die Öffentlichkeit ist die sicherste Stütze für das Vertrauen zum Staat, das Gegengewicht gegen das Bestreben des Individualismus, nach innen zu vereinsamen, und das beste Mittel zur Klärung und Läuterung. Die moderne technische Entwicklung, nicht Willkür ist der Grund der Notwendigkeit einer allgemeinen wirtschaftlichen Rechtsordnung, die den Kernpunkt der persönlichen Freiheit, sich dem Ganzen nützlich zu erweisen, auch den Widerwilligen gegenüber zur Anerkennung bringt.

Das Privatrecht regelt die Einzelrechtsphären von Person zu Person, das öffentliche Wirtschaftsrecht die Rechte und Pflichten des einzelnen gegenüber allen übrigen. Das Privatrecht ist derjenige Teil des öffentlichen Wirtschaftsrechts, der durch die Entwicklung bereits bis zum Individualrecht, bis zur strengen Rechtsgrenze zwischen Mein und Dein aufgestiegen und unter genaue, die Ausführung rücksichtslos bindende Rechtsnormen gestellt ist. Die große Frage ist die Behandlung desjenigen Teiles des wirtschaftlichen Lebens, der sich überhaupt nicht zur Steigerung bis zu diesem Punkte eignet oder zur Überweisung an das Privatrecht noch nicht genügend geklärt und reif ist. Hierbei sind alle Gebiete des wirtschaftlichen Lebens, Eigentums-, Familien-, Erb- und Verkehrsrecht, Arbeitsschutz (insbesondere auch die Fragen des Arbeitsvertrages, dessen Einzwängung in rein privatrechtliche Grundsätze eine Quelle von Konflikten ist), Versicherungs-Kreditwesen, Hilfepflicht u.s.w. beteiligt. Überall ist Bewegung und stetes Ringen; sozialer Frieden ist in allen diesen Gebieten nur eine momentan günstige Stufe in dem ewigen Streben, die persönliche Freiheit mit der Gleichheit auf der Grundlage der Gerechtigkeit zu versöhnen und das Herrenrecht der Vernunft in den jeweiligen Interessenkämpfen zur Geltung zu bringen. Soll hier nur die Wahl übrig bleiben, die noch in Gährung befindlichen, nicht spruchreifen Fragen künstlich vorzeitig in das verfeinerte Privatrecht einzuzwängen oder überhaupt nicht auf den Rechtsboden zu stellen, auf die Gleichheit im Recht zu verzichten und alles dem Zufall, der Gewohnheit, dem Vorurteil und der Uebermacht der Stärkeren zu überlassen? Im ersten Fall besteht die Gefahr, dass durch die bindende Kraft kasuistischer Gesetze und die Starrheit und Begriffsspalterei in Rechtsbewusstsein und Rechtsanwendung das formale Recht zum materiellen Unrecht wird; der zweite Fall würde Untätigkeit bedeuten, der schlimmste Ausweg da, wo zu handeln geboten ist. Die einzig brauchbare Lösung bietet der Schutz der guten Sitte und natürlichen Auffassung durch Normen, die von einer strengen Scheidung zwischen Recht und Hülfe absehen und der Spruchinstanz je nach der Individualität des Einzelfalles neben der Sühne auch die Verzeihung d. h. die Beweglichkeit und Anpassungsfähigkeit einer schiedsgerichtlichen Entscheidung nach Billigkeit freilassen. Das öffentliche Wirtschaftsrecht muss dem Wechsel der wirtschaftlichen Verhältnisse folgen, während das Privatrecht den festen Halt im Wechsel der Dinge bilden soll. Dementsprechend soll bei dem ersteren die Gesetzesvorschrift sich auf allgemeine Richtungslinien beschränken, die für ein lebendiges, an den einfachen Menschenverstand, und nicht an eine abstrakte Vorschrift gebundenes Spruchrecht Raum geben. Falls durch die Betätigung eines behaupteten Rechtes offenbar Unrecht geschaffen ist, muss dem natürlichen Recht im Großen und Kleinen den Weg zur Anerkennung durch einen Billigkeitsspruch offen gehalten werden. Im übrigen wird die moderne Entwicklung zu einer Annäherung zwischen dem Spruch nach Recht und demjenigen nach Billigkeit insofern führen, als auch das Privatrecht eine freiere Würdigung des Einzelfalls eingeführt, und in den Beziehungen des einzelnen zur Gesellschaft in steigendem Umfang die Willkür eingeschränkt wird. Auch das Privatrecht ist eine der Abänderung unterworfene Ordnung, und je nach der wirtschaftlichen Entwicklung können seine Materien umgestaltet oder ihm wieder entzogen werden.


Für das öffentliche Wirtschaftsrecht gelten drei Voraussetzungen.

a) Freihaltung der wirtschaftlichen Fragen von den politischen,
b) Fernhaltung extremer Ansprüche,
c) zweckmäßige Organisation der gesetzgebenden und ausführenden Organe.