Richtigstellungen. I. Gustav Noske (1868-1946)
Dagegen, dass in englischen Propagandaschriften, die den Zweck haben, für Raub der deutschen Kolonien Stimmung zu machen, Ausführungen von mir, die ich vor Jahren im Reichstag gemacht habe, als Beweis dafür angeführt werden, einer deutschen Verwaltung dürften tropische Gebiete aus Rücksicht auf das Schicksal der Eingeborenen nicht wieder anvertraut werden, lege ich energisch Verwahrung ein. Von derselben Reichstagstribüne, von der ich öfter Zustände in den deutschen Schutzgebieten scharf kritisiert habe, setze ich mich ebenso energisch dafür ein, dass die deutschen Kolonien beim Friedensschluss unbedingt an Deutschland zurückgegeben werden müssen, nicht zum Zwecke der Förderung kapitalistischer Profite, sondern weil die Rücksichtnahme auf die Interessen der deutschen Arbeiterschaft es gebietet.
Es liegt kein Anlass dazu vor, beschönigen zu wollen, dass in den Anfängen der deutschen Kolonialpolitik mancherlei gesündigt worden ist. Solche Fehler und Mängel sind im Reichstage von Wortführern der sozialdemokratischen Fraktion, wiederholt auch von mir selbst, scharf kritisiert worden. Wem es auf die Beseitigung von Missständen ankommt, schiebt diese naturgemäß in den Vordergrund des Interesses und nimmt in der Regel davon Abstand, daneben auch darüber zu sprechen, was einwandfrei ist oder gutgemacht wurde, weil das meistens sowieso bekannt ist. Mit Genugtuung kann festgestellt werden, dass die im Reichstag geübte Kritik beträchtlichen Erfolg gehabt hat. Die Verwaltung der deutschen Kolonien ist immer besser geworden, weil man einsehen gelernt hatte, dass die Förderung der eingeborenen Bevölkerung die Voraussetzung für eine gedeihliche Entwicklung der Schutzgebiete ist. Das ist keine Behauptung, die ich erst jetzt aufstelle, wo die Frage um den zukünftigen Besitz der deutschen Kolonien die Gemüter in Deutschland und England lebhaft bewegt, sondern ich kann den urkundlichen Nachweis dafür erbringen, dass ich diese Auffassung auch schon vor dem Kriege vertreten habe.
In meinem Buche „Kolonialpolitik und Sozialdemokratie“, das im Mai 1914 im Verlag von J. H. W, Dietz, Nachf., Stuttgart, erschienen ist, habe ich ausführlich behandelt, was nach meiner und meiner Parteigenossen Ansicht in den Kolonien noch zu bessern sei, aber auch eine Menge Material dafür angeführt, wie erfreulicherweise allmählich ein durchaus verständiger Geist in der deutschen Kolonialpolitik zur Geltung komme. Es ist nicht wahr, dass in den deutschen Schutzgebieten allgemein geschossen und die Bevölkerung dezimiert worden ist. Beträchtliche Zeit vor dem Kriege war es Leitgrundsatz der deutschen Kolonialpolitik geworden, dass der Eingeborene der wichtigste Besitz in den Schutzgebieten sei. Von Ausnahmefällen abgesehen, ist auch darnach verfahren worden.
