Wo von der Equipierung des Aramis und Porthos gehandelt wird.

Ketty war kaum von d'Artagnan fortgegangen, als sich dieser nach der Gasse Féron wandte. Er traf Athos und Aramis, die philosophierten. Aramis zeigte wieder einigen Willen, zur Soutane zurückzukehren. Porthos traf gleich nach d'Artagnan ein, und so waren die vier Freunde vollzählig beisammen. Die vier verschiedenen Gesichter drückten vier verschiedene Empfindungen aus: das von Porthos die Ruhe, das von d'Artagnan die Hoffnung, das von Aramis den Kummer und das von Athos die Sorglosigkeit. Nach einer kurzen Unterredung, worin Porthos erraten ließ, eine sehr hochgestellte Person habe die Huld, ihn aus der Verlegenheit zu reißen, trat Mousqueton ein. Er ersuchte Porthos, nach Hause zu gehen, weil, wie er mit kläglicher Stimme sagte, seine Gegenwart dort dringend sei. „Handelt es sich um meine Equipierung?“ fragte Porthos. „Ja und nein,“ entgegnete Mousqueton. „Nun, was soll das heißen?“

„Kommen Sie, gnädiger Herr.“ Porthos stand auf, beurlaubte sich von seinen Freunden und folgte Mousqueton. Einen Augenblick darauf erschien Bazin an der Türschwelle. „Was willst du von mir, mein Freund?“ fragte Aramis mit weicher Stimme. „Es erwartet Sie zu Hause ein Mann, gnädiger Herr,“ erwiderte Bazin. „Ein Mann? was für ein Mann?“


„Ein Bettler.“

„Gib ihm ein Almosen, Bazin, und sage ihm, daß er für einen armen Sünder bete.“

„Dieser Bettler will durchaus mit Ihnen sprechen, und gibt vor, Sie wären höchlich erfreut, ihn zu sehen.“

„Hat er für mich etwas Besonderes?“

„Ja, er sagte: ›Wenn Herr Aramis zu kommen zögert, so sagt ihm, daß ich von Tours komme.‹“

„Von Tours? ich gehe schon,“ rief Aramis; „meine Herren, ich bitte Sie tausendmal um Entschuldigung, allein, gewiß bringt mir dieser Mensch Nachrichten, die ich erwarte.“ Er stand sogleich auf und ging eilends fort. Nun blieben noch Athos und d'Artagnan. „Mir scheint, diese Schlingel haben ihre Sachen schon gefunden. Was meinen Sie, d'Artagnan?“ sagte Athos. „Ich weiß, daß Porthos im besten Zug ist,“ versetzte d'Artagnan, „und was Aramis betrifft, so war ich um ihn nie ernstlich besorgt.“

„Was sagte mir doch Herr von Tréville, der mir gestern die Ehre erwies, mich zu besuchen, daß Sie sehr häufig zu den Engländern kommen, die der Kardinal in Schutz nimmt?“

„Das heißt, ich mache einer Engländerin Besuche, derselben, von der ich Ihnen erzählt habe.“

„Ah, ja! die blonde Frau, wegen welcher ich ihnen Ratschläge gab, die Sie natürlich außer acht gelassen haben.“

„Ich sagte Ihnen aber meine Gründe. Jetzt bin ich fest überzeugt, daß diese Frau bei der Entführung der Madame Bonacieux ihre Hand im Spiele hatte.“

„Ja, und ich begreife wohl, daß Sie einer Frau den Hof machen, um eine andere aufzufinden. Das ist der längste, doch der unterhaltendste Weg.“

Als Aramis in seine Wohnung trat, fand er wirklich einen Mann von kleiner Statur und sprechenden Augen, doch in Lumpen gehüllt. „Ihr habt nach mir gefragt?“ sagte der Musketier. „Das heißt: ich fragte nach Herrn Aramis... Ist das Ihr Name?“

