Vierte Fortsetzung

Nach diesen Errungenschaften schickte Chmielnicki am 2. Juni von Biala Cerkiew aus Boten an den König, die denselben von der Ursache des Aufstandes der Kosaken in Kenntnis setzen und über die ihnen von den polnischen Edelleuten zugefügten Ungerechtigkeiten Beschwerde führen sollten. Desgleichen ging am 13. Juni an Kisiel, den Wojewoden von Bradaw, ein Schreiben ab, worin er sich über die ihm persönlich angetanen Ungerechtigkeiten beklagt, ihm anzeigt, dass er die Tataren fortgeschickt habe und ihn um Fürsprache bei dem Könige und den Ständen ersucht für die ohne Wissen und Willen des Königs bedrängten Kosaken, die zur Verzweiflung gebracht und nirgends Gerechtigkeit findend, auf den Dnieprinseln Schutz gesucht, da sie aber auch dort von den Hetmans und vorzüglich von Wisniowiecki nicht in Ruhe gelassen worden wären, sich in die Notwendigkeit versetzt gesehen hätten, die Tataren zur Hilfe zu rufen, um sich ihrer Haut zu wehren. Die von den Gesandten des Chmielnicki dem Könige vorzutragenden Beschwerden lauteten aber dahin, dass die polnischen Edelleute und die Pächter der grundherrschaftlichen Einkünfte freie Leute, wie die Kosaken doch seien, um Hab und Gut zu bringen, ja zu Leibeignen zu machen suchten, und ärger behandelten als Sklaven; dass sie willkürlich den Zehnten von Bienenzucht, Ackerbau, Fischfang und Jagd nähmen, wobei ihnen die gesetzten Befehlshaber, deren Aufgabe es sei, sie (die Kosaken) zu schützen, beiständen und Kleinigkeiten mit Arrest und Sklaverei bestraften, wenn der Straffällige nicht im Stande wäre, Geldstrafen zu zahlen; dass ferner den registrierten Kosaken der Sold schon seit fünf Jahren vorenthalten worden sei. Zugleich wird der König um Erhöhung des Registers auf 12.000 Mann gebeten, womit Chmielnicki eine umfangreichere Befreiung der Bauern und Vermehrung der Kosaken überhaupt bezweckte, und dabei daran erinnert, dass er selbst die Kosaken zu einem Seeunternehmen aufgefordert, sie mit Geld unterstützt und die Verdopplung der Saporoger bestimmt habe, wozu aber nun die eingesetzte starszyzna die Erlaubnis nicht gäbe.

Hieran schließt sich die Bitte um Zurückgabe der ursprünglich griechischen Kirchen, die gewaltsam für den katholischen Ritus in Besitz genommen worden seien, desgleichen die um Einsetzung griechischer Geistlicher und als Letztes die Bitte um Erneuerung der von den verschiedenen Königen gewährten Freiheiten und Gerechtsame.


Das Gebahren Chmielnickis, trotzdem er als Sieger in zwei Schlachten einen ganz andern Ton hätte anschlagen können, ist durchweg demütig und untertänig, wie in gleicher Weise ein Brief aus derselben Zeit an Czerny dieselben Gefühle für den König ausspricht.

Auch der Tatarenkhan Islam Girej sprach, und zwar in einem am 12. Juni an den König Ladislaus IV. gesendeten Briefe, in welchem er nach dem Siege von Korsun den seit vier Jahren rückständigen Tribut verlangte, den Wunsch aus, der König möge der Stimme der Billigkeit Gehör schenken und den Kosaken die ihnen zugesagten Freiheiten gewähren. Dieser Brief wurde auf dem Reichstage in Warschau vorgelesen, brachte aber keine Änderung der Anschauungen hervor.