Nach der Befriedung von Kamerun und Ostafrika sind nennenswerte Kämpfe mit den Eingeborenen nicht mehr ausgefochten worden. In Togo wurde seit 1900 auf die Eingeborenen kein Schuss mehr abgegeben. Im letzten amtlichen Verwaltungsbericht für die Zeit vom April 1912, b?s Apr?l 1913 war über Aufstände und Kriegszüge nichts zu berichten. Als die Übernahme von Neukamerun erfolgte, befürchtete die Verwaltung bei draufgängerischem Vorgehen den Ausbruch eines großen Aufstandes. Die ausrückenden Besatzungstruppen erhielten vom Gouvernement deshalb einen Befehl mit auf den Weg, in dem es hieß: „Schüsse aus dem Busch bedeuten durchaus nicht immer Feindseligkeit; eine gute Truppe müsse es über sich gewinnen, auch auf sich schießen zu lassen, ohne das Feuer zu erwidern.“
Dass die deutschen Beamten, die anfänglich ohne kolonisatorische Erfahrung in die Schutzgebiete gingen, manche Fehler gemacht haben, wird niemand leugnen. Die Engländer hatten vor ihnen eine längere Praxis voraus. Aber haben nicht Frankreich und England ebenfalls recht langwierige und sehr blutige Kolonialkriege führen müssen? Das, was nicht zuletzt von Engländern über die Misswirtschaft am Kongo unter dem Regime des Belgierkönigs Leopold festgestellt worden ist, hält mindestens jeden Vergleich mit Ungehörigkeiten in den deutschen Schutzgebieten aus, wahrscheinlich geht es weit darüber hinaus. Den ärgsten Missständen bei der Arbeiterbeschaffung für Plantagen und Bahnbauten war in den deutschen Schutzgebieten durch den Erlass von Anwerbe- und Arbeitsordnungen entgegengewirkt worden. Der Staatssekretär Dr. Solf hat sich bei der Beratung seines Etats für das Jahr 1914 ausdrücklich dazu verpflichtet, die Gouverneure anzuweisen, jede Arbeitsordnung, die einen Arbeitszwang enthält, aufzuheben. Dazu hat der Reichstag einen sozialdemokratischen Antrag angenommen, wonach dem Arbeitsverhältnis der Eingeborenen der freie Arbeitsvertrag zugrunde zu legen sei, be) Festsetzung von Minimallöhnen und einer maximalen Arbeitszeit durch die Regierung. Die Arbeitszeit in Ostafrika war auf 10 Stunden festgesetzt von 6 Uhr früh bis 4 Uhr nachmittags. Der Farbige hatte nur vier Arbeitstage, während er an drei Tagen der Woche nicht zur Arbeit verpflichtet war. Für Deutsch-Südwestafrika sind im Jahr 1911 Arbeitsordnungen erlassen und Eingeborenenkommissare zur Überwachung der Gesundheitsverhältnisse der Farbigen eingesetzt worden.
Es ließen sich eine ganze Menge Beispiele dafür anführen, wie, mitbewirkt durch die im Reichstag geübte Kritik, auf den allerverschiedensten Gebieten für eine Verbesserung der Verhältnisse in den deutschen Schutzgebieten gesorgt wurde. In Bezug auf die Steuererhebung halte z. B. der Staatssekretär Dr. Lindequist angeordnet, man müsse mit der allergrößten Vorsicht vorgehen, damit nicht durch zu harte Steuern Eingeborenenaufstände entfesselt werden. In Kamerun war das Trucksystem verboten worden. Die Einführung von Alkohol in die deutschen Kolonien; war auf ein Minimum herabgedrückt worden. Dass es nicht zu einem gänzlichen Verbot der Schnapseinfuhr an der westafrikanischen Küste gekommen ist, war die N 1; Schuld Frankreichs, das sich weigerte, einem solchen | h internationalen Abkommen beizutreten.
Für die Verbesserung und Steigerung der Produktion der Eingeborenen hat sich die deutsche Verwaltung nachdrücklich bemüht. Farbige Landwirtschaftslehrer wurden ausgebildet, landwirtschaftliche Versuchsstationen angelegt, Pflanzen- und Tierkrankheiten erkundet und bekämpft. Man kann sagen, dass sich vor dem Kriegsausbruch in Bezug auf die Eingeborenenpolitik allgemein in den deutschen Kolonien der Grundsatz durchgesetzt hatte,” den der Gouverneur für Neuguinea in seinem letzten erstatteten Bericht aufgestellt hatte: Befriedung im Schutzgebiet, soziale Umgestaltung der Stämme, allgemeine G reichste sanitäre Fürsorge und Heranschulung, um mit Sicherheit auch als Endziel eine angemessene kulturelle| und wirtschaftliche Hebung zu erreichen.
Dass bei der Niederwerfung der Aufstände eine Menge Menschen zugrunde gegangen sind, ist bedauerlicherweise richtig. Manches ist später durch die Unterdrückung des Sklavenhandels, die Beseitigung der Stammesfehden, bei denen eine Menge Blut floss, und ganz besonders durch die umfassende sanitäre Fürsorge im Interesse der Eingeborenen wiedergutgemacht worden. Staatssekretär Solf konnte im Anfang 1914 mit nicht unberechtigtem Stolz auf die beträchtlichen Aufwendungen hinweisen, die zur Bekämpfung von Seuchen und Krankheiten aller Art in den deutschen’ Schutzgebieten gemacht worden sind. Die Summe, die von 1909 bis 1913 in den deutschen Kolonien für Sanitätszwecke verwendet worden ist, beträgt nach einer Berechnung des Staatssekretärs 26 Millionen Mark. Auch das, was für Schulzwecke allmählich geleistet worden war, konnte sich als ein bescheidener Anfang immerhin sehen lassen.