„Allerdings. Habt Ihr mir etwas zu übergeben?“

„Ja, wenn Sie mir ein gewisses gesticktes Sacktuch vorzeigen.“

„Da ist es,“ versetzte Aramis, indem er einen Schlüssel aus seiner Brust nahm und ein kleines, mit Perlmutter eingelegtes Kästchen aus Ebenholz aufschloß, „seht, da ist es.“

„Gut,“ sagte der Bettler, „entfernen Sie Ihren Bedienten.“ Als sich Bazin entfernt hatte, warf der Bettler einen raschen Blick umher, um sich zu versichern, daß ihn niemand sehen oder hören konnte, öffnete sein, mit einem Ledergürtel nur schlecht umfangenes, zerlumptes Oberleibchen, trennte sein Wams oben auf und nahm einen Brief hervor. Aramis stieß einen Freudenschrei aus, als er das Siegel erblickte, und öffnete mit einer fast religiösen Ehrfurcht den Brief, der folgendes enthielt: „Freund! das Schicksal will es, daß wir noch für einige Zeit getrennt seien, allein die schönen Tage der Jugend sind nicht unwiederbringlich verloren. Erfüllen Sie Ihre Pflicht im Feld, ich erfülle die meinige anderweitig. Nehmen Sie, was Ihnen der Träger überbringen wird; machen Sie den Feldzug als schöner und braver Edelmann mit, und gedenken Sie meiner. Leben Sie wohl, oder vielmehr auf Wiedersehen!“ Der Bettler war noch immer mit dem Auftrennen beschäftigt. Er zog aus den schmutzigen Kleidern hundertfünfzig spanische Doppelpistolen, eine nach der andern hervor, und reihte sie auf dem Tisch aneinander; dann öffnete er die Tür und ging fort, ohne daß der erstaunte junge Mann noch ein Wort zu ihm sprechen konnte. Aramis durchlas den Brief abermals und bemerkte, daß er auch eine Nachschrift habe. P. S. „Sie können den Briefträger gut empfangen, denn er ist Graf und Grand von Spanien.“

„Das sind goldene Träume!“ rief Aramis: „o, wie schön ist das Leben! ja, wir sind noch jung, ja, wir erleben noch schöne Tage! O, dir, dir, meine Liebe! mein Herz! mein Dasein! Alles, alles, alles, meine schöne Geliebte!“ Er küßte voll Leidenschaftlichkeit den Brief, ohne das funkelnde Gold auf dem Tisch anzublicken. Bazin kratzte an der Tür; Aramis hatte keinen Grund mehr, ihn fernzuhalten und erlaubte ihm einzutreten. Bazin war ganz verblüfft beim Anblick dieses Goldes und vergaß, daß er d'Artagnan anmelden sollte, der aus Neugierde zu Aramis kam, nachdem er von Athos weggegangen war. Da sich jedoch d'Artagnan bei Aramis keinen Zwang auferlegte, meldete er sich selbst, als er sah, daß Bazin auf ihn vergessen hatte. „Ah, Teufel! mein lieber Aramis, wenn das die Pflaumen sind, die man Ihnen aus Tours sendet, so machen Sie den Gärtner, der sie zieht, mein Kompliment.“

„Sie irren, mein Lieber!“ entgegnete Aramis, stets schweigsam, „mein Buchhändler schickte mir soeben das Honorar für mein Gedicht in einsilbigen Versen, die ich dort unten verfaßt habe. „Ei, wirklich,“ rief d'Artagnan. „Je nun, Ihr Buchhändler ist großherzig, lieber Aramis, das ist alles, was ich sagen kann.“

„Wie doch, gnädiger Herr,“ rief Bazin, „ein Gedicht verkauft man so teuer? Das ist unglaublich! O, gnädiger Herr, tun Sie alles, was Sie wollen, Sie können noch Herrn Voiture und Herrn von Benserade gleichkommen. Auch ich habe das gern. O, Herr Aramis, ich bitte Sie, werden Sie doch ein Dichter.“

