Erste Fortsetzung

Das Wort Kosak bezeichnet einen jeden Leichtbewaffneten und ist tatarischen Ursprungs, wie mehrere andere Wörter (z. B. kosch, das Lager), welche sich auf verschiedene, den Tataren entlehnte Einrichtungen beziehen. Jeder Grenzbewohner, der im Kampfe gegen die Türken und Tataren auftrat, wurde ohne jegliche Beziehung auf Nationalität, Örtlichkeit etc. Kosak genannt und nannte sich schließlich selbst so.

Durch eine Art militärischer Organisation zerfielen die Kosaken in eine reguläre und irreguläre Miliz. Die erstere, die posluszny, bestand aus den abgabenfreien Grundbesitzern, ungefähr 90 Prozent der Bevölkerung jener Gegenden. Sie waren zum unentgeltlichen Kriegsdienste und zur unentgeltlichen Verwaltung der Kosakenämter verpflichtet und hießen, sofern sie von freien Kosaken geboren, selbst wieder als Kosaken dienten, molojcy oder auch Edelgeborene. Die später in die Ukraine Eingewanderten traten erst, wenn sie sich Verdienste erworben hatten, in die Rechte der Ersteren ein, wie sie denn auch gewöhnlich nicht zu den Ehrenämtern gewählt wurden. Die andere, die irreguläre Miliz, nieposluszny genannt, setzte sich aus den niedrigen Elementen (die czern), den im Kriege erbeuteten oder durch Kauf erworbenen Leibeigenen zusammen (Hörige gab es unter den Kosaken nicht) und wurde nur im äußersten Notfalle zu dem Waffendienste herangezogen.


Unsere hervorragende Aufmerksamkeit aber nimmt ein Kosaken verband in Anspruch, der, im Mittelpunkte des ganzen Kosakentums stehend, ganz besonders einflussreich und bedeutsam war: das sind die Saporoger, so genannt, weil sie die Ländereien hinter den Wasserfällen (za porohami) des Dniepr bewohnten; ein anderer Name war Nizowcer*). Sie verdanken ihren Ursprung den Kosaken der Ukraine, welche in Zeiten, der Not die Inseln des Dniepr gewissermaßen als Zufluchtsort vor den Tataren benützten, von wo aus sie dann wohl auch die von ihren Raubzügen heimkehrenden Tataren überfielen, um ihnen ihre Beute abzujagen. War die Tatarengefahr vorüber, so kehrten sie wieder zu ihrem Tagewerke zurück.

*) niz = die Niederung, also Bewohner der Niederung. Das Saporogische Land heißt auch „die wüsten Felder“, dzikie pola.

