§ 36. Allgemeine Politik

Am standhaftesten erwies sich gegen den Ansturm der Revolution die österreichische Monarchie. Nach dem Tode Josefs II. (1790) machte der „aufgeklärte“ Absolutismus dem alten klerikalen Absolutismus Platz. Das wiederhergestellte alte Regime lastete schwer auf dem Lande mit der bunt zusammengesetzten Bevölkerung, der etwa eine halbe Million Juden angehörte. Die Erschütterung der „Throne und Altare“ in den Jahren der französischen Revolution verstärkte nur den Widerstand der Stützpfeiler der alten Ordnung gegen alle Reformen. Die Napoleonischen Kriege, die die Grenzgebiete der Monarchie stark mitgenommen hatten, berührten das Zentrum des Staates nicht, und das Jahr 1806, das vorübergehend die Schicksal Deutschlands änderte, brachte Österreich nur eine moralische Erniedrigung, indem es dem Kaiser die Krone des „Heiligen Römischen Reiches“ und den Titel des Oberhauptes der deutschen Nation nahm. Aber den frommen Habsburgischen Landen wurde keine fremdländische Verfassung aufgezwungen.

In Bezug auf die Größe der jüdischen Bevölkerung nahm Österreich um jene Zeit die zweite Stelle neben Russland ein. Die jüdische Bevölkerung war in Wien und in Deutsch-Österreich spärlich, in den slawischen und ungarischen Ländern aber um so dichter: in Böhmen und Mähren betrug sie (nach der Volkszählung von 1803) 76.000, in Galizien 295.000, in Ungarn mit Slawonien und Triest 85.000 Seelen. Diese drei Gebiete bildeten die Ansiedlungszone für die Juden; in den übrigen Ländern wurden sie nur als vorübergehende Bewohner angesehen. Die eigentümliche Stellung der Juden außerhalb jeder Staatsbürgerlichkeit wurde in den verschiedenen Provinzen nach verschiedenen Systemen reguliert. Es gab drei solche Systeme: 1. In Wien und in Deutsch-Österreich erhielten einige wenige privilegierte Juden, vorwiegend die Vertreter des Großkapitals, eine Konzession für das Wohnen und Handeln unter bestimmten Bedingungen; 2. in Böhmen und Mähren gestattete das Gesetz das Wohnrecht nur solchen jüdischen Familien, die einer festgesetzten Norm entsprachen, über die hinaus die Vermehrung verboten war; 3. in Galizien und Ungarn war der jüdischen Masse die natürliche Vermehrung nicht untersagt, aber ihr ganzes Leben wurde durch eine eigene beschränkende Gesetzgebung reguliert, die von zentralen oder lokalen Regierungsorganen ausging. Zu der empfindlichen Beschränkung in den persönlichen und bürgerlichen Rechten gesellte sich auch (besonders in Böhmen und Galizien) eine rohe Einmischung in das innere Leben der Juden zwecks ihrer Entnationalisierung, — ein Erbe der vom „Toleranzedikt“ begründeten Politik (vgl. oben §5).


Als der Schöpfer des Edikts, Josef II., gestorben war, versuchten die österreichischen Klerikalen die Abschaffung dieses Staatsaktes mit der ihnen verhassten Devise der ,,Toleranz“ zu erwirken. Die katholischen Bischöfe wandten sich an den neuen Kaiser Leopold II. (1790 — 1792) mit einer Beschwerde über die tolerante Behandlung der Nichtkatholiken während der letzten Regierung, insbesondere über die Zulassung von Juden in die christlichen Schulen, die zu einem Abfall von Christen zum Judentume führen könnte. Die christliche Geistlichkeit bemühte sich durchzusetzen, dass die ,,Toleranz“ gegen die Juden nicht als ein allgemeines Gesetz angesehen, sondern vom Ermessen der lokalen Behörden und der feudalen Herren abhängig gemacht werde. Die Regierung konnte sich aber nicht entschließen, die Thronbesteigung des neuen Kaisers mit einem Akte der Grausamkeit zu inaugurieren. Der Chef der Hofkanzlei, Graf Kolowrat, wies in seinem Bericht an den Kaiser darauf hin, dass es dem Ansehen der Monarchie schaden würde, wenn man „von der mit allgemeinem Beifalle des Auslandes eingeführten Toleranz absehen und einen harten Gewissenszwang einführen“ wollte. Der Staatsmann musste seinem Monarchen eine so einfache Schulweisheit erklären, wie „dass der Zwang gute Christen nicht schaffet und höchstens Heuchler erzeugt, die eine Religion, zu der sie sich gezwungener Weise öffentlich bekennen müssen, im geheimen verhöhnen“. Leopold II. lehnte das Ersuchen der Klerikalen ab. Man brauchte übrigens das Wort „Toleranz“ gar nicht abzuschaffen, da man doch die Möglichkeit hatte, diesem Worte einen neuen Inhalt unterzuschieben: man konnte an Stelle der Toleranz gegen alle Juden die Toleranz gegen bestimmte Kategorien von Juden setzen und auf diese Weise innerhalb einer Masse von Rechtlosen ein Häuflein Privilegierter schaffen, die ihre Privilegien teuer zu bezahlen hätten. Diese Unterschiebung wurde während der folgenden langen Regierungsperiode Franz I. vollzogen (1792 — 1835; bis zum Verluste des deutschen Kaisertitels im Jahre 1806 nannte er sich Franz II.).