Als Chmielnicki die Boten zum König sandte, wusste er noch nicht, dass derselbe am 20. Mai zu Merecz in Litauen gestorben war. Seine Gesandten trafen gerade ein, als sich der Konvokationsreichstag, der während des Interregnums vom Primas Matthias Lubienski auf den 16. Juni berufen worden war, mit der Frage beschäftigte, wie dem Aufstande der Kosaken zu steuern sei.

Die Meinung der Beratenden war gespalten. Die eine Partei, an deren Spitze der Großkanzler Ossolinski und der Wojewode Kisiel standen, riet zur Versöhnlichkeit und warnte vor gewaltsamen Maßregeln gegen die Kosaken. Die andere Partei wollte Nichts davon wissen. Sie predigte einen Ausrottungskrieg gegen die aufständischen Bauern, wie die Kosaken durchweg bezeichnet wurden, und verlangte die Züchtigung Chmielnickis, als eines gemeinen Rebellen. Es war dies die Partei, die durch den größten Teil des Adels vertreten war und als deren Hauptrepräsentant der Fürst Wisniowiecki dastand, der im Grunde genommen die Hauptschuld an allen den Schrecknissen der Anarchie, Volkswut und Grausamkeit und den mannigfaltigen Gräuelszenen trägt, die in diesem Aufstande auf beiden Seiten verübt worden sind.

Wenn sich auf dem Reichstage einzelne Stimmen unter dem kleinen Adel hören ließen, welche verlangten, dass man den Kosaken Erlaubnis gebe, ihre Register zu vermehren, ihnen gestatte, sich zur griechischen Kirche zu bekennen, dass man ihre Gerechtsame durch Konstitutionen bekräftige und ihnen, sofern sie noch ohne Grund und Boden wären, kleine Besitzungen zuerteile, indem sie dabei auf das Beispiel des Königs Stephan Batory hinwiesen, der auf diese Weise mit einem Schlage und ohne Blutvergießen die Kosaken für sich gewonnen hätte, so standen diese besonnenen Männer so vereinzelt da, dass sie Nichts auszurichten im Stande waren gegen die große Majorität, die einen Vernichtungskrieg wollte.

Schließlich kam es zu einer ziemlich lahmen Politik; man wollte auf eine widersinnige Weise die Kosakenangelegenheiten beilegen, indem man die von Wisniowiecki angeratene Politik mit den Mitteln des Kisiel und Ossolinski durchzuführen gedachte, anstatt entweder ganz energisch aufzutreten, wozu es aber ebensowohl an Truppen als an Geld mangelte, oder, was das Einfachere war, ihnen, auf ihre gerechte Forderungen eingehend, Zugeständnisse zu machen.

Auch die Nachricht des Kisiel aus Huszcza, dass Chmielnicki ein Herr von 70.000 Mann habe, stimmte die Meinung der Kriegspartei nicht um. Man suchte vor Allem die Verbündeten von Chmielnicki abzuziehen. Die versammelten Senatoren richteten daher an den Sultan ein Schreiben und baten ihn, den Tataren das Bündnis mit den Saporogern zu untersagen; den Tatarenkhan vertrösteten sie mit seinen Tributforderungen auf spätere Zeiten, und auf sein Ansinnen in Betreff der Kosaken gab man ihm zur Antwort, dass, sobald sie sich gedemütigt hätten, sie vom künftigen Könige auf Fürbitte der Stände Verzeihung erhalten sollten.

Unterdessen langte ein zweiter noch an den König gerichteter Brief von Chmielnicki aus Biala Cerkiew, datiert vom 2. Juli an.

