§ 8. Die Niederlande. England, Schweiz und Skandinavien
In einem schroffen Gegensatz zum düsteren Ghetto im Hauptsitz des Katholizismus standen die jüdischen Gemeinden im reformierten Holland, dem Horte relativer Glaubensfreiheit. Indem Holland seine gastfreundlichen Tore Zehntausenden jüdischer Flüchtlinge aus den Ländern der Inquisition (Spanien und Portugal) und den Opfern der Rechtlosigkeit aus Deutschland öffnete und ihnen Zuflucht gewährte, sicherte es zu gleicher Zeit den Neuankömmlingen, wenn auch nicht staatsbürgerliche Gleichberechtigung, so doch Glaubensfreiheit und Unantastbarkeit der Person. In Amsterdam, Haag, Rotterdam und anderen niederländischen Städten bestanden zahlreiche sowohl sephardische wie aschkenasische Gemeinden, die sich durch gutorganisierte Selbstverwaltungen auszeichneten. Die Juden ragten besonders im Großhandel, speziell in dessen europäisch-amerikanischem Zweige, und auf finanziellem Gebiete hervor. In staatsbürgerlicher Hinsicht führten sie jedoch ein abgesondertes Dasein und kamen an zweiter Stelle nach den Katholiken zu stehen, die ebensowenig wie sie bei den Anhängern der herrschenden Kirche Gleichberechtigung zu erringen vermochten. Die Juden bildeten auf diese Weise eine Staatsbürgerklasse dritten Ranges. In Amsterdam galt noch ein altes Gesetz, nach dem die Juden zu den kaufmännischen und gewerblichen Zünften nicht zugelassen wurden; infolgedessen waren die mittleren und niederen Klassen der jüdischen Bevölkerung von verschiedenen Erwerbszweigen ausgeschlossen. Die öffentlichen Schulen des Landes blieben den jüdischen Kindern verschlossen, trotzdem die Juden die allgemeine Schulsteuer und sogar die der herrschenden Kirche zugute kommenden Steuern entrichteten. Im allgemeinen legten die Munizipalbehörden eine offensichtliche Missgunst gegen die Juden an den Tag und suchten deren Wettbewerb mit den Christen auf den verschiedenen Gebieten der wirtschaftlichen Tätigkeit zu verhindern. Wirklich gute Beziehungen bestanden nur zwischen der jüdischen Aristokratie und den Statthaltern der Niederlande, den Prinzen aus dem Hause Oranien. Zur Zeit des gegen den Statthalter Wilhelm V. gerichteten Aufstandes (1786 — 87) stellten sich die Juden an die Seite der „oranischen Partei“. Der aus Haag entflohene Statthalter fand im Hause des Benjamin Cohen in Amsterdam freundliche Aufnahme. Als Wilhelm mit Hilfe deutscher Truppen die Herrschaft wiedererlangte, beteiligten sich die Juden an den Feiern zu Ehren des zurückgekehrten Regenten. Allem Anscheine nach hatten sie ihre Gründe, die ,,regierende Partei“ denjenigen „Patrioten“ vorzuziehen, die in den Magistraten und Zünften ihre Rechte auf alle erdenkliche Weise einzuschränken suchten und sie von ihrer Gesellschaft ausschlossen.
