Das Monopol des Metallgeldes als Umlaufsmittel.

In dem modernen Wirtschaftssystem ist dem aus Edelmetallen geprägten Gelde durch den gesetzlichen Zwang zur allgemeinen Annahmepflicht sowie seinen Repräsentanten und Kreditsurrogaten ein Monopol insofern verliehen, als mit denselben jederzeit alles gekauft werden kann, während die übrigen Produkte auf einen Käufer warten müssen, sonach im Gegensatz zum Geldkapital ein nicht jederzeit flüssiges Kapital darstellen. Ist diese Ordnung des Dienstes der Umlaufsmittel eine endgültige Lösung der ebenso schwierigen als überall tiefeingreifenden Frage?

Die Antwort kann nur lauten: Nein.


Gewiss war die Ersetzung der Naturalwirtschaft durch die Bargeldwirtschaft und das darauf aufgebaute Kreditsystem ein großer Fortschritt. Nur eine Vermittlerrolle sollte das Geld spielen. Diese Aufgabe wurde aber allmählich Selbstzweck und der Geldstoff infolge der Monopolstellung der Edelmetalle über seine Bestimmung als Tauschmittel weit hinausgeführt. Das Streben nach seinem Besitz und dem aus dem Privilegium jederzeitiger Verwertbarkeit sich ergebenden Übergewinn seines Besitzers ist zum Mittelpunkt der wirtschaftlichen Bewegung geworden. Dazukommt, dass die Geldsurrogate, die stets oder kurzfällige Forderungen repräsentieren und auf Grund des Vertrauens im öffentlichen und privaten Verkehr gleich dem Bargeld selbst angenommen werden, die Überlegenheit des Metallgeldes über alle anderen Gütern teilen, und dazu dienen, das Übergewicht seines Besitzes zu potenzieren. Der Metallgeldzwang hindert die freie Entwicklung des Tauschverkehrs der Güter, ist die Ursache des Übergewichts einer nach Zentralisation strebenden Geldkapital- und Kreditherrschaft und der Ausgangspunkt einer unbegrenzten Schuldenzunahme im öffentlichen und privaten Betriebe 19).

Wenn in einem neubegründeten Staat als erstes Gesetz die Bestimmung erginge, dass Gold jederzeit als Zahlung angenommen werden müsse, würde zunächst die Gesamtheit den Goldbesitzern das Gold zu Preisen abkaufen müssen, die diese allein bestimmen könnten. Demnächst würde jeder einzelne, der Gold braucht, sich dessen Preisstand fügen oder im Falle der Leihe Zins zahlen müssen. Dass hierdurch die Gesamtheit ständig mit Abgaben zu Gunsten derjenigen belastet werden, die das privilegierte Gut besitzen, liegt auf der Hand. Wo man Gold nicht kennt, hat es keinen Wert, und wer in einem solchen Lande nur Gold besäße, würde als arm gelten, in dem Augenblicke aber reich sein, in dem das Gold als gesetzliches Zahlungsmittel privilegiert würde. Hierzu kommt im Falle mangelnder Absatzfähigkeit der eigenen Produkte der Zwang zur Schuldaufnahme, d. h. Festlegung künftiger Produktion und Arbeit für alle, deren Gütervorrat zur Zeit des Geldbedarfs nicht absatzfähig ist, — der rapide steigende Verschuldungsprozess.

So entstehen die Fragen: Warum dieses Vermittlerprivilegium? Sind die Güter als Bindeglied zwischen Schaffen und Genuss nicht selbst die natürliche Grundlage des Geldwesens und kann nicht der Wert dieser Güter selbst den Umlaufmitteldienst in Form eines unmittelbaren Anweisungsverkehrs übernehmen? Können andere Rohstoffe nicht ebenso Deckung für diesen Anweisungsverkehr bilden, wie die Edelmetalle, und würde nicht durch die Ausdehnung der Verkehrsflüssigkeit auf andere Güter der Arbeitslohn großen Nutzen ziehen?

