Zweite Fortsetzung

Nirgends hat der polnische Adel, der nun fast ganz das Steuer des Staatsschiffes in seinen Händen hielt, so wenig politische Einsicht gezeigt, wie hier bei der Unterdrückung der Kosaken; die Republik hat es aber auch schwer büßen müssen, dass sie die Kraft und Macht, welche sie in den Kosaken besaß, nicht zu würdigen wusste.

Es kann uns unter solchen Umständen nicht befremden, dass die Unterdrückten bei den Türken und Tataren Hülfe suchten, denen wiederum eine Verbindung mit den Kosaken, vor deren Invasionen die Gestade des schwarzen Meeres nicht sicher waren, vor denen sogar Stambul gezittert hatte, willkommen war. Lange hatten die Kosaken den Anfechtungen widerstanden und alle Anerbietungen fremder Mächte, durch welche sie zu einem Bündnis gegen ihr eigenes Vaterland verleitet werden sollten, zurückgewiesen. Sie waren nicht eingegangen auf die Vorschläge, welche Michael, der Hospodar der Wallachei, nicht auf die, welche ihnen die Pforte während ihres Krieges gegen Sigismund III. gemacht hatte, trotzdem , dass Letztere ihnen völlige Freiheit, das heißt, das zu gewähren versprach, was ihnen die Republik Polen vorenthielt. Fremde Mächte hatten den Kosaken ihre Erkenntlichkeit für geleistete Dienste erwiesen, so z. B. Kaiser Rudolph IL, der ihnen Geld und als Auszeichnung Fahnen dafür schickte, dass sie während seines Krieges mit den Türken im Jahre 1593 unter ihrem Anführer Loboda die Gegenden des schwarzen Meeres beunruhigt hatten und ihr Ataman Nalewajko auf seine Aufforderung hin in Ungarn eingefallen war. Russland zahlte ihnen ein Jahrgeld, ein sogenanntes pozalowanie, für ihre Kämpfe mit den Tataren, welche die Grenzen des russischen Reichs beunruhigten, aus. Nur Polen war so kurzsichtig, die Kosaken nicht nach ihrem Werte zu schätzen; ja mehr, es verweigerte ihnen den versprochenen Sold, drohte sogar, sie, wenn sie denselben fordern würden, mit dem Reichsbanne zu belegen und verlegte den Saporogern schließlich durch Erbauung der Feste Kudak am Dniepr den Weg von der Siez den genannten Fluss hinab, wodurch ihre Streifzüge, von denen sie zum größten Teile lebten, unmöglich gemacht wurden. Was Wunder, wenn sie sich gegen Polen selbst wandten, um sich hier für alle angetane Unbill schadlos zu halten.


In ein neues Stadium trat das Kosakentum unter der Regierung Ladislaus IV.

Die Kosaken hatten stets nach Ritterart eine große Anhänglichkeit an das Königtum gezeigt. Dies Zeugnis gibt ihnen jeder Schriftsteller. Bei jeder Gelegenheit hatten sie sich als Stützen desselben erwiesen. Wenn das Vaterland in Not war, zogen sie auf seinen Ruf freudig ins Feld und standen ihm treuer zur Seite als das pospolite ruszenie. Diese Treue ging sogar so weit, dass sie in den wütendsten Augenblicken des Aufruhrs auf die Stimme des Königs hörten und auf seine Versöhnungsversuche eingingen. Hiermit legten sie ihre Untertanentreue, ihre Angehörigkeit zur Krone Polen, die Liebe für das gemeinsame Vaterland glänzender an den Tag als der Adel der Krone Polen und Litauens. Nur gegen die Magnaten, ihre Unterdrücker, wandte sich ihr Hass. Sie nannten dieselben treffend wegen ihres eigenmächtigen Verfahrens króliki (kleine Könige).

