Fortsetzung (Der Trost der Patrimonialgerichtsherren)

Aber ein Trost bleibt den Patrimonialgerichtsherren! Der vorliegende Gesetzentwurf erstreckt sich nur auf die Ordnung des Verfahrens in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten. Die Verfassung der Kriminal-Gerichte wird also dadurch in ihrem jetzigen Zustande nicht verändert und was nach freiwilliger Aufopferung der hohen Gerichtsbarkeit den Gerichtsherren in dieser Hinsicht bis jetzt verblieben, dass scheint ihnen zum Lohn ihres Patriotismus auch ferner verbleiben zu sollen. Indes auch dieser Trost ist nur ein scheinbarer. Artikel 4 der Bundesverfassung bezeichnet sub 13. nicht nur den Zivilprozess, sondern das gerichtliche Verfahren allgemein und auch das Strafrecht als Gegenstand der Bundesgesetzgebung. Dem im Entwurf ebenfalls bereits veröffentlichten Strafgesetzbuch wird bald eine allgemeine norddeutsche Strafprozessordnung folgen müssen, die den patrimonialen Kriminalgerichten und dem Lützower Kriminal-Kollegium die modernen Schwurgerichte substituiert, und wäre es auch nur, um dem unleidlichen Zustand ein Ende zu machen, der eintreten wird, wenn nach Aufhebung der zivilen Patrimonialgerichtsbarkeit und Organisation der Kreisgerichte für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten die patrimonialen Kriminalgerichte fortvegetieren wollten. Denn während auf der einen Seite zu erwarten steht, dass dieselben als letzter Rest früherer Herrlichkeit nur desto zäher festgehalten, dass also die Gerichtsherren aus eigener Initiative schwerlich auf dieselben verzichten werden, — es sei denn, dass ihnen plötzlich die Augen aufgingen über die Tragweite der Nr. 13 des Art. 4 der Bundesverfassung, — so haftet eben den Kriminalgerichten das Odium besonders empfindlicher pekuniärer Belästigung ihres Inhabers an. Es ist also auf der andern Seile zu fürchten, dass die Strafrechtspflege, deren jetzige Mängel der Vizepräsident Trotsche mit rühmlicher Offenheit aufdeckte, mehr und mehr leiden werde, wo sie durch Patrimonalgerichte gehandhabt wird, die lediglich noch zu diesem Zwecke — und etwa noch zur Handhabung der gutsherrlichen Polizei und freiwilligen Gerichtsbarkeit — oder vielmehr nicht einmal zu diesen Zwecken, sondern lediglich aus Prinzip. d. h. zur Wahrung des ständischen Prinzips, festgehalten werden. Denn dass die Patrimonialgerichte ein wesentlicher Zubehör den des ständischen Staates sind, während der moderne Staatsbegriff dieselben ausschließt, kann keinem Zweifel unterliegen. Das anerkannte noch der neueste Verteidiger der kurz vorher von Trotsche so hart verurteilten Patrimonialgerichte, Professor Böhlau, in seiner Darstellung des Mecklenburgischen Kriminal-Prozesses. Um seine Verteidigung zu rechtfertigen, stellt er freilich das nur im Munde eines Rostocker so zu sagen auf den L. G. G. E. V. vereidigten Professors mögliche Paradoxon auf: „der moderne Staatsbegriff als solcher ist nicht Recht" (p. 77). „Der ständische Staat, welcher begrifflich gleich möglich ist", fügt er hinzu, „rechtfertigt die Patrimonalgerichte als seine Konsequenz". Das haben wir bereits zugegeben; ist dem aber so, dann müssen diese mit jenem fallen, und fallen sie, wie es jetzt bevorsteht, vor ihm, so ist das eben ein Zeichen, dass er nicht mehr die Kraft hat, seine Konsequenzen zu ziehen, und der ständische Staat wird den Sturz seiner Patrimonialgerichte wohl schwerlich lange überdauern. Mit ihnen wird ein Eckstein aus seinen Fundamenten herausgerissen, die ohnehin längst wanken. Dass er diesen nicht mehr halten kann, ist ein untrügliches Zeichen, wie wenig er sich selbst noch halten kann, er müsste es denn verstehen, in der Luft zu schweben. „Über die Vorzüglichkeit des einen oder andern Staatsbegriffes", heißt es weiter bei dem erwähnten Schriftsteller, „mögen verschiedene Ansichten existieren"; aber diese Ansichts-Verschiedenheit bewegt sich nicht mehr, wie er noch 1867 meinte, lediglich auf philosophischem oder auf politischem Gebiete, sondern sie ist längst, und mindestens seitdem der letzte rein ständische Staat Deutschlands dem modernen Staatsorganismus des norddeutschen Bundes wenn auch widerstrebend eingefügt ist, in Deutschland und insbesondere auch für Mecklenburg praktisch geworden. Und seitdem dieselbe zugleich durch das praktische Bundesrecht zu Gunsten des modernen Staatsbegriffes entschieden ist. werden die Anhänger des letzteren nicht mehr „immer nur behaupten können, dass die Patrimonialgerichte politisch unleidlich oder rechtsphilosophisch unhaltbar seien", sondern sie werden, unter Berufung darauf, dass der norddeutsche Bund dieselben bald praktisch aus seinem Gebiete wird verbannt haben, sagen dürfen, dass gleichwie sie als die Konsequenzen des ständischen Staates fielen, dieser selbst fallen muss. Mindestens ist derselbe ebenso unpraktisch geworden, wie seine Konsequenzen und mag der moderne Staat „Recht" sein oder nicht, praktisch