Die Musketiere des Königs und die Garden des Herrn Kardinals.

D'Artagnan kannte niemand in Paris. Er begab sich also zu dem Rendezvous des Athos, ohne einen Sekundanten mitzubringen, und wollte sich mit denen begnügen, die sein Gegner gewählt haben würde. Außerdem war er fest entschlossen, gegen den wackeren Musketier jede gebührliche Entschuldigung, aber ohne alle Schwachheit, vorzubringen, indem er fürchtete, dieser Zweikampf könnte das zur Folge haben, was gewöhnlich das Resultat einer solchen Angelegenheit ist, wenn sich ein junger, kräftiger Mann mit einem verwundeten und geschwächten Gegner schlägt; wird er besiegt, so verdoppelt er den Triumph seines Widersachers, und siegt er, so beschuldigt man ihn der Pflichtverletzung und eines geringen Mutes.

Haben wir übrigens den Charakter unseres Abenteuers nicht schlecht dargestellt, so mußte der Leser bemerkt haben, daß d'Artagnan ganz und gar kein gewöhnlicher Mensch war. Obwohl er sich immerhin wiederholte, daß sein Tod unausweichlich sei, so gab er sich doch nicht darein, so ganz lautlos zu sterben, wie es wohl ein anderer Mann, der weniger Mut besaß, an seiner Stelle getan hätte. Ferner besaß d'Artagnan jene unerschütterliche Festigkeit des Entschlusses, die sich durch die Ermahnungen seines Vaters in seinem Herzen gebildet hatte, und darin bestand, von niemandem etwas zu erdulden, außer von dem König, dem Kardinal und Herrn von Tréville. Somit ging oder flog er dem Karmeliterkloster, einem Gebäude ohne Fenster, das am Rande dürrer Wiesen lag, einem Anhängsel des Pré-aux-Cleres, und zu Zweikämpfen gewöhnlich solchen Leuten diente, die keine Zeit zu verlieren hatten. Als nun d'Artagnan bei diesem kleinen Terrain ankam, wartete Athos erst seit fünf Minuten, und es schlug eben die Mittagsstunde. Er war somit pünktlich wie die Samaritanerin, und der strengste Kasuist hätte in bezug auf Duelle nichts einzuwenden gewußt. Athos, den seine Wunde noch immer furchtbar schmerzte, obgleich sie ihm der Wundarzt des Herrn von Tréville um neun Uhr verbunden hatte, saß auf einem Brunnenkorb und erwartete seinen Gegner mit jener ruhigen Haltung und würdigen Miene, die er stets bewies. Als er d'Artagnan kommen sah, stand er auf und ging ihm höflich einige Schritte entgegen. Auch dieser empfing seinen Gegner mit dem Hut in der Hand und seine Feder bis zur Erde streifend. „Mein Herr,“ sprach Athos, „ich habe es zweien meiner Freunde gemeldet, die mir als Sekundanten dienen werden; doch sind diese zwei Freunde noch nicht angekommen. Ich wundere mich, daß sie sich verspäten, da es sonst nicht ihre Gewohnheit ist.“


„Ich habe keinen Sekundanten, mein Herr!“ versetzte d'Artagnan, „denn da ich erst gestern in Paris ankam, so kenne ich hier niemanden außer Herrn von Tréville, dem mich mein Vater empfohlen hat, der die Ehre genießt, zu seinen Freunden zu gehören.“ Athos dachte ein Weilchen nach, dann sagte er: „Ihr kennet niemand, als Herrn von Tréville?“

„Ja, mein Herr, ich kenne bloß ihn.“

„Ha, doch!“ fuhr Athos fort, indem er halb zu sich, halb zu d'Artagnan redete; „wenn ich Euch töte, sehe ich aus wie ein Kinderfresser.“

„Nicht so ganz!“ entgegnete d'Artagnan mit einer Verbeugung, der es nicht an Würde fehlte: „nicht ganz so, da Ihr mir die Ehre erweiset, gegen mich den Degen mit einer Wunde zu führen, die Euch sehr beschwerlich sein muß.“

„Auf mein Wort, sehr beschwerlich! und ich muß sagen, Ihr habt mir teuflisch wehe getan, doch will ich die linke Hand nehmen, wie ich es unter solchen Umständen zu tun Pflege. Glaubt ja nicht, daß Euch damit eine Gnade geschieht, denn ich fechte gleichmäßig mit beiden Händen; es wird Euch sogar nachteilig sein: denn ein Linker ist sehr schwierig für diejenigen, die nicht darauf gefaßt und eingeübt sind. Es ist mir daher sehr leid, daß ich Euch diesen Umstand im voraus nicht bekanntgab.“ D'Artagnan verneigte sich von neuem und sagte: „Mein Herr, Ihr erzeigt mir in der Tat eine Artigkeit, für die ich Euch sehr verbunden bin,“

