Die gegenwärtige Geldkrise

Ein Vortrag gehalten im literarischen Verein zu Mülheim an der Ruhr 1857
Autor: Toegel, Theodor Dr. (?) Privatdozent, Herausgeber, Redakteur, Publizist, Erscheinungsjahr: 1857
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Wirtschaftskrise, Banken, Bankenkrise, Geldkrise, Spekulation, Spekulanten, Zinsen, Wirtschaftspolitik , Aktiengesellschaft, Geldwert, Redite
                                Vorwort

Nachstehende Blätter machen nicht den Anspruch einer Abhandlung über die Geldkrise, sondern der Zweck ihrer Veröffentlichung liegt nur darin, dem einen oder anderen Geschäftsmann, der auf dem Gebiet unserer volkswirtschaftlichen Literatur weniger bewandert ist, Gesichtspunkte zur Beurteilung der gegenwärtigen Lage des deutschen Geldmarktes zu eröffnen und Irrtümer zu berichtigen, die sich in der engeren Perspektive eines individuellen Geschäftslebens nur zu leicht einnisten.

Vielleicht erkennt auch das größere Publikum den schließlichen Anschauungen einigen praktischen Wert zu.

Mülheim a. d. Ruhr, 31. Oktober 1857.
Der Verfasser.


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Ein Blick in die Geschäftswelt zeigt in diesem Augenblicke eine Erschütterung aller Wertverhältnisse, wie sie namentlich in Deutschland seit Menschengedenken nicht vorgekommen ist. Viele Wertpapiere sind in ihren Kursen selbst unter das Niveau des Jahres 1848 gesunken; unsere Geldinstitute, Staats- und Privatbanken steigern den Geldpreis auf eine Höhe, die selbst die Wuchergesetze, wo solche noch nicht antiquiert sind, nicht mehr respektiert; durch die Geldteuerung kommt Mutlosigkeit in die ganze Geschäftswelt, der Unternehmungsgeist liegt in einem Starrkrampfe befangen, jeder Kaufmann sondiert seine Geschäftsfreunde mit Argusaugen und die Finanziers par excellence verzweifeln, wenn sie dem gesteigerten Staatsbedarfe den gesunkenen Staatskredit gegenübersehen, mit einem Worte, die ganze Geschäftswelt liegt an einer schweren Krankheit darnieder, die man mit dem Namen Geldkrise bezeichnete.

Um bestimmter zu sprechen, Wertpapiere, die vor Jahresfrist weit über pari standen, sind auf 60—70 Prozent heruntergegangen, so die Aktien mehrerer unserer bedeutendsten Bankinstitute und industriellen Unternehmungen, Staatspapiere mit festem Zinsfuß sinken in dem Verhältnis, in welchem sich der Zinsfuß erhöht und das Geld teurer geworden ist, in Nordamerika ist der Disconto bereits auf 4 bis 5 % pro Monat also 48 bis 60 % pro Jahr gestiegen. In Europa ist man dem nordamerikanischen Beispiele, wenn auch noch in weniger erschreckenden Weise gefolgt, die Banken von London, Paris und Berlin haben ihren Disconto erhöht. Dabei schränken dieselben ihre Geschäfte in möglichst enge Grenzen ein und machen von den Restriktionen und Zurückweisungen, die ihnen Statuten und Gesetze zugestehen, freigiebigen Gebrauch. Die noch vor einem halben Jahre so übermütige Spekulation an unsern Börsen ist furchtbar aufs Haupt geschlagen, nur einzelne Baissiers haben den Kopf noch oben, die Masse der Haussiers liegt im Delirium oder ist bereits zum stillen Mann geworden, d. h. falliert. Die pomphaften Programme neuer Unternehmungen sind verschwunden; wer noch Geld hat, spricht den kühnen Versprechungen aus 20 und mehr Prozent Dividende Hohn, so lüstern er auch noch vor einem Jahre darnach blickte; wer kein Geld hat, ist der blassen Verzweiflung schier verfallen, denn auch auf gut fundierte Werte Anleihen zu bekommen, ist fast zur Unmöglichkeit geworden.