„Mein Freund Bazin,“ sagte Aramis, „ich glaube, du mengst dich in das Gespräch.“ Bazin fühlte sein Unrecht, senkte den Kopf und entfernte sich, „Ha!“ rief d'Artagnan lächelnd, „Sie verkaufen Ihre Geistesprodukte nach Goldgewicht? Sie sind doch übrigens glücklich, mein Freund. Aber geben Sie acht, Sie verlieren den Brief, der aus Ihrer Kasake hervorragt, und gewiß auch von Ihrem Verleger kommt.“ Aramis errötete bis zum Weiß der Augen, schob den Brief tiefer hinein, und knöpfte das Wams wieder zu. Dann sprach er: „Lieber d'Artagnan, wir wollen, wenn es Ihnen beliebt, unsere Freunde aufsuchen, und da ich wieder reich bin, so lange miteinander mittagmahlen, bis sie gleichfalls zu Geld kommen.“

„Meiner Treu, mit großem Vergnügen,“ antwortete d'Artagnan. „Es ist schon lange her, daß wir kein rechtschaffenes Mittagmahl eingenommen haben, und da ich diesen Abend ein etwas kühnes Wagnis zu bestehen habe, so wäre es mir, freigestanden, nicht unlieb, den Kopf mit einigen Bouteillen altem Burgunder ein wenig zu begeistern.“

„So mag es denn alter Burgunder sein! ich hasse ihn ebensowenig,“ versetzte Aramis, dem der Anblick des Goldes die Gedanken nach der Zurückgezogenheit weggewischt hatte.

Die beiden Freunde begaben sich zuvörderst zu Athos, der getreu seinem Schwure, nicht auszugehen, sich's gefallen ließ, daß das Mittagmahl in seine Wohnung gebracht werde. Da er sich sehr wohl auf die gastronomischen Einzelheiten verstand, so legten ihm d'Artagnan und Aramis in bezug auf diese Sorge kein Hindernis in den Weg. Hierauf verfügten sie sich zu Porthos und begegneten an der Ecke der Gasse du Bac Mousqueton, der ein Pferd und ein Maultier mit verdrießlicher Miene vor sich hertrieb. D'Artagnan stieß einen Schrei der Überraschung aus, der nicht frei war von einer Beimischung der Freude. „Ha, mein gelbes Pferd!“ rief er, „da, seht nur dieses Pferd an.“

„O, der häßliche Gaul!“ sprach Aramis. „Was wollen Sie, mein Lieber?“ entgegnete d'Artagnan, „das ist dasselbe Pferd, auf dem ich nach Paris gekommen bin.“

„Wie doch, gnädiger Herr!“ sagte Mousqueton, „Sie kennen dieses Pferd?“

„Es ist von ganz origineller Farbe,“ versetzte Aramis, „es ist das einzige, das ich je mit einer solchen Haut gesehen habe.“

„Das glaube ich Ihnen,“ erwiderte d'Artagnan, „ich habe es auch für drei Taler hingegeben, und das war wohl der Haut wegen, denn das Gerippe ist gewiß nicht achtzehn Livres wert. Wie befindet sich aber dieses Pferd in deinen Händen, Mousqueton?“

„O, reden Sie nicht davon, gnädiger Herr!“ antwortete der Bediente, „das ist ein garstiger Streich vom Gemahl unserer Herzogin.“

„Wie das, Mousqueton?“

„Ja, wir sind sehr gut gelitten bei einer Frau von hohem Range, bei der Herzogin... Doch verzeihen Sie, mein Herr hat mir Verschwiegenheit aufgetragen. Sie hat uns gezwungen, ein spanisches Pferd und einen andalusischen Maulesel zum Andenken anzunehmen, und das schaute sich prächtig an. Der Gemahl erfuhr die Sache, konfiszierte unterwegs die zwei herrlichen Tiere, die man uns schickte, und gab dafür diese garstigen Bestien.“

„Welche du ihm wieder zurückstellst?“ fragte d'Artagnan. „Allerdings,“ antwortete Mousqueton. „Sie begreifen wohl, daß wir keine solchen Tiere statt der versprochenen behalten können.“

