Die drei schönsten Planeten – Neues und Altes von unseren Schwestersternen

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1929
Autor: Max Valier, Erscheinungsjahr: 1929

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Planeten, Sterne, Jupiter, Erde, Mond, Mars, Venus, Himmelskunde, Fernrohr, Weltraumschiff, Fixsterne,
Unter dem glitzernden Heer der Sterne haben von jeher die Planeten eine besondere Anziehungskraft auf die Menschen ausgeübt. Schon die Höhlenbewohner der grauen Vorzeit mögen bemerkt haben, dass diese vereinzelten, auffallend hellen Gestirne sich unter der Schar der heute so benannten Fixsterne bewegen. Es bedurfte gewiss auch noch keiner allzu großen Aufmerksamkeit, um zu erkennen, dass die einzelnen Wandelsterne dabei eine ganz verschiedene Zeit brauchen, um nach Vollendung eines ganzen Umlaufes unter den Sternbildern des „Tierkreises“ wieder an dieselbe Stelle des Firmaments zu gelangen; ebenso konnte es den fleißigeren Beobachtern auf die Dauer nicht entgehen, dass die Wandelsterne in einem Teil ihrer Bahn in S-förmigen Kurven oder sogar Schleifen zeitweise rückläufig werden, das heißt, sich entgegen ihrer normalen Laufrichtung bewegen.

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Der Riesenplanet Jupiter im Fernrohr, begleitet von seinen vier größten Monden. Links oben die Erde zum Größenvergleich.

Weit schwieriger als die Beobachtung dieses Verhaltens der Planetsterne war aber die Aufklärung der Ursache ihrer eigenartigen Bewegung. Jahrtausende hat die Menschheit gebraucht, um endlich die Lösung zu finden. Das ganze geschichtliche Altertum, Mittelalter und noch die beginnende Neuzeit waren von dieser Aufgabe als der damals vornehmsten der „Astronomie“ oder Himmelskunde erfüllt. Erst Nikolaus von Oresme, Bischof von Lisieux, und Nikolaus Kopernikus erfassten den richtigen Grundgedanken von der Sonne als Zentralgestirn und den um sie laufenden Planeten, erst Johannes Kepler und Isaak Newton fanden die Gesetze der Planetenbewegung selbst und deckten als deren Ursache die Schwerkraft der Sonne auf. Damit war die Grundlage der „klassischen Himmelsmechanik“ gelegt, die Nachfolger brauchten nur weiterzubauen. So kommt es, dass heute die Planetenbahnen die Sternforscher nur mehr in den feinsten Auswirkungen der gegenseitigen Schwereeinwirkungen der Planeten untereinander beschäftigen. Im Großen und Ganzen aber ist die Bahnbestimmung der Wandelsterne eine längst gelöste Frage.

Anders dagegen steht es mit der Erforschung der Natur und Wesenheit dieser Schwesterwelten unserer Erde, welche Aufgabe dem neuesten Zweig der Himmelskunde, der „Astrophysik“, zugehört.

Hier hat die Erfindung des Fernrohrs mit seinen mehrtausendfachen Vergrößerungen allein noch lange keine volle Klarheit zu schaffen vermocht. Deshalb ist jede neue Gelegenheit, die großen Planeten unter günstigen Bedingungen zu beobachten, der Wissenschaft ebenso wichtig wie dem Laien willkommen, und so werden alle irgendwie bedeutsamen Annäherungen und Stellungen der Planeten am Himmel stets fleißig benutzt, um wenn möglich etwas tiefer in ihre Geheimnisse einzudringen. Deshalb mag es nicht unangebracht sein, auf die gegenwärtig äußerst günstige Sichtbarkeit der drei großen Planeten Venus, Jupiter und Mars hinzuweisen, die in den letzten Märzwochen überaus bequem in den Abendstunden selbdritt [= zu dritt] am Himmel thronen und das Interesse des Himmelsfreundes von selbst herausfordern.