Anzeichen einer systematischen passiven Unduldsamkeit traten mit voller Deutlichkeit in England hervor. Hier unterlagen die Juden dem allgemeinen Schicksale der „Dissenters“ (der Christen, die der herrschenden anglikanischen Kirche nicht angehörten), denen im 18. Jahrhundert die bürgerliche Gleichberechtigung hartnäckig verweigert wurde; aber als Nichtchristen standen sie auf der gesellschaftlichen Stufenleiter um eine Stufe tiefer als die „Dissenters“. Die Aufhebung des liberalen Gesetzes von 1753 von der Naturalisation der Juden in England, die im Jahre 1754 auf Betreiben der konservativen Partei erfolgte, schob die Entwicklung der englischen Judenheit in staatsbürgerlicher Hinsicht für lange Zeit hinaus. Die Juden nahmen regen Anteil am Handel und an der Industrie und besaßen ihre autonomen Gemeinden in London und anderen Städten; von dem gesellschaftlichen und politischen Leben des Landes waren sie jedoch ausgeschlossen. In vielen elementaren Rechten waren sie eingeschränkt (z. B. dem Erwerb von Immobilien). Die Bekleidung eines öffentlichen Amtes war mit einer Eidesformel verbunden, die folgende Worte enthielt: „Nach dem echten und wahren Christenglauben.“ Dieser fatale Satz hinderte die Juden, dem Parlament, den Munizipalbehörden und den verschiedenen Standeskorporationen anzugehören. Ein originelles System bürgerte sich ein: Der Jude wurde nicht verfolgt, in sein intimes Privatleben drang man nicht in brutaler Weise ein, wie es in Preußen und Österreich der Fall war, aber von dem staatsbürgerlichen und politischen Ganzen wurde er durch unüberwindliche Schranken getrennt. Zwischen dem Juden und dem alle Rechte genießenden Engländer stand die Kirche — nicht eine aggressive und kampflustige, wie die römisch-katholische, sondern eine in ihrer Passivität zähe, den Nichtanglikaner, um so weniger den Nichtchristen als Bürger keineswegs anerkennende Kirche. Die Zugehörigkeit zu der herrschenden Kirche konnte aus allen Verlegenheiten helfen. Als im Jahre 1780 auf dem Boden religiöser Konflikte in London Straßenkrawalle entstanden, ließen die Juden an den Fenstern ihrer Häuser folgende Inschrift anbringen: ,,Dies Haus gehört einem echten Protestanten.“ Zu jener Zeit begann man von einer Änderung der äußeren Etikette in weiterem Sinne immer öfter Gebrauch zu machen. Unter der jüdischen Aristokratie befanden sich nicht wenige Familien, die sich entschlossen hatten, ihre Kinder in den Schoß der herrschenden Kirche zu bringen, um ihnen eine gute Karriere und eine Stellung in der Gesellschaft zu sichern. Große Versuchung übte das Beispiel eines Finanzmannes, des Altesten der Londoner Gemeinde — Simson Gedeon — aus, der gleich nach der Aufhebung des Naturalisierungsgesetzes seine Kinder taufen ließ. Eine ganze Reihe jüdischer Familien in London folgte gegen Ende des 18. Jahrhunderts diesem Beispiel, Abtrünnigkeit machte sich besonders in der Gemeinde der Sephardim unter den reichen Kauf- und Finanzleuten bemerkbar. Standhafter erwiesen sich die Aschkenasim, deutsch-polnische Juden, bei denen die nationalen Traditionen überwogen. Auf der wirtschaftlichen Stufenleiter kamen sie eine Stufe tiefer zu stehen, und zu gleicher Zeit waren sie durch einen weiteren Abstand von der englischen Gesellschaft getrennt. Die Aschkenasim wohnten nicht nur in London, sondern auch in anderen Hafen- und Handelszentren: Liverpool, Pleamouth, Bristol und beschäftigten sich mit Kleinhandel und Hausieren.
Wenden wir uns nun von Ländern mit gemischter sephardisch-aschkenasischer Kultur, wie Holland und England, zu solchen Judenkolonien, die in ihrer inneren Zusammensetzung gleichartiger und einheitlicher waren, und entweder zu Deutschland oder Österreich hielten, so bietet sich unseren Augen dasselbe trostlose Bild. In der Schweiz, wo Juden überhaupt nicht wohnen durften, bestand eine besondere „Zone“, innerhalb deren ihnen ein zeitweiliger Aufenthalt bewilligt wurde. Es waren dies zwei Städtchen im Badenschen: Endingen und Lengnau, die später dem Kanton Aargau angegliedert wurden. Die ,,Schutzjuden“, die hier Unterkunft fanden, Einwanderer aus Österreich, Deutschland und Elsaß, wohnten hier auf Grund eines mit den örtlichen Behörden geschossenen Vertrages, der alle 16 Jahre erneuert werden musste. Die Erneuerung dieses Vertrages in den letzten Terminen des 18. Jahrhunderts (1760, 1776, 1792) kam unter folgenden Bedingungen zustande: Die Juden dürfen sich nicht vermehren; Eheschließungen zwischen Unbemittelten werden nicht zugelassen, Bräute, die aus anderen Ländern kommen, müssen nicht weniger als 500 Gulden als Mitgift mitbringen; Juden dürfen keine Häuser neu erwerben; sie dürfen keinen Boden ankaufen, keinen Wucher treiben; keine Gelder auf Immobilien ausleihen; ein Jude darf nicht mit einem Christen in demselben Hause wohnen. Zu solchen Maßnahmen griff man gegen ein Häuflein Juden (ungefähr 150 Familien) im „Lande der Freiheit“ am Vorabend und selbst in den ersten Jahren der großen französischen Revolution.