Die Antwort lässt sich nur finden, wenn man von der verfeinerten Geldkapitalorganisation auf die Grundelemente des Güterabsatzes und Verkehrs und auf den Kern des Geldzwecks zurückkehrt. Wenn jemand 100 Einheiten Leder kaufen und 100 Einheiten Getreide verkaufen will, und ihm ein anderer mit umgekehrtem Verlangen gegenübertritt, so vollzieht sich die Berechnung des Wertausgleichs nach den wertbestimmenden Faktoren für Leder und Getreide. Eines Mediums für die Wertfeststellung bedarf es nicht, nur eines Mediums für die Wertbezifferung und bei nicht unmittelbarer Warenübergabe für den Wertaustausch. Dieses Medium muss keinen eigenen unabhängigen Wert haben. Ebensowenig wie durch bloße Umsetzung eine Kraft vergrößert wird, hat das Umsatzmittel für sich die Bedeutung einer Krafterzeugung. Es genügt eine Anweisung mit festem Kurs, gedeckt durch effektive Depots in jederzeit im allgemeinen Verkehr liquiden Gütern. Kurz: an Stelle des Edelmetallmonopols und des mit ihm zusammenhängenden, nur auf das allgemeine Vertrauen, aber nicht auf besondere Gütervorräte fundierten, d. h. im Endeffekt ungedeckten Kredit Verkehrs tritt ein auf verkehrsflüssige Güter verschiedener Art erweiterter unmittelbarer Anweisungsverkehr.

Die Idee des sozialistischen Arbeitsgeldes kann hier keine Abhilfe schaffen, weil dieses einer jederzeit realisierbaren greifbaren Deckung entbehrt; nur die unmittelbare Geldqualität der Produkte, für die eine konstante regelmäßige Nachfrage besteht, kann die Arbeit von der Abhängigkeit von dem Bargeldkapital befreien, und zur schleunigsten Realisierung des Arbeitswertes führen. Auf den ursprünglichen Zustand des wirklichen Tausches von Gegenstand zu Gegenstand folgte die Münze als durch Gesetz privilegierter Tauschmittler, in der man jedes Gut übertragen kann, weiterhin die Ersetzung des gemünzten Bargeldverkehrs durch die leichte und bewegliche Austauschform der Noten und Kassenscheine mit den Edelmetallen als Bankdeckung.

In dieser dritten Periode erwies sich alsbald wegen der Unzulänglichkeit und Schwerfälligkeit des Metallgeldes zur Bewältigung des Tauschmittelverkehrs die einfache Form der Verrechnung und Kompensation der aus dem Güteraustausch entstandenen Forderungen durch Schecks und Giroübertragung als notwendig. Gleichzeitig begann aber auch mit der Ausgabe einer großen Anzahl von Kreditmitteln, die nicht unmittelbar durch Bargeld gedeckt sind, voran mit der sog. ungedeckten Banknote die ständige Belastung der Produktion mit einer schwebenden Schuld, die gleich dem Bargelde als Surrogatumlaufsmittel den Verkehr beherrscht. Die Streitfrage, ob Gold- oder Silberwährung, die seit der erheblichen Zunahme der Goldproduktion an Schärfe und Bedeutung verloren hat, berührt überhaupt nicht den Kern der Sache; sie ist eine Episode in einem langwierigen Entwicklungsprozess. Die Edelmetallproduktion mag noch so sehr gesteigert werden, der Verkehr wird immer noch größeren Bedarf an Umlaufsmitteln haben und denselben solange das Monopol des Edelmetallgeldes besteht, nur entweder durch fiktive Umlaufsmittel oder durch Wechsel auf die zukünftige Produktion, d. h. Schuldtitel öffentlicher oder privater Art bestreiten können, während zahllose Güter unverwertbar sind, weil ihnen das Privileg als Grundlage für Umsatzmittel zu dienen, nicht zuerkannt ist.

Die Produktion ist bei normalen Verhältnissen weit mehr in der Lage, für die steigenden Bedürfnisse in dem Haushalt des Staates und der Gemeinde Mittel bereitzustellen, und die Einzelwirtschaft ohne Schuldaufnahme zu bestreiten, wenn ihr durch Beschleunigung des Absatzes ein stärkerer Umsatz gesichert ist, als wenn infolge des Privilegiums des Geldkapitals der Umsatz stockt. Die Hemmnisse zwischen Angebot und Nachfrage kommen von dem mangelhaften Umsatzmitteldienst, und trotz steigender Edelmetallproduktion wird sich das Verhältnis bei zunehmender Verallgemeinerung der Kultur weiter verschlechtern. Die hiermit in Verbindung stehende Überschuldung ist eine Gefahr nicht nur für kritische Zeiten, sondern auch für die regelmäßige Entwicklung; sie wird in dem Verlangen nach Überbrückung der Kluft zwischen Besitz und Nichtbesitz in Bezug auf das Geldkapital zu Bestrebungen führen, wie solche in früherer Zeit zur Ablösung der auf den Grundbesitz gelegten grundherrlichen Lasten geführt haben 20).

