§ 24. „Das schmachvolle Dekret.“

Napoleon, der mit der Abänderung der Landkarte beschäftigt wat, hatte nicht viel Zeit übrig, um an die Juden zu denken. Das Jahr der „jüdischen Parlamente“ (1806 — 1807) war zugleich das Jahr der schärfsten politischen Krisen: Der Rheinbund wurde ins Leben gerufen, Preußen wurde endgültig geschlagen und gedemütigt, aus Polen wurde das Herzogtum Warschau herausgeschnitten, der Tilsiter Friede wurde geschlossen. Der Erschütterer der Throne, der Herrscher über das gebändigte Europa hatte unter diesen Umständen nicht die geringste Neigung, sich mit den jüdischen Angelegenheiten abzugeben. Zur Niederhaltung der Juden brauchte er weder Truppen noch kaiserliche Dekrete, und selbst gewöhnliche Verfügungen der Behörden genügten, um auf friedlichem Wege dasselbe Resultat zu erzielen. Die Beamten setzten das Werk ihres Herrn in dem gleichen Geiste fort. Als die Wirkungsfrist des Erlasses von der Einstellung aller Zahlungen an jüdische Gläubiger im Frühling 1807 abgelaufen war, verlängerte der kaiserliche Erzkanzler Cambacérès die Gültigkeit dieses gesetzwidrigen und ruinierenden Dekrets durch ein einfaches Rundschreiben auf unbestimmte Zeit, d. h. bis auf weitere Anordnungen des damals im Felde stehenden Kaisers. Das diesbezügliche Gesuch der Delegiertenversammlung wurde nicht beachtet; und auch in anderen Punkten blieben die Schritte der jüdischen Delegierten fruchtlos. Alle Hoffnungen des „jüdischen Parlamentes“ scheiterten, als Napoleon sich wieder Zeit nahm, an die jüdische Frage zu denken.

In der verhältnismäßig kurzen Zeit zwischen der Einberufung und der Auflösung der Delegiertenversammlung schwankte der Kaiser in seinen Beziehungen zu den Juden; schließlich aber nahm seine natürliche Abneigung überhand. Es besteht nicht die geringste Notwendigkeit, diesen Umstand durch die ungünstigen „Eindrücke“ zu erklären, „die die jüdischen Massen Deutschlands und Polens auf den Kaiser während seines Feldzuges gemacht hatten“*); hier traten eher organische Ursachen in Wirksamkeit: die ursprüngliche Abneigung des Kaisers gegen die Juden und das Temperament des Eroberers, der es gewohnt war, den Knäuel komplizierter Fragen mit einem einzigen Hiebe zu durchhauen. Nach der Auflösung der jüdischen Versammlungen wurden die Synhedrionsbeschlüsse im Zusammenhange mit den Gesetzentwürfen der drei Kommissare und der Minister mit großem Eifer im Reichsrate behandelt. Die Gesetzentwürfe empfahlen verschiedene Maßnahmen zur Beseitigung all jener wirtschaftlichen Reibungen in den Rheinprovinzen, die vor einem Jahre den Kaiser veranlasst hatten, zu Repressalien und zur Befragung der jüdischen Delegierten zu greifen; es wurden auch Mittel zur Regelung der Judenfrage in staatsbürgerlicher Hinsicht und zur strikten Erfüllung der Militärpflicht durch die Juden angeregt; letzteres war in den Augen des kaiserlichen Soldaten eines der heiligsten Gebote. Die Mehrheit des Reichsrates, die auf die liberale Gesinnung noch nicht verzichtet hatte, verwarf an dieser Entwürfen alles, was das Hauptgebot der Verfassung — die bürgerliche Gleichberechtigung anzutasten drohte. Aber der Kaiser machte niemals viel Federlesens mit der Verfassung, wo sie seinem Willen zuwiderlief. Und am 17. März 1808 erließ der Kaiser ein Dekret, das nach dem Urteile des Kommissars Pasquier „durch seine Härte alle Grenzen der Gerechtigkeit“ überschritt, oder mit anderen Worten — das durch die große Revolution aufgestellte Prinzip der Gleichberechtigung in brutaler Weise über den Haufen warf.


