Fünfte Fortsetzung

Kisiel, der der griechischen Konfession angehörte und der von den besten Absichten beseelt war, die Republik aus der drohenden Gefahr zu erretten, dafür aber geheimer Verbindung mit den Kosaken beschuldigt wurde, bat vergebens, man solle die Feindseligkeiten einstellen und den Chmielnicki nicht reizen, da er ja geneigt sei, zu unterhandeln; vergebens war die Erklärung, dass Chmielnicki die Urheber der Gräuelszenen für ihre Gewalttätigkeiten bestraft und die gefangenen Polen in Freiheit gesetzt habe, um. Alles zu tun, was zu einem friedlichen Ausgange des ganzen Handels führen könne. Chmielnicki, an der Aufrichtigkeit der friedlichen Absichten des polnischen Adels verzweifelnd, sah sich gezwungen, den Krieg fortzusetzen und die Tataren wieder zurückzurufen.

Er gebot damals über ein Heer von 180.000 Kosaken, das noch durch 30.000 Tataren, die unter Tohaj Bejs Anführung am dritten Tage der Affaire von Pilawce eintrafen, verstärkt wurde.


Sorglos und siegesgewiss zog das polnische Heer, das sich auf 40.000 Mann streitbarer Truppen und einen Tross von 200.000 belief, vorwärts. Es stand für die Dauer der Abwesenheit und Gefangenschaft der Hetmans unter der Leitung von drei sogenannten Regimentaren, d. h. Stellvertretern der Hetmans.

Diese Regimentare aber waren Nichts weniger, als gute Feldherren. Die Polen selbst legten ihnen Spottnamen bei und nannten den verweichlichten Fürsten von Ostrog „pierzyna" (Bettdecke), den jugendlichen Koniecpolski „dziecina*' (Kind) und den gelehrten Ostrorog „Lacina“ (Latein).

Wisniowiecki war bei der Verteilung dieser Ämter übergangen worden und hielt sich, deshalb gekränkt, dem Unternehmen fern. Die Heere beider kriegführenden Parteien stießen bei Pilawce zusammen, ohne dass es zu einem ernstlichen Kampfe gekommen wäre. Da begann nach mehrtägigen Scharmützeln plötzlich der Rückzug der Polen aus ihrem verschanzten Lager, der in einer allgemeinen Flucht endete, der schmählichsten, die die ganze polnische Geschichte aufzuweisen hat. Uneinigkeit der Feldherren war die Hauptursache dieser schimpflichen Flucht, die durch die Nachricht von der Ankunft der Tatarenhorden zum Ausbruche kam. Dies geschah am 25. September. Das ganze Lager mit allen Vorräten fiel in die Hände der Kosaken und Tataren.

Chmielnicki ging auch diesmal nicht weiter ins Land hinein; eines Teils wollte er den Elektionsreichstag, der auf den 24. Okt. zusammenberufen worden war, nicht stören, immer noch hoffend, dass, wenn ein neuer König gewählt sein würde, dieser die Rechte der Kosaken wahren werde, andernteils wollte er den Tataren keine Gelegenheit geben, beim Vordringen die Gräuel fortzusetzen, deren sein Vaterland schon genug gesehen hatte. Er zog sich vielmehr zurück und setzte der Spur des Wisniowiecki nach, welcher auch nach dem allgemeinen Entsetzen, das die Niederlage von Pilawce verursachte, in seiner Unbeugsamkeit und Erbitterung gegen die Kosaken fortfuhr, die Ukraine zu verwüsten.