Chmielnicki bringt in demselben nochmals seine Klagen über die seit Jahren verübten Unterdrückungen vor und sagt unter Anderem, die eingesetzten Befehlshaber der Kosaken, die dieselben vor Ungerechtigkeiten schützen sollten, seien die Diener, Freunde, ja Mithelfer der Großen; das Loos der Christen in türkischer Gefangenschaft sei erträglicher als das der Kosaken; wenn sie um Erleichterung gefleht und sich dabei auf den König berufen hätten, so sei dessen sogar gespottet worden, denn man habe ihnen geantwortet: „Hilft Euch der König, Ihr Schurken?“ Um der Verfolgung auszuweichen, seien Viele, ihr Hab und Gut im Stiche lassend, zu den Porogen geflohen, aber auch dort nicht in Ruhe gelassen worden; denn die polnischen Großen hielten die Kosaken nicht für des Königs Untertanen, sondern für ihre Sklaven; der Hetman sei ohne des Königs Erlaubnis mit seinem Heere gegen die Saporoger gezogen und habe die Ukraine aufs Schrecklichste verwüstet.

Chmielnicki fährt dann fort: „Es liegt nicht im Mindesten in unserm Sinne, uns der Gnade Ew. Majestät zu begeben; nur weil die polnischen Magnaten ohne Wissen und Willen Ew. Majestät gegen uns gezogen sind, waren wir genötigt, zur Wehr die Tataren herbeizurufen. Wie früher, so wollen wir stets treue Untertanen Ew. Majestät sein; unverbrüchlich wollen wir der Republik dienen gegen jeglichen Feind und bereitwilligst dem Rufe Ew. Majestät Folge leisten. Die Tatarenhorde soll für künftig ins Reich Ew. Majestät nicht mehr einfallen. Nur bitten wir, dass dies unser Vergehen verziehen und uns die früheren Rechte wieder gewährt werden, damit wir keine solche Knechtschaft mehr zu erdulden haben.“

Unterschrieben ist dieser Brief von Chmielnicki, noch nicht als Hetman, sondern als „zur Zeit Ältester des Saporogischen Heeres“. Er legt am deutlichsten die Tendenz des Aufstandes dar, der nicht das Abreißen der Ukraine von Polen, nicht den Abfall der Kosaken zum Zwecke hat, sondern die Beseitigung der für die Kosaken so ungünstig lautenden Bestimmungen der Konstitutionen, Erlangung einer gewissen Gleichstellung der Kosaken mit dem Adel, Freiheit der griechischen Kirche und Gewährung der verbrieften Rechte.

Auf die von den Kosaken vorgetragenen Beschwerden erhielt jetzt Chmielnicki durch die Kommissare, welche vom Reichstage ad hoc bestellt waren, folgende Forderungen zur Antwort:

Die Kosaken sollten

1. alle Polen, die sie zu Gefangenen gemacht, freilassen;
2. die Kriegsbeute wieder ausliefern;
3. das Bündnis mit den Tataren aufgeben und mit einem Eide der Treue versprechen, dass sie künftig kein Bündnis mehr mit denselben eingehen würden; sie sollten
4. die Grenzwache übernehmen, aber nur mit Erlaubnis der Republik Streifzüge in das Tatarenland ausführen;
5. nie die Festung Kudak mit ihren Truppen besetzen;
6. die Anführer des Aufstandes ausliefern, damit einige derselben exemplarisch bestraft, die anderen aber in Warschau festgehalten würden, und
7. den Gesandten die königlichen Briefe, die in ihren Händen seien, ausliefern.

Was den Sold anbelange, sagte das Schreiben, so sei derselbe vor dem Aufstande ausgezahlt worden; wenn er verloren gegangen sei, trage der Staat keine Schuld daran.

Wenn man die Streitkräfte berücksichtigt, über welche Chmielnicki gebot, wenn man bedenkt, wie maßvoll er sich in seinen Forderungen gehalten, wie unterwürfig er sich in seinen Briefen gegen den König gezeigt hatte, wenn man andererseits die missliche Lage der Republik nach zwei großen Niederlagen bei geleertem Staatsschatz bedenkt: so muss man diese Forderungen, in denen sich die Polen wie Sieger gebärdeten, für ebenso unpolitisch und herausfordernd, als unbillig und maßlos, um nicht zu sagen unsinnig, ansehen.