Über dem Haupte dieses Monarchen zogen die größten historischen Stürme hinweg: das Ungewitter der französischen Revolution; das Donnergetöse der Napoleonischen Kriege, die ihm den deutschen Kaisertitel und einen nicht unbeträchtlichen Teil des Reichsgebiets nahmen; dann die Restauration und die Reaktion; das gekrönte Haupt lernte aber dabei gar nichts. Kaiser Franz fürchtete alle „Neuerungen“ und beklagte sich oft, dass die ganze Welt in ihrem Streben nach Verfassungen verrückt sei. Die Angst vor den Neuerungen zwang ihn, selbst solche Reformen, deren Notwendigkeit er selbst einsah aufzuschieben oder sogar ganz zu begraben. In seinen Erlassen äußerte der Kaiser mehr als einmal den Wunsch, die Lage der Juden zu bessern, handelte aber stets im entgegengesetzten Sinne. Im Jahre 1792 wurde mit seiner Bewilligung in Wien ein eigenes „Judenamt“ errichtet, das auf die in die Hauptstadt kommenden und daselbst wohnenden Juden aufzupassen, ihre Rechte nachzuprüfen und ihnen Ausweise für das Wohnen und für die Abreise usw. auszustellen hatte. Durch dieses polizeiliche Fegefeuer, eine finstere Hochburg von Beamtenwillkür und Korruption, mussten zwei Generationen rechtloser Juden hindurchgehen, die das Unglück hatten, in die für sie verbotene Hauptstadt zu geraten; das provisorisch und versuchsweise errichtete Judenamt erhielt sich über ein halbes Jahrhundert bis zur Revolution von 1848.

