Was sich am 23. August 1628 in Portsmouth ereignet hat.

Felton beurlaubte sich von Mylady wie ein Bruder, der nur einen Spaziergang machen will, und küßte ihr die Hand wie einer Schwester. Es schien, als wäre seine ganze Person in den Zustand der Ruhe zurückgekehrt, nur strahlte aus seinen Augen ein ungewöhnlicher Glanz, ähnlich dem Widerschein eines Fiebers. Seine Stirn war noch blässer als früher, seine Zähne waren zusammengepreßt und seine Sprache war ein kurzes Abstoßen von Tönen, woraus erhellte, daß es in seinem Innern düster aussah. Felton stieg ans Land, kletterte auf den Damm, der nach der Höhe des abschüssigen Ufers führte, grüßte Mylady zum letztenmal und schlug den Weg nach der Stadt ein. Er kam gegen acht Uhr früh in Portsmouth an. Die ganze Bevölkerung war auf den Beinen. Die Trommeln wirbelten in den Straßen und im Hafen. Die zum Einschiffen bestimmten Truppen wogten nach dem Gestade hin. Felton erreichte, mit Schweiß übergossen und mit Staub bedeckt, den Admiralitätspalast. Sein sonst blasses Antlitz wurde purpurrot vor Hitze und Zorn. Die Wache wollte ihn zurückweisen, allein er rief den Anführer des Postens, nahm den Brief aus der Tasche, den er zu bestellen hatte und sprach bloß die Worte: „Eilbote von Lord Winter.“ Auf den Namen eines Lords, von dem man wußte, daß er der vertrauteste Freund Seiner Herrlichkeit sei, gab der Anführer des Postens Befehl, Felton vorwärts zu lassen, da er noch überdies die Uniform eines Marineoffiziers trug. Felton stürzte in den Palast. In dem Moment, wo er in den Vorhof trat, erschien auch ein staubbedeckter, keuchender Mann, der vor der Tür ein Postpferd stehen ließ, das vor Ermattung in die Knie sank. Dieser und Felton wandten sich zugleich an Patrik, den ersten Kammerdiener des Herzogs. Felton nannte den Baron Winter, der Unbekannte wollte niemand nennen und gab vor, er dürfe sich bloß dem Herzog zu erkennen geben. Jeder wollte sich den Vorzug anmaßen. Patrik, der wohl wußte, daß Lord Winter durch Dienstgeschäfte, wie durch Freundschaft mit dem Herzog verbunden war, gab auch demjenigen den Vorzug, der im Namen des Lords kam. Der andere mußte warten, und wie er diesen Aufschub verwünschte, läßt sich leicht erachten. Der Kammerdiener ließ Felton in einen großen Saal treten, worin die Deputierten von La Rochelle mit dem Prinzen Soubise an der Spitze harrten, und führte ihn von da in ein Kabinett, wo Buckingham, der eben aus dem Bade kam, mit mehr Sorgfalt als gewöhnlich seine Toilette vollendete. „Der Leutnant Felton,“ meldete Patrik, „geschickt von Lord Winter.“

„Von Lord Winter,“ wiederholte Buckingham, „er möge eintreten.“ Felton trat ein. In diesem Moment warf Buckingham einen reichen, goldgestickten Schlafrock auf das Kanapee, um ein ganz mit Perlen geschmücktes Wams von blauem Samt anzuziehen. „Weshalb kam denn der Baron nicht selber?“ fragte Buckingham. „Ich habe ihn diesen Morgen erwartet.“


„Er gab mir den Befehl, Ew. Herrlichkeit zu melden,“ versetzte Felton, „daß er es ungemein bedaure, nicht die Ehre haben zu können, doch sei er durch eine notwendige Bewachung im Schlosse verhindert.“

„Ja, ja,“ sagte Buckingham, „ich weiß, er hat eine Gefangene.“

„Gerade von dieser Gefangenen wollte ich mit Ew. Herrlichkeit sprechen,“ erwiderte Felton. „Gut, so sprecht.“

„Mylord, nur Ew. Herrlichkeit darf hören, was ich zu sagen habe.“

„Verlaß uns, Patrik,“ sagte Buckingham, „doch bleib im Bereich der Glocke, ich werde dich sogleich wieder rufen.“ Patrik entfernte sich. „Wir sind allein, mein Herr,“ sagte Buckingham, „reden Sie.“

„Mylord,“ sprach Felton, „der Baron von Winter hat Ihnen unlängst geschrieben, und Sie in seinem Briefe gebeten, Sie wollten in bezug auf eine junge Frau, namens Charlotte Backson, einen Deportationsbefehl unterfertigen.“