Am 6. Okt. erschien Chmielnicki vor den Mauern der Stadt Lemberg, wohin er bei der Verfolgung des Wisniowiecki gelangt war und erhob von ihren Einwohnern eine Kontribution von 200.000 FL, welche Summe er zur Befriedigung der Tataren verwandte. Von Lemberg am 6. desselben Monats aufbrechend, schlug er, immer Wisniowiecki nachziehend, die Richtung nach Zamosc ein, und traf hier in den ersten Tagen des November ein. Auch hier ließ er sich 20.000 Fl. Kontribution für die Tataren erlegen. Von hier aus schickte er am 15. Nov. den Kanonicus Andreas Mokrski mit einem Briefe an die zum Elektionsreichstage in Warschau versammelten Senatoren ab. Er spricht darin sein Bedauern über den Bruderkrieg aus, und beschuldigt Wisniowiecki und Koniecpolski , ihn dadurch hervorgerufen zu haben, dass sie die Saporoger in ihrem Lande jenseits des Dniepr bekriegt, ihnen Hab und Gut entrissen und die Kosaken gepfählt oder in die Gefangenschaft geführt hätten. Er beklagt sich darin ferner über die zweideutige Politik des Adels. Derselbe habe nämlich, während den Kosaken eine friedliche Lösung ihrer Sache versprochen, ja bereits in den von den Kosaken sehnlichst erwünschten Verhandlungen durch die Kommissare angebahnt worden sei, das polnische Heer gegen sie geführt und dadurch die Feindseligkeiten von Neuem eröffnet. Mit dem Versprechen, dass er mit seinen Kosaken der Republik treu dienen wolle, bittet er zum Schluss um die Bestrafung der beiden Männer, die die Urheber alles Übels seien.

Darauf antwortete die Republik mit der Wahl des Wisniowiecki zum Befehlshaber des polnischen Heeres.

Andrerseits erlebte Chmielnicki die Freude, dass am 17. Nov. Johann Casimir, für dessen Wahl er sich, dem von Wisniowiecki aufgestellten Thronkandidaten gegenüber, erklärt hatte, als neu erwählter König proklamiert wurde. Ein königlicher Gesandter, Stanislaus Choldakowski, überbrachte die Botschaft von der erfolgten Wahl dem Chmielnicki, der auf diese Nachricht hin Freudenschüsse abfeuern ließ.

Ihm folgte bald ein zweiter Gesandter des Königs, Namens Smarzewski, der die Antwort auf den Brief des Chmielnicki und zugleich für ihn den Hetmansstab und für die Kosaken die neue Fahne brachte, womit jeder neu gewählte König die Kosaken zu beschenken pflegte.

Chmielnicki küsste vor Freuden das königliche Handschreiben, und erklärte in öffentlicher Versammlung: „Wie meine Väter dem Könige stets treu gedient, und ihr Blut für ihn an der Grenze vergossen haben, so will auch ich mit den Rittern, die hier an meiner Seite sind, dem König und der Republik unverbrüchlich treu dienen!“

Doch erregte in der starszyzna der Umstand Misstrauen, dass der königliche Brief nicht das polnische, sondern das schwedische Siegel trug; man glaubte, dahinter stecke Verrat und wollte den Gesandten als Bürgen behalten. Allein die Versicherung desselben, dass Alles, was der Brief enthalte, der aufrichtige Wille des Königs sei, beruhigte die Gemüter, und auch Chmielnicki trug das Seine dazu bei.

Der betreffende Brief enthielt, wie gesagt, die Antwort auf die von Mokrski überbrachten Forderungen. Der König verlangte von den Kosaken die Absendung van Gesandten zu den Verhandlungen, welche die schwebende Frage lösen sollten, versprach ihnen Wiederherstellung ihrer Freiheiten und Privilegien, gab selbst zu, dass der Aufstand aus den von den Kosaken angeführten Ursachen hervorgegangen sei, und sprach die Hoffnung aus, dass sie ihr Vergehen durch treue Dienste gegen die Feinde der Republik gut machen würden.

Auch kündigte er ihnen an, dass er ihrem Wunsche, unmittelbar unter dem Befehle des Königs und nicht der polnischen Magnaten zu stehen, nachzukommen bereit sei. Weitere Bestimmungen sollten die Kommissare, die bald eintreffen würden, mit ihnen vereinbaren.

