Erste Fortsetzung

Die nächste Umgebung Bakus bietet des Interessanten recht viel. In erster Reihe stehen hier natürlich die Naphthaquellen und ihre fabrikmäßige Verwertung. Dieses Wichtigste bis zuletzt aufsparend, erwähne ich hier noch der Schlammvulkane, der „Meerfeuer“ und des berühmten Feuertempels in Suracháneh. Die ersteren beiden kenne ich leider nur aus ungenügenden Beschreibungen. Die nächsten der tätigen Schlammvulkane liegen etwas weit von der Stadt und die „Meerfeuer“ besuchte ich nicht, weil das Wetter meist stürmisch war und der Anblick der „Meerfeuer“ nur bei stillem Wetter zu gemessen ist. Dann sammelt sich nämlich an der Oberfläche des Wassers eine Schicht von, dem Meeresboden entsteigendem Sumpfgas, welches, angezündet, mit einer bläulichen, schwach leuchtenden Flamme brennt. Es muss reizend sein, mit einem Kahn auf solch' einem brennenden Meer dahin zu gleiten!

Das Atesch-gah (der Feuerort) der Gebern in Suracháneh, 17 Werst von Baku, hat schon seit einem Jahrtausend die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt. Kein Tourist, der Baku besuchte, hat es unterlassen, das Atesch-gah zu besichtigen und die Zahl der Beschreibungen desselben ist daher nicht gering. Die vollständigste ist wohl die von Eichwald (I. Teil, 7, Kapitel), welcher seine Reise nach Baku in einem Aufsatz von mehr als hundert Seiten beschrieben hat. Wenn ich nach solch' einer gründlichen Darstellung es noch wage, etwas über diesen Gegenstand zu sagen, geschieht dies aus dem Grunde, dass sich seit Eichwalds Zeit [1825) Manches sehr geändert hat und, namentlich der Feuerkultus verschwunden ist. Ich lasse mein Tagebuch reden.


Freitag den 1. Januar 1875. Auf einem schlechten Wege über eine baumlose, nur von dem vielen Regen der vorhergehenden Zeit mit einer spärlichen Grasdecke bewachsenen Ebene gelangten wir gegen drei Uhr in Suracháneh an, wo sich die gewaltige Kokorew'sche Petroleumfabrik befindet. Wir fuhren in den Hof hinein. Die beiden andern, mich begleitenden Herren wollten die Fabrik besichtigen, aber da der Tag nur noch kurz war, bat ich sie, davon abzustehen, mehr Zeit für die ewigen Feuer zu behalten. Wir frugen einen Arbeiter, wohin wir zu gehen hätten, um zum Feuertempel zu gelangen. „Das will ich ihnen gleich zeigen“, antwortete er und führte uns durch die lärmenden Fabrikräume zu einer kleinen Pforte in der Hofmauer, an welcher er anklopfte. Sie wurde aufgetan und — wir befanden uns an der Stätte des uralten Kultus! Wunderlicher Kontrast! Nur durch die dünnen Bretter einer Tür getrennt: einerseits das geräuschvolle geschäftige Treiben der großen Fabrik, ein Bild der Gegenwart, — andererseits die stille Stätte eines verschwindenden, auf mystisch-asketische Betrachtungen gegründeten, vieltausendjährigen Kultus. Was den Feuerdienst selbst betrifft, so zeigt er sich hier in einer sehr harmlosen Gestalt. In der Mitte eines, von weißgetünchten Mauern umgebenen Hofes erhebt sich eine niedrige, von vier hohlen, viereckigen Säulen getragene Kuppel, in deren Wölbung einige Glocken hängen, welche von Zeit zu Zeit von Feuerpriestern geläutet werden. Dabei wird auch — sollte es etwa vom Windzug ausgelöscht worden sein — das Gas angezündet, welches aus vier hörnerartigen Ansätzen, sowie aus der Kuppel den eingemauerten Eisenröhren entsteigt. Auch auf dem umliegenden Hofe hat sich das Sumpfgas überall Öffnungen durchgebrochen, so dass ein Streichholz daran zu halten braucht, um sofort eine eigentümlich flackernde Gasflamme zu erhalten. Viele dieser Gasausströmungen sind aber so heftig, dass das einmal angezündete Feuer, wie man mir sagte, nicht weiter gelöscht werden kann und daher vielleicht schon Jahrhunderte fortbrennt. In der Umgebungsmauer befinden sich niedrige Zellen, die Wohnungen der Mönche des Klosters. In einer derselben wohnt gegenwärtig der einzig übrig gebliebene, ein Hindu aus Labore. Er hat sich seine Kapelle mit persischen Matten belegt und lebt in einer, wie es scheint, ganz behaglichen Weise. Seinen Kultus repräsentiert er durch eine kleine Glocke, eine Art Altar mit kleinen fratzenhaften Götzenbildchen und Amuletten. Auch die Wand seiner Zelle ist mit plumpen roten Figuren, deren Sinn jedem Uneingeweihten verborgen bleiben muss, bedeckt. Der Priester selbst war ein etwa vierzigjähriger Mann von ungemütlichem Äußeren, in weißem Turban und in weißer Blouse. Er weiß es so einzurichten, dass die Zeit zum Beten jedesmal gekommen ist, wenn ein Fremder das Kloster besucht, und er widerstrebt durchaus nicht, wenn man ihn mit einem kleinen Geldopfer in der Ausübung seiner Frömmigkeit zu stärken sucht. Nur für diese Reisenden, welche sich gelegentlich den Hokuspokus vormachen lassen, hängen die Glocken in der mittleren Kuppel. Da die Bevölkerung der umliegenden Dörfer durchgängig muhammedanisch ist — wenn ich nicht irre schiitisch — und da weiter keine Mönche vorhanden sind, denen die Glocken zum Gebete läuten könnten, so würde ihr Klang sonst ungehört verhallen.