*) Mutmaßung eines der erwähnten Kommissare, des späteren Kanzlers Pasquier, in seinen Memoiren. Er behauptet, dass Napoleon schon vor der Einberufung des Synhedrions die Juden Deutschlands und Polens, wohin er einen Feldzug plante, an seine Seite habe bringen wollen. Ein anderer Memoirenschreiber (Barantes, bei Guizot zitiert) berichtet, dass die Erwartungen Napoleons sich erfüllt hätten: während seines Marsches durch Polen hätten ihm die dortigen Juden durch Lieferung von Proviant und wichtigen Nachrichten große Dienste geleistet. Der Kaiser habe im Scherz gesagt: „Dazu habe ich das große Synhedrion gebraucht!“

Zwei Dekrete waren es, die der Kaiser am 17. März unterschrieb. Durch das eine wurde das von der Delegiertenversammlung ausgearbeitete Reglement der konsistorialen Einrichtung der jüdischen Gemeinden bestätigt. Nach diesem Reglement sollte in jedem Departement oder in jeder Gruppe von Departements, die 2.000 jüdische Einwohner zählen, ein lokales Konsistorium und in Paris ein Zentralkonsistorium errichtet werden. Als Mitglieder eines jeden Konsistoriums sollten zwei oder drei Rabbiner und ebenso viele von einer kleinen Gruppe angesehener Bürger gewählte Laien figurieren. Sowohl die Wähler wie die Gewählten mussten von der lokalen oder zentralen Behörde bestätigt werden. Die Aufgaben des Konsistoriums bestanden im folgenden: aufzupassen, dass die Rabbiner die jüdischen Gesetze nicht anders als im Geiste des „neuen Talmuds“ — der Beschlüsse des Pariser Synhedrions interpretieren; die Ordnung in den Bethäusern aufrechtzuerhalten; die Juden zu nützlichen Beschäftigungen, insbesondere zur Erfüllung der Militärpflicht, anzuhalten und den Behörden alljährlich eine leiste mit Angabe aller einzuberufenden jungen Juden im betreffenden Bezirk zu unterbreiten . . . So sah die Organisation der jüdischen Beamten aus, die ausersehen waren, den politischen, ja polizeilichen Absichten der Regierung zu dienen, nicht aber die Aufgaben einer freien Selbstverwaltung zu verwirklichen. Das kaiserliche Dekret, das diese Gemeindeverfassung bestätigte, wurde als ein „gnädiges“ betrachtet. Es war dies die einzige organisatorische, durch die gemeinsamen Bemühungen der jüdischen Notabein und der napoleonischen Regierung ins Leben gerufene Aktion. Die andere Reform bestand darin, dass in den offiziellen Schriftstücken nunmehr das Wort „israélite“ statt des früher gebräuchlichen, einen verletzenden Beigeschmack enthaltenden Wortes „juif“ immer häufiger aufzutauchen begann. In den offiziellen Schriftstücken aus dem ersten Kaiserreiche kamen noch die beiden Ausdrücke nebeneinander vor; schließlich wurden aber die ,,Juden“ von den „Israeliten“ gänzlich verdrängt.