„Ihr beschämt mich,“ entgegnete Athos mit seiner edelmännischen Miene; „ich bitte, sprechen wir von etwas anderem, wenn es Euch nicht unangenehm ist. Ha, bei Gott! wie weh habt Ihr mir getan; es brennt mich noch die Schulter!“

„Wenn Ihr erlauben wollet,“ sagte d'Artagnan mit Schüchternheit. „Was, mein Herr?“

„Ich habe einen wunderbaren Balsam für Verwundungen, einen Balsam, den mir meine Mutter gegeben, und den ich schon an mir selbst erprobt habe.“

„Nun?“

„Nun, ich bin versichert, dieser Balsam würde Euch in weniger als drei Tagen herstellen, und wenn Ihr nach drei Tagen geheilt seid, so, wäre es mir immerhin eine große Ehre, mich nach Euren Wünschen zu richten.“ D'Artagnan sprach diese Worte mit einer Einfachheit, die seiner Artigkeit Ehre machte, ohne seinem Mute nahezutreten. „Beim Himmel,“ versetzte Athos, „das ist ein Vorschlag, der mir gefällt; ich nehme ihn zwar nicht an, doch man merkt daran auf eine Meile weit den Edelmann. Wir leben in der Zeit des Herrn Kardinals, und wie gut auch das Geheimnis bewahrt würde, so erführe man heute über drei Tage doch, daß wir uns schlagen sollen, wonach man sich unserm Kampfe widersetzen würde. Ha, daß die Saumseligen noch immer nicht kommen!“

„Wenn Ihr bedrängt seid mit der Zeit,“ sprach d'Artagnan zu Athos mit derselben Einfachheit, mit der er ihm einen Augenblick vorher den Vorschlag machte, den Zweikampf auf drei Tage hinauszuschieben, „wenn Ihr bedrängt seid und Belieben tragt, mich auf der Stelle abzufertigen, so tut Euch, ich bitte, keinen Zwang an.“

„Das ist wieder ein Wort, das mir wohlgefällt,“ sagte Athos mit einem anmutigen Nicken des Kopfes zu d'Artagnan. „Er ist nicht geistlos,“ dachte er, „und jedenfalls ein Mann von Herz.“

„Mein Herr!“ sprach er laut, „ich liebe Leute von Eurem Schlag, und sehe, wenn wir uns gegenseitig nicht töten, daß ich später an Eurem Umgang wieder Vergnügen finden werde. Warten wir auf diese Herren, ich habe hinlänglich Zeit, und so geschieht auch die Sache in der Ordnung. Ha, dort kommt ja einer, wie ich glaube.“ Am Ausgang der Gasse Baugirard zeigte sich wirklich die Riesengestalt des Porthos. „Was,“ rief d'Artagnan, „Euer erster Zeuge ist Porthos?“

„Ja, ist Euch das zuwider?“

„Ganz und gar nicht.“

„Da kommt auch der Zweite.“ D'Artagnan wandte sich nach der von Athos angedeuteten Seite hin und erkannte Aramis. Dann rief er in einem noch verwunderungsvollerem Ton als das erstemal: „Was, Euer zweiter Zeuge ist Herr Aramis?“

„Allerdings; wisset Ihr denn nicht, daß man niemals einen von uns ohne den andern sieht, und daß wir bei den Musketieren wie bei den Leibwachen, bei Hofe wie in der Stadt Athos, Porthos und Aramis, oder die drei Unzertrennlichen heißen? Da Ihr aber von Dax kommt, und von Pau...“

„Ich komme von Tarbes,“ fiel d'Artagnan ein. „So ist es Euch nachzusehen, daß Ihr nichts davon wisset,“ sagte Athos. „Meiner Treu!“ entgegnete d'Artagnan, „Eure Namen sind gut gewählt, meine Herren! und wenn mein Abenteuer einiges Geräusch verursacht, so wird es wenigstens beweisen, daß Eure Vereinigung nicht auf Widersprüchen beruhte.“ Mittlerweile hatte sich Porthos genähert und Athos mit der Hand begrüßt; als er sich dann gegen d'Artagnan wandte, war er ganz erstaunt. Nebenbei sagen wir, daß er sein Wehrgehänge gewechselt und den Mantel abgelegt hatte. „Ah!“ rief er; „ah! was ist das?“