Gesündigt haben alle Länder, die Kolonialpolitik trieben. Was englische Menschenfreunde zur Kritik der englischen Kolonialwirtschaft gesagt haben, bleibt an Schärfe hinter dem nicht zurück, was wir glaubten, im Deutschen Reichstage aussprechen zu müssen. Gerade jetzt während des Weltkrieges sind aber Franzosen und Engländer die letzten, die ein Recht dazu haben, sich über die Vernichtung von Menschenleben in den deutschen Kolonien zu entrüsten, die ich ganz gewiss nicht nachträglich auch nur mit einem einzigen Worte entschuldigen oder verteidigen möchte. England und Frankreich belasteten sich mit der unsühnbaren Schuld, unter flagranter Verletzung völkerrechtlicher Abmachungen den Krieg nach Afrika hineingetragen zu haben, dazu haben beide Staaten, besonders aber Frankreich, Hunderttausende von Schwarzen in den tropischen Gebieten zwangsweise zum Heeresdienst gepresst und sie auf die europäischen Schlachtfelder als Kanonenfutter geschleppt. Nur ein Bruchteil dieser bedauernswerten Farbigen, die Frankreich für seinen Eroberungskrieg einsetzt, wird die Heimat wiedersehen. In Massen düngen sie den französischen Boden. Das übertrifft an Rücksichtslosigkeit und Unverantwortlichkeit alle Handlungen, die jemals in den deutschen Kolonien begangen worden sind.
Wenn England und seine Verbündeten Missstände in den tropischen Gebieten beseitigen wollen, so sollen sie in den eigenen Kolonien damit beginnen. Nach dem Friedensschluss wird die deutsche Volksvertretung darauf Bedacht zu nehmen wissen, dass in den wiedererlangten deutschen Schutzgebieten Menschlichkeit und Human?tät in vollem Umfange zu ihrem Recht kommen.
Chemnitz, 27. 8. 1918. Gustav Noske, Mitglied des Reichstags.
[1868-1946] SPD 1906-1918 MdR. Experte für Militär-, Marin- und Kolonialfragen
Es liegt kein Anlass dazu vor, beschönigen zu wollen, dass in den Anfängen der deutschen Kolonialpolitik mancherlei gesündigt worden ist. Solche Fehler und Mängel sind im Reichstage von Wortführern der sozialdemokratischen Fraktion, wiederholt auch von mir selbst, scharf kritisiert worden. Wem es auf die Beseitigung von Missständen ankommt, schiebt diese naturgemäß in den Vordergrund des Interesses und nimmt in der Regel davon Abstand, daneben auch darüber zu sprechen, was einwandfrei ist oder gutgemacht wurde, weil das meistens sowieso bekannt ist. Mit Genugtuung kann festgestellt werden, dass die im Reichstag geübte Kritik beträchtlichen Erfolg gehabt hat. Die Verwaltung der deutschen Kolonien ist immer besser geworden, weil man einsehen gelernt hatte, dass die Förderung der eingeborenen Bevölkerung die Voraussetzung für eine gedeihliche Entwicklung der Schutzgebiete ist. Das ist keine Behauptung, die ich erst jetzt aufstelle, wo die Frage um den zukünftigen Besitz der deutschen Kolonien die Gemüter in Deutschland und England lebhaft bewegt, sondern ich kann den urkundlichen Nachweis dafür erbringen, dass ich diese Auffassung auch schon vor dem Kriege vertreten habe.