Ein anderes Dekret Napoleons aus derselben unglückseligen Zeit, ein Dekret, das sich mit der Regelung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Juden befasste, sah einer Reform am wenigsten ähnlich. In den drei Teilen dieses ohne die Zustimmung des Reichsrates veröffentlichten Dekrets verfuhr Napoleon mit den Juden auf eine rein militärische Weise. Der erste Teil behandelt die Regelung der Kreditoperationen. An Stelle des Dekrets über die provisorische Einstellung der Zahlungen an jüdische Gläubiger treten folgende, wahrhaft drakonische Maßregeln in Kraft: Ungültig sind alle Forderungen jüdischer Gläubiger an Militärpersonen, Frauen und Unmündige, wenn die Schulden ohne die Einwilligung der Militärbehörden, Gatten und Eltern gemacht worden sind. Der einem jüdischen Gläubiger von einem Angehörigen einer nichthandeltreibenden Klasse ausgestellte Wechsel wird von den Gerichten nur dann anerkannt, wenn der Jude den Beweis erbringen kann, dass der Betrag des Wechsels dem Schuldner voll und ohne Abzüge ausbezahlt worden ist. Geldgeschäfte, deren Zinsen 10% überschreiten, gelten als Wucher und werden vom Gericht nicht anerkannt. Auf diese Weise waren durch einen einzigen Federstrich die Vermögensrechte vieler Tausende von Bürgern verletzt, deren Schuld höchstens darin bestehen konnte, dass sie sich aus dem unter einem jahrhundertlangen Druck entstandenen Kreise wirtschaftlicher Verhältnisse nicht mit einem Male loszumachen vermochten. Aber der Kaiser ließ es bei dieser Enteignung von Bargeld nicht bewenden: er schaffte die Gewerbe- und Handelsfreiheit überhaupt ab. Der zweite Teil des Dekrets enthält eine Reihe von Paragraphen, die es den Juden untersagen, irgendwelchen Handel ohne ein vom Präfekten des betreffenden Departements ausgestelltes „Patent“ zu betreiben. Zur Erlangung dieses Patents ist die Vorweisung eines vom Munizipalrate und dem Kreiskonsistorium ausgestellten Zeugnisses erforderlich, das für die moralische und kommerzielle Zuverlässigkeit der betreffenden Person bürgt und alljährlich erneuert werden muss. Geschäftliche Abmachungen unpatentierter Juden werden für ungültig erklärt. In dieser Richtung weiterschreitend, verstieg sich Napoleon bis zur Abschaffung der Bewegungsfreiheit — des elementarsten Rechtes eines jeden Bürgers. Der dritte Teil des Dekrets verbietet den Juden, sich in den Departements des Oberen und Unteren Rheins (Elsaß) niederzulassen. Was die anderen Departements des Kaiserreichs betrifft, so wird die Niederlassung nur solchen Juden gestattet, die daselbst Grundstücke behufs eigenhändiger Bebauung, aber keineswegs zu geschäftlichen Zwecken, ankaufen. In Bezug auf die Militärpflicht wird eine neue Rechtseinschränkung eingeführt: der Jude ist verpflichtet, persönlich im Heere zu dienen und hat nicht das jedem christlichen Rekruten zukommende Recht, sich durch einen Freiwilligen ersetzen zu lassen. Der Erlass vom 17. März schließt mit zwei ,,Verfügungen allgemeiner Natur“: a) Das Dekret bleibt nur zehn Jahre in Kraft, denn die Regierung hofft, dass die Juden nach dieser Frist sich infolge der ergriffenen Maßnahmen ,,von den anderen Bürgern nicht unterscheiden werden“; widrigenfalls werden die Repressalien fortgesetzt werden, b) Alle durch das Dekret festgesetzten Rechtseinschränkungen erstrecken sich nicht auf die Juden von Bordeaux und den Departements Gironde und Landes, die „keinen Anlass zu Beschwerden boten und keine unerlaubten Geschäfte betreiben“.