„Ja, mein Herr, und ich antwortete ihm, er soll mir diesen Befehl zur Unterfertigung schicken oder selbst bringen.“

„Hier ist er, Mylord.“

„Gebt,“ sprach der Herzog. Er nahm aus Feltons Händen den Brief, und warf einen flüchtigen Blick darauf. Als er ihn als denjenigen erkannt, der ihm angekündigt worden war, legte er ihn auf den Tisch und nahm eine Feder, um ihn zu unterschreiben. „Um Vergebung, Mylord!“ rief Felton und hielt den Herzog zurück. „Weiß es Ew. Herrlichkeit, daß der Name Charlotte Backson nicht der wirkliche Name dieser jungen Frau ist?“

„Ja, mein Herr, das weiß ich,“ entgegnete der Herzog und tauchte die Feder in die Tinte. „Kennt also Ew. Herrlichkeit ihren wirklichen Namen?“ fragte Felton in kurzem Ton. „Ich kenne ihn.“ Der Herzog näherte die Feder dem Papier, Felton erblaßte. „Und obwohl Ew. Herrlichkeit mit dem wahren Namen vertraut ist,“ sagte Felton, „wird Sie dennoch unterfertigen?“

„Ja“, versetzte Buckingham, „lieber zweimal als einmal.“

„Ich kann es nicht glauben,“ fuhr Felton mit einer Stimme fort, die immer kürzer und abgestoßener wurde, „ich kann es nicht glauben, daß Eure Herrlichkeit weiß, es handle sich hier um Lady Winter.“

„Ich weiß es ganz gewiß, wiewohl ich mich verwundere, daß Ihr es wisset.“

„Und Ew. Herrlichkeit wird diesen Befehl ohne Gewissensbisse unterschreiben?“ Buckingham blickte den jungen Mann befremdet an und sagte: „He doch, mein Herr, wißt Ihr, daß Ihr an mich ganz sonderbare Fragen stellt, und ich albern wäre, sie Euch beantworten zu wollen?“

„Antworten Sie, Monseigneur,“ sagte Felton, „die Lage der Dinge ist bedeutsamer, als Sie vielleicht glauben.“ Buckingham dachte, weil der junge Mann von Lord Winter abgesandt war, so rede er gewiß in dessen Namen und besänftigte sich. „Ohne Gewissensbisse,“ antwortete er, „und der Baron weiß es so gut wie ich, daß Mylady eine große Verbrecherin ist, und daß die auf Deportation beschränkte Strafe als eine Gnade anzusehen sei.“ Der Herzog hielt die Feder an das Papier. „Mylord, Sie werden diesen Befehl nicht unterschreiben, sprach Felton und trat einen Schritt gegen den Herzog vor. „Ich werde ihn nicht unterschreiben?“ fragte Buckingham, „und warum das nicht?“

„Nun, Sie werden in sich selbst gehen, und Mylady Gerechtigkeit widerfahren lassen.“

„Man würde ihr damit, daß man sie nach Tyburn schickte, Gerechtigkeit widerfahren lassen, denn Mylady ist eine Ruchlose,“ sagte Buckingham. „Monseigneur, Mylady ist ein Engel; Sie wissen das recht gut, und ich verlange für sie die Freiheit.“

„he doch,“ rief Buckingham, „seid Ihr verrückt, daß Ihr so redet?“

„Mylord, entschuldigen Sie, ich rede, wie ich kann. Allein, bedenken Sie, Mylord, was Sie zu tun beabsichtigen, und fürchten Sie, das Maß zu überschreiten.“

„Was? Gott vergebe mir!“ rief Buckingham, „ich glaube gar, er will mir drohen?!“

„Nein, Mylord, ich bitte noch und sage Ihnen, ein Wassertropfen reicht hin, um ein volles Gefäß zum Überlaufen zu bringen. Ein geringer Fehltritt kann die Strafe auf das Haupt herabrufen, das, ungeachtet so vieler Verbrechen, bis heute verschont geblieben ist.“

„Herr Felton!“ sagte Buckingham, „fort von mir und auf der Stelle in Haft.“

„Und Sie, Mylord! Sie werden mich bis zum Schluß anhören. Sie haben das junge Mädchen verleitet, mißhandelt, gebrandmarkt. Machen Sie Ihre Schuld gegen sie wieder gut. lassen Sie sie frei, und ich will von Ihnen nichts weiter verlangen.“

