Die vier Gefährten

Eine Viertelstunde waren die Drei mühselig durch das Dickicht gedrungen; jeder Schritt musste dem schlüpfrigen Boden und dem dornigen Gesträuch abgerungen werden; jetzt standen sie am Fuße eines Hügels; aber der Indianer wandte sich um denselben herum in die Rinne eines kleinen Baches. Einige fünfzig Schritte watete er in derselben weiter; dann blieb er stehen, und fein „Hug!“ gab seinen Gefährten zu erkennen, dass sie an Ort und Stelle seien. Mit seinem Tomahawk hatte er bald einige Sträucher weggeräumt, und nun zeigte sich ihnen der bequeme Eingang zu einer geräumigen Höhle. Nachdem sie eingetreten, hatte der Indianer bald Feuer angezündet, einige Holzstücke aus dem Walde geholt, und bei dem Scheine der Flamme konnten sie ihre neue Herberge leicht überschauen. Es war eine hohe, trockne Höhle, die schon früher zu gleichem Zwecke benutzt worden sein musste. Denn außerdem dass sich noch einige Überreste von Asche und Kohlen, ja von Knochen, den Zeugen früherer, hier gehaltener Mahlzeiten, vorfanden, sah man, dass in der Höhle der Natur durch Menschenhände nachgeholfen worden, so dass sie geräumiger geworden. Die drei Pilger machten es sich bequem. Der Krämer holte aus seinem Bündel einige Matten, die er für sich und seine Gefährten ausbreitete. Auch zeigte es sich, dass er außer seinem Bündel auch noch einen Quersack mit sich führe, der einige Speisevorräte und eine Flasche guten Jamaikarums enthielt; gastfreundlich teilte er mit von dem, was er hatte, seine Genossen langten zu, die Flasche kreiste, und – man befand sich bald ganz behaglich.

Es war noch zu früh am Tage, um schon der Ruhe zu pflegen, und die drei Männer, die sich hier seit kaum einer Stunde zusammengefunden und sich so bereitwillig beigestanden, fühlten in sich das Verlangen – näher zu erfahren, wer die Teilnehmer ihres Schicksals und dieser stürmischen, nächtlichen Stunde seien. Der Indianer und Europäer fanden sich zu fern; aber unser Krämer war ein bequemes Mittelglied zwischen ihnen, der von beiden Naturen genügende Kenntnis hatte. Er wandte sich zu dem Indianer, und sprach: „Ich habe wohl richtig gesehen, als ich in meinem Bruder bei dem Lichte des brennenden Baums einen Häuptling des edlen Stammes der Chippewaier erkannte?“ – „Mein Bruder hat richtig gesehen. . .“ war die Antwort. „Und darf ich fragen, wer Sie sind, mein Herr? Gott hat uns auf so eigentümliche Weise hier zusammengeführt, als dass wir versäumen sollten, uns näher kennen zu lernen.“ – „Ich, mein Herr, bin – ein Pole, der seit mehren Monaten Europa verlassen, weil er daselbst kein Vaterland mehr zu finden. . . . Und Sie?“ – „Auch ich bin in Europa geboren, aber wandere schon seit fünfzehn Jahren durch die Wälder Amerikas. Ich stamme aus Deutschland, bin ein Baier, und noch mehr, ich bin ein Jude – und, wie Sie sehen, ein hausierender Krämer. . . .“


Die Drei schwiegen; der Indianer, denn er hatte Nichts davon verstanden, und das Fragen ist nicht Sache jener wilden Naturkinder; die beiden Anderen, denn sie fühlten sich von einer seltsamen Wehmut ergriffen, da sie nun wussten, wessen Stammes sie wären.

Der Krämer begann: „Der Sturm ist noch zu stark, als dass er uns schon zu schlafen gestatte. Erzählen wir uns, was uns hier zusammengeführt. Das Herz des Menschen wird leichter, wenn es sich seines Gefühls durch das Wort entledigt hat. . . .“ – „Hug!“ antwortete der Indianer. – „Es sei!“ erwiderte der Pole. (Fortsetzung folgt.)
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die drei Nationen.