Dem Unglücklichen gereicht es bei solcher Lage nur zu sehr geringem Trost, wenn man ihn auf das Beispiel anderer Länder hin weist, die Schlimmeres erfahren haben und noch erfahren. Allerdings ist in Nordamerika die Krisis noch stärker, und pflegt dort auch mit ähnlichen Erschütterungen alle vier bis fünf Jahre wiederzukehren, die ungeheure Überstürzung des Unternehmungsgeistes hat in Nordamerika einen großen Teil der Banken bereits gezwungen ihre Zahlungen einzustellen und Fallimente brechen dort zu Hunderten aus. Ist es in Deutschland noch nicht ganz so schlimm, so ist es doch schlimm genug für dies Land der Solidität im kaufmännischen Verkehr, das vor wenigen Jahren die amerikanischen Puffs im Geschäftsleben noch so gründlich verachtete. In der Tat ist unter den Übeln, an welchen die Gesellschaft in Deutschland laboriert, ein neues hervorgetreten; die Geldkrise frisst bereits wie ein Krebsschaden auch an den deutschen Erwerbszuständen und muss in Kurzem die arbeitenden Klassen ebenso infizieren, wie sie jetzt die besitzenden infiziert hat, wenn nicht die rechte Arznei gefunden wird, die Krankheit zu heilen.

Um aber die Krankheit heilen zu können, muss man zuerst ihre Ursachen kennen, muss Ihre Entstehungsgeschichte durchforschen.

Bereitete sich zur Zeit ein großer Umschwung in unseren politischen Zuständen vor, durchzöge ein Contagium wie im Jahre 1648 unsere sozialen Kreise, so wäre der Ursprung der Geldkrise leicht zu erkennen. Wenn die Staaten in ihrem Bestände wanken, die hergebrachten Rechts- und Eigentumsformen unsicher werden, oder Kriege große Summen unproduktiv konsumieren, so zieht sich der Geldbesitz in natürlicher Weise vom Markte zurück und es treten Erscheinungen ein, wie in den Revolutionsjahren in Österreich, wo das bare Geld vergraben wurde und künstliche Geldzeichen mit großer Not den notwendigsten Verkehr vermitteln mussten. Ein Blick auf die gegenwärtige Lage der Dinge namentlich in Deutschland wird aber leicht zeigen, dass in derartigen Ursachen die Entstehungsgründe der Geldkrise nicht zu finden sind.

Allerdings sind unsere politischen Zustände nichts weniger als vollkommen und fertig, unter der apathischen Ruhe des Augenblicks gärt, wenn auch nur Wenigen erkennbar, die tiefe Sehnsucht unseres Volksgeistes nach einer einigeren und sittlicheren Gestaltung unserer gesellschaftlichen und politischen Dinge; aber die Gegenwart gehört gleichwohl nur zu den Zeiten, die man vorbereitende nennen möchte. Die Eile des Schaffens, die scharfe Kritik des Bestehenden vor 1848 ist vor der ruhigen Überlegung des sukzessiven Umgestaltens zurückgetreten und Revolutionsstoff gibt es in Deutschland im Augenblick nur bei den Demagogenriechern. Auch ein Stoß von außen liegt im Augenblick ferner als in den meisten Perioden unserer neueren Geschichte. Frankreich zeigt im Augenblick durch die großen Armeereduktionen, dass das l’empire c’est la paix doch kein bloßer Scherz gewesen. Seine unruhige Gesellschaft liegt dabei noch in den Banden des Materialismus gefesselt und die gloire auf dem Gebiet der Waffen wird von den meisten Franzosen noch weniger hoch angeschlagen als klingende Münze und die Aussicht auf ein genussvolles Leben. Russland ist gleichfalls im Begriff seine Kanonen-bespickte Position gegen Deutschland zu desarmieren und erregt dabei für seine innere Entwickelung Hoffnungen, die, wenn sie in Erfüllung gehen, den jetzigen Kaiser weit über Peter den Großen erheben würden. Österreich erprobt die Kraft des viribus unitis zum Teil mit glücklichen Reformen. Nur in England ist eine lebhafte Aufregung in politischen Dingen, seit die ostindische Revolution ausgebrochen. Man hat die Geldkrise mit dieser Revolution in direkte Verbindung bringen wollen. Mit Unrecht. Denn erstens sind die Finanzen Englands durch die ostindische Revolution keineswegs in solchem Grade in Anspruch genommen, dass dadurch das starke Verschwinden des Geldes vom industriellen und kommerziellen Markte erklärt werden könnte, dann ist der merkantile Ausfall, den England durch die Empörung in Ostindien erleidet, lange nicht so groß, um das Stocken des industriellen Unternehmungsgeistes in England daraus herzuleiten. Der Krieg in Ostindien wird bis dahin noch fast ausschließlich mit den Mitteln der ostindischen Compagnie geführt und kann auch deren jetziger pekuniärer und moralischer Kredit voraussichtlich nicht lange ausreichen, so ist doch Ostindien ein Land reich genug um bei besserer Verwaltung seine eigenen Hilfsquellen Potenzieren zu können. Der englisch-ostindische Handel selbst hat aber im Augenblick nach Handelsberichten nur um circa 15 Prozent abgenommen und die voraussichtlich in nächster Zeit billigen Rückfrachten nach Europa werden das Ihrige tun, zu veranlassen, dass Ostindien seine etwaigen Schulden an England in Produkten abträgt. Dabei wollen wir allerdings die Rückwirkungen der ostindischen Revolution auf den englischen Geldmarkt nicht wegleugnen, nur darf man dieselben nicht überschätzen.