In meinem Buche „Kolonialpolitik und Sozialdemokratie“, das im Mai 1914 im Verlag von J. H. W, Dietz, Nachf., Stuttgart, erschienen ist, habe ich ausführlich behandelt, was nach meiner und meiner Parteigenossen Ansicht in den Kolonien noch zu bessern sei, aber auch eine Menge Material dafür angeführt, wie erfreulicherweise allmählich ein durchaus verständiger Geist in der deutschen Kolonialpolitik zur Geltung komme. Es ist nicht wahr, dass in den deutschen Schutzgebieten allgemein geschossen und die Bevölkerung dezimiert worden ist. Beträchtliche Zeit vor dem Kriege war es Leitgrundsatz der deutschen Kolonialpolitik geworden, dass der Eingeborene der wichtigste Besitz in den Schutzgebieten sei. Von Ausnahmefällen abgesehen, ist auch darnach verfahren worden.
Nach der Befriedung von Kamerun und Ostafrika sind nennenswerte Kämpfe mit den Eingeborenen nicht mehr ausgefochten worden. In Togo wurde seit 1900 auf die Eingeborenen kein Schuss mehr abgegeben. Im letzten amtlichen Verwaltungsbericht für die Zeit vom April 1912, b?s Apr?l 1913 war über Aufstände und Kriegszüge nichts zu berichten. Als die Übernahme von Neukamerun erfolgte, befürchtete die Verwaltung bei draufgängerischem Vorgehen den Ausbruch eines großen Aufstandes. Die ausrückenden Besatzungstruppen erhielten vom Gouvernement deshalb einen Befehl mit auf den Weg, in dem es hieß: „Schüsse aus dem Busch bedeuten durchaus nicht immer Feindseligkeit; eine gute Truppe müsse es über sich gewinnen, auch auf sich schießen zu lassen, ohne das Feuer zu erwidern.“
Dass die deutschen Beamten, die anfänglich ohne kolonisatorische Erfahrung in die Schutzgebiete gingen, manche Fehler gemacht haben, wird niemand leugnen. Die Engländer hatten vor ihnen eine längere Praxis voraus. Aber haben nicht Frankreich und England ebenfalls recht langwierige und sehr blutige Kolonialkriege führen müssen? Das, was nicht zuletzt von Engländern über die Misswirtschaft am Kongo unter dem Regime des Belgierkönigs Leopold festgestellt worden ist, hält mindestens jeden Vergleich mit Ungehörigkeiten in den deutschen Schutzgebieten aus, wahrscheinlich geht es weit darüber hinaus. Den ärgsten Missständen bei der Arbeiterbeschaffung für Plantagen und Bahnbauten war in den deutschen Schutzgebieten durch den Erlass von Anwerbe- und Arbeitsordnungen entgegengewirkt worden. Der Staatssekretär Dr. Solf hat sich bei der Beratung seines Etats für das Jahr 1914 ausdrücklich dazu verpflichtet, die Gouverneure anzuweisen, jede Arbeitsordnung, die einen Arbeitszwang enthält, aufzuheben. Dazu hat der Reichstag einen sozialdemokratischen Antrag angenommen, wonach dem Arbeitsverhältnis der Eingeborenen der freie Arbeitsvertrag zugrunde zu legen sei, be) Festsetzung von Minimallöhnen und einer maximalen Arbeitszeit durch die Regierung. Die Arbeitszeit in Ostafrika war auf 10 Stunden festgesetzt von 6 Uhr früh bis 4 Uhr nachmittags. Der Farbige hatte nur vier Arbeitstage, während er an drei Tagen der Woche nicht zur Arbeit verpflichtet war. Für Deutsch-Südwestafrika sind im Jahr 1911 Arbeitsordnungen erlassen und Eingeborenenkommissare zur Überwachung der Gesundheitsverhältnisse der Farbigen eingesetzt worden.
Es ließen sich eine ganze Menge Beispiele dafür anführen, wie, mitbewirkt durch die im Reichstag geübte Kritik, auf den allerverschiedensten Gebieten für eine Verbesserung der Verhältnisse in den deutschen Schutzgebieten gesorgt wurde. In Bezug auf die Steuererhebung halte z. B. der Staatssekretär Dr. Lindequist angeordnet, man müsse mit der allergrößten Vorsicht vorgehen, damit nicht durch zu harte Steuern Eingeborenenaufstände entfesselt werden. In Kamerun war das Trucksystem verboten worden. Die Einführung von Alkohol in die deutschen Kolonien; war auf ein Minimum herabgedrückt worden. Dass es nicht zu einem gänzlichen Verbot der Schnapseinfuhr an der westafrikanischen Küste gekommen ist, war die N 1; Schuld Frankreichs, das sich weigerte, einem solchen | h internationalen Abkommen beizutreten.