Allein, was anfangs bloß der eignen Sicherheit gegolten hatte, wurde bald einem Teile unter ihnen zum förmlichen Handwerke. Verstärkt durch Leute aus aller Herren Länder, die entweder der persönlichen Sicherheit wegen, weil mit dem Reichsbanne belegt, ihre Heimat hatten verlassen müssen, oder die nun auf abenteuerliche Weise ihr Leben fristen wollten, nachdem sie Hab und Gut verbracht hatten, unter denen aber gleichwohl die aus der Ukraine den Stamm bildeten, setzten sie sich auf den fast unzugänglichen Inseln des Dniepr und dann überhaupt auf dem linken Ufer dieses Flusses fest; die Tatarenbeute bot ihnen reichlichen Lebensunterhalt und so verwandelten sie das Verteidigungs- in ein Angriffssystem. Hätte ihnen auch das Land, das sie inne hatten, durch Ackerbau, Viehzucht, Fischerei und Jagd reichliche Nahrung geboten, so zogen sie es doch vor, durch Krieg sich ihren Unterhalt leichter zu erwerben. Bewaffnet mit Säbel, Pike, Dolch und Flinte, wie die ukrainischen Kosaken, und zu Fuß kämpfend, denn so haben wir sie uns wenigstens bis ins 17. Jahrhundert vorzustellen, lauerten sie in den Wasserdefiléen ihren Feind auf. Der Krieg wurde der Zweck ihres Verbandes, der die Form einer Demokratie annahm. Jeder hatte gleiche Rechte. Sie wohnten gemeinschaftlich und verteilten die erkämpfte Beute gleichmäßig. Die erste Bedingung zur Aufnahme in den Verband war, dem Schisma treu und während der Mitgliedschaft unbeweibt zu bleiben, Ihre Zahl ergänzte sich außer durch herbeiströmende Erwachsene noch durch geraubte Knaben und Waisen, die sie in ihren Sitten und Gebräuchen aufziehen ließen. Der Austritt aus dem Verbande stand aber Jedem zu jeder Zeit frei. Diejenigen, welche die Gesellschaft verließen und sich ansässig machten, heirateten gewöhnlich Polinnen aus den benachbarten Städten und vermehrten so die Zahl der ukrainischen Kosaken; ebenso wurden ruthenische Bauern, die eine Zeitlang den Saporogern angehört hatten, freie landsässige Kosaken, so dass auf diese Weise die Saporoger in stetem, ununterbrochenem Verkehr mit den ukrainischen Kosaken blieben, aus denen sie sich ja hauptsächlich erneuerten. Sie unterstützten daher die Pläne und Absichten derselben und dies konnten sie um so besser und kräftiger, da sie sowohl durch ihre Lebensweise die Verwegensten und Kühnsten unter der Bevölkerung waren, als auch offenbar durch die große Zahl der Edelleute, die in ihrer Mitte weilten, den vornehmen und gebildeteren Teil ausmachten. Natürlich hatten diese Edelleute gemäß dem Geiste der ganzen Verbindung nicht nur ihren Stand und ihr Wappen aufgegeben, sondern sogar den Familiennamen fallen lassen und dafür beliebige, oft wunderlich, Namen angenommen, z. B. Poltorakozucha, Krzywonos etc. Die Stellung der Saporoger zu den ukrainischen Kosaken charakterisiert Lelewel richtig, wenn er sagt: „Sie waren das Zentrum und die Triebfeder aller kosakischen Tätigkeit und der Sitz und Ausgangspunkt aller Revolten. Wenn sie auch mit den ukrainischen Kosaken stets gemeinsame Sache machten, so sind sie doch zu keiner Zeit darin aufgegangen."

Die Kosaken, ganz allgemein genommen, bildeten eine Miliz, die von größter Wichtigkeit für Polen war; denn sie waren stets kriegsbereit, ein wichtiger Umstand, zumal damals, wo es keine bedeutenden stehenden Heere gab und das allgemeine Aufgebot, das pospolite ruszenie, sich nur langsam sammeln konnte. Im Falle eines Krieges verstärkten sie das eigentliche Heer auf dem Kampfplätze und verursachten wenig Kosten, da sich jeder selbst ausrüsten musste.

Leider verstand es die Republik Polen wenig, diese Streitkräfte auszunützen, ja man war in späterer Zeit sogar eher geneigt, diese Macht zum eignen Unheil zu unterdrücken. Der polnische Adel bekämpfte lieber die eigenen Brüder, als dass er mit ihnen gemeinschaftlich die äußeren Feinde des Reichs abgehalten hätte.

Die Organisation der Kosaken war eine echt slawisch-patriarchalische. Das Oberhaupt war ein Ataman oder Hetman, d. h. Heerführer, den sie selbst wählten, wobei, wie überhaupt bei allen Wahlen, die Saporoger die Hauptstimme hatten. Ihm zur Seite stand die starszyzna, der Ältestenrat, der nur einen geringen Einfluss auf den Hetman ausübte. Nach alter Gewohnheit, ohne geschriebenes Recht, hing vom Ataman und dieser Behörde die Regierung des ganzen Volkes ab, das in Sotnien, d. h. Hundertschaften, an deren Spitze gewählte Führer standen, geteilt war. Ebenso waren in den einzelnen Gemeinden gewählte Häupter. Bei diesen Wahlen wurden besonders die ältesten Geschlechter berücksichtigt, wie denn überhaupt das Gemeinwesen dieser militärischen Demokratie einen stark patriarchalischen Anstrich hatte.