Die jüdische Kolonie Dänemarks (ungefähr 3.000 Seelen) bildete einen Zweig der Hamburger Gemeinde. Die an Hamburg angrenzende holsteinische Stadt Altona gehörte im 18. Jahrhundert zum Dänischen Reiche, und die jüdischen Gemeinden der beiden Städte (auch die dritte Gemeinde des Städtchens Wandsbek gehörte dazu) hielten sich einen gemeinsamen Rabbiner. In die inneren Gebiete des eigentlichen Dänemarks war den Juden der Eintritt erschwert, aber den reichen Kaufleuten und Fabrikbesitzern gelang es doch, dorthin einzudringen und eine Kolonie in der Hauptstadt des Landes, Kopenhagen, zu gründen. Unter dem Könige Christian VII. (1766 — 1808) verhielt sich die Regierung gegen die sich unter den dänischen Juden verbreitende „Berliner Aufklärung“ wohlwollend. Unter dem Einflüsse der neuen Bewegung zerfiel die Kopenhagener Gemeinde in zwei Gruppen: in Progressisten und Orthodoxe. Doch waren die dänischen Juden am Vorabend des Jahres 1789 von der bürgerlichen Gleichberechtigung weit entfernt.
Was das andere skandinavische Land, Schweden, betrifft, so wurde die christliche Bevölkerung ursprünglich (im 17. Jahrhundert) von „dem möglichen Einfluss der jüdischen Religion auf den reinen evangelischen Glauben“ geschützt; von den nach Stockholm kommenden Juden wurde nicht mehr und nicht weniger als die Taufe nach lutherischem Ritus gefordert. Im 18. Jahrhundert brachten es jedoch jüdische Kaufleute fertig, Wohnrecht im Lande zu erlangen, ohne dabei ihre Religion wechseln zu müssen. Die einheimischen Juden durften im ganzen Königreiche wohnen und frei ihren Gottesdienst verrichten, doch ohne alle jene Zeremonien, „die Anstoß bei der christlichen Bevölkerung erregen können“. Jüdische Gemeinden mit einem Rabbinat und Bethäusern wurden nur in den drei Städten Stockholm, Göteborg und Norköpping geduldet. Ausländischen Juden wurde das Wohnrecht nach einer ganzen Reihe von Scherereien und nach Vorlegung von Ausweisen über ihre Person und ihre materielle Lage gewährt, und dies nur in den drei obenerwähnten Städten. Unter günstigeren Bedingungen wurden ins Land reiche Juden zugelassen, die über ausreichende Kapitalien verfügten, um Großbetriebe in solchen Industriezweigen zu eröffnen, die im Lande selber schwach entwickelt waren. Solchen Personen wurden allerlei Konzessionen erteilt. Was den Kleinhandel und das Kleingewerbe betrifft, so unterlagen sie schweren Beschränkungen.
Die Spuren des schwedischen Reglements vom Jahre 1782, das in dessen Heimat längst außer Kraft getreten war, hat sich bis auf den heutigen Tag in der gewesenen schwedischen Provinz Finnland erhalten, wo die archaische Gesetzgebung über die Juden von der neuen russischen Metropole, dieses großen Reservoirs der jüdischen Rechtlosigkeit, unterstützt wurde.
