Zeugnisse

Über einzelne jüdische Kämpfer aus jener Zeit sind manche Zeugnisse aufbewahrt. Zunächst ein solches von Willibald Alexis, das so lautet: ,,Gedacht sei hier noch eines anderen Kameraden, an den mich die politischen Fragen der Gegenwart lebhaft wieder erinnern:. Ein kleiner untersetzter schwarzer Mann, nicht schön, und in seinem Wesen nichts von einem Gentleman. Wenn er nicht die Büchse trug, waren seine Waffen Schere und Nadel, und er säumte auch nicht in jedem Quartier, wenn er vom Dienste frei war, die Beine übereinanderzuschlagen und den Faden zu wichsen. Unsere Uniformstücke verdanken ihm, daß sie noch so erträglich aushielten, wenigstens wenn sie Miene machten auseinanderzugehen, war er es, der sie zu ihrer Pflicht fürs Vaterland zurücknötigte. Aber er stand trotz seiner Unansehnlichkeit in großem Ansehen und bei den Hänseleien, die im kameradschaftlichen Leben unvermeidlich sind, wagte sich niemand ihm zu nahen; denn es war bekannt, daß er sich im vorigen Feldzuge tapfer gehalten hatte und mehrmals verwundet war, wovon seine Hand Zeugnis ablegte. Er hieß Schwarzbraun und war ein Jude.“ Sodann ein Zeugnis von Franz Naumann, aus dem hervorgeht, wie schwer es den Juden gemacht wurde, ihrer Pflicht zu genügen: ,,Unter der Kompagnie freiwilliger Jäger, der ich 1815 angehörte, waren zwei Juden. Der eine, vielfach geneckt, warf sich bei dem ersten Kampfe mit dem größten Heldenmute auf den Feind und forderte seine Quälgeister auf, ihm dorthin zu folgen. Von mehreren Kugeln getroffen, lag er bald auf offener Straße. Er wurde gerettet, mußte aber dann sein ganzes Leben lang auf zwei Krücken gehen. Der andere, von feinem und einnehmendem Wesen, fiel bei Ligny.“ Ein drittes Zeugnis, erst kürzlich am 1. September 1915, von der Vossischen Zeitung aus der Nummer vom 9. Dezember 1815 wiederholt, lautet so:

,,Louise Grafemus (eigentlich Esther Manuel, aus Hanau gebürtig, 30 Jahre alt, jüdischer Abkunft und Religion), Witwe des Wachtmeisters Grafemus im Regiment Konstantin Garde-Ulanen, wollte ihrem Manne, der sie und zwei Kinder verlassen hatte, im Jahre 1813 nach Schlesien nachziehen, entschloß sich aber, in der Hilflosigkeit, worin sie sich befand, als sie Berlin erreicht hatte, selbst Kriegsdienst zu nehmen, welches ihr um so leichter ward, als sie in Manneskleidern reisete. Sie trat daher in das Königsberger 2. Landwehr-Ulanen-Regiment, unter dem Major von Herrmann, machte die Feldzüge von 1813 und 1814, erst als Freiwilliger, zuletzt als Wachtmeister mit, wurde zweimal verwundet, bei Jüterbog am Fuße und in der Gegend von Metz, erhielt auf dem Marsche durch Holland im Armeekorps des Generals Grafen Bülow von Dennewitz das Eiserne Kreuz, traf unvermutet am 29. März 1814 mit ihrem Manne (der noch immer in russischen Diensten stand) bei Montmartre zusammen, verlor ihn aber schon am folgenden Tage durch eine Kanonenkugel. Mit ehrenvollen Wunden und Auszeichnungen bedeckt, mit ehrenvollsten Zeugnissen des Wohlverhaltens entlassen, ist sie seitdem vom Regiment abgegangen und kehrt nun, nach einigem Aufenthalt in Berlin, nach Erfurt oder Hanau, ihrer Heimat, zu ihren Kindern zurück. Möge sie dort ihre Mutterpflichten mit eben der Treue erfüllen, die ihr als Krieger den Beifall Sr. Majestät des Königs und des preußischen Heeres erwarb! Möge ihr aber auch allgemeine Teilnahme werden und Unterstützung von vielen Wohlwollenden und Edeln, damit sie, ihrer vorigen Lebensbahn zurückgegeben, im Stande sey, sie zu ihrem und ihrer Kinder Glücke heiter und sorgenfrei zu durchlaufen.“


Gleichfalls in neuester Zeit ist Folgendes bekannt geworden. In Gnoien, einer kleinen mecklenburgischen Stadt, wurde am 25. März zur Stellung freiwilliger Mannschaft aufgefordert. Es meldeten sich sogleich vier, unter denen sich 1 Jude befand. Der Magistrat bat den Herzog Friedrich Franz I. ,,daß bei Besetzung der Offiziersstellen auf die Freiwilligen Rücksicht genommen und jeder, der sich durch Kenntnisse und gute Aufführung dazu qualifiziere, ohne Unterschied der Geburt und Religion dazu fähig sein sollte. Wirklich wurde auch der Jude Salomon Rose gleich zum Unteroffizier gemacht und ihm ein Avancement in Aussicht gestellt. Daß auch die mecklenburgischen Juden sich im Kriege bewährt haben, geht aus dem Schreiben des Regierungsrat v. Lützow, 7. August 1828 hervor, in dem es heißt: ,,Es hat sich nirgends ergeben, daß die Juden die vollen Rechte der Staatsbürger zu erfüllen nicht imstande wären, vielmehr haben sie in Zeiten der Gefahren unter Opfern für die Erhaltung des Vaterlandes mit den Christen geeifert.“

Ein anderer, ein Schlesier, Siegmund Pleßner aus Pleß muß sich besonders im Kriege ausgezeichnet haben; nach den Worten seines obersten Kriegsherrn: ,,Gewisser Lohn wird treffen den, der sich auszeichnet“ erhielt er später im Frieden die Stelle eines Mathematiklehrers in Erfurt und bekam bei seinem Abschied den Hauptmannsrang. (Allgemeine Zeitung des Judentums 1913 S. 402).

Außer den Vielen, die eiserne Kreuze erhielten, empfing einer, der Hofagent Simon Kremser (gestorben 1851 in Breslau) den Orden pour le mèrite. Indessen war er nicht Soldat, sondern Kommissar des Fürsten Blücher. Er hatte unter großen Gefahren dem Fürsten in der allgemeinen Sache des Vaterlands große Dienste geleistet. (Kremser ist übrigens der Begründer der Berliner Omnibusse, die vom Brandenburger Tore aus Personen nach den umliegenden Dörfern befördern. Durch diese Wagen ,,Kremser“ ist der Name des Begründers dieser Einrichtung, wenigstens in Berlin, unsterblich geworden.)

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die deutschen Juden und der Krieg