Als die Kosaken durch die Union von Lublin im Jahre 1569 in den Staatsverband der Republik aufgenommen worden waren, nahmen sie darin eine unvorteilhafte Sonderstellung ein; denn, da sie frei und landsässig waren, konnten sie nicht als Bauern gelten; andrerseits aber auch nicht als Edelleute, da sie nicht an der Leitung der Republik Teil nahmen, ein Vorrecht, welches nur dem landsässigen Adel der Krone Polens und Litauens zukam. Als Freie und Gleichgestellte waren sie einverleibt worden, aber zu vollen Staatsbürgern wurden sie nicht. Man gab ihnen nicht Sitz und Stimme im Reichstage, weil sie keine Abgaben zahlten, und doch bedachte man dabei nicht, dass sie der Republik größere Dienste leisteten, als gerade die, welche im Abgabezahlen bestanden.

Als erster Ataman der Kosaken erscheint um das Jahr 1500 unter Sigismund I. Przeclaw Lanckoronski. Er war nicht von der Krone Polen geschickt worden; auch scheint es mehr als wenn er sich eigenmächtig zum Hetmann der Ukraine aufgeworfen hätte, als dass er durch Wahl zu dieser Würde gelangt wäre. Er war es, der die Einteilung der Kosaken in Regimenter und Sotnien vornahm. Woher er freilich diese Machtbefugnis ableitete, lässt sich schwer bestimmen, nur so viel ist anzunehmen, dass er die Kosaken in Sold nahm, um an ihrer Spitze Krieg zu führen. Übrigens war seine Gewalt anfangs unumschränkt und seine Einrichtungen gingen traditionell auf die spätere Zeit über, durch das Recht der Gewohnheit sanktioniert. Speziell die Saporoger anlangend, so war es zuerst Ostafiej Daszkowicz, der ihnen Bedeutung dadurch gab, dass er sie 1509 als Freicorps im Kriege gegen die Tataren unter dem Kronhetman Constantin von Ostrog benutzte, sie disziplinierte, in Abteilungen teilte, denen von den Kosaken gewählte Offiziere vorstanden, und ihnen die Insel Chortica zum Waffenplatz bestimmte.

Starowolski nennt ihn in seiner Schrift: Sarmatiae bellatores, gradezu den Urheber der Saporoger, wie er denn auch ihr erster Lagerhauptmann (Ataman koszowy) war.

Unter Sigismund I. leistete diese Schaar der Republik Polen große Dienste durch ihre geregelten Streifzüge gegen die Tataren. Sigismund übergab ihnen zum Dank dafür das Land an den Porogen zur völligen Besitznahme.

Der König Stephan Batory, der gegen Ende seines Lebens mit dem Plane eines Krieges gegen die Türken umging, erkannte mehr als jeder Andere die Wichtigkeit der Kosaken. Er schuf ihnen eine neue Organisation, indem er 6.000 Kosaken einregistrierte , d. h. auf Sold stellte, welcher, wie der der Quartani, aus dem vierten Teile der Einkünfte der königlichen Tischgüter herfloss. Er machte ihnen ferner Geschenke an Ländereien und bestimmte, dass auch ruthenische Bauern und solche von den königlichen Gütern einregistriert werden dürften und dass sie nach abgelaufener Dienstzeit frei auf die Scholle zurückkehren sollten.

Dies und das erwähnte Freiwerden durch den Aufenthalt unter den Saporogern machen es erklärlich, dass schon 1620 und 21 die Zahl der Kosaken auf 30.000 angewachsen war, eine Zahl, die sich leicht bis auf 50.000 bringen ließ. Stephan Batory bestimmte die Stadt Trechtimirow zum Sitz des Kosakenhetmans, den die Krone nach geschehener Wahl nur zu bestätigen hatte und ordnete ihm einen zweiten Hetman, den Hetman nakazny, dessen Sitz die Stadt Czerkasy wurde, unter*). Er stellte die registrierten Kosaken unter die Gerichtsbarkeit dieser Hetmans und der Regimentsbefehlshaber, die das Land bebauenden aber unter das Tribunal von Czerkasy, während, wie bekannt, die Bewohner der Städte im polnischen Reiche nach dem Magdeburgischen Rechte gerichtet wurden. Wenn es so einerseits nicht geleugnet werden kann, dass Stephan Batory sich Verdienste um die Kosaken erworben hat, so wird er doch, wie später Ladislaus IV., andrerseits beschuldigt, diese Reorganisation der Kosaken, diese Legalisierung ihrer Existenz zur Ausführung dynastischer Zwecke vorgenommen zu haben. Sei dem, wie ihm wolle, so muss doch jeder Vorurteilsfreie zugeben, dass die Deckung der gefährdeten Grenzlinie und die wenn auch vorläufig nur in militärischer Hinsicht angestrebte Gleichstellung der Ukraine mit den andern Provinzen seine erste Absicht hierbei war. Den Saporogern ließ er ihre Einrichtungen und erweiterte nur die Schenkungen Sigismunds I. Mit dem Tode dieses Königs sollte sich freilich Vieles in der Lage der Kosaken ändern.