Soll die Geldkrise aus der ostindischen Revolution hergeleitet werden, so wäre nicht abzusehen, warum dieselbe nicht in viel höherem Grade während des letzten orientalischen Krieges entstanden ist. Dieser Krieg stellte wirklich die Eigentums und Besitzverhältnisse Europas einen Moment lang in Frage, kostete dabei ungeheuere Summen, und doch fällt er gerade mit dem glänzendsten Aufschwunge in der Geschäftswelt zusammen. Selbst in den unmittelbar am Kriege Teilnehmenden Ländern, in England und Frankreich hat das Jahr 1855 für die Geschäftswelt die brillantesten Resultate gehabt und die Börsen waren gerade, als der Krieg am heftigsten entbrannte, freigiebiger als je, sowohl wo es sich um Staatsanleihen als um industrielle Unternehmungen handelte. Die Kalamität auf dem Geldmarkte datiert erst von der Zeit nach dem Friedensabschluss, von da an bekamen die Haussiers ihre Schlappen und gerade als man den Anfang der guten Zeit erwartete, gingen die schlechten an,

Liegen aber somit in der politischen Weltlage keine zureichenden Gründe um die Geldkrise zu erklären, so muss der Sitz des Übels in den Kreisen selbst gesucht werden, die am nächsten und meisten darunter leiden, in Handel und Industrie, und in der Tat kann es nicht zweifelhaft sein, dass dort, wenn nicht allein, doch weit überwiegend, die Diagnose der Krankheit zu finden ist. Um sie zuerkennen, gehen wir auf einen Augenblick auf eine der Grundformen im wirtschaftlichen Leben der Völker zurück.

Die Entwickelung einer Volkswirtschaft geht bei ruhigem Verlauf in einer Progression vor sich, welche sich nach der Summe des Netto Einkommens richtet, welches ein Volk in einer gewissen Periode gehabt hat. Weil zu allen Fortschritten auf dem Gebiet des wirtschaftlichen Volkslebens Kapital gehört, ein Fonds, der die materielle und intellektuellen Mittel zur Ausdehnung bestehender oder Gründung neuer Produktivkräfte darbietet und herbeischafft, so ist das Netto Einkommen einer Nation die wichtigste Bedingung ihrer fortschreitenden materiellen Kultur. Auch wird der Maßstab des Fortschreitens in Handel, Industrie und Landwirtschaft der Natur der Sache nach durch die Summe dieses Nettoeinkommens gegeben. Hat Preußen z. B. bei einem beiläufigen Wert seiner Nationalproduktion von 2.000 Millionen Thlr. jährlich 200 Millionen Thlr. reines Nationaleinkommen erübrigt, so werden diese 200 Millionen naturgemäß den Fonds für Herstellung neuer Produktivkräfte, für gewerbliche Etablissements, Eröffnung neuer Geschäftszweige usw. bilden, d. h. die Gesamtheit des Nationalkapitals, welches die Summe aller wirtschaftlichen Produktivkräfte umfasst, wird sich um diesen Betrag vermehren. Da bei brauchen natürlich diese 200 Millionen Thlr. nicht als wirkliches Geld, als neue Barmittel auf dem Markte zu erscheinen, denn ob gleich bei steigender Nationalproduktion auch in der Regel mehr Geld nötig wird, so liegt es doch in der Natur des Geldes, dass es nur als der Repräsentant, der Wertmesser der anderen wirtschaftlichen Güter auftritt und durch seine raschere Zirkulation auch bei gesteigerter Nationalproduktion momentan ausreichen kann. Denn die raschere Zirkulation ersetzt ein Geldquantum, was unter anderen Umständen notwendig geworden wäre. Überhaupt ist innerhalb einer Volkswirtschaft nur immer so viel Geld nötig, als die Zirkulation der Güter, der allgemeine Verkehr erfordert, und Preußen kommt deshalb bei gewöhnlichem Lauf der Dinge mit vielleicht 300 Millionen Thlr, in Bar- und Papiergeld als Zirkulationsmittel und Wertmesser vollständig aus, während in der Güterzirkulation Preußens Tausende von Millionen jährlich auf, dem Markte erscheinen. Aber der Wert dieser Tausende von Millionen steht mit der vorhandenen Geldmasse in strengster Relativität. Vermehrt sich die Geldmasse einseitig, so sinkt der Wert des Geldes und der Geldausdruck für ein bestimmtes Warenquantum wird größer. Ebenso steigt der Wert des Geldes, wenn die Güterzirkulation mehr Barmittel erfordert, als vorhanden sind. Der letztere Fall ist, wie wir noch näher andeuten werden, gegenwärtig eingetreten, und eine Hauptursache der Geldkrise.

