Die moderne Ehe - und wie man sie ertragen soll

Autor: Braby, Maud Churton, Erscheinungsjahr: 1911
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Ehe, Liebe, Beziehung, Scheidung, Geschlechter
Seit Frau Mona Caird die Institution der Ehe in der Westminster Review angriff und der großen Diskussion im Daily Telegraph über die Frage: „Ist die Ehe ein Missgriff?“ Bahn brach, ist die Ehe die immerwährende, unversiegbare Quelle für Zeitungs­briefecken und verbrauchte Subredakteure gewesen. In der flauen, sauren Gurkenzeit braucht der niedrigste Zeitungsskribent nur eine Spalte über dieses Thema loszulassen und gleichviel, ob es eine ernste Abhandlung über „Die Vollkommenheit der Polygamie“ oder eine banale Diskussion über das Thema: „Sollen die Ehemänner den Tee zu Hause trinken?“ ist, es wird unvermeidlich das gewünschte Resultat erzielen und die unzähligen Spalten der Zeitung wochenlang mit Zuschriften versehen. Die Leute interessieren sich immer für die Ehe, entweder vom objektiven oder subjektiven Standpunkt aus, und das mag mich entschuldigen, wenn ich noch ein Buch über dieses abgedroschene, jedoch immer fruchtbare Thema wage.
Inhaltsverzeichnis
  1. I. Teil - Zeichen der Unruhe„Das Thema der Ehe wird zu sehr im Dunkel gehalten. Laßt freie Luft ein! Laßt freie Luft ein!“ - George Meredith.
    1. I. Die Unbefriedigtheit der Geschlechter
      „Das Gespenst der Ehe harrt, entschlossen und furchtbar, an den Kreuzwegen.“ - R. L. Stevenson.
    2. II. Warum die Männer nicht heiraten - „Wenn ihr die Auslese der Menschheit haben wollt, nehmt einen guten Hagestolz und eine brave Frau.“ - „Es gibt wahrscheinlich nicht Hitzköpfigeres und Tolleres in dem Leben eines Mannes als die Verheiratung.“ - R. L. Stevenson. - „Was immer man auch gegen die Ehe sagen mag, sie ist jedenfalls ein Experiment.“ - Oscar Wilde.
    3. III. Warum die Frauen nicht heiraten - „Es ist Sache der Frau, sich sobald als möglich zu verheiraten, und die des Mannes, so lange er kann, unverheiratet zu bleiben.“ G. Bernard Shaw. - „Die Ehe bringt der Frau solche Vorteile, eröffnet ihr so viele Lebens­möglich­keiten und stellt ihr so viel größere Freiheit und nützliche Betätigung in Aussicht, daß, einerlei, ob sie glücklich oder unglücklich verheiratet ist, sie durch sie nur gewinnen kann.“ R. L. Stevenson.
    4. IV. Die Tragödie der Unbegehrten
  2. II. Teil - Warum Ehen mißglücken - „Denn die Ehe ist darin dem Leben gleich, daß sie ein Schlachtfeld und kein Rosenlager ist.“ R. L. Stevenson. - „Die Ehe ist für mich Abtrünnigkeit, Entweihung des Heiligtums meiner Seele, Vergewaltigung meiner Männlichkeit, Veräußerung meines Erstgeburts­rechtes, schändliche Übergabe, schmachvolle Kapitulation, Annahme der Niederlage.“ Bernard Shaw: - Mensch und Übermensch. - Ein weiser Mann sollte der Ehe ausweichen, als ob sie ein Haufen glühender Kohlen wäre. Dhammika Sutta.
    1. I. Die verschiedenen Arten der Ehe - Die Ehe ist der große Irrtum, der die kleineren Dummheiten der Liebe auslöscht. Schopenhauer.
    2. II. Warum Mann und Frau auseinandergeraten: Zwistigkeiten - „Man mag sagen, was man will: der Mann, der der Ehe ausweicht, ist ähnlich demjenigen, der vor der Schlacht davonläuft.“ R. L. Stevenson.
    3. III. Das Heiratsalter - „Das Merkwürdige für mich ist nicht, daß so viele Leute unverheiratet bleiben, sondern, daß sich so viele in die Ehe stürzen, wie sie auf eine Bahnstation losstürzen würden, um einen Zug zu erreichen. Wenn man den falschen Zug erwischt, was dann? Alles, was einem zum Troste bleibt, ist die Tatsache, daß man gereist ist.“ Robert Hichens.