„Ihr werdet nichts weiter verlangen?“ wiederholte Buckingham, indem er Felton voll Staunen anblickte, und auf jede Silbe dieser fünf Worte einen besonderen Nachdruck legte. „Mylord,“ fuhr Felton fort, und zwar mehr aufgeregt, je länger er sprach, „man ist Ihrer Frevel müde, Sie haben die Gewalt mißbraucht, die Sie sich anmaßten; Gott wird Sie später dafür bestrafen, aber ich —- ich bestrafe Sie heute.“

„Ha, das ist zuviel!“ rief Buckingham und trat gegen die Tür vor. Felton versperrte ihm den Weg und sagte: „Ich bitte in Demut, unterzeichnen Sie den Freilassungsbefehl für Lady Winter, gegen die Sie sich vergangen haben.“

„Hinweg, mein Herr,“ gebot Buckingham, „oder ich rufe meine Leute und lasse Euch forttreiben.“

„Sie werden nicht rufen,“ sagte Felton und stellte sich schnell zwischen den Herzog und die Glocke, die auf einem mit Silber getäfelten Tischchen stand. „Haben Sie acht, Mylord, Sie sind jetzt in Gottes Hand.“

„In des Teufels Hand, wollt Ihr sagen!“ rief Buckingham mit verstärkter Stimme, um Leute aufmerksam zu machen, ohne daß er sie unmittelbar gerufen hätte. „Unterschreiben Sie, Mylord, unterschreiben Sie die Freilassung der Lady Winter,“ sprach Felton und stieß ein Papier gegen den Herzog hin. „Gewalt? was ist's? Holla, Patrik!“

„Unterschreiben Sie, Mylord!“

„Niemals!“

„Niemals?“

„Herbei!“ schrie der Herzog und sprang auf seinen Degen los. Noch Felton ließ ihm nicht Zeit, denselben zu zücken, er hielt das entblößte Messer, mit dem sich Mylady verwundet hatte, unter seinem Wams verborgen, und mit einem Satz war er an dem Herzog. In diesem Moment trat Patrik in den Saal und rief: „Mylord, ein Brief aus Frankreich.“

„Aus Frankreich?“ entgegnete der Herzog, der alles andere vergaß und nur daran dachte, von wem dieser Brief komme. Felton nützte diesen Moment und bohrte ihm das Messer bis ans Heft in die Seite. „Ha, Verräter!“ schrie Buckingham, „du hast mich ermordet!“

„Mörder! Zu Hilfe!“ kreischte Patrik, Felton wandte seine Blicke umher, um zu entfliehen; als er die Tür offen sah, stürzte er in das Nebenzimmer, worin, wie schon gesagt, die Deputierten von La Rochelle warteten, eilte durch dasselbe und floh der Treppe zu. Allein schon auf der ersten Stufe begegnete er Lord Winter, der ihn, als er ihn blaß, verstört, leichenfahl, an Hand und Gesicht mit Blut bespritzt, heraneilen sah, an der Kehle packte und ihm zurief: „Ich habe es geahnt, ich habe es gewußt! Eine Minute zu spät – o, ich Unglücklicher!“ Felton leistete keinen Widerstand. Lord Winter überlieferte ihn den Wachen, und diese führten ihn, bis auf weitere Befehle, nach einer kleinen, das Meer beherrschenden Terrasse, während er selbst in das Kabinett Buckinghams eilte.

Auf das Geschrei, das der Herzog ausgestoßen, und auf Patriks Hilferuf, stürzte der Mann, den Felton im Vorhof angetroffen, eilfertig in das Kabinett. Er fand den Herzog auf einem Sofa liegend, die Wunde mit krampfhafter Hand zusammenpressend. „Laporte!“ rief der Herzog mit ersterbender Stimme, „Laporte, kommst du von ihr?“

„Ja, Monseigneur!“ versetzte der getreue Diener der Königin Anna, „– aber ach, vielleicht schon zu spät.“