Glaubte man auf diese Weise die Aufständischen einschüchtern und die ganze Sache ohne Blutvergießen beilegen zu können, so hatte man sich freilich stark geirrt.

Entschieden unklug war es, die Auslieferung des Chmielnicki zu verlangen und von exemplarischer Bestrafung zu sprechen, denn dadurch konnte sich ja Chmielnicki, um das eigne Leben zu retten, leicht genötigt sehen, allen gütlichen Vergleichungen selbst Hindernisse in den Weg zu legen und die Kosaken durch glänzende Aussichten nach seinem Willen zu bestimmen, besonders wenn er das Los der früher ausgelieferten Kosakenanführer bedachte, die trotz des Versprechens, sie, nicht am Leben zu strafen, durch Schwert oder Pfahl den Tod gefunden hatten.

Chmielnicki, während dieser Zeit vom Tode des Königs durch Kisiel benachrichtigt, und von ihm ersucht, das Vaterland nicht in noch größere Wirren zu stürzen, verhielt sich ruhig in seinem Lager bei Biala Cerkiew, wiewohl ihm der Weg bis ins Herz des Landes offen stand, und zeigte dadurch am schlagendsten, dass es ihm nur um Wahrung der Rechte und Privilegien der Kosaken zu tun war und nicht um Trennung der Ukraine von der Republik und die Gründung eines Sonderstaates, welcher Absicht man ihn beschuldigt hat.

Der Konvokationsreichstag brachte indessen nur so viel zu Stande, dass er das Geld für 2.200 Mann Soldtruppen und die Einberufung des allgemeinen Aufgebots ins Lager von Konstantynow genehmigtete.

Wisniowiecki aber, der unerbittliche Feind der Kosaken und Nichtunierten, der selbst erst zur Union übergegangen war, hatte seinem Verfolgungseifer keinen Einhalt tun können. Mit 4.000 Mann seiner eignen Truppen und eben so viel von andern Magnaten gestellten, zieht er, unbekümmert um die Verhandlungen des Reichstages, in die Ukraine, macht dort Streifzüge, ermordet schonungslos die aufständischen Bauern und Kosaken, nimmt im Sturme die eigne Stadt Niemirow, deren Bewohner sich aufgelehnt haben und metzelt Alles nieder, was in seine Hände fällt.

Damit war der Waffenstillstand gebrochen, der während der Verhandlungen statthaben sollte. Chmielnicki, seinem Worte getreu, blieb in seinem Standquartiere, schickte aber den Assaul Krzywonos nach Volhynien und Podolien, um den Streifzügen des Wisniowiecki ein Gegengewicht zu bieten, wobei er gegen den Willen des Chmielnicki. die Städte Ostrog, Alt-Konstantynow , Bar und Polonna zerstörte und seine Kosaken Alle mordeten, die es nicht mit ihnen hielten.

Wisniowiecki tat diesem Treiben des Krzywonos erst Einhalt, als es ihm gelang, den größten Teil dieses Korps bei Zwiahel aufzuheben.

Die Lage der Bewohner des Landes wurde durch diesen Sieg wenig verbessert; denn hatte Krzywonos die Katholiken gemordet, so tat jetzt Wisniowiecki ein Gleiches an den Schismatikern. Die Folge dieser neuen Gräueltaten war die, dass sich die Bauern zusammenrotteten und ganz unabhängig von Chmielnicki gegen die Polen Krieg führten.

Ihre Sache ist mit der der Kosaken durchaus nicht zusammenzuwerfen, da Letztere die oben angegebenen Ziele verfolgten, und sich dabei nicht um die Bauern kümmerten, die allerdings auch nach Erlangung gewisser Freiheiten strebten.

Die Verhandlungen, welche durch die vom Reichstage entsendeten Vermittler geführt werden sollten, konnten unter solchen Umständen nicht gedeihen, zumal nun die polnischen Truppen in Konstantynow einrückten, um die Feindseligkeiten gegen die Kosaken fortzusetzen.