Der Indianer

Himmel und Erde schienen in Flammen zu stehen. Durch die Risse und Spalten der Blockhütte fuhr der schwefelgelbe Schein immerwährend herein, und erhellte den vom Feuer nur spärlich durchleuchteten Raum. Bei dem schweren Hall des Donners erzitterten und ächzten die Balken und Sparren, die längst nicht mehr genau in einander passten. Der Indianer rührte sich nicht, der Europäer aß sorglos weiter, der Krämer hatte eine triefende Jacke ausgezogen, und hielt sie gegen das Feuer gebreitet. Was fürchtet, der, welcher schon Vieles ertragen? Er ist an Schrecken gewöhnt, und denkt mitten während derselben an die nächsten Bedürfnisse, wenn jene vorübergegangen sein werden.

Plötzlich erdröhnte die Erde von einem furchtbaren Schlage; es war, als wenn der Boden in die Höhe hüpfe; das Haus wankte, als ob es im nächsten Augenblicke zusammenfallen würde. Sogleich nach dem Schlage ein furchtbares Zischen, das die Luft eisenscharf durchschnitt; ein Dröhnen, das wie mit unsichtbarer Geisterhand die Männer ergriff und auf den Boden warf, und die brennenden Holzscheite der Flamme auseinanderschleuderte. Die Hütte war innen und außen plötzlich mit dem helfen, schwefelgelben Lichte umgeben. Dann ein Aufknistern, als ob eine ungeheure Lohe funkensprühend gen Himmel fahre. Unser Krämer erholte sich schnell, sprang auf und eilte zur Hütte hinaus, denn er glaubte sie vom Blitze getroffen. Dennoch fand er den Indianer mit Flinte und Beil in den Händen schon draußen; bald gesellte sich auch der Europäer zu ihnen. Der Strahl war an der Hütte vorübergegangen; aber er hatte in einen der nächsten Bäume des Waldes geschlagen, der in vollen Flammen stand, dass die Säule schlängelnd zur nachtdunkeln Höhe stieg. Dem Indianer entschlüpfte bei diesem Anblick nur ein halblautes „Hug!“ Der Europäer schien sich des Anblicks sogar zu freuen, denn er war majestätisch schön. Aber der Hausierer rief: „Um Gotteswillen! unsere Hütte, unsere Zuflucht in dieser Schreckensnacht, ist in Gefahr; der Baum wird bald in seinem Stamm verbrannt sein, und dann auf das Dach der Hütte niederstürzen! . . .“ sein „Hug!“ und nickte mit dem Kopf. Der Europäer begriff die Worte des Krämers, und rief: „Was ist zu tun? . . .“


Jetzt erhob sich der Sturm von Neuem; das Gewitter war vorüber. Er wühlte in den brennenden Baum, und trieb große Garben von Funken im Wirbel umher, dass sie bald tief in den Wald fuhren und ein dichtes Dunkel wie mit Sternenheeren durchleuchteten, bald gegen die Hütte zogen und sich auf die Bretter als auf willkommene Nahrung niederließen. Ein kurzer Regenschauer, der die Flamme nicht dämpfte, sondern nur zischen und knistern ließ. Dann wieder heulender Sturm.

„Was ist zu tun? . . .“ rief der Europäer aus. „Nichts können wir tun!“ lautete die Antwort. „Vermöchten wir Etwas, so würden Sie den Indianer schon dabei sehen. Wir haben höchstens Gott zu bitten, dass der Wald sich nicht entzünden möge, denn sonst könnte uns bei der Wut des Sturmes leicht jeder Ausgang von den Flammen versperrt werden. Wie es nun steht, wäre es sogar das Beste, der Baum falle auf die Hütte, statt in den Wald, in die Umarmung seiner Brüder hinein, denen er den Tod brächte. . . .“ Der Indianer ließ zum dritten Male sein „Hug!“ hören, als ob er sage: „Mein Bruder hat Verstand.“ – „Aber wo dann hin in dieser Nacht?“ sprach der Europäer. „Bei diesem Sturm, den öfteren Regengüssen keinen trocknen Flecken Erde, kein Dach, kein Feuer. . . .“ Aber sein Wehklagen hatte keine Zuhörer mehr. Der Krämer und Indianer waren eiligst in das Blockhaus gegangen, und bald trat der Erstere mit seinem großen Bündel am Nacken, der Andere mit seiner Jagdtasche wieder heraus. Der Baum stand jetzt im vollsten Flammenbrand und in Kurzem musste es sich entscheiden, wohin er seine glühende Krone legen werde. . . . Jetzt mitten durch das Knistern ein Stöhnen, ein Brechen und Krachen; der Baum senkte sich allmählich, langsam, dann schnell und unaufhaltsam, eine Funkenwolke umhüllte feinen Sturz . . . als diese sich verzogen, fand auch das Haus in vollen Flammen, in welches der Baum, nachdem er das morsche Dach eingeschlagen, tief hineingesunken.

Die drei Menschen hatten sich vom brennenden Hause zurückgezogen. Durch den Wald hatte sich wieder volles Dunkel gebreitet; die Flamme der Blockhütte beleuchtete nur den Kranz von Bäumen, der es an einer Nordseite umgab. Der Abend war vollends hereingebrochen. Wie gesagt, Sturm, Macht und das brennende Haus waren die drei Genossen des Indianers, des Europäers und des Krämers.

„Was nun beginnen?“ frug der Europäer. „Ich bin noch zu wenig vertraut mit diesen Wäldern, um einen Rat zu wissen.“ – „Wir werden hier kampieren müssen, bis der Tag angebrochen und der Sturm sich gelegt.“ – „Hier, auf dem morastigen Boden, wo kaum eine Flamme brennen wird?“ – „Ich weiß nichts Anderes,“ erwiderte der Krämer, und wandte sich zum schweigsamen Indianer. „Meine Brüder mögen mir folgen; ich will meine weißen Brüder führen.“– „Weiß denn mein roter Bruder hier Bescheid?“ erwiderte der Hausierer. – „Diese Wälder waren einst die Jagdgründe meines Stammes, bevor die weißen Brüder ihn nach dem fernen Westen gewiesen. In den Erzählungen unserer Greife kommt dieser Grund oft vor, denn hier haben meine Väter viele Schlachten geschlagen. Jeder Hügel war ein Zeuge ihrer Taten. Auch war ich schon zweimal hier, um die Gräber der Ahnen zu besuchen, und ihnen ein Opfer zu bringen. Meine Brüder mögen folgen.“ Und er wandte sich dem Walde zu. Schon war der Hausierer im Begriff, ihm nachzugehen, als der Europäer ihn am Arm ergriff, und ihm zuflüsterte: „Dürfen wir dem Indianer trauen? wohin will er uns bringen?“ – „Zu irgend einer natürlichen Zufluchtsstätte. Folgen wir ihm dreist. Er ist, wie ich es bei der Flamme gesehen, von dem Stamme der Chippewaier, und dieser bedient sich nur der List, wenn er die Art des Krieges ausgegraben hat. Wir sind ja auch zu zweien, und es bleibt uns wirklich nichts weiter übrig, wollen wir nicht hier umkommen.“ Der Indianer hatte schon den Rand des Waldes erreicht, und drohte schnell verschwunden zu sein. Eiligst folgte ihm daher der Krämer, und dazu entschloss sich auch der Europäer. Zum Glück zögerte der Indianer noch eine kurze Zeit, wie um sich noch einmal zu orientieren, und so erreichten sie ihn wieder, bevor er sich in die Schatten des Waldes verloren.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die drei Nationen.