„Stille, Laporte, man könnte dich hören. O, ich sollte nicht mehr erfahren, was sie mir sagen läßt; mein Gott, ich sterbe!“ Der Herzog ward ohnmächtig. Mittlerweile waren Lord Winter, die Deputierten, die Anführer der Expedition, die Beamten des Hauses Buckingham in das Kabinett gekommen. Überall erschallte ein Geschrei der Verzweiflung. Die Kunde, die den Palast mit Wehklagen und Seufzern erfüllte, verbreitete sich alsbald durch die ganze Stadt. Ein Kanonenschuß verkündete ein neues, unerwartetes Ereignis. Lord Winter raufte sich die Haare aus und stöhnte: „Um eine Minute zu spät, ach, um eine Minute zu spät! O, Gott, was ist das für ein Unglück!“ Man hatte ihm in der Tat um sieben Uhr früh gemeldet, daß eine Strickleiter an einem Fenster des Schlosses hänge. Er lief auch zugleich in Myladys Zimmer, fand dasselbe leer, das Fenster geöffnet und die Gitterstangen durchgesägt. Er erinnerte sich wieder, was ihm d'Artagnan durch seinen Boten mündlich empfohlen hatte. Er zitterte für den Herzog, eilte in den Stall, und, ohne daß er sich Zeit nahm, ein Pferd satteln zu lassen, bestieg er das erste beste, sprengte im stärksten Galopp von hinnen, stieg im Hof ab, stürzte die Treppe hinauf und traf da Felton auf der ersten Stufe, wie wir erwähnt haben. Der Herzog war indes nicht gestorben. Er kam wieder zu sich, öffnete die Augen; und Hoffnung drang in aller Herzen. „Meine Herren,“ sprach er, „laßt mich mit Patrik und Laporte allein. Ha, Ihr seid hier, Lord Winter? Ihr habt mir diesen Morgen einen sonderbaren Narren gesendet, seht Nur, in welchen Zustand er mich gebracht hat.“

„O, Mylord,“ ächzte der Baron, „ich werde nie wieder Trost finden.“

„Daran tätest du unrecht, mein guter Winter,“ versetzte Buckingham und bot ihm die Hand; „ich kenne keinen Menschen, der es verdiente, daß ihn ein anderer Mensch durch seine ganze Lebenszeit beklage. Doch bitte ich dich, laß uns allein.“ Der Baron ging schluchzend hinaus. Im Kabinett blieben nur noch der verwundete Herzog, Laporte und Patrik. Man suchte einen Arzt, doch ließ er sich nicht finden. „Sie werden am Leben bleiben, Mylord,“ wiederholte der Bote aus Frankreich, vor dem Bett des Herzogs kniend. „Was hat sie mir geschrieben?“ fragte der Herzog mit matter Stimme, von Blut triefend und furchtbare Schmerzen niederkämpfend. „Was hat sie mir geschrieben? lies ihren Brief mir vor.“

„O, Mylord!“ seufzte Laporte. „Nun, Laporte, siehst du nicht, daß ich keine Zeit zu verlieren, habe?“ Laporte entsiegelte das Pergament und legte es dem Herzog vor Augen, allein Buckingham versuchte umsonst, die Schrift zu lesen. „Lies nur,“ sagte er, „lies. Ich sehe nichts mehr, lies also, denn vielleicht werde ich bald auch nicht mehr hören und sterben, ohne daß ich erfuhr, was sie mir geschrieben hat.“ LaPorte machte keine Schwierigkeiten mehr und las: „Mylord! Ich beschwöre Sie bei dem, was ich für Sie und durch Sie gelitten habe, seit ich Sie kenne, daß Sie, wenn Ihnen anders an meiner Ruhe etwas gelegen ist, von den großen Zurüstungen gegen Frankreich ablassen, und einen Krieg aufgeben, von dem ganz laut gesagt wird, die Religion sei bloß die scheinbare Ursache, und von dem ganz leise gesagt wird, Ihre Neigung zu mir sei der geheime Grund. Dieser Krieg kann nicht allein für Frankreich und England große Katastrophen, er kann auch für Sie ein Unglück herbeiführen, worüber ich nie wieder Trost fände. Behüten Sie Ihr Leben, das man bedroht, und das mir von dem Augenblick an teuer sein wird, wo ich nicht mehr gezwungen sein werde, Sie als einen Feind zu betrachten. Ihre wohlgeneigte Anna.“ Buckingham raffte den ganzen Rest seiner Kraft zusammen, um diesen Brief anzuhören; und als er beendigt war, fragte er, als hätte er darin eine bittere Enttäuschung gefunden: „Laporte, hast du mir mündlich nichts mehr zu melden?“

„Ja, Monseigneur, die Königin gab mir den Auftrag, Ihnen zu sagen, daß Sie auf Ihrer Hut sein sollen, weil sie zuverlässige Kunde habe, daß man Ihnen nach dem Leben strebe.“

„Und das ist alles? Ha, das ist alles?“ fragte Buckingham mit Ungeduld. „Auch hat sie mich noch beauftragt, Ihnen zu sagen, daß sie Ihnen fortan wohlgeneigt bleibe.“