Die religiöse Frage anlangend, so versicherte er sie einer baldigen Erledigung in dem Sinne, dass künftighin keine Beschränkung der griechischen Konfession mehr stattfinden solle. Auf dem Krönungsreichstage endlich, so verhieß das Schreiben, würden alle diese Zusicherungen bestätigt werden. Der König forderte dafür nur die Kosaken auf, sofort zu ihren Standquartieren zurückzukehren, die empörte czern zu zerstreuen und die Tataren zu entlassen, sie aber beim Rückzuge am Plündern zu verhindern. Noch an demselben Tage, wo dieses Schreiben anlangte, begann der Rückzug der Kosaken von Zamosc und am folgenden Tage verließ Tohaj Bej mit seinen Schaaren die Kosaken, so dass am 4. Tage die ganze Gegend frei war. Im Januar 1649 gingen auch die Kommissare, unter denen vor Andern der Wojewode Kisiel und der Unterkämmerer von Lemberg Miaskowski zu nennen sind, nach der Ukraine ab, und langten am 19. Februar in Pereaslaw an, wo sie von Chmielnicki empfangen wurden.

Auf offenem Markte vor versammelten Kosaken brachten sie ihre Anträge vor: Amnestie alles Geschehenen, völlige Freiheit der griechischen Kirche, Vermehrung des Registers, Restitution der früheren Rechte und Privilegien der Saporoger. Dafür forderten sie, dass die Kosaken, wie gleicher Weise das polnische und litauische Heer, in ihren Standquartieren bleiben, die zu ziehende Linie nicht überschreiten und dem Treiben der czern Einhalt tun sollten. Diese Verhandlungen stießen auf einige Schwierigkeiten, da Chmielnicki nicht nur verlangte, dass ihm Czaplinski, sein persönlicher Verfolger, ausgeliefert, sondern auch, dass dem Fürsten Wisniowiecki der Oberbefehl über das polnische Heer abgenommen werde.

Als Ultimatum stellte Chmielnicki folgende Bedingungen auf:

1) In der Ukraine wird die Union gänzlich abgeschafft und nur die griechisch- und die römisch-katholische Kirche geduldet;

2) die früheren Freiheiten und Gerechtsame der Kosaken werden erneuert;

3) der Wojewode, der Kastellan und der Starost von Kiew gehören stets der griechischen Konfession an;

4) der Metropolit von Kiew erhält im Senat unter den geistlichen Senatoren einen Sitz eingeräumt;

5) die Juden werden aus der Ukraine verwiesen. Die Jesuiten sind zwar geduldet, dürfen aber die Schulen nicht mehr in ihren Händen haben;

6) das Register wird auf 40.000 Mann erhöht.

Die Abgesandten erklärten, für solche Bedingungen keine Vollmachten zu haben und kehrten unverrichteter Sache zurück. Als die Geistlichkeit und der Adel von diesen Bedingungen in Kenntnis gesetzt wurden, wollte weder die Eine noch der Andere von einem Vergleiche hören; ja, die geistlichen Senatoren erklärten auf das Bestimmteste, sie würden auf keinen Fall mit dem griechischen Metropoliten gemeinschaftlich im Senate sitzen. Die Jesuiten, die ihren Einfluss in der Ukraine bedroht sahen, und die, da die Erziehung der polnischen Edelleute meist in ihren Händen war, vielfach bestimmend auf sie einzuwirken vermochten, machten es einem jeden Edelmanne zur Gewissenssache, ihre Zustimmung zu diesem Vertrage zu verweigern.

Am bedenklichsten aber schien dem Adel die verlangte Zahl von 40.000 Registrierten zu sein, die, unter unmittelbare Leitung des Königs gestellt, allerdings eine gefährliche Waffe in den Händen desselben gegen die Vorrechte des Adels zu Gunsten des Monarchismus werden konnte. Dazu erhitzten noch allerlei Gerüchte die aufgeregte Stimmung des Adels.

