Die drei Nationen.

Aus: Allgemeine Zeitung des Judentums, 12. Jahrgang, 03. Januar 1848
Autor: Redaktion, Erscheinungsjahr: 1848

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Enthaltene Themen: Auswanderung, Auswanderer, Amerika, Polen, Juden, Deutsche, Indianer, Nationen
Der Sturm jagte die Wolken am dunkeln Himmel mit furchtbarer Eile. Er ließ ihnen selten Zeit, ihren feuchten Inhalt auf die Erde zu finden, und wenn dies einer Wolke gelang, so geschah es nur in plötzlichem Gusse, der in schiefem Zuge die schweren Tropfen tief in den Boden schlug. Bald war sie vorüber, und dann beugte der Sturm wieder ungestört die Riesenstämme des Urwaldes; dort knickte er Gipfel ab, die schon viele Jahrhunderte stolz über den Nachwuchs hinweggeschaut, dort kehrte er eine Wurzel aus ihrem irdischen Hause zum Himmel empor. Der Boden war schon längst fast zu Morast verwandelt, und das Dunkel des Waldes ließ kaum einige Schritte vor sich sehen. Vor dem Heulen und Krachen war alles Lebende in irgend Zufluchtsörter geflohen, und seine Rolle, die Luft mit Tönen zu erfüllen, die das voll pulsierende Leben der Natur kund tun, hatte das fast Lautlose und Stillschweigende übernommen.

Dennoch arbeitete sich ein Mensch auf kaum angedeutetem Fußpfade durch den amerikanischen Wald. Wenn die Natur mit all' ihren Schrecken auf ist, flieht dennoch der Mensch nicht vor ihr, sondern drängt sich mühsam und seufzend, seiner schweren Aufgabe bewusst, durch sie hindurch.

Eine sonderbare Gestalt . . . Hatte er noch nicht genug an sich zu schleppen, wo bald eine ungeheure Lache ihm bis an die Knie das Wasser trieb, wo bald ein angeschwollener Bach ihn fortzuschwemmen drohte, und selbst wenn er wieder festen Boden unter sich hatte, er bald dahin, bald dorthin glitschte, bald mit dem Kopf gegen einen Ast, bald mit dem Fuß gegen eine ungeheure Wurzel stieß, bald mit dem Kleide an den Dornen dichten Strauchwerks hängen blieb, hatte er, sage ich, da noch nicht genug an sich zu schleppen, dass er noch ein ungeheures Bündel auf dem Rücken und Nacken trug, im Gürtel ein Paar Pistolen, in der Hand einen eisenbeschlagenen Knotenstock? Seine Füßen staken in ungeheuren büffelledernen Stiefeln, die weit über die Lenden reichten, kurze lederne Beinkleider, eine lange tuchene Jacke, die über die Hüften hinunterging, ein runder Hut mit breiten, herabschlagenden Krempen, mit Wachstuch überzogen – vollendeten feinen Aufzug. Wir erkennen in ihm einen wandernden Krämer, der weit nach Westen von Niederlassung zu Niederlassung, von Blockhütte zu Blockhütte das Tausend feiner kleinen und großen Dinge trägt, um, überall willkommen, die kleineren Bedürfnisse der Ansiedler zu befriedigen, oder ihnen. Solche wieder zu schaffen, nachdem sie sie lange Zeit in ihren entfernten Waldfilzen vergessen oder aufgegeben hatten.

So unwegsam der Wald war, namentlich in diesem schrecklichem Wetter, so schien der Krämer doch mit ihm bekannt; denn wenn er von Zeit zu Zeit den Kopf unter seiner Last erhoben, und mit der freien Hand seinen Hut hinaufgeschoben, wobei er den Knotenstock unter den Packen als Stütze brachte – so setzte er nach kurzer Umschau seine Wanderung, oder besser sein Vorwärtsdringen mit Sicherheit fort, sei es dass er die Anzeichen des Pfades erkannt, sei es dass er aus anderen Kennzeichen, welche eine längere Erfahrung ihm gelehrt hatte, die Weltgegend, der er zusteuerte, geschlossen habe.