„Ich schlage mich mit diesem Herrn, sagte Athos und zeigte mit der Hand auf d'Artagnan. „Auch ich schlage mich mit ihm,“ versetzte Porthos. „Aber erst in einer Stunde,“ antwortete d'Artagnan. „Und ich schlage mich gleichfalls mit diesem Herrn,“ sagte Aramis, der eben auf dem Platz ankam. „Doch erst „un zwei Uhr,“ sprach d'Artagnan mit derselben Ruhe. „Aber, Athos. warum schlägst du dich denn?“ fragte Aramis. „Meiner Treu, ich weiß es selbst nicht genau; er hat mir an der Schulter weh getan; und du, Porthos?“

„Meiner Treu! ich schlage mich, weil ich mich schlage,“ antwortete Porthos errötend. Athos, dem nichts entging, sah über die Lippen des Gascogners ein leises Lächeln hinschweben. „Wir hatten einen Hader in betreff des Anzugs,“ sagte der junge Mann. „Und du, Aramis?“ fragte Athos. „Ich – ich schlage mit aus einer theologischen Ursache,“ erwiderte Aramis, und bat zugleich d'Artagnan mit einem Winke, er wolle den Grund ihres Zweikampfes geheimhalten. Athos bemerkte, wie ein zweites Lächeln über d'Artagnans Lippen schwebte. „Wirklich?“ sagte Athos. „Ja, ein Punkt über den heiligen Augustin, worüber wir nicht einig sind,“ entgegnete der Gascogner. „Er ist offenbar ein geistvoller Mensch,“ murmelte Athos. „Da Ihr nun versammelt seid, meine Herren!“ sprach d'Artagnan, „so erlaubt mir, meine Entschuldigungen vorzubringen.“ Bei dem Worte Entschuldigungen glitt eine Wolke über Athos' Stirn hin, ein vornehmes Lächeln über Porthos' Lippen und ein verneinendes Zeichen war Aramis' Antwort. „Meine Herren! Ihr versteht mich nicht,“ sprach d'Artagnan, indem er sein Haupt erhob, worauf in diesem Moment ein Sonnenstrahl spielte, der die feinen und kühnen Linien vergoldete; „ich bitte euch um Entschuldigung, im Falle ich an alle drei meine Schuld nicht abtragen könnte; denn Herr Arthos hat das Recht, mich zuerst zu töten, das benimmt dem Wert Eurer Schuldforderung viel, Herr Porthos! und macht die Eure fast zunichte, Herr Aramis! und jetzt, meine Herren! ich wiederhole es, entschuldigt mich, aber nur in dieser Hinsicht, und nun ans Werk.“ Bei diesen Worten zog d'Artagnan seinen Degen, mit der ritterlichsten Gebärde, die man sehen konnte. Das Blut stieg ihm zu Kopf, und er hätte in diesem Augenblick den Degen wider alle Musketiere des Reiches gezogen, sowie er es tat gegen Athos, Porthos und Aramis. Es war ein Viertel nach zwölf Uhr. Die Sonne stand im Zenit, und das zum Kampfplatz ausgewählte Terrain war der ganzen Tageshitze ausgesetzt. „Es ist sehr heiß,“ sprach Athos, indem er gleichfalls seinen Degen zog, „und doch darf ich meinen Oberrock nicht ablegen. Ich merkte eben, daß meine Wunde wieder blute, und ich fürchtete den Herrn zu belästigen, wenn ich ihn Blut sehen ließe, das er nicht selbst zum Ausfluß gebracht hat.“

„Das ist wahr, mein Herr,“ versetzte d'Artagnan, „und ich versichere Euch, mag nun das Blut durch mich oder durch einen andern zum Ausströmen gebracht werden, daß ich es stets mit Leidwesen einem so wackeren Edelmann entströmen sehe; somit will auch ich im Wams kämpfen wie Ihr.“

„Also auf!“ sprach Porthos, „genug der Komplimente, bedenkt nur, daß wir warten, bis die Reihe an uns kommt.“

„Sprecht für Euch allein, Porthos, wenn Ihr solche Ungereimtheiten zu sagen habt,“ unterbrach ihn Aramis. „Was mich betrifft, so finde ich das, was sich diese Herren sagen, recht wohl gesprochen nnd durchaus würdig zweier Kavaliere.“