„Ha!“ rief Buckingham, „Gott sei gelobt! Mein Tod wird für sie nicht der Tod eines Fremden sein.“ Laporte zerrann in Tränen. „Patrik,“ sagte der Herzog, „bringe mir das Kästchen, worin die diamantenen Nestelstifte gelegen sind.“ Patrik brachte den geforderten Gegenstand, den Laporte sogleich als ein vormaliges Eigentum der Königin erkannte. „Nun bring das kleine, weiße Atlaskissen, worauf ihre Namenschiffre in Perlen gestickt ist.“ Patrik kam auch diesem Befehl nach. „Sieh, Laporte,“ sagte Buckingham, „das sind die einzigen Pfänder, die ich von ihr besitze. Dies silberne Kästchen und diese zwei Briefe. Bring fie Ihrer Majestät zurück, und als letztes Andenken – er suchte nach einem kostbaren Gegenstand – füge noch bei...“ Er suchte abermals, doch seine vom Tode schon verdunkelten Augen begegneten nur dem Messer, das den Händen Feltons entglitten, und dessen Klinge noch rauchend war von frischem Blut. „Füge noch dieses Messer bei,“ fuhr der Herzog fort und drückte Laporte die Hand. Sonach legte er das kleine Kissen in das silberne Kästchen, ließ das Messer hineinfallen und gab Laporte ein Zeichen, daß er nicht mehr zu reden vermöge. Hierauf befiel ihn eine letzte krampfhafte Zuckung, der er sich nicht mehr erwehren konnte, und glitt vom Sofa auf die Erde nieder. Patrik stieß einen entsetzlichen Schrei aus. Buckingham wollte zum letztenmal lächeln, allein der Tod fesselte schon seine Gedanken, und so blieb dieses als ein letztes Lebewohl auf seinen Lippen und seiner Stirn abgedrückt.

Als Lord Winter sah, daß Buckingham ausgeatmet habe, ging er schnell zu Felton zurück, den die Soldaten auf der Terrasse des Palastes bewachten. „Niederträchtiger!“ sprach er zu dem jungen Manne, der seit Buckinghams Hingang wieder jene Ruhe und Kaltblütigkeit gefunden hatte, die nicht mehr von ihm weichen sollte. „Niederträchtiger, was hast du getan?“

„Ich habe mich gerächt,“ erwiderte Felton. „Du,“ rief der Baron, „sage, du hast diesem verfluchten Weib als Werkzeug gedient; doch schwöre ich es dir, daß diese Missetat ihre letzte sei.“

„Ich weiß nicht, was Sie damit sagen wollen,“ versetzte Felton ruhig, „und begreife nicht, wovon Sie reden. Mylord, ich habe den Herzog von Buckingham getötet, weil er es Ihnen selbst zweimal verweigerte, mich zum Kapitän zu machen. Ich bestrafte ihn ob dieses Unrechts, das ist alles.“ Lord Winter sah betroffen auf die Leute, die Felton fesselten, und wußte nicht, was er von einer solchen Unempfindlichkeit halten sollte.

Indes hatte sich nur eines gleich einer Wolke auf Feltons Stirn gelagert. Der naive Puritaner glaubte bei jedem Tritt, den Tritt und die Stimme Myladys zu vernehmen, die herbeieilte, um in seine Arme zu fallen, sich mit ihm anzuklagen und dem Verderben zu überliefern. Auf einmal erbebte er. Sein Blick war auf einen Punkt im Meere geheftet, das man von einer Terrasse aus beherrschte, auf der er sich befand. Er hatte mit dem Adlerblick eines Seemanns dort, wo ein anderer nichts als eine auf den Fluten sich wiegende Möwe erblickt hätte, das Segel der Schaluppe wahrgenommen, die in der Richtung nach der Küste Frankreichs steuerte. Er wurde blaß, griff mit der Hand nach seinem brechenden Herzen und fühlte, daß er verraten sei. „Eine letzte Gnade,“ sprach er zu dem Baron. „Was für eine?“ fragte dieser. „Wieviel Uhr ist es?“ Der Baron nahm seine Uhr hervor und sagte: „Neun Uhr, weniger zehn Minuten.“ Sonach hatte Mylady ihre Abfahrt um anderthalb Stunden vorgerückt. Als sie den Kanonenschuß hörte, der einen unglücklichen Vorfall im Schlosse anzeigte, ließ sie sogleich die Anker lichten. Die Barke schwamm unter blauem Himmel weit entfernt vom Ufer.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die drei Musketiere