Als erster Stern des Himmels erscheint schon bald nach Sonnenuntergang, mäßig steil, nicht weit rechts von Süd, Venus als glanzvollster Stern des ganzen Himmels, alsbald gefolgt von dem nahe links unterhalb auftauchenden Jupiter, dessen Licht bis zum Eintritt der völligen Nachtdunkelheit ebenfalls machtvoll anschwillt. Beide Planeten stehen im Tierkreisbilde des Widders, das durch sie ein ganz verändertes Gepräge erhält, denn neben diesen hellstrahlenden Wandelsternen müssen die schwachen Fixsternchen des Widdertopfes verblassen. Mars endlich, der Dritte im Bunde, bewegt sich im höchsten Bogen der Sonnenbahn, im Tierkreisbilde der Zwillinge, vom Stier herüberkommend oberhalb der Sterne Eta und My, auf Epsilon der Zwillinge zu, welche Sterne in der Figur Kastors am Himmel den linken Fuß des genannten Zwillings darstellen. Mars ist, wenn auch an Glanz nicht annähernd mit Venus und Jupiter zu vergleichen, doch immer noch den hellsten Fixsternen ebenbürtig und an seiner feuerroten Farbe sofort zu erkennen.

Manchem ist wohl noch aus dem Schulunterricht her bekannt, dass Venus, als unsere innere Nachbarin im Sonnenstaate, dem Tagesgestirn näher kreist als unsere Erde, denn ihr Sonnenabstand beträgt nur 108 gegen 149 1/2 Millionen Kilometer, die Umlaufzeit nur 225 gegen 364 1/4 Erdentage. Mars dagegen ist 1,52mal, Jupiter sogar 5,20mal weiter entfernt als unser Heimatstern, die Umlaufzeiten betragen dementsprechend 687 beziehungsweise 4333 Erdentage oder 1,88 beziehungsweise 11,86 irdische Jahre. Ebenso wie diese Ziffern seit Newtons Zeiten schon ziemlich genau bekannt waren, sind auch die Masseninhalte der Planeten schon von ihm ausgerechnet und so befunden worden, wie sie heute noch in jedem astronomischen Lehrbuch nachgelesen werden können. Danach wiegt der Planet Venus 0,82, Mars 0,11, der Himmelsriese Jupiter aber 318,36mal so viel als der Erdenball.

Dagegen geraten wir sofort auf ein Gebiet, wo neueste Forschungen eingewirkt haben, wenn wir nach den wahren Durchmessern und Rotationszeiten der Wandelsterne fragen. Nach einer erst kürzlich erschienenen Bearbeitung von W. Rabe misst Venus mit 12.620 Kilometer nicht viel weniger als unsere Erde mit 12.756 Kilometer, eine Abplattung an den Venuspolen wurde nicht gefunden, während bei unserer Erde die Pole um je 21 Kilometer eingezogen sind, so dass der Polardurchmesser um 42 Kilometer kürzer ist als der Aquatordurchmesser. Für Mars gibt Rabe erstmalig einen zuverlässigen Abplattungswert an, indem er für den Poldurchmesser 6820, für den Aquatordurchmesser aber 6860 Kilometer anführt. Bei Jupiter ist die Eiform der Scheibe des Planeten schon in jedem kleinen Fernrohr deutlich, ungefähr also bereits seit Galilei bekannt. Nach Rabes Tabelle gelten hier die Ungeheuern Durchmesserwerte 134.800 Kilometer polar und 143.600 Kilometer äquatorial, woraus folgt, dass der stark abgeplattete Riesenball Jupiters den Rauminhalt unserer Erde rund 1350mal übertrifft.

Die Möglichkeit, die Umdrehungsdauer eines Planeten zu bestimmen, hängt wesentlich davon ab, ob man auf seiner Oberfläche deutlich umrissene Flecke zu erkennen vermag, die wirklich seinem festen Boden angehören, wie etwa die Kontinente und Inseln auf unserer Erde. In diesem Sinne hat von den drei betrachteten Planeten nur Mars den Beobachtern die Gelegenheit zur genauen Bestimmung geboten. Seine Achsendrehzeit ist daher äußerst genau, auf eine Hundertstel Sekunde, bekannt und beträgt 24 Stunden 37 Minuten 22,6 Sekunden. Bei Jupiter dagegen zeigt sich bald, dass verschiedene Zonen auf seiner Scheibe unterschiedliche Umdrehungszeiten haben, die zwischen 9 Stunden 48 Minuten und 9 Stunden 56 Minuten schwanken. Alle die deutlichen Flecke und Streifen auf seiner Oberfläche können daher unmöglich einer festen Oberflächenkruste angehören. Noch viel schlimmer steht es um die Ermittlung der Rotationszeit der Venus. Denn diese hüllt sich erst recht in undurchdringliche Wolkenschleier, die nicht einmal unter sich helle und dunkle Flecken aufweisen sondern zumeist grau in grau geschlossen den wahren Planetenboden verhüllen und kaum unsichere Reflexe oder schüttere Stellen zum Durchblick erahnen lassen. Man glaubt in Fachkreisen heute auf Grund gewisser Messungen auf eine etwa 30tägige Venusrotation schließen zu sollen, aber etwas Gewisses weiß man nicht. Diese Unsicherheit ist gerade bei Venus so betrüblich, weil infolge der Sonnennähe von der tatsächlichen Umdrehungszeit und Achsenlage die klimatischen Verhältnisse auf diesem Wandelstern entscheidend beeinflusst werden müssen und ein ganz anderes Bild von den Zuständen auf der Oberfläche ergeben, je nachdem Venus sich erst in Monaten oder schon in wenigen Stunden einmal um ihre Achse dreht. Tag und Nacht und die Jahreszeiten hängen ja auch bei unserer Erde von der Rotation und Achsenlage ab.