*) Der Hetman nakazny entspricht dem Hetman polny der Krone und Litauens.

Unter seinem Nachfolger nämlich, unter Sigismund III., der 1587 auf den Thron kam, war der Adel bemüht, die Macht der Kosaken zu brechen, die unabhängige Stellung 9 die sie sich erworben hatten, in eine abhängige zu verwandeln, aus Rittern Bauern zu machen. Der Adel, der ins Wohlleben versunken, die Aufgabe Polens, eine Vormauer gegen die Ungläubigen zu sein, über seinen agrarischen Beschäftigungen ganz vergaß, der um jeden Preis den von den Türken mühselig erkauften Frieden bewahren wollte, fürchtete, die Einfälle der Kosaken in das türkische Gebiet möchten die Pforte reizen und zu einem Kriege gegen Polen veranlassen. Um nun nicht in diese Verlegenheit zu geraten, fasste man den Beschluss, die Tatenlust der Kosaken und vor allem die der Saporoger, die ja ihrer Bestimmung gemäß fortwährend gegen die Türken unter Waffen standen, zu dämpfen. Man zog es vor, die eignen Brüder zu befehden, ihnen die Waffen aus der Hand zu winden und sie zu friedlicher Beschäftigung zu zwingen.

Als Sigismund III., der die Stellung und die Bedeutung der Kosaken vernichten wollte, damit begann, dass er das Amt des ukrainischen Hetmans im Jahre 1590 aufhob, die Kosaken unter den Kronhetman stellte und ihnen zu gleicher Zeit das Recht nahm, die starszyzna, die er fortan selbst einsetzte, zu wählen, entriss ihnen der Adel, hierdurch ermutigt, das Land, auf dem sie bis dahin frei gesessen hatten und teilte es den Starosteien und Privatbesitzungen zu. Sie selbst wurden zu zinspflichtigen Bauern ohne persönliche Freiheit gemacht; nur die registrierten Kosaken waren, so lange sie dienten, von Leibeigendiensten frei, mussten aber ihren Herrn Zins von ihrem Erwerbe zahlen; auch sollten ihre Söhne, falls sie nicht selber dienten, gleicherweise Leibeigne sein. Die Saporoger wurden für Vaterlandsverräter erklärt und das Ausziehen des polnischen Adels auf den niz mit Infamie belegt.

An Stelle der Hetmans der Kosaken wurden zwei Kommissare als höchste königliche Beamte eingesetzt, ohne deren Erlaubnis Niemand nach den Porogen gehen durfte. Die Siez wurde zum Standquartier eines Regimentes einregistrierter Kosaken.

Gegen solche Maßregeln sträubte sich die Natur der Kosaken und es kam zu einer Reihe von Revolten. Diese Kämpfe dauerten von 1592 bis 1638 und endigten schließlich mit der gänzlichen Niederlage der Kosaken und der Einziehung der Gerechtsame, welche die Könige Sigismund I. und Stephan Batory ihnen verliehen hatten. Hiermit tritt nun ein Umschwung der Dinge ein. Die Kosaken, welche bisher der Republik Polen treu gedient hatten, die gegen alle Feinde derselben stets zahlreich ausgezogen waren und zu den von der Republik erfochtenen Siegen wesentlich beigetragen hatten, eben dieselben werden forthin die Plage und das Unglück des eignen Vaterlandes; dieselben tapferen Streiter, die unter ihrem Ataman Konasewicz am glorreichen Tage von Chocim Wunder der Tapferkeit verrichteten, sie sind von nun an viel geneigter mit dem Feinde des Vaterlands zu ziehen, als gegen ihn.