Die deutsche überseeische Auswanderung seit 1871 unter besonderer Berücksichtigung der Auswanderung nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika.

Ein volkswirtschaftlicher Beitrag zur Geschichte der deutschen Auswanderung.
Autor: Josephy, Fritz Dr. (?-?), Erscheinungsjahr: 1912
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Auswanderung, Auswanderer, Deutschland, Amerika, USA, Vereinigte Staaten, Auswanderungsschiffe, Auswanderungshäfen, Auswanderungsländer, Auswanderungsgründe, Auswanderungsagenten
Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der hohen Philosophischen Fakultät der Friedrich–Alexanders-Universität Erlangen vorgelegt von FRITZ JOSEEPHY
aus Berlin. Tag der mündlichen Prüfung: 3. Juli 1912.

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Inhaltsverzeichnis
Einleitung. § .1.

Gegenstand dieser Darstellung ist die deutsche überseeische Auswanderung seit der Gründung des Deutschen Reiches unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Auswanderung nach den Vereinigten Staaten.

Die überseeische Auswanderung ist eine Teilerscheinung der gesamten Wanderbewegung, die in der Neuzeit bei allen großen Völkern in die Erscheinung tritt. Die deutsche Wanderbewegung der Gegenwart findet freilich viel mehr ihren Ausdruck in den Binnenwanderungen vom Lande zur Stadt und zwischen den verschiedenen Städten und Industriezentren. Sie sind das typische Charakteristikum des Industriestaates. Ihrem Wesen nach stellen die Binnenwanderungen des Industriestaates sich als die Ausgleichstendenz auf dem modernen Arbeitsmarkte dar und sind (ihrem Charakter nach) vorzugsweise proletarische Wanderungen 1). Ihren Ursachen und wirtschaftlichen Zielen nach unterscheiden sie sich freilich in keiner Weise von der modernen Auswanderung. Wenn wir im folgenden die überseeische Auswanderung und von dieser wieder ganz speziell die überseeische Auswanderung nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika zum Gegenstande der Darstellung machen, so geschieht das aus folgenden Gründen: Zunächst aus einem formalen Grunde: während die statistischen Erhebungen der Binnenwanderungen bisher noch sehr unvollkommen und lückenhaft und nicht einheitlich durch eine offizielle Statistik festgestellt werden, weil man ihnen überhaupt erst in der neueren Zeit eine größere Aufmerksamkeit zuwendet 2), besitzen wir für die überseeische Auswanderung eine relativ gut gegliederte einheitliche Statistik, namentlich seit der Gründung des Deutschen Reiches. Mit Hilfe dieser Reichsstatistik lassen sich ziemlich sichere Ergebnisse für das deutsche überseeische Auswanderungsproblem gewinnen. Sodann bietet die deutsche überseeische Auswanderung in ihrem bisherigen Verlaufe auch deswegen ein besonderes Interesse, weil sich, wie dieses noch weiter auszuführen ist, eine direkte Wechselbeziehung zwischen ihr und dem jeweiligen Stande des deutschen Wirtschaftslebens nachweisen lässt. Ja, es gibt kaum eine Erscheinung im Volksleben, die dem Nationalökonomen einen so guten Anhaltspunkt für die Erforschung der wirtschaftlichen Entwicklung und deren Einfluss auf das gesamte Volksleben bietet als die Auswanderung 3).

1) Bauer, Proletarische Wanderungen. Neue Zeit, Jahrg. 1907.
2) Conrad, Statistik S. 205 ff .
3) Ebenso, Franz Heyder, Beiträge S. 1.


Die deutsche Auswanderung 4) kann freilich auch noch von verschiedenen anderen Standpunkten aus betrachtet werden. In der deutschen Auswanderungs-Literatur überwiegt bis in die jüngste Gegenwart noch die rein nationale Betrachtungsweise. Diese Tatsache ist begreiflich unter dem gewaltigen Eindruck, den die Reichsgründung auf das völkische Empfinden allenthalben ausgeübt hat. Doch wird zugegeben, dass dieser in einseitiger Weise hervorgekehrte Standpunkt der deutschen Auswanderung nicht in umfassender Weise gerecht werden kann. Einige Autoren wählten daher schon in den 80er Jahren in richtiger Erkenntnis des eigentlichen Wesens der Auswanderung einen über die nationalpolitische Betrachtungsweise hinausgehenden Standpunkt und fassten die deutsche Auswanderung vornehmlich auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten auf 5). Als weltwirtschaftliches Problem wird sie erst in der neuesten Zeit betrachtet 6). Unter biologischen Gesichtspunkten behandelt die Auswanderungsfrage Rauber 7), und er kommt in dieser Beziehung zu recht interessanten Schlussfolgerungen Und Ausblicken für die deutsche Auswanderung. Überhaupt hat die Auswanderungsfrage im allgemeinen, und oft auch unter Beschränkung auf die Auswanderung eines bestimmten Staates, aber doch meist unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Auswanderung, in jüngster Zeit eine weitere Vertiefung erfahren. Das kommt am besten darin zum Ausdruck, dass eine jede der durch fünf Fakultäten vertretenen Wissenschaften die Auswanderungsfrage zum Gegenstand ihrer Betrachtung gemacht hat, was um so mehr zu verstehen ist, als ihre Vertreter zum; Teil auch praktisch, d. h. aktiv an der Auswanderung beteiligt sind.