Nach den Gesetzen von 1790 — 1798 genossen das Wohnrecht in Wien nur solche Juden, die eine bestimmte Erwerbsquelle und ein Kapital von nicht unter 8 — 10.000 Gulden besaßen und ein Zeugnis über ihren tadellosen „moralischen Charakter“ vorweisen konnten. Diese Konzession hieß „Toleranz“ und kostete ein recht hohes „Toleranzgeld“; der Besitzer einer Konzession trug den Titel „Tolerierter Jude“. Im Jahre 1804 gab es in Wien nur 119 „tolerierte“ jüdische Familien, die dem Staate für das Wohnrecht allein den Betrag von 18.000 Gulden jährlich zahlten; die übrigen „nicht tolerierten“ Juden hielten sich in Wien heimlich auf oder mit stillschweigender Duldung der Polizei, die sich dafür ordentlich bezahlen ließ. Dieser Druck wirkte demoralisierend. Die privilegierten reichen Juden sahen den Zuzug ihrer ,,unlegalen“ Brüder mit Missgunst an, und es kam sogar vor, dass sie die Regierung ersuchten, den Zuzug „fremder“ Juden durch Repressalien einzudämmen. Die Bankiers und die reichen Kaufleute bemühten sich um die Abschaffung der Beschränkungen, doch nur für sich selbst und für die Leute ihres Kreises. Die Vertreter der Wiener jüdischen Gemeinde richteten im Jahre 1793 an die Hofkanzlei eine Petition, die u. a. folgende Bitten enthielt: Die ,,Bolletentaxe“, die in Wien von durchreisenden Juden für jeden Tag ihres Aufenthaltes erhoben wurde, sei abzuschaffen, da sie eine indirekte Wiedereinführung des schon abgeschafften ,,Leibzolles“ bedeute; die ,,Hochzeitstaxen“ sollen in gleichem Maße für die Juden wie für die Christen sein; die Notwendigkeit der Anwesenheit eines Polizeikommissars bei den Trauungen solle aufgehoben werden; „bei amtlichen Zustellungen an einen Israeliten sei die Bezeichnung „Jude“ wegzulassen, und die Aufschrift am Judenamte: „Für Juden, Sesselträger und Fiaker“ abzuändern“. Neben diesen bescheidenen Bitten enthielt die Petition auch zwei für jene Zeit äußerst kühne Forderungen: „Die Juden sollen zu Staatsämtern zugelassen werden“ und: „Verordnungen in Judensachen sollen nicht ohne Mitwissen der Vertreter erlassen werden.“ Auf diese Petition bekamen die Ältesten von der Hofkanzlei eine entsprechende Antwort. Die Bolletentaxe könne nicht abgeschafft werden, da sie die Bestimmung habe, die „Beamten im Judenamte zu salarieren“, also ein Polizeiinstitut zu unterhalten, das über die Rechtlosigkeit der Juden wachte und sie auf jede Weise drangsalierte. Die Trauungstaxe unter dem Titel ,,Schleiertaxe“ sei gleichfalls notwendig; offenbar als Entgelt für den Schaden, den die Vermehrung der Juden verursacht; der Polizeikommissar aber müsse den Trauungen zwecks Kontrolle beiwohnen. Die Hofkanzlei sei bereit, die Bezeichnung „Jude“ in amtlichen Zustellungen wegzulassen, die Aufschrift am Judenamte müsste aber bleiben. Weiter will die Hofkanzlei gerne anerkennen, dass das Gesetz kein Verbot enthalte, die Juden, ,,deren Jugend in allen wissenschaftlichen Fächern gründliche Kenntnisse sich zu erwerben beflissen ist, in den Staatsdienst aufzunehmen“ ; dies lasse sich aber nicht machen, „teils weil die Juden wegen ihrer Religionsgebräuche in vielen Ämtern nicht verwendet werden, teils würde man dadurch von Juden überschwemmt werden“. Die Bitte der Vertreter, sie zu den Beratungen über Judenangelegenheiten zuzuziehen, erfuhr eine sehr barsche Abweisung: ,,Die Regierung kann wohl Männer zu Rate ziehen, doch sei ihr dieses nicht als Pflicht aufzutragen. Die Bitte der Vertreter zeuge überdies von Stolz und Unfolgsamkeit.“

So weise reagierte die Regierung auf die Gesuche um die Verbesserung der Lage der Juden. Übrigens ging sie auch auf die Bemühungen der Judenfeinde um die Verschlechterung dieser Lage nicht ein. Im Jahre 1794 lehnte die Hofkanzlei einen anonymen Entwurf ab, welcher empfahl, von jedem in Wien tolerierten Juden 12.000 Gulden als Kaution zu erheben, „damit man die Garantie für die zu bezahlende Toleranzsteuer habe“. Der Verfasser dieses Entwurfs verknüpfte merkwürdigerweise diesen Rat mit Vorschlägen für eine Reform des Judentums. Die Hofkanzlei antwortete ihm, dass „eine bessere Bildung der jüdischen Nation und dazu die Reinigung ihrer Lehren von den rabbinischen und talmudischen falschen Sätzen zwar zu wünschen wäre“, aber nicht durch „Beschränkung der Toleranz“ angestrebt werden dürfe; die Juden selbst „müssen unter sich an der Abschaffung der von den Rabbinern in den Talmud eingeschalteten, der Lehre Mosis und dem alten Testamente nicht gleichförmigen Lehrsätze arbeiten; man muss alles dieses ihnen selbst und den unter ihnen selbst schon entstandenen vielen Gelehrten und gutdenkenden philosophischen Köpfen überlassen“.