„Wenn es Euch genehm ist, mein Herr,“ rief Athos und nahm seine Stellung ein. „Ich warte auf Eure Befehle,“ sagte d'Artagnan und kreuzte die Klinge mit der des Gegners. Allein die zwei Stoßdegen hatten bei ihrer Berührung kaum noch geklungen, als sich an der Ecke des Klosters eine Kriegerschar von der Leibwache Sr. Eminenz zeigte, die Herr von Jussac anführte „Die Garden des Kardinals,“ riefen zugleich Porthos und Aramis. „Den Degen in die Scheide, meine Herren, den Degen in die Scheide!“ Es war aber schon zu spät. Man erblickte die zwei Kämpfenden in einer Stellung, die über ihr Vorhaben keinen Zweifel übrig ließ. „Holla!“ schrie Jussac, indem er vorschritt und seinen Leuten ein Zeichen gab, dasselbe zu tun. „Holla! Musketiere, also schlägt man sich hier? Und wie steht es mit den Edikten?“

„Meine Herren von der Garde! Ihr seid recht großherzig,“ sagte Athos voll Ingrimm, denn Jussac war zwei Tage vorher einer von den Angreifern gewesen. „Würden wir sehen, daß Ihr Euch schlägt, so bürge ich, daß wir uns hüten möchten, Euch daran zu verhindern. Lasset uns also gewähren und Ihr werdet eine Unterhaltung haben, die Euch gar keine Mühe kostet.“

„Meine Herren!“ erwiderte Jussac, „ich erkläre Euch mit großem Leidwesen, daß das unmöglich ist. Unsere Pflicht geht über alles; steckt gefälligst die Degen ein und folget uns!“

„Mein Herr!“ entgegnete Aramis, indem er Jussac parodierte, „wir würden Eurer holdseligen Aufforderung mit großem Vergnügen nachkommen, wenn es von uns abhinge; doch ist das leider unmöglich. Herr von Tréville hat es uns verboten. Geht also Eure Wege; das ist das beste, was Ihr tun könnt.“ Durch diesen Hohn ward Jussac erbittert. Er sagte: „Wir packen also an, wenn Ihr uns nicht Folge leistet.“

„Es sind ihrer fünf,“ flüsterte Athos, „und wir sind nur drei; wir werden abermals übermannt und bleiben auf dem Platze; denn ich sage Euch, als Besiegter trete ich nicht wieder vor den Kapitän.“ Athos, Porthos und Aramis näherten sich, während Jussac seine Soldaten in Reihe aufstellte. Dieser einzige Augenblick genügte d'Artagnan, seinen Entschluß zu fassen; war das einer der Vorfälle, die über das Leben eines Menschen entscheiden, so mußte eine Wahl getroffen werden zwischen dem König und dem Kardinal; und hatte er gewählt, so mußte er dabei verharren. Sich schlagen hieß wider das Gesetz handeln, hieß seinen Kopf daran setzen; kurz, es hieß sich einen höchst wichtigen Minister zum Feinde machen. Das sah auch der junge Mann ein, und wir müssen zu seinem Lob anführen, daß er nicht eine Sekunde lang Anstand nahm. Er wandte sich zu Athos und dessen Freunden und sprach: „Meine Herren, ich habe, wenn Ihr erlaubt, an Euren Worten etwas auszusetzen. Ihr habt gesagt, daß Ihr nur drei seid; mich dünkt aber, daß wir unser vier sind.“

„Ihr gehört aber nicht zu den unsrigen,“ entgegnete Porthos. „Allerdings,“ antwortete d'Artagnan, „zwar nicht dem Kleide, aber der Gesinnung nach. Ich bin im Herzen Musketier; das fühle ich, meine Herren, und, folge dem inneren Zuge.“

„Entfernt Euch, junger Mann,“ gebot Jussac, der ohne Zweifel die Absicht d'Artagnans aus seinen Mienen und Gebärden erraten hatte. „Ihr könnt Euch wegbegeben, wir erlauben es. Rettet Eure Haut und sputet Euch.“ D'Artagnan rührte sich nicht vom Platze. „Ihr seid ausgemacht ein vortrefflicher Junge!“ rief Athos und drückte dem jungen Manne die Hand. „Auf! Auf! Ans Werk!“ rief Jussac. „Auf!“ sprachen Porthos und Aramis; „hier heißt's handeln.“