Nun hat aber die volkswirtschaftliche Entwickelung Deutschlands in den letzten Jahren Stadien durchlaufen, welche die Befürchtung aufkommen lassen, der rapide Fortschritt in allen Zweigen der Produktion sei nicht allein durch das reine Nationaleinkommen hervorgerufen und getragen. In den deutschen Eisenbahnbau allein sind seit zehn Jahren 1.000 Millionen Thaler gesteckt, und so hoch auch der Einfluss der Eisenbahnen auf die Entwicklung der ganzen Volksproduktion anzuschlagen ist, so ist doch unerkennbar, dass dieselben für den Moment anderen Produktionszweigen große Summen entzogen haben. Gleichwohl hat die sonstige Vermehrung der Nationalproduktion durch die Eisenbahnbauten im Allgemeinen nicht fühlbar gelitten, vielmehr ist bis auf die neueste Zeit zum Teil selbst durch die Eisenbahnen wieder provoziert die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland in raschem Tempo vorgegangen. Jetzt auf einmal stockt dies rasche Tempo und ist augenblicklich vielleicht vollständig zum Stillstand gekommen. Wir erblicken darin eine Wirkung mehrjähriger Ursachen. — Die großartig gesteigerte Zirkulation des Geldes konnte Jahre lang darüber täuschen, dass die Entwicklung unserer Produktivkräfte stärkere Dimensionen annehme, als das disponibel gewordene Kapital, das reine Einkommen der Nation gutheiße und provoziere; jetzt rächt sich diese Täuschung. Plötzlich zeigt sich, dass die vorhandenen Barvorräte nicht ausreichen auf unserer gegenwärtigen Stufe industrieller Entwicklung und das Geld deshalb rar und teuer wird. Eine Hauptursache dieser Erscheinung ist in der zu großen Entfaltung des Spekulations- und Unternehmungsgeistes zu suchen.

Auch belehrt uns die Wirklichkeit leicht, dass die industrielle Entwicklung der letzten Jahre mit den Kapitalien, die Einzelne und das ganze Volk erübrigt hatten, nicht im Verhältnisse stand; vielmehr wurden viele Unternehmungen gemacht oder intendiert, nicht weil das Geld für sie da war, sondern obgleich dasselbe nicht da war. Noch vor einem Jahre gab es fast kein industrielles Projekt das schlecht genug war, um keine Gläubige zu finden. Alles spekulierte auf Kursgewinn, Schuster und Schneider zeichneten Tausende in Aktien, nicht weil sie disponibles Geld hatten, sondern um sich beim Börsenspiel zu beteiligen und unsere sonst dem gemäßigten Fortschritt huldigende, im ruhigen deutschen Pass fortschreitende Volkswirtschaft war in eine Extase geraten, die man sonst nur in Nordamerika und mitunter in England gekannt hat. Natürlich war unter solchen Umständen der industrielle Fortschritt nicht mehr an die disponiblen Kapitale gebunden. Da das Geld gleichzeitig noch nicht teuer war, rechnete Jeder darauf, er werde seine realen Werte leicht zu Geld machen, mobilisieren können und spekulierte in diesem Glauben ruhig weiter. Auf einmal hört dies Mobilisieren wegen Geldmangel auf und unsere credits mobiliers sind die ersten, die ihre Kassen schließen. Da bricht die Geldkrise von allen Seiten herein und dasselbe Publikum, welches Geldmachen für eine sehr leichte Operation gehalten hatte, erkennt nun in halber Verzweiflung, dass es gerade die schwierigste ist.