„Nein, fürwahr! obwohl es mir lieb gewesen wäre, Porthos auf meinem gelben Klepper zu sehen. Das hätte mir einen Begriff gegeben, wie ich aussah, als ich nach Paris kam. Doch wir wollen dich nicht aufhalten, Mousqueton, geh, und besorge den Auftrag deines Herrn. Ist er in seiner Wohnung?“

„Ja, mein Herr,“ sagte Mousqueton, „doch ist er in sehr übler Stimmung.“ Er setzte seinen Weg fort nach dem Quai des Grands Augustin. Inzwischen trieb Mousqueton seine zwei Klepper vor sich her über den Pont-Neuf bis zur Gasse Ours. Als er hier ankam, knüpfte er nach dem Auftrag seines Herrn das Roß wie das Maultier an den Klopfer der Tür des Prokurators. Und kehrte hierauf, ohne sich um ihr weiteres Los zu bekümmern, zu seinem Herrn zurück, um ihm zu sagen, daß er seinen Befehl vollzogen habe. Einige Zeit darauf machten die unglücklichen Tiere, die seit dem Morgen nichts gefressen hatten, durch das Aufheben und Fallenlassen des Klopfers einen solchen Lärm, daß der Prokurator seinem Laufburschen befahl, sich bei dem Nachbar zu erkundigen, wem denn dieses Pferd und dieser Maulesel zugehörten. Madame Coquenard erkannte ihr Geschenk, und konnte diese Rücksendung anfänglich gar nicht begreifen, doch erhielt sie bald Aufschluß durch den Besuch von Porthos. Der Zorn, der aus den Augen des Musketiers sprühte, ungeachtet des Zwanges, den er sich anzutun bemüht war, erschreckte die empfindsame Geliebte. Porthos ging wieder fort, nachdem er der Prokuratorsfrau in Saint-Magloire ein Stelldichein gegeben hatte. Als der Prokurator Porthos sich entfernen sah, lud er ihn zum Mittagmahl ein, doch der Musketier schlug es mit majestätischer Miene aus. Madame Coquenard begab sich zitternd nach Saint-Magloire, denn sie erriet, welche Vorwürfe ihrer harrten: indes ward sie durch die großartigen Manieren von Porthos ganz verblüfft. „Ach,“ seufzte sie, „ich dachte, die Sache aufs beste zu machen. Einer von unsern Klienten ist Pferdemakler; er war uns Geld schuldig und bewies sich halsstarrig; ich nahm dies Pferd und dies Maultier für die Schuld an. Er hatte mir zwei königliche Tiere versprochen.“

„Nun, Madame,“ entgegnete Porthos, „wenn Ihnen Ihr Pferdemakler mehr als fünf Taler schuldete, so ist er ein Dieb.“ Porthos machte eine Bewegung, um sich zu entfernen. „Herr Porthos! Herr Porthos!“ rief die Prokuratorsfrau, „ich habe unrecht, ich gestehe es ein; ich hätte nicht sollen feilschen, wo es sich darum handelte, einen Kavalier zu equipieren, wie Sie sind.“ Porthos schwieg und machte abermals Miene fortzugehen. „Bleiben Sie doch, in des Himmels Namen, Herr Porthos!“ rief sie, „bleiben Sie, und lassen Sie uns mitsammen reden. Hören Sie, diesen Abend geht Herr Coquenard zu dem Herzog von Chaulnes, der ihn berufen hat. Es findet da eine Beratung statt, die mindestens zwei Stunden dauert. Kommen Sie zu mir, wir werden allein sein, und unsere Sache in Richtigkeit bringen.“

„Wohl, das nenne ich vernünftig reden, meine Liebe!“

„Sie verzeihen mir?“

„Wir wollen sehen,“ antwortete Porthos majestätisch. Sie schieden nach öfterer Wiederholung: „Also diesen Abend!“

„Teufel!“ dachte Porthos, als er wegging, „mich dünkt, daß ich der Goldkiste des Herrn Coquenard naherücke!“...


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die drei Musketiere