Die Erfolge der deutschen Kolonialpolitik.

Deutschland ist die jüngste Kolonialmacht. Die Welt wurde verteilt, solange Deutschland in selbstzerfleischender Ohnmacht dalag. Als der nationale Wille die deutschen Stämme zusammenschloss, war die Welt weggegeben. Fünfzehn Jahre europäischer Flitterwochen benutzte Deutschland zur Festigung seiner inneren Kraft. Mitte der achtziger Jahre gab es kein Fünfzigmillionenvolk außer Deutschland, das nicht Kolonien besessen hätte. Frankreich hatte sich unter stiller Duldung Deutschlands und sogar unter Förderung des Fürsten Bismarck angeschickt, ein Riesenkolonialreich zu schaffen, England benutzte seit langem die Zeit kontinentaler europäischer Schwäche, um sich ein Weltreich zurechtzuzimmern. Russlands Kolonie Sibirien besiedelte sich dichter. Die Vereinigten Staaten von Nordamerika kolonisierten ihr eigenes unermessliches Land. Die deutsche Politik aber war nur auf Europa gerichtet. Es ist das Verdienst der Tatkraft und Zähigkeit weniger deutscher Kaufleute und Forscher, die ersten Schritte zur deutschen Kolonialpolitik unternommen zu haben. Hanseatische Kaufleute sind die Gründer der deutschen Kolonialpolitik. Nach englischem Muster schlossen sie Verträge mit Stammeshäuptlingen in Afrika ab zur Förderung ihrer eigenen Interessen, aber auch zur Ausdehnung des deutschen Einflusses, in dem Bewusstsein, dass das, was Deutschland groß und stark macht, auch in Afrika kultivierend wirken wird. Das vorsichtige Vorgehen dieser deutschen Kolonialpioniere stieß auf Hindernisse und Argwohn bei den älteren Kolonialmächten. Hierdurch wurde der erste Reichskanzler zum Schutze der deutschen Interessen gezwungen, Kolonialpolitik zu treiben. Er dachte dabei aber an das englische Vorbild in Indien und stellte Schutzbriefe für deutsche Kolonialgesellschaften aus. Den deutschen Kolonialenthusiasten ging es nicht rasch genug voran; sie legten Fürst Bismarck nahe, sich selbst einmal das neue Deutschland in Afrika anzusehen. Als das Gerücht von einer Afrikareise des Fürsten Bismarck sich weiter verbreitete, da antwortete er humorvoll: er werde gewiss nach Afrika gehen und zwar auf dem Kamel reiten, das die Nachricht dieser Afrikareise erfunden habe. 1884 und 1885 trat Deutschland unter die Kolonialmächte auf legalstem Wege ein. Die ersten zwanzig Jahre deutscher Kolonialpolitik waren zögernd und zaudernd, auch ein vielfaches Schwanken. Im Jahre 1906 wurde, angeregt durch die scharfe Kritik im Reichstag, das koloniale Interesse in Deutschland wach und wuchs immer stärker.

Will man die Erfolge deutscher Kolonialpolitik in dem kurzen Zeitraum von dreißig Jahren gerecht und objektiv würdigen, so vertiefe man sich einmal in die zwei Riesenbände der deutschen Kolonialkongresse von 1905 und 1910. Hier offenbart sich deutsches Streben, deutsche Wissenschaft, deutsche Technik, deutsche Kultur, aber auch deutsche Kritik, alles jedoch nur zu dem einen Ziel, das Beste aus den Völkern und Ländern Afrikas zu machen. Dazu war allerdings reichliche Gelegenheit; denn die Gebiete, welche Deutschland in Afrika und Übersee erworben hatte, waren vor dreißig Jahren noch völlig unerschlossen. Kleine Negerdörfer und Küstenplätze waren bekannt, Tauschhandel mit den wenigen Europäern der einzige Verkehr, im Innern führten die einzelnen kleinen Häuptlinge willkürliches und blutiges Regiment; Leben und Eigentum waren nicht geachtet, Blutige Kämpfe zwischen den einzelnen Stämmen und Dorfschaften waren an der Tagesordnung. Sklavenjagden entvölkerten die Gebiete, Die christliche Missionstätigkeit war getrennt und vielfach kaum in den ersten Anfängen. Togo und Kamerun waren unerschlossen und unkultiviert, nicht besser sah es in Süd-West-Afrika aus. Engländer und Portugiesen zogen durch das Land und ließen es liegen. Ostafrika war auf einer etwas höheren Kulturstufe, hatte aber nur zwei Ausfuhr-Artikel: das weiße Elfenbein der Elefanten und das „schwarze Elfenbein“, die Sklaven. Das Innere des Landes war Europa unbekannt. Ackerbau wurde in den primitivsten Anfängen betrieben. Seuchen und Sklavenjagden rangen um die Krone, die Einwohner dahinzuraffen. Ein Hauptstamm stritt wider den anderen, Vernichtung, Knechtung und Ausrottung waren die Resultate dieses Zustandes. Alle bisherigen Kolonialmächte, auch England, standen rat- und tatenlos diesem entsetzlichen Treiben gegenüber.


Auf dieser Grundlage sollte Deutschland nun Kolonialpolitik treiben in Afrika. Die Voraussetzungen für ein gedeihliches Wirken waren die denkbar ungünstigsten.