Die Wiener „Tolerierten Juden“ stellten eine eigene Klasse der Bevölkerung dar. Dieser Titel kam auch in den offiziellen Urkunden und selbst auf Grabsteinen vor; man kann heute noch auf Grabsteinen aus jener Zeit lesen: ,,Hier ruht der Tolerierte Jude Soundso.“ Da man diese „Toleranz“ um Geld, wenn auch nicht billig, kaufen konnte, so war die Nachfrage nach diesem Artikel in stetem Steigen begriffen. Das Anwachsen der jüdischen Bevölkerung Wiens machte der Regierung Angst, und im Jahre 1802 erging ein kaiserliches Dekret, das die Ausstellung weiterer Toleranzzeugnisse untersagte. Von nun an war es ein persönliches Vorrecht des Kaisers, Juden die Niederlassung in Wien zu gestatten, wovon er aber nur bei Großkapitalisten Gebrauch machte. Später wurde entschieden, dass jedes Familienhaupt die „Toleranz“ nur zeit seines Lebens besitze, und dass seine Witwe und Kinder nach seinem Tode das Wohnrecht in Wien verlieren. Dies führte zu schrecklichen Grausamkeiten seitens der Polizei, die mit größter Energie die Ausweisung der Familien Verstorbener aus der Hauptstadt betrieb. Aber auch die legalen Einwohner verfügten nicht über volle Freiheit in Erwerb und Beruf. Jüdische Kaufleute durften weder mit Getreide noch mit Salz und verschiedenen Lebensmitteln handeln. Der jüdische Arzt durfte keine Christen kurieren. Juden hatten nicht das Recht, in Wien Häuser zu bauen oder zu kaufen. Erst im Jahre 1811 bekamen sie mit großer Mühe die Erlaubnis, ein eigenes Gebäude für ihre Synagoge und Schule zu errichten. Außerdem gab es viele kleinliche Bestimmungen in klerikalem Geiste. An katholischen Fasttagen durfte bei jüdischen Hochzeiten keine Musik gemacht werden, und selbst die „Purim“belustigungen waren verboten. Franz I. fand bei allen seinen Staatsgeschäften immer noch Zeit, streng darauf zu achten, dass solche Verbote nicht übertreten wurden.