Dazu kommt noch, dass bereits inmitten dieser zu raschen Entfaltung auf industriellem Gebiet eine mächtige Veränderung mit dem Gelde selbst vorgegangen ist.

Um diese Änderung im Werte des Geldes zu konstatieren, braucht man nur an die gestiegenen Preise der ersten Lebensbedürfnisse, an die Zunahme des Luxus in allen Klassen der Gesellschaft, die dadurch bedingte Erhöhung der Arbeitslöhne und an die Kalamität derjenigen, die auf feste Besoldungen gesetzt sind, zu denken. Eine Familie, die früher mit 500 Thalern auskam, braucht heute um ihre ersten Lebensbedürfnisse zu befriedigen und ihre gesellschaftliche Stellung wahrzunehmen, 700 bis 800 Thaler, und die natürliche Folge dieser Erscheinung im Großen und Ganzen ist die, dass der Geldpreis steigt. Die Zirkulation der Güter, der allgemeine Verkehr braucht heute ungleich mehr Geld als in wohlfeilen Zeiten und weil die Summe des Geldes in Deutschland nicht beträchtlich zugenommen hat während der teuren Zeit, vielleicht selbst abgenommen, da offenbar große Silberquantitäten ins Ausland gewandert sind, so ist der Preis des Geldes im Steigen. Ein steigender Geldpreis macht aber denselben Effekt als Geldmangel und man kann deshalb füglich sagen, wir haben im Augenblick Geldmangel.

Ein mehr vorübergehender Grund der Geldkrise liegt endlich noch darin, dass die vorhandenen Barkapitale während der Periode der Überstürzung der Spekulation zersplittert sind und immer eine Zeit gebrauchen, um wieder als Kapitale aus dem Markte zu erscheinen. Unsere Kapitalisten haben ihre Gelder im Augenblick noch in die neuen Unternehmungen gesteckt und seufzen unter den unerbittlichen Einzahlungen. Das Geld sammelt sich unter solchen Umständen periodisch bei Lieferanten, Arbeitern und in Werkstätten u. s. w. an. Diese Erscheinung muss aber vorübergehend sein, namentlich da man jetzt durch Sparkassen, Banken u. s. w. das Mittel zur Genüge kennt, auch das kleine Kapital heranzuziehen und an den Markt zu bringen.

Haben wir somit das Übel der Geldkrise in seiner Entstehung kennen gelernt, so fragt sich weiter, wie ist ihm abzuhelfen?

Der Begriff der Abhilfe, der Heilung einer Krankheit ist in volkswirtschaftlichen Dingen meistens ähnlich zu verstehen, wie ihn ein intelligenter Arzt in Bezug auf viele leibliche Krankheiten versteht. Die Arznei soll nicht das Übel direkt heilen und aufheben, sondern vielmehr das Reagens im Körper gegen den Krankheitsstoff stärken und beleben. Wollte z. B. der Staat um das Übel der Geldkrise direkt zu heilen, große Summen in Papier, denn Münze ist im Augenblick für Staaten wie für Privaten zu teuer, auf den Markt werfen, so würde die Wirkung wahrscheinlich eine ganz andere sein, als man vermutet. Das nicht solide genug fundierte Papier würde gegen Münze oder anderes solideres Papier im Werte sinken und so weit herabgehen, als der Kredit des Staats sich erschöpft hätte, dadurch aber ein Schwanken in den Geldwert überhaupt kommen, das noch misslicher werden könnte, als die gegenwärtige Geldkrise. Österreich, England und Nordamerika geben lehrreiche Beispiele der Warnung vor solcher ungerechtfertigten Geldmacherei; in Österreich hat es, nachdem erst einmal das Maß der Papieremission überschritten war, beinahe ein halbes Jahrhundert gedauert, bis die Valuta einigermaßen wiederhergestellt war. In Preußen könnte sich Ähnliches ereignen, wenn die Regierung dem augenblicklichen Andrange des Publikums folgend, die Noten der preußischen Bank ins Unabsehbare vermehren wollte. *)