Um zur Eindämmung dieser Schuldwirtschaft zu gelangen, wird sich in der vierten Periode die Geldfrage unter Beseitigung des Privilegiums des Edelmetallgeldes und seiner Surrogate zu einer Frage der öffentlichen Bank- und Lagerhausorganisation derart entwickeln, dass auch andere tauschfähige Güter allgemeinen Gebrauchs als Bankgeldreserve zugelassen werden und der Umsatz durch Anweisungen auf diese erweiterte Gütermenge vermittelt wird. Erst infolge der Vervollkommnung der Technik des Genossenschafts-, Depot- und Abrechnungswesens kann die Beschreitung dieses Weges in Aussicht genommen werden. Mit kurzen Worten: Das Geld der Zukunft ist die unverzinsliche Warennote, in erster Reihe die Getreidenote.

Dieser in alle wirtschaftlichen Verhältnisse tiefeingreifende Klärungsprozess wird sehr lange Zeit und viele Überleitungsperioden erfordern. Hier gilt es einem neuen Ziel nicht rasch entgegenzueilen, andererseits aber auch nicht vor dem ersten Schritte zurückzuschrecken, weil Übertreibung zu Fehlern führen kann. Zunächst kann es sich nur um eine der Eigenart des einzelnen Landes angepasste innere Verkehrseinrichtung handeln, während für den internationalen Verkehr zuvörderst noch andere Gesichtspunkte in Betracht kommen. Übrigens hat die gegenwärtig herrschende Unifizierung des Geldwesens für den Aussen- und Innenverkehr den Nachteil, dass die internationalen Krisen des Großverkehrs von der ganzen nichtbeteiligten Produktion im Inlande durch Diskontoerhöhungen, Krediterschwerung und Absatzstockung mitgebüßt werden.

Im einzelnen kommen für den Innenverkehr folgende wesentliche Punkte in Betracht: Volle effektive Deckung für die umlaufenden Zahlungsmittel.

Damit fallen das Scheinwesen der sog. ungedeckten Banknote und der Missbrauch der Unterwertigkeit der nur für den Innenverkehr bestimmten sog. Scheidemünzen. Auch die Meinung, dass es für den Gesamtverkehr nach Außen und Innen nur darauf ankomme, den Geldkurs auf einen festen, schwankungsfreien Punkt zu halten, während die Deckungsfrage mehr oder minder eine Angelegenheit des allgemeinen Staatskredits sein könne, ist hinfällig. Das Geldwesen darf keine schwebende Schuld des Staates sein.

Als Deckungsgrundlage für Tauschmittel können sichtbare, infolge des allgemeinen Verbrauchs jederzeit sofort verwertbare, dem Verderb schwer ausgesetzte Rohstoffe, eventuell unter gewissen Voraussetzungen auch die mit keiner besonderen Veredelungsarbeit belasteten Fabrikate mit gleich beweglichen Verkehrseigenschaften, dagegen weder Grund und Boden, noch Pfandbriefe dienen.

Die Benutzung derartiger Produkte als unmittelbare Gelddeckung setzt geschlossene Organisation der beteiligten Produzenten nach Gattungen, d. h. Gemeinschaftsverbände mit Anteilen, die Rechte und Pflichten (Haftung) verkörpern, voraus. Eine solche haftungsfähige Genossenschaft gibt auf Grund gesetzlicher Ermächtigung unter Verpfändung ihres Lagers von Waren eines allgemeinen Bedürfnis- und Tauschgegenstandes unverzinsliche Noten an andere Genossenschaften gleicher Art aus, die in anderen allgemeinen Tauschgegenständen arbeiten. Dieser Verkehr kann im Wege einfacher Abrechnung durch Austauschbanken, denen auch die Kontrolle der Warenniederlagen, ihres Wertes, der Zu- und Abgänge der Brauchbarkeit der Haftung u. s. w. obliegen würde, vermittelt werden. In diesem Ausbau des freien Lagerhausund Tauschbankverkehrs, sowie in der zunächst den Produzenten, weiterhin aber auch dem Gesamtverkehr zugute kommenden Unverzinslichkeit dieser Noten liegt das Problem der Zukunft, weil Schnelligkeit des Warenumsatzes und Zinsenersparnis zum Nutzen gereichen.