Doch es ist uns nicht darum zu tun, eine mühselige Pilgerschaft zu beschreiben, und das Mitgefühl für den armen Wanderer zu wecken. Es ist just nicht immer das Schreckhafte des Wetters, das Mühselige der Elemente, welches dem Menschen die größte Qual schafft – – ich habe Fälle gesehen, wo Menschen in trocknen, warmen, hellerleuchteten Zimmern, auf weichem Pfühle unsäglichere Schmerzen litten. . . . . Aber der Sturm machte es unserm Krämer doch sehr bitter, seinem Ziele sich zu nähern, und die sich immer wiederholenden Schwierigkeiten erschöpften alle seine Kräfte. „Fürwahr, ich kann kaum weiter“, sprach er, als er wieder einen Augenblick anhielt, zu sich selbst, „aber es ist unmöglich, hier zu bleiben, ich käme um, wenn die Nacht mich hier träfe, wo ich keinen trocknen Zoll unter und auf dem Leibe habe . . . doch das tröstet mich, dass ich recht bin und sehr nahe schon . . . drum weiter, ob ich es schon so arg noch nicht erlebt habe . . . doch trügt's mich nicht, so muss es bald noch ärger kommen . . . der Sturm wird gleich aufhören, und schwere Gewitter dafür heraufkommen . . . eile, eile, David. . . .“ Und er raffte sich auf, und drang mit dem letzten Rest seiner Kräfte vorwärts.

Wirklich hörte der Sturm bald auf, und stieß nur noch dann und wann ein hohles Brausen aus, wie um ein Erlöschen selbst zu bekunden. Der Wald war jetzt schweigsam wie der Tod, nur hie und da rauschte eine Ansammlung von Wasser hinab. Die Bäume standen regungslos. Eine drückende Schwüle breitete sich schnell aus, wie der Glutstrom aus einem Backofen. Fast wurde das Gehen dadurch noch mühsamer als vorher, und der Schweiß rieselte dem Hausierer von der Stirn, und die Brust keuchte ihm unter der Last. Dennoch eilte er unablässig, als ob er jetzt noch mehr und nähere Gefahren fürchtete.

Glücklicherweise wurde jetzt der Wald etwas dünner, der Boden fester, der Pfad sichtlicher, Bald, und er trat auf eine Lichtung hinaus, die er rüstig zu durchschreiten begann. Jetzt konnte er den Himmel wieder sehen, den ihm meist das dichte Walddach verdeckt hatte, Er war schwarz wie das dichteste Gewand der Nacht, und am Horizonte fuhren schon gelbe Blitze her. Die Lichtung war zurückgelegt, und er brauchte den Wald nicht wieder zu betreten, denn dicht an den Rand desselben lehnte sich ein kleines Blockhaus. Aber bevor er es erreicht hatte, sah er Lichtglanz oder Feuerschein durch die Spalten dringen. Er hielt an. „Wie? ist die verlassene Hütte bewohnt? Oder hat schon vor mir Wer diesen Zufluchtsort erreicht? . . . Wer mag dies fein? . . . Was hab' ich zu fürchten?. . . .“ Er schlich ein wenig um die Hütte herum, konnte aber keine Öffnung finden, die ihm einen genügenden Blick in das Innere gestattet hätte. „Ich habe keine Wahl, ich muss hinein, und Gott wird mich schützen. . . . In solchem Wetter habe ich Jaguar und Lamm ruhig neben einander liegen sehen. Wo Gottes Majestät in die furchtbarsten Schrecken sich kleidet, werden Menschen nicht mörderische Hände gegen einander erheben. . . .“ Er öffnete schnell die Türe, und schlüpfte hinein.

Als er hineingetreten, stand er einen Augenblick still, und warf einen schnellen, prüfenden Blick auf die, welche vor ihm die Hütte in Besitz genommen. In der Mitte des Raumes brannte ein lustiges Feuer, und zwei Gestalten hatten sich zu beiden Seiten desselben niedergelassen. Sie saßen auf dem Boden, das Gesicht einander zugewandt, aber das Feuer zwischen ihnen. Der Eine hatte sich platt auf den Boden gesetzt, nachdem er eine Art Mantel darüber gebreitet. Seine Beine streckten sich längs des Feuers hin, und sein Oberkörper war nach vorn gebeugt. Der Andre aber saß auf der Erde, die Knie in die Höhe nach der Brust gezogen, und eine Flinte lag quer über den Knien, indem er eine Hand an den Kolben, die andre an den Lauf gelegt; indes sein Gegenpart in der einen Faust eine Pistole, in der andern ein Stück Brot hielt, von dem er aß. Der Hausierer brauchte nur kurze Zeit, um den hockenden Mann mit der Flinte für einen Indianer, den andern als einen Europäer zu erkennen. Er fasste schnell, dass Beide nicht zu einander gehörten, sondern zufällig hier in der Hütte eine gemeinsame Zuflucht gefunden, dass Beide nicht feindlich gegen einander gesinnt waren, aber sich auch nicht trauten. Unter diesen Umständen sah er keine Gefahr für sich, rasch trat er zum Feuer, nickte den Beiden, die ihren Blick auf ihn gerichtet, offenherzig zu, warf ein Bündel hinter sich, und sich selbst an der dritten Seite des Feuers nieder. . . . Draußen rollte der Donner immer heftiger; hier innen lagen die drei Menschen um das Feuer, und schwiegen. . . .

Gebirgsmassiv

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Indianerangriff

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Rocky Mountains

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