Geschlechtsaufbau der jüdischen Einwanderung

Schon aus dem Grade der Beteiligung der jüdischen Frau an der großen überseeischen Auswanderung können wir auf das hervorragende Merkmal der jüdischen Wanderung der neusten Zeit schließen: Diese Wanderung ist keine vorübergehende, die Einwanderer haben vielmehr den festen Willen, sich im neuen Lande dauernd niederzulassen. Die jüdische Frau, die als die erste auf die Gründung eines Haushaltes drängt und die ihn erst ermöglicht, ist es, die der jüdischen Wanderung ihre Monumentalität verleiht und ihr den Charakter einer Volks(im Gegensatz zu Klassen-) Wanderung gibt, Tabelle VIII unterrichtet über die Verteilung der jüdischen Wanderer nach dem Geschlecht. In den Jahren 1899—1914 kamen insgesamt 831.561 Männer und 654.080 Frauen. Unter 100 Einwanderern gab es also 56 Männern und 44 Frauen. Betrachten wir die einzelnen Jahre für sich, so fällt sogleich die Regelmäßigkeit der Verteilung der beiden Geschlechter auf; das Verhältnis hat sich in den letzten 8 Jahren sozusagen stabilisiert; denn es kamen in diesen 8 Jahren fünfmal auf 54 Männer immer 46 Frauen, Die übermäßig starke Beteiligung der Männer in den Jahren 1903 — 04 (61 Männer und 39 Frauen) und 1904 — 05 (63 Männer und 37 Frauen) ist durch die Kriegsereignisse dieser Jahre zu erklären.

Vergleichen wir den Geschlechtsaufbau der jüdischen Einwanderer mit demjenigen der Gesamteinwanderung, so tritt uns das Überwiegen der Frauen bei den Juden noch klarer entgegen (Tabelle IX).


Tabelle VIII Verteilung der jüdischen Einwanderer nach dem Geschlecht


1. Irländer, 2. Juden, 3. Böhmen und Mähren (Tschechen), 4. Schotten, 5. Deutsche, 6. Engländer, 7. Franzosen, 8. Finnländer, 9. Litauer, 10. Slowaken, 11. Polen, 12. Holländer und Flamen, 13. Ungarn, 14. Portugiesen, 15. Skandinavier, 16. Ruthenen, 17. Kroaten und Slowenen, 18. Süditaliener, 19. Norditaliener, 20. Spanier, 21. Rumänen, 22. Russen, 23. Griechen, 24. Bulgaren, Serben und Montenegriner . . .

Tabelle IX Geschlechtsaufbau der gesamten und der jüdischen Einwanderermasse in den Jahren 1912 — 1914


In den letzten 3 Jahren (1912 — 1914) kamen auf 1.000 Männer bei der Gesamteinwanderung 523 Frauen, bei den Juden 829 Frauen. Es ist bezeichnend, dass die Geschlechtsgliederung der jüdischen Bevölkerung in den hauptsächlichsten Auswanderungsländern Russland und Galizien, wo ja das Überwiegen der Frauen durch stärkere Auswanderung der Männer herbeigeführt wird, sich nicht allzu stark von dem Geschlechtsaufbau in der Auswanderung unterscheidet. So entfielen (1897) auf 1000 Männer in den 15 Gouv. des russischen Ansiedlungsrayons 1.061,9 Frauen
in den 10 Gouv, Polens 1.057,1 Frauen
in den 3 Ostseeprovinzen 1.001,2 Frauen
in den übrigen 32 Gouv. des Europäischen Russlands 796,7 Frauen

In Galizien und Bukowina entfielen (1910) auf 1.000 Männer 1.054 Frauen. Unter allen Nationalitäten stehen die Juden nach der Zahl der Frauen in der Einwanderung an zweiter Stelle (allerdings zusammen mit Tschechen und Schotten). An erster Stelle stehen die Irländer, bei denen 51 Männer und 49 Frauen (unter 100 Personen) einwanderten (Tab. X), In der Gesamteinwanderung kamen im Jahre 1913—1914 unter 100 Einwanderern 65 Männer und 35 Frauen.

Tabelle X Geschlechtsaufbau der verschiedenen Nationalitäten in der Einwanderung im Jahre 1913 — 1914