    4. IV. Das „Sichausleben“ für die Frauen - „Nichts, was zu sagen der Mühe wert ist, ist schicklich.“ G. Bernard Shaw. - „Ich glaube nicht an die Existenz der puritanischen Frauen. Ich glaube nicht, daß es eine Frau in der Welt gibt, die sich nicht ein bißchen geschmeichelt fühlen würde, wenn man ihr den Hof macht. Das eben macht die Frauen so unwiderstehlich reizend.“ Oscar Wilde.
    5. V. Einige Worte für eine vernünftigere Mädchenerziehung
    6. VI. „Und wahre ihr die eheliche Treue“ — der wunde Punkt in der Ehe - „Wir vergöttern die Männer und sie verlassen uns; andere behandeln sie wie die Hunde und sie kriechen ihnen nach und sind treu.“ Oscar Wilde
  3. III. Teil - Vorgeschlagene Alternativen - Für mich ist das einzige Heilmittel gegen die tödliche Ungerechtigkeit, das endlose Elend, die oft unheilbaren Leiden­schaften, welche die Verbindung der Geschlechter stören, die Freiheit, die Ehefesseln zu sprengen und neue zu schmieden. George Sand. - Solange das Eheband nicht geschmeidiger geworden ist, wird die Ehe immer ein Risiko sein, auf welches besonders die Männer nur mit Besorgnis eingehen werden. H. B. Marriott-Watson.
    1. I. Die Probeehe à la Meredith - „Nach zwanzig Jahren Liebesaffären sieht eine Frau wie ein Wrack aus, nach zwanzig Jahren Ehe wie ein öffent­liches Gebäude.“ Oscar Wilde.
    2. II. Die Probeehe in der Praxis: ein Dialog im Jahre 1999 - „Eines fürchten die Frauen mehr als das Zölibat — nämlich, daß man sie verschmäht.“ Marcel Prévost.
    3. III. Das Fiasko der freien Liebe - Der letzte Gesichtspunkt, aus welchem alle das Betragen der Menschen beurteilen, ist das daraus folgende Glück oder Unglück. - Ein Verhalten, dessen mittelbare oder unmittelbare Endresultate schädlich sind, ist ein schlechtes Verhalten. Herbert Spencer.
    4. IV. Die Polygamie an einer höflichen Tafelrunde - „Am schwersten und letzten von allem ist jenes Monopol des mensch­lichen Herzens auszurotten, das als Ehe bekannt ist . . . Es ist mit jener häßlichen und barbarischen Form der Hörigkeit so weit gekommen, daß man den sonderbaren Einfall hat, sie für direkt göttlichen Ursprungs zu halten.“ Grant Allen.
    5. V. Ist die legalisierte Polyandrie die Lösung?
    6. VI. Ein Wort für die Duogamie - „Geschaffen hat euch Gott, aber verheiraten müßt ihr euch selbst.“ R. L. Stevenson.
    7. VII. Die Vorteile der Ehe „auf Sicht“ - „Die Ehe ist abschreckend, aber auch ein kaltes und verlassenes Alter ist es.“ R. L. Stevenson.
  4. IV. Teil - Die Kinder — die Sackgasse aller Reformen - „Ein frühes Ergebnis teils des Geschlechtes, teils der passiven Art der ersten Urmutter ist Begründung einer neuen und schönen Gemein­schaftsform — der Häuslichkeit . . . Eine Tages erscheint in diesem Raum ohne Dach jenes Wesen, das bestimmt ist, die Lehrer der Welt zu lehren — ein kleines Kind.“ Henry Drummond.
    - „Jede echte Frau ist von Natur aus eine Mutter und findet am besten in der Mutter­schaft ihre soziale und sittliche Erlösung. Sie soll durchs Gebären erlöst werden.“ Grant Allen. - „Kinder sind eines Mannes Macht und sein Stolz.“ Hobbes.
    1. I. Kinder oder keine Kinder — die Frage des Tages - „Die Ehe wurzelt daher vielmehr in der Familie als die Familie in der Ehe.“ Westermarck.
    2. II. Das Für und Wider des beschränkten Nachwuchses - „Das Kind — des Himmels Gabe.“ Tennyson.
    3. III. Die Eltern­schaft — die höchste Bestimmung
  5. V. Teil - Wie man, obgleich verheiratet, glücklich werden kann - „Um glücklich miteinander zu leben, sollten sie mit den Feinheiten des Seelenlebens vertraut und mit der Fähigkeit geboren sein, nachzugeben und sich auszugleichen.“ - „Die Güte in der Ehe ist ein verwickelteres Problem als die bloße Tugend, denn es sollen in der Ehe ja zwei Ideale verwirklicht werden.“R. L. Stevenson.