Auf diese Weise vollzog sich der napoleonische Staatsstreich in der jüdischen Frage. Statt die im Verlaufe von Jahrhunderten entstandene und großgezogene wirtschaftliche Ordnung auf dem Wege von Reformen nach und nach umzugestalten, wollte er ihr durch den Machtspruch eines Befehls eine jähe Wendung geben und richtete dabei Tausende von Familien wirtschaftlich zugrunde. Anstatt die Krankheit zu heilen, befahl er, den Kranken durchzuprügeln. Die verwerflichen Kreditoperationen eines Teiles der jüdischen Bevölkerung beantwortete er durch eine grausame militärchirurgische Operation, die fast sämtliche Teile dieser Bevölkerung traf. Es wurde eine jener Enteignungen vollzogen, an die der kühne Heerführer in seinen Feldzügen von jeher gewohnt war; aber das Dekret vom 17. März wurde doch nicht in einem Kriegslager, sondern in den Tuilerien zu Paris erlassen, wo der bürgerliche Kodex, der mustergültige Code civil desselben Napoleons noch in Kraft war . , . Und nicht nur der bürgerliche Kodex allein war verletzt: die grundlegenden Paragraphen der Verfassung wurden durch diesen Bruch mit der durch den Emanzipationsakt vom Jahre 1791 proklamierten staatsbürgerlichen Gleichberechtigung der Juden in rücksichtsloser Weise über den Haufen geworfen. Die meisten jüdisch-französischen Bürger gingen ihrer Gewerbe- und Bewegungsfreiheit für die Dauer von zehn Jahren verlustig, und viele wurden sogar ihrer Vermögensrechte beraubt . . . Furchtbar waren die Folgen dieser offiziellen Enteignung: im Elsaß weigerten sich die christlichen Schuldner, selbst die unstrittigen und einwandfreien Schulden den jüdischen Gläubigem zu bezahlen. Die Bürgermeister vieler Städte verkündeten das kaiserliche Dekret mit absichtlicher Feierlichkeit, unter Trommelwirbeln, und die christliche Bevölkerung zog aus dieser pomphaften Zeremonie die entsprechenden Konsequenzen: der Jude steht außerhalb des staatsbürgerlichen Gesetzes. Die geschäftliche Betätigung der Juden war von einem System von Patenten umstrickt, und die Entziehung der Bewegungsfreiheit war für die bewegliche jüdische Bevölkerung die Quelle endlosen Elends.

Noch schwerer als der materielle Ruin lastete der moralische Schlag auf einem durch die Revolution befreiten Volke, das im Kampfe um die Freiheit seine Kraft vergeudet und in den militärischen Hekatomben des Kaisers sein Blut vergossen hatte. Das Dekret vom 17. März ist in der Geschichte unter dem Namen des „Schmachvollen Dekrets“ (décret infâme) bekannt. Sein verwerflicher Charakter überraschte jene „Notabeln“, die noch an die Liebe Napoleons zu den Juden glaubten und in ihm den Helden der jüdischen „Wiedergeburt“ sahen. Als der frühere Vorsitzende der Delegiertenversammlung, Furtado, und einige angesehene Mitglieder vom bevorstehenden Erlasse erfuhren, begaben sie sich in aller Eile nach der Residenz des Kaisers, Fontainebleau, um gegen diese Gesetzwidrigkeit zu protestieren; sie wurden aber nicht empfangen. Napoleon brauchte jetzt nicht die Dienste der jüdischen Notabeln; unter dem Deckmantel des Friedens und der Freundschaft nahm er ihnen alles, was sich nehmen ließ, um sie dann zu überrumpeln. Nicht Napoleon war es, der die Juden getäuscht hatte, wie es viele Geschichtsschreiber glauben, sondern die Juden hatten sich in ihm getäuscht, indem sie seine Bühnendekorationen für Wirklichkeit nahmen. Der Kaiser blieb sich treu: vor zwei Jahren ließ er im Reichsrate die Worte fallen, dass man auf die Juden nicht den bürgerlichen, sondern den politischen Kodex anwenden müsse, und nun hatte er auf sie seinen internationalen Kodex des Krieges und der Brandschatzung angewandt.

Die Anwendung des „Schmachvollen Dekrets“ wurde durch seinen gesetzwidrigen und gewalttätigen Charakter äußerst erschwert. Es regnete Klagen und Beschwerden seitens der Juden der verschiedenen Departements, besonders der südfranzösischen und italienischen, die Napoleon in seiner noblen Geste den „schuldbeladenen“ Juden der rheinischen Provinzen in punkto Rechtlosigkeit gleichgestellt hatte. Die Regierung musste eine Reihe von Ausnahmen (exceptions) vom Gesetze des Jahres 1808 machen. Vor allen Dingen wurde eine Ausnahme zugunsten der jüdischen Einwohner der Stadt Paris gemacht (26. April 1808), denen der Minister des Inneren, Creté, einen guten Leumund ausgestellt hatte (auf 2.593 Juden kamen nur 4 Wucherer; im Heere dienten aber zu jener Zeit 150 Juden); dann wurden die Juden von Livorno und der zwanzig Departements des südlichen Frankreichs und Italien der Repressalien enthoben. Im Jahre 1810 beauftragte der Kaiser den Minister des Inneren, alle die Städte unter die Kategorie der ausgenommenen zu bringen, deren jüdische Bevölkerung sich eines derartigen Gnadenaktes würdig erweisen würde. Im Juli 1812, als der Todesengel schon die große napoleonische Armee in Russland umschwebte, schaffte der Kaiser das Verbot für die jüdischen Rekruten, sich durch einen Freiwilligen ersetzen zu lassen, ab. Er hatte gesehen, wie die jüdischen Soldaten in den Reihen der todgeweihten Armee auf den Schlachtfeldern verbluteten, und hier begriff vielleicht der Eroberer die ganze Verwerflichkeit seines Angriffes auf ein Volk, das ihm sein Schicksal anvertraut hatte.