Es wurde z. B. erzählt, ein aufgefangener Kosak habe eingestanden, dass Chmielnicki, den der Adel, gleichsam, um ihn zum Bauern zu stempeln, verächtlich Chmiel nannte, weit größere Forderungen zu stellen gedenke, dass er ein Bündnis mit Russland abgeschlossen usw.

Um daher alle weitern Verhandlungen unmöglich zu machen, überfiel plötzlich der Adel mit den ihm zu Gebote stehenden Truppen trotz des Waffenstillstandes die Abteilungen der Kosaken, die bei Bar und Ostropol standen. Als Chmielnicki davon Nachricht bekam und zugleich erfuhr, dass die Polen ein neues Heer sammelten, nahm er, wohl erkennend, dass an Friede nicht zu denken sei, die czern in sein Heer auf, und rief die Tataren zu Hilfe. Dieser Schritt des Adels geschah ganz wider den Willen des Königs, der durchaus nicht auf der Seite desselben stand. Wie aufrichtig er die Zufriedenstellung der Kosaken wünschte, beweist ein huldvolles Schreiben an Chmielnicki und die Tatsache, dass er nach dem Tode des Janusz Tyszkiewicz, der 1648 starb, Kisiel zum Wojewoden von Kiew machte und dass er Czaplinski aus dem Ritterschaftsregister streichen ließ.

Das Kommando des neu gesammelten polnischen Heeres bekamen wiederum drei Befehlshaber: Andreas Firlej, Stanislaus Lanckoronski und Nikolaus Ostrorog, derselbe, der schon bei Pilawce dieselbe Stellung bekleidet hatte.

Gleich anfangs zeigte sich das Unvorteilhafte einer solchen Dreiteilung des Kommandos, deren Nachteile man aus einer Erfahrung noch nicht genug erkannt hatte.

Erst nach langem Streiten wurde man einig, ein festes Lager bei Zbaraz zu beziehen, was, obwohl die Universalen die Einberufung des Heeres auf den 22. Mai bestimmt hatten, doch erst am 30. Juni geschah. Statt 30.000 Mann, wie beschlossen, fanden sich nur 9.000 streitbare Männer mit einem Tross von 18.000 Mann ein, und dieser geringen Zahl gegenüber erschien am 10. Juli Chmielnicki vor Zbaraz mit der bedeutenden Streitmacht von 200.000 Kosaken, vereinigt mit dem Tatarenkhan, der eine Horde von nahe an 100.000 Mann anführte. *)

*) J. Pastorius gibt die Zahl der Kosaken auf 280.000 an, die der Tataren auf über 100.000. Verhältnismäßig ist diese Zahlenangabe noch bescheiden, denn die meisten Berichte über die Größe dieses Heeres sind fabelhaft übertrieben, so z. B. gibt Nathan Neta in seinem „Jawen Mezula" pag. 33 die Zahl der Kosaken auf 600.000 an. Grondski pag. 100 sagt: Cosacci et Tartari cum tantis copiis, ut nee Tamerlanem majores habuisse crederetur, subsecuti etc. Der Umstand, dass sich 100.000 nach dem Zborower Vertrage zur Einregistrierung meldeten (das Theatrum Europaeum Bd. VI. pag. 996 weist hierfür die Zahl von 140.000 auf), berechtigt zur Annahme, dass Chmielnicki ein Heer von 200.000 Mann um sich hatte. Von den Tataren sagt Le Vasseur de Beauplan: Führt der Khan selbst an, so belaufen sie sich auf 8.,000 Mann, gibt er das Kommando einem Mursen, so besteht die Armee nur aus 40bis 50.000 Mann. — Der Bericht des Pastorius, in Etwas modifiziert, ist folglich annehmbar.