Fast ebenso unzureichend als die Geldkrise mit neuem, nicht genug fundiertem Papier beschwören zu wollen, muss es aber erscheinen, wenn der Staat den Unternehmungsgeist direkt beschränken und dadurch die Zersplitterung der Kapitalien hintertreiben wollte. In Frankreich hat man neuerdings diesen negativen Weg eingeschlagen; im Ganzen mit geringem Erfolge. Schon zu Anfang der Geldkrisis erschien in Frankreich eine Verordnung, die allen neuen Aktienunternehmungen die Konzession periodisch versagte, und den Börsenspekulanten hat man im Augenblick in Paris so viel Daumenschrauben aufgesetzt, als die ohnehin gelockerten Begriffe von persönlicher Freiheit irgend zulassen. Dabei wird aber wahrscheinlich an der Pariser Börse nicht weniger gespielt als sonst gespielt wäre, und wenn man die Coulisse um die Rente zu halten, selbst von den Boulevards vertreibt, so werden die Spekulanten trotz des Eintrittsgeldes durch eine Hintertür wieder auf die Börse zu schlüpfen wissen. Die Versagung der Konzession neuer Aktiengesellschaften erschien aber bereits zu einer Zeit, wo neue Unternehmungen ohnehin nur Fiasko gemacht hätten, weil das Publikum bereits übersättigt war, sie war also überflüssig, konnte aber durch die Steigerung der Besorgnis vor noch größerem Geldmangel, die sie erregen musste, nur nachteilig wirken.

In Deutschland hat man sich deshalb mit Recht von einer derartigen Maßregelung des Unternehmungsgeistes bis jetzt fern gehalten und dadurch an den Tag gelegt, dass man die Heilung der Krankheit im Wesentlichen durch ein Reagens der Gesundheit erwartet.

Auch ist dieses Reagens bereits in voller Tätigkeit. Indem der Unternehmungsgeist stockt, die glänzendst ausstaffierten Projekte beider Börse keinen Anklang mehr finden, der Kapitalist durch den hohen Geldpreis verlockt, seine Kapitale wieder an sich zu ziehen sucht, die arbeitende Klasse an einen Sparpfennig denkt, der Luxus der Reichen zur Besinnung kommt und der Aufwand nach Maßgabe der gegenwärtigen Mindereinnahmen beschränkt wird, ist schon das beste Heilmittel gegen die Krankheit gefunden. Die antizipierten Kapitale gewinnen Zeit, sich anzusammeln, das Geld strömt allmählich in die Regionen zurück, von denen es ausgegangen, die Beschränkung des privaten Aufwands macht für allgemeine Zwecke mehr Fonds disponibel. Kommt dazu eine glückliche Ernte und ein sinkender Preis der ersten Lebensbedürfnisse, so haben wir allen Grund anzunehmen, die Krise wird in nicht zu entfernter Zeit vorübergehen und außer den inzwischen Gefallenen nur die Lehre zurücklassen, dass man sich im industriellen Fortschritt nicht überstürzen darf.

Dabei können aber der Staat und die Gesamtheit gleichwohl eingreifen, um die natürliche Reaktion gegen die herrschende Krankheit noch zu stärken.

Vor unserer heutigen Krise wurde in Deutschland allgemein der Wunsch nach Banken laut, um die Geldzirkulation zu beschleunigen, den allgemeinen und privaten Kredit mehr zu beleben, das Geld zugänglicher und damit wohlfeiler zu machen. Seit zwei und drei Jahren sind wir nun um ein paar Dutzend Banken reicher geworden, Zettel und Kreditbanken sind fast wie die Pilze aus der Erde geschossen und von früher fast ausschließlicher Staatsunternehmung ist das Bankwesen zur Privatindustrie herabgestiegen. Trotz neuer und alter Banken ist aber dennoch die Geldkrise ausgebrochen. Gleichwohl sind unsere Banken ihrer Bestimmung nachgegangen, haben Noten ausgegeben, Kredite eröffnet, auf Pfänder geliehen, als Kreditbanken sich sogar unmittelbar an der Industrie beteiligt. Wo liegt der Grund der Erscheinung, dass die Banken uns gleichwohl nicht vor der Geldkrise bewahrt haben?