4) Unter Auswanderung ist im folgenden der Kürze wegen immer die deutsche überseeische Auswanderung verstanden, soweit nicht der Zusammenhang ein anderes ergibt.
5) So insbesondere u. a. von Eheberg, Auswanderung. Vor ihm schon Kapp, Jannasch u. a.
6) Karl Rathgen, die Auswanderung als weltwirtschaftliches Problem 1907.
7) Weibliche Auswanderung und ihr Verhältnis zu einer biologisch begründeten Bevölkerungspolitik. Leipzig 1901.


Die Theologie interessiert sich für die Auswanderung vom pastoralen, vom Missions- und vom karikativen Standpunkte 8),
die Juristen von dem der Gesetzgebung, der Verwaltung und der Politik 9),
die Mediziner vom anthropologischen der Rasse und Rassenveränderung 10),
die Philosophen vom historischen 11), soziologischen 12) und geographischen 13),
die Staatswissenschaft vom volks- und weltwirtschaftlichen Standpunkte 14).

8) Vgl. z. B. verschiedene Schriften und Broschüren des Charitas-Verbandes über die Auswanderung aus den Jahren 1909 und 1910.
9) Vgl. z. B. die Kommentare zum deutschen Auswanderungsgesetz von 1907 von Goetsch, Störck und Grotefend, E. Franke, das deutsche Auswanderungsgesetz, im Archiv für soziale Gesetzgebung, 1907. Bendix. Fahnenflucht und Verletzung der Wehrpflicht durch Auswanderung, Leipzig 1906 (Bd. V der Staats- und völkerrechtlichen Abhandlungen von Jellinek und Meyer-Anschütz).
10) Vgl. z. B. Rauber, Weibliche Auswanderung.
11) Vgl. z. B. Helmölt, H. Fr., Weltgeschichte IX. Bd. (Viktor Hantzsch, die deutsche Auswanderung), S. 213—255.
12) Sartorius v. Waltershausen, Aus- und Einwanderung und die Lehre von der gesellschaftlichen Auslese. Zeitschr. f. Soz.-Wissenschaft 1909, S. 637 ff.
13) Vgl. z. B. Brückner, E., Klimaschwankungen und Völkerwanderungen im XIX. Jahrhundert. Internat. Wochenschr. 1910, S. 289 ff., 331 ff.
14) Vgl. das allgemeine Literaturverzeichnis.


Diese Abhandlung setzt sich vornehmlich den Zweck, die deutsche Auswanderung volkswirtschaftlich zu betrachten, und besonders die wirtschaftlichen Ursachen derselben zur Darstellung zu bringen, weil die wirtschaftlichen Momente, wie ja auch in der deutschen Auswanderungsliteratur allseitig betont wird, die Hauptursachen derselben in der Gegenwart bieten, und bisher eine eingehende Darstellung nicht gefunden haben.

Die Arbeit will sich ferner darauf beschränken, vorzugsweise die deutsche Einwanderung in die Vereinigten Staaten in ihren Ursachen Und Wirkungen zu verfolgen. Der gesamte geschichtliche Verlauf der deutschen Auswanderung zeigt ja, dass die Vereinigten Staaten das fast ausschließliche Ziel der Deutschen, wie heute, so auch schon in der Vergangenheit, gewesen sind, und voraussichtlich auch für die nächste Zukunft noch bleiben werden, falls nicht, wie dies zu wünschen wäre, eine zielbewusst-organisierte Ableitung nach anderen Ländern erfolgen sollte.

Freilich kann die moderne deutsche Auswanderung nicht vollständig verstanden werden, wenn sie aus ihrem geschichtlichen Zusammenhang losgelöst wird.

Deshalb müssen wir kurz einleitend auch die Geschichte der deutschen Auswanderung vor der Gründung des Deutschen Reiches in ihren Grundzügen verfolgen.


                              Inhaltsangabe.

I. Einleitung (§1)
Geschichtlicher Überblick (§2)

II. Hauptteil: Die deutsche Auswanderung, insbesondere nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika, seit der Gründung des Deutschen Reiches (1871)

1. Abschnitt: Statistische Hilfsmittel zur Orientierung über die deutsche Auswanderung (§3)
Überblick über die deutsche Auswanderung seit 1871 (§ 4)

2. Abschnitt: Ursachen der deutschen Auswanderung
Allgemeines und Übersicht (§5)
Die subjektiven Ursachen der deutschen Auswanderung (§6)
Die objektiven Ursachen der Auswanderung (§7)
Die wirtschaftlichen Ursachen der Auswanderung insbesondere.

I. Überblick über die deutsche Wirtschaftsgeschichte seit der Gründung des Deutschen Reiches (§8)

II. Überblick über die Schwankungen der deutschen Auswanderung (§9)

III. Gliederung der deutschen Auswanderung nach Herkunftsgebieten und Berufen (§10)

3. Abschnitt: Die Ziele der deutschen Auswanderer (§11)
I. Die Vereinigten Staaten
II. Die übrigen Wanderziele der Deutschen
1. Die nicht-union-staatlichen amerikanischen Wanderziele
2. Die übrigen nichtamerikanischen Wanderziele
3. Die deutsche Auswanderung nach England

4. Abschnitt: Über die Bedeutung der deutschen Auswanderung (§12)
I. Die bevölkerungspolitische Seite der deutschen Auswanderung
II. Die volkswirtschaftliche Seite der deutschen Auswanderung
Schluss:
Auswanderungspolitik (§13)

New York - Coney Island

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New York - East River

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New York - Hafen 1

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New York - Hafen

New York - Hafen

New York - Hafen-Kai

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New York - Hudson-River-Kanal

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New York - Kreuzung Fünfte Straße

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New York - Umland, Bauern beim Pflügen

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New York - Umland, Farmhaus

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New York - Jamaica-Bay

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New York - The Old Coney Island

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