Für die Verbesserung und Steigerung der Produktion der Eingeborenen hat sich die deutsche Verwaltung nachdrücklich bemüht. Farbige Landwirtschaftslehrer wurden ausgebildet, landwirtschaftliche Versuchsstationen angelegt, Pflanzen- und Tierkrankheiten erkundet und bekämpft. Man kann sagen, dass sich vor dem Kriegsausbruch in Bezug auf die Eingeborenenpolitik allgemein in den deutschen Kolonien der Grundsatz durchgesetzt hatte,” den der Gouverneur für Neuguinea in seinem letzten erstatteten Bericht aufgestellt hatte: Befriedung im Schutzgebiet, soziale Umgestaltung der Stämme, allgemeine G reichste sanitäre Fürsorge und Heranschulung, um mit Sicherheit auch als Endziel eine angemessene kulturelle| und wirtschaftliche Hebung zu erreichen.
Dass bei der Niederwerfung der Aufstände eine Menge Menschen zugrunde gegangen sind, ist bedauerlicherweise richtig. Manches ist später durch die Unterdrückung des Sklavenhandels, die Beseitigung der Stammesfehden, bei denen eine Menge Blut floss, und ganz besonders durch die umfassende sanitäre Fürsorge im Interesse der Eingeborenen wiedergutgemacht worden. Staatssekretär Solf konnte im Anfang 1914 mit nicht unberechtigtem Stolz auf die beträchtlichen Aufwendungen hinweisen, die zur Bekämpfung von Seuchen und Krankheiten aller Art in den deutschen’ Schutzgebieten gemacht worden sind. Die Summe, die von 1909 bis 1913 in den deutschen Kolonien für Sanitätszwecke verwendet worden ist, beträgt nach einer Berechnung des Staatssekretärs 26 Millionen Mark. Auch das, was für Schulzwecke allmählich geleistet worden war, konnte sich als ein bescheidener Anfang immerhin sehen lassen.
Gesündigt haben alle Länder, die Kolonialpolitik trieben. Was englische Menschenfreunde zur Kritik der englischen Kolonialwirtschaft gesagt haben, bleibt an Schärfe hinter dem nicht zurück, was wir glaubten, im Deutschen Reichstage aussprechen zu müssen. Gerade jetzt während des Weltkrieges sind aber Franzosen und Engländer die letzten, die ein Recht dazu haben, sich über die Vernichtung von Menschenleben in den deutschen Kolonien zu entrüsten, die ich ganz gewiss nicht nachträglich auch nur mit einem einzigen Worte entschuldigen oder verteidigen möchte. England und Frankreich belasteten sich mit der unsühnbaren Schuld, unter flagranter Verletzung völkerrechtlicher Abmachungen den Krieg nach Afrika hineingetragen zu haben, dazu haben beide Staaten, besonders aber Frankreich, Hunderttausende von Schwarzen in den tropischen Gebieten zwangsweise zum Heeresdienst gepresst und sie auf die europäischen Schlachtfelder als Kanonenfutter geschleppt. Nur ein Bruchteil dieser bedauernswerten Farbigen, die Frankreich für seinen Eroberungskrieg einsetzt, wird die Heimat wiedersehen. In Massen düngen sie den französischen Boden. Das übertrifft an Rücksichtslosigkeit und Unverantwortlichkeit alle Handlungen, die jemals in den deutschen Kolonien begangen worden sind.
Wenn England und seine Verbündeten Missstände in den tropischen Gebieten beseitigen wollen, so sollen sie in den eigenen Kolonien damit beginnen. Nach dem Friedensschluss wird die deutsche Volksvertretung darauf Bedacht zu nehmen wissen, dass in den wiedererlangten deutschen Schutzgebieten Menschlichkeit und Human?tät in vollem Umfange zu ihrem Recht kommen.
Chemnitz, 27. 8. 1918. Gustav Noske, Mitglied des Reichstags.
[1868-1946] SPD 1906-1918 MdR. Experte für Militär-, Marin- und Kolonialfragen
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die deutsche Kolonialpolitik vor dem Gerichtshof der Welt