Anzeichen einer systematischen passiven Unduldsamkeit traten mit voller Deutlichkeit in England hervor. Hier unterlagen die Juden dem allgemeinen Schicksale der „Dissenters“ (der Christen, die der herrschenden anglikanischen Kirche nicht angehörten), denen im 18. Jahrhundert die bürgerliche Gleichberechtigung hartnäckig verweigert wurde; aber als Nichtchristen standen sie auf der gesellschaftlichen Stufenleiter um eine Stufe tiefer als die „Dissenters“. Die Aufhebung des liberalen Gesetzes von 1753 von der Naturalisation der Juden in England, die im Jahre 1754 auf Betreiben der konservativen Partei erfolgte, schob die Entwicklung der englischen Judenheit in staatsbürgerlicher Hinsicht für lange Zeit hinaus. Die Juden nahmen regen Anteil am Handel und an der Industrie und besaßen ihre autonomen Gemeinden in London und anderen Städten; von dem gesellschaftlichen und politischen Leben des Landes waren sie jedoch ausgeschlossen. In vielen elementaren Rechten waren sie eingeschränkt (z. B. dem Erwerb von Immobilien). Die Bekleidung eines öffentlichen Amtes war mit einer Eidesformel verbunden, die folgende Worte enthielt: „Nach dem echten und wahren Christenglauben.“ Dieser fatale Satz hinderte die Juden, dem Parlament, den Munizipalbehörden und den verschiedenen Standeskorporationen anzugehören. Ein originelles System bürgerte sich ein: Der Jude wurde nicht verfolgt, in sein intimes Privatleben drang man nicht in brutaler Weise ein, wie es in Preußen und Österreich der Fall war, aber von dem staatsbürgerlichen und politischen Ganzen wurde er durch unüberwindliche Schranken getrennt. Zwischen dem Juden und dem alle Rechte genießenden Engländer stand die Kirche — nicht eine aggressive und kampflustige, wie die römisch-katholische, sondern eine in ihrer Passivität zähe, den Nichtanglikaner, um so weniger den Nichtchristen als Bürger keineswegs anerkennende Kirche. Die Zugehörigkeit zu der herrschenden Kirche konnte aus allen Verlegenheiten helfen. Als im Jahre 1780 auf dem Boden religiöser Konflikte in London Straßenkrawalle entstanden, ließen die Juden an den Fenstern ihrer Häuser folgende Inschrift anbringen: ,,Dies Haus gehört einem echten Protestanten.“ Zu jener Zeit begann man von einer Änderung der äußeren Etikette in weiterem Sinne immer öfter Gebrauch zu machen. Unter der jüdischen Aristokratie befanden sich nicht wenige Familien, die sich entschlossen hatten, ihre Kinder in den Schoß der herrschenden Kirche zu bringen, um ihnen eine gute Karriere und eine Stellung in der Gesellschaft zu sichern. Große Versuchung übte das Beispiel eines Finanzmannes, des Altesten der Londoner Gemeinde — Simson Gedeon — aus, der gleich nach der Aufhebung des Naturalisierungsgesetzes seine Kinder taufen ließ. Eine ganze Reihe jüdischer Familien in London folgte gegen Ende des 18. Jahrhunderts diesem Beispiel, Abtrünnigkeit machte sich besonders in der Gemeinde der Sephardim unter den reichen Kauf- und Finanzleuten bemerkbar. Standhafter erwiesen sich die Aschkenasim, deutsch-polnische Juden, bei denen die nationalen Traditionen überwogen. Auf der wirtschaftlichen Stufenleiter kamen sie eine Stufe tiefer zu stehen, und zu gleicher Zeit waren sie durch einen weiteren Abstand von der englischen Gesellschaft getrennt. Die Aschkenasim wohnten nicht nur in London, sondern auch in anderen Hafen- und Handelszentren: Liverpool, Pleamouth, Bristol und beschäftigten sich mit Kleinhandel und Hausieren.