Hält man sich die zuletzt geschilderten Schwierigkeiten der astronomischen Beobachtung und Messung vor Augen, dann versteht man wohl, warum die Sternforscher der Frage nach der Bewohnbarkeit der Wandelsterne zumeist scheu aus dem Wege gehen. Sie möchten ja gewiss gern Antwort geben, wenn sie es könnten, aber sie wagen es beim derzeitigen Stande der Forschung nicht zu verantworten.

Wohl ist es in den letzten Jahren gelungen — was früher niemand für möglich gehalten hätte —, die Oberflächentemperaturen der Planeten zu bestimmen. Dabei ergab sich für Jupiter eine mittlere Jahrestemperatur von — 130 Grad Celsius unter Null, für Mars eine solche von — 15 Grad Celsius unter Null und für Venus von + 60 Grad Celsius über Null, während unsere Erde in diese Reihe mit + 15 Grad Celsius einzufügen wäre. Daraus folgt für Jupiter eine uns unfassbare eisige Todesstarre und auch für Mars ein mittleres Klima, wie wir es auf hochgelegenen Gebirgsländern im Winter haben und in diesem Januar und Februar auch in ganz Deutschland als bittere Winterkälte zu verkosten Gelegenheit hatten. Für Venus allerdings ergibt sich eine Treibhausatmosphäre, mit der verglichen es sogar im Kesselraum eines Dampfschiffs noch angenehm kühl zu nennen wäre— wenn dieses Messungsergebnis richtig ist!? Gerade bei Venus, wo die Messungen bestimmt nicht die Strahlungen der wahren Oberfläche zu erfassen vermögen, sind Zweifel an der Gültigkeit der Bestimmungen sehr berechtigt, während man für Mars den Temperaturmessungen eine große Sicherheit zutrauen darf, da ja seine Oberfläche mit ihren Hellen ziegelroten und blassen gelbgrünen, bräunlichen und grauen Gebilden, den sogenannten Ländern und Meeren, Seen und Kanälen, offen zutage liegt. Nichtsdestoweniger ist aber die wahre Natur dieser Gebilde, die seit Jahrzehnten mit irdischen Vergleichsnamen belegt wurden, noch völlig unbekannt.

So ist, allen Forschungen zum Trotz, die eigentliche Wesenheit unserer Nachbarsterne rätselhaft geblieben bis auf den letzten Tag und wird es wohl auch so lange bleiben, bis es dem Menschen einmal gelingt, im Weltraumschiff persönlich zu unseren Himmelsnachbarn hinüberzufahren. Dann freilich werden ihre Wunder sich eröffnen und ihre Geheimnisse fallen müssen. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg. So müssen wir uns vorläufig damit begnügen, uns an dem herrlichen Glanze der Planeten am Himmel zu erfreuen und in ihrem Studium Anregung und geistige Befriedigung zu finden. Schon ein starker Feldstecher reicht hin, um in diesen Wochen jetzt die drei genannten Planeten Jupiter, Venus und Mars als kleine Scheibchen unter den Fixsternen, Venus sogar als rasch wachsende, schlanker werdende Sichel zu erkennen. Wer über ein gutes Fernrohr verfügt, der wird wenigstens bei Jupiter auch die Hauptstreifen auf der Oberfläche festzustellen vermögen und das reizvolle Spiel der vier großen Jupitermonde belauschen dürfen, die in verschiedenen Umlaufzeiten um ihren Beherrscher schwärmen.

12. Februar 1929 15. März 1929 10. April 1929
Die Lichtgestalten der Venus, im Frühjahr 1929 im astronomis

Die drei schönsten Planeten

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Die Lichtgestalten der Venus

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Mond 10 Weltraumschiff, vom Monde aus zur Erde zurückkehrend

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