ist er, zumal in der Gestalt, in der er sich auf Grundlagen der norddeutschen Bundesverfassung aufbaut. Weit entfernt, seine Ziele a priori aufzustellen, wie es die Bundes-Akte tat, wenn sie von Juden-Emanzipation, landständischen Verfassungen u. s. w. sprach, um dieselben niemals zu erreichen, oder wie das deutsche Reich von 1848 in seinen Grundrechten tat, um mit diesen zu Grunde zu gehen, tritt er vielmehr, ohne sonderliche Scheu vor unpraktisch gewordenen Überlieferungen der Vorzeit zu zeigen, so zu sagen a posteriori an seine Ziele heran, um dieselben, gleichsam unvermerkt, desto früher zu erreichen. In der norddeutschen Bundesverfassung ist nichts von „Aufhebung der Patrimonial-Gerichte" gesagt, wie sie in den Grundrechten und im Mecklenburgischen Staatsgrundgesetz stand; gleichwohl ist der Bund jetzt in der Lage, einen Gesetzentwurf aufzustellen, der diese trotz Grundrechten u. f. w. noch immer nicht eingetretene Aufhebung der Patrimonialgerichte einfach als selbstverständlich voraussetzt und schwerlich daran scheitern wird, dass diese Voraussetzung nicht zutreffen sollte. Sehen wir durch die Ankündigung dieser Maßregel das ständische Prinzip ernstlich gefährdet, so hat der Entwurf einer norddeutschen Zivilprozessordnung nicht bloß die zunächst in die Augen springende Bedeutung des weiteren Ausbaues der einheitlichen norddeutschen Bundesgesetzgebung, — und wie sehr mit dem Fortschreiten dieser die Konsolidation der staatlichen Einheit des Bundes fortschreitet, das spricht sich unabsichtlich darin aus, dass die im Herbst 1867 zur Ausarbeitung des Gesetzentwurfs einer Prozessordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten „für die Staaten des norddeutschen Bundes" berufene Kommission jetzt, nach kaum zwei Jahren, einen solchen Entwurf „für den norddeutschen Bund" vorlegt, der also inzwischen die „Staaten" schon mehr und mehr absorbierte; —politisch betrachtet ist die in diesem Entwurf durch Beseitigung der Patrimonialgerichtsbarkeit ausgesprochene Verurteilung des ständischen Prinzips von nicht minderer Wichtigkeit. Die Prozess-Ordnung zeigt aufs Neue, dass der Bund, wo sich dem Ausbau seiner Institutionen Hindernisse in den Weg stellen, diese einfach beseitigt, um Platz für jene zu gewinnen, und geschieht dieser Abbruch auch nur stückweise, so schreitet er doch stätig und um so sicherer fort, als die Lücken alsbald durch die sich hineindrängenden Neubildungen ausgefüllt werden, also kein Platz bleibt zur Wiederaufrichtung des einmal Beseitigten. Mit jedem Artikel, den der Mecklenburger aus seinem Landesgrundgesetzlichen Erbvergleich im Verfolg der fortschreitenden Bundesgesetzgebung streicht, sieht er den Zeitpunkt näher rücken, wo diese älteste und darum trotz ihrer jetzt zu Tage tretenden Mängel immerhin historisch ehrwürdige deutsche Verfassungsurkunde gegenstandslos und Mecklenburg seine volle Lebenstätigkeit als Glied im Organismus des Bundes entwickeln wird. Dieser Zeitpunkt aber wird nicht nur in Mecklenburg mit Sehnsucht erwartet, sondern überall mit Freuden begrüßt. Deshalb verdient es auch registriert zu werden, wenn derselbe durch ein einzelnes Bundesgesetz plötzlich so viel näher gerückt ist, dass von den ursprünglichen 530 Paragraphen der L.G.G.E.V. 53 Paragraphen d. h. der ganze vom Justiz-Wesen handelnde 21. Artikel, so weit derselbe überhaupt noch praktisch war und nicht Dinge enthält, die sich auch im modernen Staate von selbst verstehen, als da sind Ausschluss der Kabinetts-Justiz usw., aufgehoben wird und mit ihm gerade dasjenige Institut des ständischen Staats in den Staub sinkt, das wie die Patrimonialgerichtsbarkeit so recht eigentlich zu seinem innersten Wesen gehörte.
Bad Doberan - das Palais

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Die Rostocker Altstadt vom Beguinenberge

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Die Marienkirche um 1800

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Rostock vom Steintor - 1841

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Das alte Schloss

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Der Schweriner Dom vor 1845

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Die Neustadt

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Das Schloss um 1842

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Das Schweriner Schloß

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Stargard um 1900

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Der Fürstenhof

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Die Georgienkirche

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Die Marienkirche

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Der Markt

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Die Nicolai-Kirche

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Bauer und Bäuerin aus Biestow bei Rostock

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