„Der Herr ist voll des Edelmutes,“ sagte Athos. Doch bedachten alle drei d'Artagnans Jugend und fürchteten, er sei im Kampfe noch unerfahren. „Wir sind doch nur drei, darunter ein Verwundeter und ein Knabe,“ sprach Athos, „und doch wird es heißen, daß wir vier Männer waren.“

„Ja, aber zurückweichen,“ versetzte Porthos. „Das hält schwierig,“ entgegnete Athos. „Das ist unmöglich,“ sagte Aramis. D'Artagnan begriff ihre Unentschlossenheit und rief: „Meine Herren, stellt mich immerhin auf die Probe, ich schwöre euch auf meine Ehre, daß ich nicht vom Platze weiche, wenn wir besiegt sind.“

„Wie nennt Ihr Euch, mein Wackerer?“ fragte Athos. „D'Artagnan, mein Herr!“

„Nun, Athos. Porthos, Aramis und d'Artagnan vorwärts!“ rief Athos. „Gut. meine Herren, habt Ihr Euern Entschluß gefaßt?“ rief Jussac zum drittenmal. „Allerdings,“ sagte Athos. „Und was habt Ihr beschlossen?“ fragte Jussac. „Wir werden die Ehre haben, Euch anzugreifen,“ erwiderte Aramis, indem er mit der einen Hand den Hut, mit der andern den Degen schwang. „Wie, Ihr wollt Euch widersetzen?“ rief Jussac. „Blitz und Wetter, Ihr erstaunt darüber?“ Und die neun Kämpfer drangen mit Wut in einer gewissen Schlachtordnung aufeinander ein.

Athos nahm einen gewissen Cahusac auf sich, einen Günstling des Kardinals; Porthos kämpfte mit Biscarrat, und Aramis stand zwei Kämpfern gegenüber. D'Artagnan hatte es mit Jussac selber zu tun. Das Herz des jungen Gascogners schlug, als sollte es ihm die Brust zersprengen, doch nicht aus Angst, davon hatte er keinen Schatten, sondern aus Ereiferung; er kämpfte wie ein wütender Tiger, drehte sich zehnmal um seinen Gegner und veränderte zwanzigmal seine Stellung und seinen Platz. Jussac war, wie man damals zu sagen pflegte, ein Klingenlenker, und hatte große Übung, er konnte sich jedoch nur mit der größten Anstrengung wider einen Gegner halten, der rasch und gewandt jeden Augenblick von den Regeln der Kunst absprang, von allen Seiten zugleich angriff, während er dabei die Streiche als ein Mann abwehrte, der für seine Haut die größte Achtung hegt. Jussac wollte die Sache beschließen und führte einen entsetzlichen Streich nach seinem Gegner; allein dieser parierte Prime, und während sich Jussac wieder aufrichtete, stieß er ihm, wie eine Schlange unter der Klinge hingleitend, den Degen durch den Leib; Jussac stürzte schwerfällig zur Erde. D'Artagnan warf nun einen unruhigen und raschen Blick auf den Kampfplatz. Schon hatte Aramis einen seiner Gegner durchbohrt, doch der andere setzte ihm lebhaft zu. Aber Aramis nahm eine gute Stellung und konnte sich noch verteidigen. Biscarrat und Porthos wechselten ihre Hiebe. Porthos bekam einen Degenstich durch den Arm und Biscarrat mitten durch den Schenkel. Da jedoch weder die eine noch die andere Wunde schwer war, setzten sie ihren Zweikampf um so erbitterter fort. Athos, der von Cahusac aufs neue verwundet wurde, erbleichte sichtlich, doch wich er keinen Zoll breit; er nahm bloß den Degen in die andere Hand und kämpfte mit der linken. D'Artagnan durfte nach den damaligen Duellgesetzen einem andern Hilfe leisten; er spähte nach demjenigen seiner Gefährten, der seines Beistandes bedurfte, und sein Blick haftete auf Athos. Dieser Blick war im höchsten Grade beredt. Athos wäre lieber gefallen, als daß er um Hilfe rief, doch konnte er sich umsehen und mit dem Blick Unterstützung verlangen. D'Artagnan erriet ihn, tat einen Satz, fiel Cahusac zur Seite und rief: „Auf mich heran, mein Herr, oder ich muß Euch durchbohren.“ Cahusac wandte sich, es war Zeit. Athos, den bloß sein übermäßiger Mut noch hielt, sank auf ein Knie. „Bei Gott!“ rief er d'Artagnan zu, „tötet ihn nicht, junger Mann, ich bitte Euch, ich habe mit ihm eine alte Geschichte abzutun, wenn ich genesen und wieder bei Kräften bin. Entwaffnet ihn bloß, und sperrt ihm den Degen. So ist's recht, ganz gut!“ Dieser Ausruf wurde Athos erpreßt durch Cahusac's Degen, der zwanzig Fuß weit von ihm wegsprang. D'Artagnan und Cahusac stürzten sich zusammen auf ihn, der eine wollte ihn ergreifen, der andere sich seiner bemächtigen; doch kam d'Artagnan, als der raschere, schneller an und stellte seinen Fuß darüber. Cahusac lief nun zu dem Manne hin, den Aramis getötet hatte, bemächtigte sich seines Stoßdegens, und wollte wieder auf d'Artagnan eindringen; doch auf diesem Wege begegnet er Athos, der während dieser augenblicklichen Pause Atem geholt hatte, und den Kampf aufs neue begann, aus Furcht, d'Artagnan möchte ihm seinen Gegner erlegen. D'Artagnan sah ein, er würde Athos beleidigen, wenn er ihn nicht gewähren ließe. Einige Sekunden darauf stürzte Cahusac wirklich zu Boden, die Kehle von einem Degenstich durchbohrt. In diesem Moment setzte Aramis seinem niedergestreckten Gegner den Degen auf die Brust, und zwang ihn, um Gnade zu flehen. Noch waren Porthos und Biscarrat übrig. Porthos machte während des Kämpfens tausenderlei Prahlereien, indem er Biscarrat fragte, wieviel Uhr es Wohl sei, und ihm gratulierte wegen der Kompagnie, die sein Bruder bei dem Regiment Navarra erhalten, doch gewann er bei all diesen Spöttereien keinen Vorteil. Biscarrat war einer von jenen eisernen Männern, die erst fallen, wenn sie tot sind. Indes mußte man ans Ende kommen. Die Wache konnte heranrücken und alle Kämpfer verhaften, verwundet oder nicht, Royalisten oder Kardinalisten. Athos, Aramis und d'Artagnan bedrängten Biscarrat, und forderten ihn auf, sich zu ergeben. Obwohl er allein war gegen alle und den Schenkel durchstochen hatte, so wollte er sich doch noch halten; allein Jussac, der sich auf seinen Ellbogen gestützt hatte, rief ihm zu, sich zu ergeben. Biscarrat war wie d'Artagnan ein Gascogner, er stellte sich taub, lachte, und indem er mit seiner Degenspitze eine Stelle auf dem Boden bezeichnet hatte, zitierte er einen Vers aus der Bibel: „hier wird Biscarrat sterben, der einzige aus denen, die bei ihm sind.“