Die gedemütigte und der staatsbürgerlichen Rechte beraubte Judenheit konnte gegen den Verletzer des Grunddogmas der Gleichberechtigung keinen Protest erheben; aber eine indirekte Verurteilung des gewalttätigen Aktes hörte man aus den untertänigsten Berichten der Minister heraus, die mitzuteilen wussten, dass die Juden nach Angaben der Präfekten und Konsistorien sich rasch „verbessern“. „Die Wiedergeburt der Juden macht sich bereits bemerkbar,“ berichtete der Minister des Inneren dem Kaiser im Jahre 1811, „überall sind sie bestrebt, sich der Güte Eurer Majestät würdig zu erweisen, indem sie hoffen, die Ausnehmung vom Dekret zu erreichen“. Viele Präfekten berichteten, dass die Juden sich in immer größerem Maße den nützlichen Gewerben widmen und die Militärpflicht gewissenhaft erfüllen. In den italienischen Provinzen wies man mit Freude auf den Beginn „einer vollen Auflösung der Juden in die Massen der Franzosen“ hin. Rühmend wird auch die patriotische Tätigkeit der Konsistorien hervorgehoben, die den Juden die Pflicht des Gehorsams gegen die Anordnungen der Regierungsorgane einschärfen.

Im Juni 1810 unterbreitete das Pariser Zentralkonsistorium dem Minister des Inneren einen umfangreichen, auf Grund von Angaben der Landeskonsistorien zusammengestellten Bericht über die Lage der Juden in Frankreich. Die jüdischen Beamten führen hier dieselbe servile Sprache, die im Munde der Mitglieder der jüdischen Parlamente noch zu entschuldigen, die aber nach dem ,,Schmachvollen Dekret“ einfach beschämend war. Die Vertreter der Konsistorien berichten über die ,,Wiedergeburt der Israeliten“, indem sie den Kaiser als den ,,Helden unter den Gesetzgebern“ und „Wohltäter“ feiern. Die Zahl der Grundbesitzer, Fabrikanten, Vertreter freier Berufe, Militärpersonen, Studierenden an den allgemeinen Lehranstalten nehme immer zu.

Nach Angaben der Konsistorien entfielen auf die gesamte jüdische Bevölkerung des französischen Kaiserreichs (80.000 Seelen, abgesehen von der Bevölkerung der autonomen Königreiche) im Jahre 1810: 1.232 Landwirte, 797 Militärpersonen, 2.360 Kinder, die allgemeine Lehranstalten besuchten oder sich für ,,nützliche Gewerbe“ vorbereiteten. Es gab 250 Fabriken, deren Inhaber Juden waren. Diese „Wiedergeburt“ der Juden wäre besser vonstatten gegangen — gestattet sich das Zentralkonsistorium schüchtern zu bemerken — wenn sie von den Fesseln des harten Dekrets von 1808 befreit wären.

Aber die Fesseln wurden ihnen nicht genommen. In 44 von den 68 Departements des französischen Kaiserreichs herrschte noch der durch das „Schmachvolle Dekret“ geschaffene Ausnahmezustand. Erst der Sturz Napoleons und das Zeitalter der Restauration brachten eine Änderung der Lage mit sich. Durch eine Ironie des Schicksals waren es gerade die Männer der alten „Ordnung“, die eine der Errungenschaften der großen Revolution wiederherstellen mussten, die der ,,Sohn der Revolution“, Napoleon, in den Staub getreten hatte.