Als daher der König Ladislaus IV. der in die Fußtapfen des größten polnischen Monarchen, des Stephan Batory, treten wollte, den Kosaken gleich am Anfange seiner Regierung sein Wohlwollen zeigte, wandten sie sich in ihrer Not an ihn; aber so gern er geholfen hätte, konnte er doch seine Absichten nicht verwirklichen: die Stände hinderten ihn daran. Es gelang ihm nicht einmal die neuen gegen sie gerichteten Gewaltmaßregeln des Adels abzuwenden und das Einzige, was er zur Linderung ihrer Not tun konnte, war, dass er den religiösen Verfolgungen der Nichtunierten Einhalt tat. Diese Verfolgungen waren nämlich durch die Brzescier Union von 1596 hervorgerufen worden, deren politischer Zweck der war, die Ukraine den Einflüssen Russlands zu entziehen) die jedoch das grade Gegenteil bewirkte, da es ganz natürlich war, dass die verfolgten Nichtunierten nur allzu geneigt waren, bei ihren Glaubensgenossen Hilfe zu suchen. Ladislaus verbot daher die gewaltsame Besitznahme der Kirchen, erlaubte den durch Zwang Bekehrten zur Religion ihrer Väter zurückzukehren, brachte aber freilich dadurch den herrschsüchtigen Adel und die fanatischen Bischöfe gegen sich auf.

Noch bei einer andern Gelegenheit legte der König sein Wohlwollen gegen die Kosaken an den Tag. Als die irregulären Kosaken mit den Saporogern die Festung Kudak, welche ihnen die Möglichkeit, Streifzüge zu machen, benahm, in Abwesenheit des Kronhetmans Koniecpolski, des Erbauers dieser Festung, unter ihrem Ataman Sulima zerstört hatten, dieser aber von den bedrängten Kosaken hatte ausgeliefert werden müssen, wollte der König ihn durch seine Fürsprache retten, konnte es jedoch nicht verhindern, dass er enthauptet wurde. Wie groß trotzdem die Hoffnung und das Zutrauen der Kosaken zu König Ladislaus war, beweist die Tatsache, dass das bei Gelegenheit einer Reise des Königs nach Litauen unter den Kosaken verbreitete Gerücht, der König sei vor den Magnaten geflohen und wolle sich in die Arme der Saporoger werfen, eine allgemeine Aufregung unter denselben hervorrief. Die allerwärts unterdrückten und beeinträchtigten Kosaken sahen nur in dem Könige ihre Rettung und je mehr er dem Adel unliebsam wurde, um so höher stieg er bei ihnen im Ansehen.

Bald sollte sich den Kosaken Gelegenheit bieten, das Bündnis, welches sie 1645 mit den Tataren einzugehen gesonnen waren, zu vergessen. Der König nämlich, dessen kriegerischer Sinn im Frieden keine Ruhe fand und der sich von dem lästigen Drucke des Adels befreien wollte, wurde von dem venetianischen Gesandten Tiepolo, welcher die Hochzeitsfeierlichkeiten des Königs mit Maria von Gonzaga als Vorwand seiner Anwesenheit in Warschau benutzte, zu einem Kriege gegen die Türken zu bestimmen gesucht, und ging, wie sich leicht denken lässt, auf diesen Plan ein.

Sein erstes Augenmerk richtete er hierbei auf die Kosaken als die zuverlässigsten und kriegstüchtigsten Truppen der ganzen Republik. In der ersten Hälfte des Jahres 1646 begannen die Beratungen zwischen dem Könige, dem Großhetman Konieepolski und dem Großkanzler Ossolinski.

Man beabsichtigte den Plan bald auszuführen, zumal da auch sonst die Lage der Dinge eine vorteilhafte war. Das westliche Europa begünstigte die Absichten des Königs; Venedig gab Geld zum Kriege, desgleichen der Papst durch seinen Nuntius de Torre, und die Königin schoss aus ihrer Privatkasse eine bedeutende Summe zur Ausrüstung vor. Um sich zunächst der Kosaken für seine Pläne vollständig zu versichern, schickte der König einen Vertrauten, den Radziejowski, an sie. Ja er soll sogar nach Linage ein eigenhändiges Schreiben an den Assaul Barabaszenko gerichtet haben, worin er die Kosaken zur Wiedererringung ihrer Freiheiten und Rechtsbriefe aufgefordert habe.

Auf den Ruf des Königs trafen sofort vier Abgesandte der Kosaken, unter ihnen Chmielnicki, der nachmalige Urheber des Aufstandes im Jahre 1648, in Warschau ein, wo sie nicht nur die Bestätigung der früheren Gerechtsame, sondern sogar neue erhielten. Die Zahl der einregistrierten Kosaken sollte von 6.000 auf 12.000 erhöht werden.