Nicht einmal als historische Antiquität hat dieses Atesch-gah großen Wert, denn ungeachtet des Umstandes, dass keinerlei Urkunden über dessen frühere Schicksale berichten, rühren noch die meisten der Bauten aus neuerer Zeit. Das Gebäude in der Mitte wurde etwa zu Anfang dieses Jahrhunderts errichtet. Ein reicher Inder, Ottum-schan, welcher in Sallian wohnte, hat das Meiste dazu hergegeben. Damals hatte es offenbar eine weit größere Bedeutung und zu Eichwalds Zeit waren noch über ein Dutzend Priester vorhanden, über deren wunderliche asketische Geißelungen und Übungen (z. B. jahrelang mit in die Höhe getreckten Arm unbeweglich zu stehen) er ein Weiteres erzählt. Aber schon damals klagte der Oberpriester darüber, dass einige „Brüder“ sich dem Kartenspiele (wahrscheinlich auch dem Trunk) ergeben, und einer derselben hatte sogar eine Frau.

Da die russische Regierung in keinerlei Art, wie früher wohl die muhammedanischen Herrscher der Stadt, den Feuerdienst verfolgt oder beeinträchtigt hat, so ist diese auffallende Abnahme des Kultus wohl kaum einem andern Umstände zuzuschreiben, als der zunehmenden Demoralisation der Mönche, die bei dem immer lebhafter werdenden Verkehr der Umgegend keine Nahrung für die kontemplative und asketische Richtung fanden, welche der Feuerkultus fordert. Bald genug wird man vielleicht das Verschwinden auch des letzten Feuerpriesters zu registrieren haben, denn der Kultus selbst hat seine Zeit überlebt.

Baku 029 Bilder einer Feuer-Kathastrophe

Baku 029 Bilder einer Feuer-Kathastrophe

Baku 030 Bilder einer Feuer-Kathastrophe

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Dorf im Kaukasus 2

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Dorf im Kaukasus

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Kaukasier

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Kaukasierinnen 2

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Kaukasierinnen

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Kaukasische Mütter und Kinder

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Mr. G. M. Lianosov. The doyen of Baku oil men, arbirator in many disputes, and one of the most generous of Philanthropists

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Schlossruine im Kaukasus

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Stadt im Kaukasus 2

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