„Sie sind aber vier, vier gegen dich; hör' auf, ich befehle es dir.“

„Ah, wenn du es befiehlst, so ist es etwas anderes,“ entgegnete Biscarrat; „da du mein Brigadier bist, so muß ich gehorchen.“ Er tat einen Sprung rückwärts, zerbrach seinen Degen über dem Knie, um ihn nicht ausliefern zu müssen, schleuderte die Stücke über die Klostermauern, pfiff eine Arie und kreuzte die Arme. Der Mut wird immerhin geachtet, selbst bei einem Feinde. Die Musketiere begrüßten Biscarrat mit ihren Degen und steckten sie dann in die Scheide. D'Artagnan tat desgleichen, sodann trug er mit Hilfe Biscarrats, der allein aufrecht geblieben war, Jussac, Cahusac und jenen Gegner des Aramis, der nur eine Wunde bekommen, unter den Säulengang des Klosters. Der Vierte war tot, wie schon gesagt wurde, hierauf läuteten sie die Glocke und begaben sich, nachdem vier Degen über fünf den Sieg errungen, wonnetrunken nach dem Hotel des Herrn von Tréville. Man sah sie Arm in Arm gehen, die ganze Breite der Straße einnehmen, und jeden Musketier, dem sie begegneten, herbeirufen, so daß zuletzt ein völliger Triumphzug daraus wurde. D'Artagnans Herz schwamm in Wonnetrunkenheit, er schritt zwischen Athos und Porthos, und drückte sie sanft an sich. Als er über die Türschwelle im Hotel des Herrn von Tréville trat, sprach er zu seinen neuen Freunden: „Wenn ich auch noch nicht wirklich Musketier bin, so bin ich doch mindestens schon als Lehrling angenommen, nicht wahr?“


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die drei Musketiere