    1. I. Einige Reformvorschläge
    2. II. Einige praktische Winke für Ehemänner — und Frauen - „Man braucht in der Ehe nicht eine Menge schöner Gefühle, sie nützen nichts.“ W. Sommerset-Maugham.
Das Ehethema scheint jetzt mehr denn je in der Luft zu liegen, überall wird es diskutiert, und sehr wenige Leute haben etwas Gutes darüber zu sagen. Der oberfläch­lichste Beobachter muss gemerkt haben, dass in der Mehrheit eine wachsende Furcht vor dem Ehejoch, besonders unter den Männern besteht, und eine wesentliche Unzufriedenheit und Unruhe unter den verheirateten Leuten, besonders unter den Frauen. Was ist mit dieser Generation geschehen, dass die Ehe in ihren Augen so abschreckend wirkt? Von allen Seiten hört man, wie sie herabgesetzt und ihre Notwendigkeit in Frage gestellt wird. Von der Kanzel bemüht sich die Geistlichkeit, die Heiligkeit der Institution aufrecht zu erhalten, und ermahnt unaufhörlich jede Gemeinde, sie zu achten und heilig zu halten. Aber die Berichte der Ehegerichtshöfe liefern eine bedenkliche Lektüre, und jeder Rechtsanwalt wird aus seinen persönlichen Erlebnissen erzählen, dass die glücklichen Verbindungen bedeutend in Abnahme begriffen sind, und einige der größten zeitgenössischen Denker stimmen einen Chor der Verdammung gegen die Ehe der Jetztzeit an.

Tolstoi sagt: „Die Beziehungen zwischen den Geschlechten suchen eine neue Form, die alte zerfällt in Stücke“. In dem handschriftlichen Nachlass Ibsens, jenes tiefen Kenners der mensch­lichen Natur, kommt die folgende bemerkenswerte Stelle vor: „Das Wort ‚freigeborene Menschen‘ ist eine rhetorische Phrase, sie existieren nicht, denn die Ehe, das Verhältnis zwischen Mann und Weib, hat die Rasse verdorben und allen das Zeichen der Sklaverei aufgedrückt.“ Vor nicht langer Zeit erregte auch der größte Moralist des neuen England, George Meredith, eine ungeheure Sensation durch seinen Vorschlag, dass die Ehe ein zeitweises Abkommen mit einer Minimalfrist von, sagen wir, zehn Jahren sein solle.

Es ist klar, dass die Zeit für eine solche umstürzlerische Änderung noch nicht gekommen ist, aber wenn die Anzeichen und Symptome der letzten zwei Jahrzehnte nicht trügen, können wir mit Sicherheit annehmen, dass die Zeit dafür kommen wird und dass die gegenwärtigen gesetzlichen Bestimmungen des Ehebandes in irgend einer Weise abgeändert werden müssen.

Vor fünfzehn Jahren gab es eine plötzliche umstürzlerische Strömung gegen diese Bestimmungen und ein erneutes Interesse an der sexuellen Frage zeigte sich in dem Emporwuchern von „Tendenzromanen“, eine Bezeichnung, die später als Vorwurf angewendet wurde. Ich kann mich erinnern, wie ich als Schulmädchen die durch ein solches Buch hervorgerufene Erregung mitmachte und bitter enttäuscht war, als meine erzürnte Gouvernante, die sich für dieses reizvolle Thema offenbar nicht zu interessieren schien, mir das Buch strengstens verbot. Eine Schar von Nachahmern folgten diesen ersten literarischen Verstößen. Einige davon waren total unliterarisch, und alle boten einen unfehlbaren Wegweiser durch das verwirrende Labyrinth der Ehe. Noch ärger war die darauf folgende unvermeidliche Reaktion, als der Realismus in der Dichtung in Acht und Bann erklärt wurde und die krankhafte Romantik das Feld beherrschte. Der Kultus der Familienliteratur war bald wieder in vollster Blüte. Dann folgte eine Lawine von unerträglich albernen und kindischen Zeitschriften, in denen das Wort „Geschlecht“ direkt verrufen und das erstrebte Ideal offenkundig das gerade Gegenteil des wirklichen Lebens war. Sonderbar, wie plötzlich das sexuelle Thema aus den Spalten der Presse verschwand. Die Psychologie war abgetan und die Intrigen waren an der Tagesordnung. Viele damals wohlbekannte und als feine Charakterschilderer renommierte Autoren verschwanden von den Inhaltsverzeichnissen der Zeitschriften und den Verlegerlisten, während seichte Schriftsteller, die weitschweifige Detektive und Abenteurer­geschichten erzählen konnten, in die Halme schossen.