Wenden wir uns nun von Ländern mit gemischter sephardisch-aschkenasischer Kultur, wie Holland und England, zu solchen Judenkolonien, die in ihrer inneren Zusammensetzung gleichartiger und einheitlicher waren, und entweder zu Deutschland oder Österreich hielten, so bietet sich unseren Augen dasselbe trostlose Bild. In der Schweiz, wo Juden überhaupt nicht wohnen durften, bestand eine besondere „Zone“, innerhalb deren ihnen ein zeitweiliger Aufenthalt bewilligt wurde. Es waren dies zwei Städtchen im Badenschen: Endingen und Lengnau, die später dem Kanton Aargau angegliedert wurden. Die ,,Schutzjuden“, die hier Unterkunft fanden, Einwanderer aus Österreich, Deutschland und Elsaß, wohnten hier auf Grund eines mit den örtlichen Behörden geschossenen Vertrages, der alle 16 Jahre erneuert werden musste. Die Erneuerung dieses Vertrages in den letzten Terminen des 18. Jahrhunderts (1760, 1776, 1792) kam unter folgenden Bedingungen zustande: Die Juden dürfen sich nicht vermehren; Eheschließungen zwischen Unbemittelten werden nicht zugelassen, Bräute, die aus anderen Ländern kommen, müssen nicht weniger als 500 Gulden als Mitgift mitbringen; Juden dürfen keine Häuser neu erwerben; sie dürfen keinen Boden ankaufen, keinen Wucher treiben; keine Gelder auf Immobilien ausleihen; ein Jude darf nicht mit einem Christen in demselben Hause wohnen. Zu solchen Maßnahmen griff man gegen ein Häuflein Juden (ungefähr 150 Familien) im „Lande der Freiheit“ am Vorabend und selbst in den ersten Jahren der großen französischen Revolution.
Die jüdische Kolonie Dänemarks (ungefähr 3.000 Seelen) bildete einen Zweig der Hamburger Gemeinde. Die an Hamburg angrenzende holsteinische Stadt Altona gehörte im 18. Jahrhundert zum Dänischen Reiche, und die jüdischen Gemeinden der beiden Städte (auch die dritte Gemeinde des Städtchens Wandsbek gehörte dazu) hielten sich einen gemeinsamen Rabbiner. In die inneren Gebiete des eigentlichen Dänemarks war den Juden der Eintritt erschwert, aber den reichen Kaufleuten und Fabrikbesitzern gelang es doch, dorthin einzudringen und eine Kolonie in der Hauptstadt des Landes, Kopenhagen, zu gründen. Unter dem Könige Christian VII. (1766 — 1808) verhielt sich die Regierung gegen die sich unter den dänischen Juden verbreitende „Berliner Aufklärung“ wohlwollend. Unter dem Einflüsse der neuen Bewegung zerfiel die Kopenhagener Gemeinde in zwei Gruppen: in Progressisten und Orthodoxe. Doch waren die dänischen Juden am Vorabend des Jahres 1789 von der bürgerlichen Gleichberechtigung weit entfernt.
Was das andere skandinavische Land, Schweden, betrifft, so wurde die christliche Bevölkerung ursprünglich (im 17. Jahrhundert) von „dem möglichen Einfluss der jüdischen Religion auf den reinen evangelischen Glauben“ geschützt; von den nach Stockholm kommenden Juden wurde nicht mehr und nicht weniger als die Taufe nach lutherischem Ritus gefordert. Im 18. Jahrhundert brachten es jedoch jüdische Kaufleute fertig, Wohnrecht im Lande zu erlangen, ohne dabei ihre Religion wechseln zu müssen. Die einheimischen Juden durften im ganzen Königreiche wohnen und frei ihren Gottesdienst verrichten, doch ohne alle jene Zeremonien, „die Anstoß bei der christlichen Bevölkerung erregen können“. Jüdische Gemeinden mit einem Rabbinat und Bethäusern wurden nur in den drei Städten Stockholm, Göteborg und Norköpping geduldet. Ausländischen Juden wurde das Wohnrecht nach einer ganzen Reihe von Scherereien und nach Vorlegung von Ausweisen über ihre Person und ihre materielle Lage gewährt, und dies nur in den drei obenerwähnten Städten. Unter günstigeren Bedingungen wurden ins Land reiche Juden zugelassen, die über ausreichende Kapitalien verfügten, um Großbetriebe in solchen Industriezweigen zu eröffnen, die im Lande selber schwach entwickelt waren. Solchen Personen wurden allerlei Konzessionen erteilt. Was den Kleinhandel und das Kleingewerbe betrifft, so unterlagen sie schweren Beschränkungen.
Die Spuren des schwedischen Reglements vom Jahre 1782, das in dessen Heimat längst außer Kraft getreten war, hat sich bis auf den heutigen Tag in der gewesenen schwedischen Provinz Finnland erhalten, wo die archaische Gesetzgebung über die Juden von der neuen russischen Metropole, dieses großen Reservoirs der jüdischen Rechtlosigkeit, unterstützt wurde.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die neueste Geschichte des jüdischen Volkes (1789-1914) Band 1