Es gab einen Moment, wo Kaiser und Regierung große Angst vor denen bekamen, die sie so schwer bedrückten. Es war in den Jahren 1806 — 1807, als in Paris die Versammlung der jüdischen Deputierten und das „Große Synhedrion“ tagten. Als der Aufruf, der die jüdischen Vertreter aller Länder zur Teilnahme an den Arbeiten des Synhedrions einlud, veröffentlicht wurde, bekam die österreichische Regierung, die an Franzosenscheu litt, eine Höllenangst. Sie erblickte in der Einberufung des „jüdischen Parlamentes“ einen politischen Kunstgriff Napoleons: die tückische Absicht, aus den Juden aller Länder einen Geheimbund zur Unterstützung der französischen Politik zu bilden; sie fürchtete, dass die Juden Österreichs diese Gelegenheit benützen würden, um sich im Bunde mit den Eroberern an der Regierung für ihre Entrechtung und Erniedrigung zu rächen. Nun erließ der Chef der Polizeihofstelle, Freiherr von Sumerau, ein Rundschreiben an alle Länderchefs (17. Oktober 1806), in dem er sie auf die von Paris ausgehende Agitation aufmerksam machte und u. a. sagte: „Schon ein oberflächlicher Blick in den Gang dieser Angelegenheit enthüllt die politische Tendenz derselben und lässt Folgen von der höchsten Wichtigkeit für alle Staaten ahnen, in welchen jenes Volk zerstreut und durch Reichtum, Verbindungen, Schlauheit und Zusammenhang bedeutend ist. Die gleiche Taktik, durch welche Napoleon der Freimaurerei eine politische Richtung gab, und aus den Mitgliedern dieses Ordens in so manchen fremden Staaten eine geheime Polizei sich bildete, scheint auch hier nicht bloß zu diesem, sondern zu noch höheren Zwecken angewendet zu werden.“ Der Polizeichef ersucht daher die Behörden, alle Maßregeln zu ergreifen, um eine Verbindung zwischen den österreichischen Juden und dem jüdischen Kongress zu Paris zu vereiteln. Zu diesem Zwecke müssen sie die ausländische Korrespondenz aller Juden, besonders der gebildeten, überwachen und aufpassen, ob nicht irgendeine Judengemeinde einen Einladungsbrief aus Paris bekommen habe ; außerdem sollten die Behörden den Juden Reisepässe nach Paris unbedingt verweigern und sie dabei aufklären, zu welchen schweren Folgen für sie selbst und für ihr Volk eine solche Reise führen könnte. Die österreichische Polizei fing also an, scharf aufzupassen und nach Wien Berichte zu schicken, die teils auf richtigen Beobachtungen, teils auf albernen Gerüchten beruhten. Die Polizei von Böhmen, Mähren und Galizien gewann aus diesen Beobachtungen den Eindruck, dass die dortigen Juden, als streng Orthodoxe und Chassidim, mit dem Pariser Synhedrion, das das Judentum reformieren wolle, nicht sympathisierten. Der Wiener Polizeichef lieferte sogar ein „Dokument“: Eine Liste der in Wien lebenden jüdischen Familien mit Angabe, welche von ihnen die religiösen Gebräuche beobachten und koscheres Fleisch genießen, und in welchen ein freier Geist herrsche. Die Polizei schnüffelte mit großem Eifer in den Korrespondenzen. Sie berichtete angsterfüllt, dass der eine oder andere Jude einen Brief mit Nachrichten über das Synhedrion erhalten habe; solche Briefe wurden nach Durchsicht den Adressaten übergeben, die letzteren aber einer strengen Beobachtung unterstellt. Große Sorge machte der Regierung die fortschrittliche jüdische Gemeinde von Triest, die einzige in Österreich, die mit dem Pariser Synhedrion sympathisierte; es wurde angeordnet, einen jeden Juden, der nach Triest aus Paris kommen würde, zu verhaften und peinlichst zu vernehmen. Der österreichische Botschafter in Paris bekam den Auftrag, ,,auf die sich dort etwa einfindenden erbländischen Juden nach Tunlichkeit zu invigilieren“. Freiherr von Sumerau legte alle bei ihm einlaufenden Berichte dem Kaiser vor, und beide spannten ihren ganzen staatsmännischen Geist zum Kampfe mit der drohenden ,,Gefahr“ an. Der Kaiser sah mit Befriedigung die Abneigung der konservativen jüdischen Kreise gegen die Neuerungen Napoleons, aber das Häuflein der Aufgeklärten, ,,die sich mehr dem Deismus nähern“, machte ihm Angst. Die feige Furcht der Regierung steckte auch die einflussreichen Wiener Juden an. Als der reichste unter den Gemeindevertretern, Bernhard Eskeles, vom Sekretär der Pariser Versammlung einen Aufruf und eine Einladung zum Synhedrion erhielt, beeilte er sich, dies dem Polizeichef mitzuteilen. Eskeles hatte sogar die Ehre, von Herrn von Sumerau persönlich empfangen zu werden, dem er versprechen musste, ihm den Inhalt des nach Paris abgehenden Antwortschreibens der Wiener Vertreter zu melden.

Über diese lächerliche Angst des Kaisers und der Regierung von Österreich amüsierten sich wohl nicht wenig solche Juden, die die wahren Absichten Napoleons bei der Einberufung des Synhedrions kannten. Die Angst verflüchtigte sich übrigens recht bald, und die Regierung fuhr fort, mit den Juden nicht viel Federlesens zu machen. Derselbe Franz I., der um diese Zeit vor den Juden solchen Respekt hatte, behandelte sie später nach der Niederwerfung Napoleons aufs grausamste. Selbst in Paris, wo er im Jahre 1814 mit den verbündeten Monarchen weilte, vernachlässigte er in keiner Weise seine „internen Angelegenheiten“. Als er da z. B. erfuhr, dass manche Juden in Umgehung des Gesetzes in Wien Häuser erwarben, schickte er einen strengen Befehl an den Kanzler, Maßregeln gegen diesen Unfug zu ergreifen. Eben dort, im Lande der großen Revolution, regte sich Franz I. furchtbar über einen Bericht aus Österreich auf, der ihm meldete, dass die Nichtkatholiken sich erlauben, in der Fastenzeit Bälle und Tanzvergnügen abzuhalten; er schickte sofort den Befehl, alle derartigen Belustigungen abzustellen. Ein segensreiches Resultat dieser aus Paris erlassenen Verfügungen war dass die österreichische Polizei streng aufpasste, dass die Purimunterhaltungen der Juden nicht von Christen besucht wurden.