Für die nächste Entwicklungsperiode des Innengeldes kann nur in Betracht kommen, neben der Aufrechterhaltung des Metallgeldumlaufes und seiner ergänzenden Einrichtungen die unverzinsliche Note für einheimische Rohstoffe allgemeinsten Gebrauchs, beispielsweise das heimische Getreide, auf Grund der hierfür zu errichtenden, unter öffentliche Kontrolle zu stellenden genossenschaftlichen Niederlagen als gesetzliches Zahlungsmittel zuzulassen. Die Gefahr einer Einsperrung, d. h. Zurückbehaltung der Lagervorräte behufs Ausnutzung der Unverzinslichkeit der Note ist abgesehen von besonderen Schutzmaßregeln, z. B. Beleihung nur eines Teiles des Wertes schon durch die ausländische Konkurrenz vermindert. Warum soll eine öffentliche Bank- und Depotverwaltung bei geeigneten Kautelen (Beleihung nur bis zur Hälfte des Wertes) einem solchen Lagernotenumlaufe nicht mindestens die gleiche Sicherheit und Festigkeit eines Zahlungsmittels verschaffen können, wie solches den Banken bei den sog. ungedeckten Noten zugemutet wird, zumal die Depots nicht öffentliches Eigentum werden, sondern für Rechnung und Gefahr der Produzenten lagern, bis sie gegen Rückgabe der Noten zur Aushändigung nach dessen Ordre gelangen?

Was das Außengeld betrifft, so findet bekanntlich über die sämtlichen jeweiligen gegenseitigen Verpflichtungen und Forderungen eine Abrechnung und Ausgleichung im ganzen durch Wechsel statt, über deren jederzeitigen günstigen oder ungünstigen Stand der Wechselkurs Aufschluss gibt. Nur wenn dieser soweit zu Ungunsten eines Landes gesunken ist, dass sich die Bargeldsendung billiger gestaltet, als der Ankauf von Wechseln, ist die Naturalsendung notwendig, in welchem Falle sich dann wieder zumeist eine selbständige Metallgeldspekulation anschließt, die dem verpflichteten Lande sein Metallgeld entzieht, Diskontoerhöhungen und sonstige nachteilige Folgen auferlegt. Als Deckungs- und Ausgleichsfonds für das internationale Geldsystem, das Außengeld, sind Gebrauchsgegenstände ausgeschlossen, die nicht zur umfangreichen Übertragung von einem Land in das andere verwendbar sind. Für das Außengeld werden daher jedenfalls insolange, bis das inländische Deckungssystem außerhalb der Edelmetalle soweit erstarkt ist, dass es auch eine internationale Deckung bieten kann, die Edelmetalle die Grundlage bilden müssen. In jedem Falle würden Warenarten im internationalen Verkehr gleich den derzeitigen Banknoten nur als Landesgeld fungieren können. Übrigens besteht auch kein prinzipielles Bedenken dagegen, soweit nötig neben dem Gold innerhalb bestimmter international zu vereinbarenden Grenzen auch das Silber nach einem gleichfalls international festzusetzenden Wertverhältnis als Deckungsfonds für internationale Silberzertifikate zuzulassen. Die Prägefreiheit für beide Metalle erweist sich dagegen als unzulässig, da hierdurch das Geldsystem dem Zufall überlassen würde, während als erste Voraussetzung für jede Organisation auf diesem Gebiete die volle Freiheit und Verantwortlichkeit der öffentlichen Gewalt zu betrachten ist. —

Über die Einzelheiten der Begründung und Ausführung gibt die Schrift des Verfassers: Studien über die Zukunft des Geldwesens, Leipzig, Verlag von Duncker & Humblot 1892 [M. Sewen] näheren Aufschluss.