Barabaszenko wurde zum königlichen Kommissar ernannt*); Chmielnicki erhielt das Amt eines Schreibers, eine hohe Ehrenstelle bei den Saporogem, da durch seine Hände alle Schriftstücke gehen mussten, und den Oberbefehl über die Abteilung der Kosaken, welche den Dniepr hinab gehen sollte; den Regimentern wurden neue Fahnen und Abzeichen gegeben; der König gab sogar aus seiner Privatkasse 6.000 Thlr. zur Ausrüstung von 600 czajki (tragbare Kähne) und Tiepolo zahlte dem neuen Kosakenkommissare 2.000 Thlr. für sein Heer aus. Die Kosaken, hoch erfreut über eine solche Wendung ihrer Angelegenheiten, gingen mit Eifer auf die Pläne des Königs ein, und ein neues Leben begann in der Ukraine. Doch sollte die Freude von kurzer Dauer sein. Die Verhandlungen waren bisher im Geheimen gepflogen worden. Um bei den Türken keinen Verdacht zu erregen, hatte es der König unterlassen, den Reichstag einzuberufen und eine offene Verhandlung seiner Pläne sorgfältig vermieden. Er wollte ferner dadurch der Umständlichkeit und Langwierigkeit der gesetzlichen Formen aus dem Wege gehen. Deshalb auch hatte er im Auslande Söldner, und zwar in der Zahl von 16.000 Mann, anwerben lassen, was nicht schwer fiel, da ja gerade der dreißigjährige Krieg seinem Ende nahte und einen Überfluss von Soldaten in Aussicht stellte.

*) Von 1590 — 1648 gibt es keine Hetmans der Ukraine, sondern nur königliche Kommissare.

Trotz dieser Vorsichtsmaßregeln war das Gerücht von den Zurüstungen zum Kriege allmählich laut geworden; offenkundig vollends wurde der ganze Plan, als die gemieteten Truppen in die Grenzen des Landes einzogen. Jetzt wandte sich Alles an den König. Geistliche und weltliche Senatoren beschworen ihn, das gute Einvernehmen mit der Türkei nicht zu stören und Polen in keinen Krieg zu verwickeln. Der kleine Adel erhob ein Geschrei und beschuldigte den König, er beabsichtige gegen die Freiheiten und Gerechtsame des Adelstandes einen Staatsstreich; Briefe wurden an ihn gerichtet und darin zur Aufrechthaltung des Friedens und der Ordnung um Entlassung des fremden Heeres und Einberufung des Reichstages nachgesucht. Die Nachricht, dass die Kosaken einen Einfall in die Türkei gemacht hätten, verbreitete unter den Polen einen größeren Schreck als unter den Türken. So sah sich denn der König, allerseits selbstsüchtiger Absichten beschuldigt, genötigt, vorläufig seine Pläne aufzugeben, und als nun der sechswöchentliche Reichstag im Oktober 1646 zusammenkam und sich auf das Bestimmteste gegen diesen Krieg entschied, blieb dem Könige nach Beschluss des Reichstages Nichts übrig, als das gemietete Heer unverrichteter Sache wieder zu entlassen; der aufgebrachte Adel forderte stürmisch die Entfernung der fremdherrlichen Gesandten, welche den König zu diesem Schritte verleitet hatten und drang vorzüglich darauf, die Kosaken, die um eine getäuschte Hoffnung reicher waren, an ihren Raubzügen zu verhindern *). In seinem Vorhaben siegreich, ließ der Adel den König und die ihm verbündeten Kosaken seinen Hass fühlen. Er wollte sich an den Letzteren für ihre Freiheitspläne rächen und erging sich in maßlosen Überschreitungen aller Gesetzlichkeiten. Vorzüglich musste Chmielnicki allerlei persönliche Unbilden und Beschimpfungen erdulden.

*) Handschr. der Warschauer Bibliothek Nr. 386. Miscellanea. Reden, Briefe etc. betreffend die polnische Geschichte während der Regierung der Waza.

Während so der Adel alle Gefahr beseitigt zu haben glaubte, bedachte er nicht, dass eine neue dicht neben ihm aufstieg, bedachte er nicht, dass der König einen gereizten Riesen entfesselt und bewaffnet hatte, den er zwar gegen einen äußeren Feind zu führen beabsichtigte, der aber Niemand gefährlicher werden konnte, als seinen bisherigen Bedrückern.

Zur vollständigen Würdigung der Lage gehen wir näher auf die drei Faktoren ein, welche den Zustand der Kosaken zu einem verzweifelten machten und in politischer, religiöser und ökonomischer Beziehung einen unerträglichen Druck ausübten; die Bedrücker der Kosaken waren hauptsächlich: die Großen, die Jesuiten und die Juden.