Sechste Fortsetzung

Bevor sich Chmielnicki zum Sturm anschickte, forderte er die Auslieferung des Wisniowiecki und Koniecpolski, die sich im Lager der Polen befanden und versprach den Andern freien Abzug nach erfolgter Kapitulation. Nach eingegangener abschlägiger Antwort begann er den Angriff. Die Seele des Widerstandes im Lager war Wisniowiecki, obschon er bei der Austeilung der Befehlshaberschaft auch diesmal übergangen worden war. Das polnische Heer leistete so kräftige Gegenwehr, dass die Kosaken bis zum 15. August vergebens das Lager bestürmten, wiewohl in der letzten Zeit die Not sich im Lager schon fühlbar zu machen begann. Da langte endlich der König, der schon am 17. Juni Warschau verlassen hatte, in der Nähe von Zborow, 2 Meilen von Zbaraz, mit 22.000 Mann des allgemeinen Aufgebots und 12.000 Mann Soldtruppen an. Als Chmielnicki Nachricht von der Ankunft des Königs erhielt, schickte er einen Teil seiner Truppen, meist Tataren, dem Könige entgegen, während er selbst die Fortsetzung der Belagerung von Zbaraz betrieb.

Die abgeschickten Tataren griffen den Vortrab des Heeres an, als er eben im Begriffe stand, über den Fluss zu setzen, um über Zborow hinaus zu gelangen, und warfen ihn zurück, bei welcher Gelegenheit die Polen einen ganz bedeutenden Verlust erlitten und zu fliehen begannen. Die Szene von Pilawce hätte sich wiederholt, wenn nicht der König herbei geeilt wäre und sich den Fliehenden entgegengestellt hätte.


Als am andern Tage die Tataren und Kosaken von Neuem dem Heere bedeutend zusetzten, und der König fürchtete, von seiner Armee im Stiche gelassen zu werden, zugleich die Ungleichheit der beiden Truppenkörper erkannte, von denen der seinige Mangel litt, während dem gegnerischen Alles zu Gebote stand, schrieb er auf Anraten des Großkanzlers Ossolinski einen Brief an den Khan, worin er ihn an die Wohltaten seines Bruders Ladislaus IV.*) erinnerte und ihn ersuchte, von dem Bündnis mit den aufständischen Kosaken abzulassen.

*) Der Khan Islam Girej war in polnischer Gefangenschaft gewesen und vom Könige Ladislaus freigelassen worden.

Schon am andern Tage langte die Antwort des Khan an, der geneigt war, die Feindseligkeiten einzustellen, wenn der König ihm 200.000 Thlr. auszuzahlen und die Rechte der Kosaken zu wahren versprechen wollte. Mit diesem Schreiben des Tatarenkhan traf zugleich ein Brief des Chmielnicki ein, veranlasst durch ein Schreiben des Königs an die Kosaken, worin er sie benachrichtigt, dass er Chmielnicki als Verräter und Rebellen betrachte, ihn der Hetmanswürde entsetze und für die Kosaken einen neuen Hetman, den Zabuski ernannt habe. Chmielnicki, vielleicht fürchtend, verlassen zu werden, bot in aller Demut die Hand zum Frieden und erklärte sich sogar einverstanden, den Hetmansstab seinem Nachfolger zu übergeben, wenn das ihm geschehene Unrecht gut gemacht und ihm fortan ein ruhiges Leben unter königlichem Schutze zugesichert würde.

In Folge dessen kam am 19. August ein Vertrag mit den Tartaren und Kosaken zu Stande, in welchem man sich in Folgendem vereinbarte:

1) die durch königliches Wort verbürgten Freiheiten und Immunitäten werden den Saporogern vollständig gewährt;

2) die Zahl der registrierten Kosaken wird auf 40.000 Mann erhöht;

3) die Stadt Czehryn mit ihren Territorien gehört fortan dem Hetman der Ukraine, d. h. zur Zeit dem Chmielnicki;

4) es soll Amnestie für alles Geschehene gewährt werden, mithin ist der Adel, sowohl griechisch- als römisch-katholischer Konfession, der sich während des Aufstandes auf Seiten der Saporoger befunden hat, frei und darf auf seine Güter zurückkehren, die ihm wiedererstattet werden, insofern sie konfisziert worden sind;

5) das Heer der Republik darf sein Lager nicht dort aufschlagen, wo sich die registrierten Kosaken befinden;

6) auf Territorien, wo Kosaken ansässig sind, sind Juden als Pächter nicht zuzulassen;

7) die Union wird abgeschafft und der Metropolit von Kiew in den Senat aufgenommen;

8) der Wojewode, der Starost und der Kastellan von Kiew sollen künftig stets griechischer Konfession sein;

9) die Jesuiten werden von den Schulen entfernt und ihnen in der Ukraine keine neuen Klöster gestiftet;

10) die griechischen, den Kosaken gewaltsam entrissenen Kirchen, sind ohne Ausnahme zurückzuerstatten.

Hieran schließen sich noch einige Bestimmungen über Bier- und Branntweinverkauf und Ähnliches, die wir füglich übergehen können.

Chmielnicki erschien nun selber im Lager des Königs, nachdem zuvor den Kosaken ein Bürge für ihn gestellt worden war. Hier führte er noch einmal persönlich Klage über das Verhalten der Magnaten zu den Kosaken und bezeichnete sie als die einzige Ursache alles Blutvergießens. Der König unterschrieb den Vertrag, während Chmielnicki den Eid der Treue schwur.

