Dritte Fortsetzung

Nachdem wir nun noch des Wein- und Krappbaus der Umgegend von Derbend, besonders des letzteren im Kürinischen Kreise Erwähnung getan, kommen wir in unserer Betrachtung der kaspischen Küste zum Gouvernement Baku.

Hier hat der Kreis von Kuba 1.161 Einwohner auf die Geviertmeile, deren Mehrzahl sich am fruchtbaren Meeresstrande zusammengruppiert hat, sich für den Bau von industriellen Gewächsen noch einige Tausende von eingewanderten Persern und herzuziehenden Bergbewohnern hinzugesellend. Dieses reiche Marschland, das schon zu Peters des Großen Zeit die Kornkammer des benachbarten Chanats Schemacha war (um dasselbe für die Plünderung der russischen Faktorei zu züchtigen, verbot der Kaiser bei Todesstrafe die Zufuhr von Getreide aus Kuba), eignet sich vortrefflich zur Kultur von feinen Obstsorten, von denen das europäische Russland nicht genug einzuführen vermag. Wenn irgendwo, so wäre es hier, wie in dem, in ähnlicher günstiger Exposition gelegenen Lenkoraner Kreise (von Persiens Südküste zu geschweigen), sowie in Gurien am Schwarzen Meere, wo der Teestrauch und die Chinabäume (Chinchona) kultiviert werden könnten, um Europa von der Zahlung von 50 Mill. Pfd. Sterl. zu befreien, die für ersteren Konsumtionsartikel alljährlich nach China gehen, wo England allein sein Opium, die andern Staaten aber kein einziges Äquivalent an Waren abzusetzen vermögen. Diese Idee, die in den letzten Tagen von einem Mitgliede des Internationalen Statistischen Kongresses bei Bereisung des Kaukasus in Bezug auf die Umgegend von Wladikawkas geäußert worden, hatte der Akademiker Ruprecht in St. Petersburg schon vor Jahren für Gurien in Vorschlag gebracht.


Die größte Zukunft steht mit Entwicklung des kaukasischen Eisenbahnnetzes der Stadt Baku bevor, die schon im letzten Jahrzehnte sich durch Schifffahrt und Handel mächtig entwickelt hat. An einer, von allen Seiten geschützten, tiefen Bai, auf der weit ins Kaspische Meer — dem Hafen von Krassnowodsk und den vormaligen Mündungen des Amu-Darja gegenüber — vorspringenden Halbinsel Abscheron gelegen, erfreut sie sich unter allen kaspischen Häfen der gesundesten und günstigsten Lage. Dazu kommen die Mineralschätze der Umgegend, die auf die Quadratmeile 811 Einwohner zählt, welche großenteils wegen der Dürre des Bodens der Schifffahrt und den Gewerben ergeben sind. Die nahegelegenen Salzseen geben ein durch Transkaukasien und längs der persischen Küste weit und breit versandtes Produkt, dessen Quantität im Jahre 1870—352.000, im vorhergehenden aber an 553.000 Pud betrug. Die Naphthagruben, die unter dem bisherigen Pachtmonopole (1870) an 1 1/2 Millionen Pud verschiedener, unter andern auch der seltenen und preiswürdigen weißen Naphtha ergaben, werden bei der in diesen Tagen ins Leben tretenden freien Konkurrenz einen mächtigen Aufschwung nehmen und statt der bisherigen Produktion von 220.000 Pud Photogen in Bälde die drei- und vierfache Quantität dieses Leuchtmaterials ins europäische Russland senden, um daselbst, im Verein mit der reichen Produktion der Naphthabrunnen am Kuban, die Zufuhr aus Amerika zu paralysieren. Das ausgedehnte, lange noch nicht überall in Angriff genommene Naphthaterrain der Abscheronischen Halbinsel verdient auch darum eine besondere Berücksichtigung, weil sein Produkt, nach jüngst in Baku angestellten Versuchen, sich als ausgezeichnetes Material zum Heizen von Dampfern und Lokomotiven bewährt hat und ebenso seine Anwendung als Feuerungsmittel in den benachbarten holzlosen Steppenregionen finden dürfte. Ferner verheißen die in der Umgegend von Baku reichlich auf dem Meere sowohl als auch auf dem Lande hervorsprudelnden Massen brennbaren Gases — schon seit lange von den Eingeborenen zur Heizung ihrer Wohnräume, zum Kalkbrennen und auf den Fabriken von Kokorew und Mirsojew zur Destillation der Naphtha verwandt — der zu erweckenden örtlichen Industrie eine unschätzbare Triebkraft.

Wenn wir nun mit dem kaukasischen Bahnnetze in Baku an dessen östlichsten Punkt, unter einem Meridiane mit dem Nordende des Persischen Golfes, mit dem Hafen von Bender-Buschir, und um 20 Grade weiter nach Osten als Konstantinopel, angelangt sind, müssen wir baldigst über Lenkoran längs der Kaspischen Küste Astara, unseren Grenzpunkt mit Persien, zu erreichen suchen, um des persischen Handels teilhaftig zu werden. Diese 260 Werst weite Strecke bietet auf einem spiegelglatten Seeboden nicht die geringste nennenswerte Schwierigkeit und nur einen einzigen Kunstbau — die Kurabrücke, und wird, wegen des reichen Fischfangs von Ssalian oder Boshij Promyssl — nach des Akademikers von Baer schönem Vergleiche, demjenigen Punkte des Erdballes, wo die größte Menge von Fischen auf einmal gefangen wird — jedenfalls eine der rentabelsten Bahnen Russlands werden. — Bis nach Rescht, mit seinem Hafen von Enseli, verblieben dann noch 120 Werst auf persischem Grund und Boden.

Wohl hören wir im Augenblick, wo wir diese Zeilen aufzeichnen, dass eine englische Compagnie von der persischen Regierung das ausschließliche Recht zum Bau von Eisenbahnen und zum Betrieb von Bergwerken, somit das Monopol des persischen Handels zugestanden erhalten habe, und dass sie den Bau einer Bahn von Bender-Buschir am Persischen Golfe bis Rescht am Kaspischen Meere beabsichtige, während gleichzeitig die türkische Regierung Engländern den Bau einer Euphratbahn gestattet hätte. Ist diese Nachricht gegründet, so geben die Engländer ihre à vol d'oiseau durch Kleinasien projektierten Bahnen auf und wollen im Zickzack durch Vorderasien vom Mittelmeer bis an den Persischen Golf und von dort an das Kaspische und Indische Meer gehen. Denn undenkbar ist es, dass, wenn sie von Rescht am Ssefid-rud oder Kisil-Usen herauf — auf dem von den Obristen Gerssewanow und Stebnitzky angedeuteten Wege über Mendsil und Kaswin — die Hauptstadt Teheran erreicht, nicht von hier aus den von Rawlinson und andern Engländern vorgeschlagenen Weg, über Schah-rud, Meschhed, Herat, Kandahar, und den Pass von Bolan nach Schikarpur am Indus nehmen sollten, um solcherweise das weite, vom Indischen bis zum Bengalischen Busen ausgebaute Eisenbahnnetz Vorderindiens mit Europa zu vereinigen.