Die unbedingten Verehrer der Banken sagen, weil das Bankwesen in Deutschland noch nicht weit genug ausgedehnt ist. Erst wenn wie in Nordamerika jeder Private sein Konto bei einer Bank habe, sollen die Banken ihre Aufgabe vollständig erfüllen und den Kredit und die Geldzirkulation so regulieren können, dass Stockungen nicht mehr vorkommen. Der Zustand der nordamerikanischen Banken in diesem Augenblick, wo dieselben in Masse fallieren, dient aber wahrlich nicht zur Empfehlung jener Ausdehnung der Bankinstitute. Vielmehr verleitete in Amerika die Leichtigkeit in guten Zeiten Geld zu bekommen gerade zu diesen schwindelhaften Unternehmungen und zu dieser Überstürzung der Spekulation, die den Vereinigten Staaten ein langes Siechtum prophezeien lässt, wenn nicht Kalifornien oder ein günstiger Exporthandel großartige Geldzuflüsse nach Amerika bringt und das allgemeine Misstrauen durch solide Fundamentierung der Unternehmungen gehoben wird.

In Wahrheit ist auch das Bedürfnis der Banken in Deutschland oft viel zu dringend geschildert. Einen großen Teil dessen was Banken leisten sollten, leisteten von jeher unsere kleinen und großen Bankiers und wenn dieselben keine Noten ausgeben konnten, so konnten sie doch Kredite eröffnen und Wechsel diskontieren und verfuhren darin ebenso energisch als die Banken, wenn gleich sie oft vorsichtiger in ihren Operationen waren.

Dabei bleibt aber für unsere Banken immer noch ein Spielraum über und dieselben können gut geleitet, nicht wenig dazu beitragen die Geldkrise ihrem Ende entgegen zuführen. Nur müssen die meisten unserer neu entstandenen Banken vor allen Dingen mit ihrer Vergangenheit brechen.

*) Nach dem Status der Preußischen Bank vom ultimo September d. J. waren an Banknoten in Umlauf 73.538.000 Thlr. bei einem Barvorrat von 33.613.000 Thlrn, in geprägtem Geld und Barren und 1.821.000 Thlr, in Kassenanweisungen. In ihrem Wechselportefeuille hatte die Preuß. Bank gleichzeitig 70.113.000 Thlr., während der Lombardverkehr und sonstige Aktiva 17.797.000 Thlr repräsentierten. Das Guthaben von Staat und Privaten und die Depositen-Kapitalien der Bank betrugen 26.155.000. Hätte die Preußische Bank der Discontoerhöhung entgehen und gleichzeitig dem Kreditbedürfnisse des Landes Rechnung tragen wollen, so hätte sie ihre Notenemission mindestens verdoppeln müssen, und würde in Folge dessen zwar ihr Wechselportefeuille um das Doppelte angeschwellt, sich aber auch bei jeder neuen Phase der Krise der Gefahr ausgesetzt haben, ihre Noten entwertet zu sehen. Der Preußischen Bank blieb deshalb kein anderes Mittel als zur Erhöhung des Discontos zu schreiten, da eine entsprechende Vermehrung des Barvorrats wohl im Bereich der Unmöglichkeit gelegen haben wird. Im Laufe des Monats September hatte sich der Barvorrat der Preußischen Bank nur um 1.222.000 Thaler erhöht, während das Wechselportefeuille um 6.067.000 Thaler und die Notenemission um 6.067.000 Thaler zugenommen hatte. Überhaupt gibt die Geschichte der englischen Bank eine Menge Belege dafür, wie schwierig es für ein Bankinstitut ist, in kritischen Zeiten den Pflichten der Selbsterhaltung und den Wünschen des Publikums gleichzeitig gerecht zu werden. Ihrer früheren Methode zufolge hätte die englische Bank auch gegenwärtig vielleicht den Discont noch nicht erhöht, sich dadurch aber ohne der Geldkrise wirklich einen Damm setzen zu können, wahrscheinlich wieder selbst in Gefahr gebracht. Diejenigen Geschäftsleute, welche in Preußen im Augenblick so dringlich fordern, die Bank solle dem Geldbedürfnis des Landes in ihren Operationen folgen und darin ihre alleinige Direktive erkennen, sollten sich auch der Notwendigkeit der Selbsterhaltung dieses Instituts bewusst werden, welche für die Leiter der Bank doch der Ausgangspunkt sein muss.

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