So endigte der Krieg dieses Jahres. Chmielnicki war wirklich gesonnen, den Frieden aufrecht zu erhalten; er tat zu diesem Behufe unter den Kosaken Alles, was er tun konnte. Er für seine Person wollte das Versprechen, ein eifriger Diener des Königs und der Republik zu sein, treulich halten. Dass es anders kam, ist nicht seine Schuld, sondern die des polnischen Adels; denn diesem sagten die Verträge von Zborow, durch welche der Friede erkauft worden war, durchaus nicht zu. Er beschuldigte den König des Einvernehmens mit den Kosaken und bedachte nicht, dass Letzterer Angesichts der Gefahr, in welcher das Heer und vielleicht auch die Republik bei Zborow und Zbaraz schwebte, keine günstigeren Bedingungen erhalten konnte. Während man daher den erbitterten Feind der Kosaken, den Fürsten Wisniowiecki mit Jubel empfing, ihn als Retter des Vaterlandes, als pater patriae begrüßte, ihn von Seiten des Adels als Verfechter seiner Vorrechte und Seitens der Geistlichen als Beschützer der Kirche pries, empfing man den heimkehrenden König in Warschau kalt. Mit Mühe gelang es dem König die Bestätigung der Zborower Verträge zu erhalten. Aufs Neue erklärten die geistlichen Senatoren entschieden, sie würden sofort ihre Sitze verlassen, wenn der Metropolit von Kiew im Senate erscheinen werde. Als Letzterer, Sylvester Kossow mit Namen, zum Reichstage in Warschau eintraf und von dem Entschlüsse der Ersteren in Kenntnis gesetzt worden war, zog er es hochherzig vor, lieber nicht im Senate zu erscheinen, als sein Vaterland durch Nichtzustandekommen des Reichstages in neue Wirren zu stürzen.

Obgleich allgemeine Amnestie gewährt worden war, mithin die Bauern herrschaftlicher Güter, welche sich am Aufstande beteiligt hatten, nicht bestraft werden sollten, geschah dies doch nur allzu häufig. Der zusammengelaufene Pöbel, der sich um Chmielnicki versammelt hatte, wollte in Folge dessen nicht nach Hause zurückkehren, sondern lieber unter den Waffen bleiben und bereitete dadurch diesem einen schweren Stand bei Aufstellung des Registers, wozu sich, obwohl nur 40.000 Mann einzuregistrieren waren, doch gegen 100.000 meldeten.

Als der Adel erfuhr, dass Chmielnicki außer den Einregistrierten noch eine fast gleiche Anzahl Nichteinregistrierter um sich habe, sah er darin eine Verletzung der Verträge und erklärte diese für nicht mehr bindend. Immer peinlicher wird die Lage des Chmielnicki, und endlich so gefahrvoll, dass wir uns nicht wundern dürfen, wenn er, von allen Seiten gedrängt, sich anderweit nach Hilfe umsah; so viel hatte er nun deutlich erkannt: Von dem polnischen Adel hatten die Kosaken einen befriedigenden Ausgang der Dinge nicht zu erwarten.

In diesen zwei Jahren der ersten Phase des blutigen Bruderkriegs, denn soviel umfasst der Gegenstand unserer Darstellung, steht Chmielnicki noch nicht als Verräter des Vaterlandes da. Weit entfernt, sich Russland in die Arme zu werfen, sucht er nur die furchtbare Last, welche der Adel auf die unter ihm stehenden Volksschichten gewälzt hatte, abzuschütteln und für seine Kosaken, unter denen er sich sein ganzes Leben hindurch in Ansehen und Einfluss zu erhalten wusste, eine günstigere Stellung zu gewinnen.

Chmielnickis Treue und Anhänglichkeit an die Republik ist in dieser Phase unzweifelhaft, und wenn er die Kosaken nicht dahin gebracht hat, wohin er sie zum Nutzen der Republik bringen wollte, so fällt die Schuld wiederum auf den polnischen Adel, der auf unverantwortliche Weise eine so tüchtige Kraft, wie die Kosaken waren, sich von der Republik loszusagen zwang. Wenn Chmielnicki während der ersten Phase des Aufstandes schon mit der Türkei und Russland Verbindungen anknüpfte, so liefert dies keinen Beweis, dass er schon damals an Abfall von der Republik dachte; denn erstens tat er hierbei nur, was nach polnischen Begriffen der Adel, der selbständig in diplomatischem Verkehre mit den auswärtigen Mächten stand, tun zu dürfen sich berechtigt glaubte, sodann verhinderte er dadurch dieselben, mit der polnischen Krone gemeinschaftliche Sache gegen die Kosaken zu machen. Neuerlich herausgegebene Dokumente liefern offenkundig den Beweis, dass Chmielnicki sich zwar um die Freundschaft des Czaaren bemühte, aber weder seinen Beistand angerufen, noch mit ihm Verträge abgeschlossen hat Er hat damit nur vorgebeugt, dass ihm die Polen, die durch Kisiel mit dem russischen Hofe in Verbindung standen, nicht zuvor kamen.

Wenn er dem Czaaren Alexiej Michajlowicz den Rat gab, sich um die polnische Krone zu bewerben, so floss das aus demselben Motive, sich die Gunst Russlands und so dessen neutrale Stellung zu erhalten. Kein einziges Schriftstück aber beweist, dass er in diesen zwei Jahren irgendwelche Verpflichtung gegen auswärtige Mächte übernommen habe. Anders lauten die Dokumente aus der zweiten Phase dieses Aufstandes, wo Chmielnicki zum Schaden der Republik mit auswärtigen Mächten Verträge abschließt, die schließlich die Übergabe des Landes der Saporogischen Kosaken an Russland im Jahre 1654 zur Folge haben.