Die deutschen Auswanderer - Antwerpen im Juni 1842

Autor: anonym aus: Die Grenzboten: Zeitschrift für Politik, Literatur und Kunst, Erscheinungsjahr: 1842
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Deutsche Auswanderer, Antwerpen, Amerika, Auswanderung
Aus: Die Grenzboten. Eine deutsche Revue. Zweiter Jahrgang. Erstes Semester. 1842. Redigiert von Kuranda, J. Unter Mitwirkung der deutschen Schriftsteller: Karl Andree, Berthold Auerbach, Karl Beck, Baron A. von Bülow, Theodor Creizenach, Lorenz Diefenbach, F. Dingelstedt, J. Fester, Ludwig August Frankl, Carl Gutzkow, Heinrich Heine, J. Kaufmann, Heinrich Koenig, Gustav Kühne, Heinrich Laube, Harrmann Marggraf, H. Merz, Julius Mosen, Theodor Mügge, R. E. Prutz, L. Schefer, H. Schiff, G. Schirges, Theodor Schliephake, Baron von Sternberg, J. Venebey, Van Hasselt, A. Weill, Ernst Willkomm.
Im Laufe dieser Woche haben abermals drei Segelschiffe unsern Hafen verlassen, welche an sechshundert deutsche Auswanderer nach Amerika führten. Es sind meist Familien, denn Kleidung und sonstiges Eigentum, das sie mit sich fuhren, auf eine gewisse Wohlhabenheit schließen lässt; der ganz armen bemerkt man wenige unter ihnen. Bisweilen begleiten auch Geistliche diese Gesellschaft. Alle diese Leute kommen von Köln und benutzen die Eisenbahn, um sich nach Antwerpen zu begeben; die belgische Regierung hat, wie es heißt, den Preis der Fahrt auf der Eisenbahn für sie herabgesetzt. Leider ist für die Meerfahrt keine solche Rücksicht ihnen geschenkt worden. Die Schiffe, welche diese Woche mit deutschen Auswanderern unter Segel gingen, waren sehr unvollkommen ausgerüstet. Ich habe mich aus Teilnahme an Bord eines solchen Schiffes begeben, und konnte mich eines tiefen Mitleids nicht erwehren. Die Räume warm unverhältnismäßig eng, und die Reisenden im untersten Schiffsraume eingepfercht. Um Ausgaben zu ersparen, hatten alle diese Schiffe, statt mit neuen Wasserfässern sich zu versehen, größtenteils alte Öl, und Weinfässer angekauft, um das Trinkwasser darin aufzubewahren. Obschon diese Fässer gereinigt und ausgewaschen worden sind, so ist doch der Öl- und Weinsteingeschmack nicht ans dem Holze herauszubringen gewesen, und es unterliegt keinem Zweifel, dass das Trinkwasser dadurch verdorben, wo nicht gänzlich unbrauchbar wird, so dass die armen Leute während der langen Fahrt an dem Allernötigsten Mangel leiden werden. Wie ich aus sicherer Quelle höre, so hat man die hiesigen Behörden auf diesen Missbrauch aufmerksam gemacht, und diese werden von nun an ein überwachendes Auge auf diese Transportschiffe richten. Nichtsdestoweniger kann man sich der traurigen Gedanken nicht erwehren, wenn man das ungewisse Los dieser Auswanderer betrachtet. Man hat die Zahl der deutschen Emigranten, die sich auf diese Weise in den letzten Monaten hier einschifften, auf 1.500 bis 2.000 angerechnet. Alle diese Leute sind von Seiten ihrer resp. Regierungen nur mit einfachen Pässen versehen; um ihre Zukunft kümmert sich der Staat nicht; das deutsche Mutterland sieht gleichgültig so viele fleißige und arbeitsame Menschen aus seinen Marken ziehen, und weder die Menschenliebe noch das Nationalinteresse findet sich dadurch zu irgend einer Maßregel angeregt. Baron Bülow, ein Anverwandter des bekannten preußischen Publizisten, der sich seit einiger Zeit in Belgien niedergelassen, hat so eben einen Bericht über diesen Gegenstand an ein Mitglied des preußischen Staatsministeriums eingesendet. Zugleich ist derselbe mit der Abfassung einer Schrift beschäftigt, welche diese Angelegenheit sowohl von dem Gesichtspunkte der Staatsökonomie, als der Humanität beleuchtet, und Umrisse zu einem deutschen Kolonisationssystem entwirft. Diese Schrift soll nächstens im Druck erscheinen, und der Verfasser wartet hier zu das Gutachten Alexanders von Humboldt ab, dem er einen Auszug aus derselben zur Beurteilung vorlegen ließ.