Erste Fortsetzung

Was hat nun Deutschland in dreißig Jahren aufopfernder Kolonialtätigkeit erreicht? Keine erschöpfende Geschichte der deutschen Kolonialpolitik soll hier geschrieben werden. Deutschlands Tätigkeit In Afrika war reich an Arbeit, auch an Enttäuschungen, Fehlschlägen und Missgriffen. Deutschland musste lernen und dafür auch Lehrgeld bezahlen. Wer diese Missgriffe allein herausgreift, versündigt sich an der Wahrheit. Trotz aller Schwierigkeiten und ohne jede Selbstüberhebung muss man aber rückwärtsblickend sagen: Es ging voran. Es ging voran, bis es zur Katastrophe des Weltkrieges kam, und von da ab ging es bergab, zum Schaden der Eingeborenen Afrikas und zum Schaden Europas. Wie sah es vor dem Weltkrieg aus? Der letzte amtliche Bericht über die deutschen Schutzgebiete vom Jahre 1914 sagt darüber:

„Der Landfriede“ wurde im-Berichtsjahre in keinem Schutzgebiet ernstlich gestört. „Die Haltung der Eingeborenen war ruhig in Togo und Deutsch-Ostafrika sowie in Deutsch-Südwestafrika, wo die Schutztruppe wieder zu den öffentlichen Arbeiten herangezogen werden konnte. In Kamerun wurden die auf Grund des Marokkoabkommens vom 4, November 1911 von Frankreich erworbenen Gebiete in deutsche Verwaltung übernommen. Dabei kam es mehrfach zu Unbotmäßigkeiten einzelner Stämme, die aber unterdrückt wurden und sich nicht weiter ausdehnten. Auch konnte die Übernahme in die Verwaltung ohne wesentliche Verstärkung der Schutztruppe durchgeführt werden. In Deutsch-Neuguinea wurden in den nicht unter Verwaltung genommenen Gebieten, wie auch in früheren Jahren, vielfach Gewalttätigkeiten und Friedensstörungen verübt, denen gegenüber aber auch Fortschritte in der friedlichen Ausdehnung der Verwaltung hervorzuheben sind. Im Inselgebiet ist die öffentliche Ruhe nirgends gestört worden. In Samoa hat die zunächst unentschieden gelassene und erst nach Ablauf des Berichtsjahres geregelte Frage der Nachfolgeschaft für den verstorbenen Oberhäuptling nicht zu der vielfach gefürchteten Beunruhigung der Bevölkerung geführt.


In Kamerun sind nach der Festlegung der deutschen-englischen Grenzen nun die neuen deutsch-französischen Grenzen zu vermessen; es wurde damit begonnen. In Togo wurde die Vermarkung der deutsch-französischen Grenze in Angriff genommen und die Küstenvermessung fortgesetzt.

In der allgemeinen Verwaltung kam es, abgesehen von der schon erwähnten Ausdehnung in Kamerun, zu einzelnen Verschiebungen. In Kamerun wurden größere Teile der neuen Gebiete an bestehende Verwaltungsbezirke angegliedert, Im Zusammenhange damit musste die Polizeitruppe vielfach verstärkt we?den. In Deutsch-Ostafrika führte die zunehmende Erschließung des Landes durch Eisenbahnen zu einigen Verschiebungen in der Verwaltungs- und Gerichtsorganisation, in einzelnen Fällen auch zur Vermehrung der Verwaltungsstellen und zur Ausdehnung von Verwaltungsbezirken. Die Ausdehnung der Verwaltung im alten Schutzgebiete Deutsch-Neuguinea vollzieht sich zunächst der Küste entlang. Im Inselgebiet hat die Gesundung der Eingeborenen-Selbstverwaltung durch weitere Ablösung veralteter Lebensverhältnisse wiederum Fortschritte zu verzeichnen. In der allgemeinen Verwaltung von Deutsch-Südwestafrika hat sich nichts Wesentliches geändert; die Selbstverwaltungsverbände haben mit Erfolg weitergearbeitet.

Von den besonderen Zweigen der allgemeinen Verwaltung ist vor allem die in vieler Beziehung grundlegende Landesaufnahme und Vermessung hervorzuheben. Die landeskundliche Erforschung wurde in Kamerun im Zusammenhange mit dem Fortschreiten des Eisenbahnbaues und den Vorarbeiten hierfür sowie auch durch eine Expedition des Gouverneurs in das entlegene Hinterland gefördert. In Deutsch-Neuguinea setzte die Kaiserin Augusta-Fluss-Expedition ihr Forschungswerk mit gutem Erfolge fort. Der meteorologische Dienst der Schutzgebietsverwaltungen ist weiter ausgebaut worden und wird in seiner Bedeutung für die Landesproduktion immer mehr gewürdigt.

Die Bevölkerungspolitik der Kolonialverwaltung hat zahlreiche in kolonialpolitischer wie kolonialwirtschaftlicher Beziehung wichtige Aufgaben zu lösen. Ihre Hauptaufgabe sieht sie in der Verbesserung der gesundheitlichen Zustände, insbesondere der Eingeborenenbevölkerung, und in der Schaffung entsprechender sanitärer Einrichtungen und Verbreitung besserer hygienischer Grundsätze In Togo waren die gesundheitlichen Verhältnisse sowohl für Weiße wie für Eingeborene, abgesehen von der in einigen Gegenden auftretenden Pockenkrankheit, normal. In Kamerun wurden energische Schritte zur Sanierung von Duala getan. Auch an einigen anderen Plätzen Kameruns hat die Sanierung Fortschritte gemacht. Die große Verbreitung der Schlafkrankheit macht der Verwaltung noch schwere Sorgen; ihre erfolgreiche Bekämpfung wird noch längere Zeit und große Energie erfordern. Im Übrigen wird der Gesundheitszustand in Kamerun als gut bezeichnet. Aus Deutsch-Ostafrika wird ein befriedigender Gesundheitszustand der Weißen gemeldet; auch unter der farbigen Bevölkerung traten keine verheerenden Seuchen auf. In Deutsch-Südwestafrika war der Gesundheitszustand der Weißen günstig, wozu auch die fortschreitende Entwicklung der einzelnen Orte beitrug. Der Gesundheitszustand der Eingeborenen hat sich gebessert, nur ist die Kindersterblichkeit noch immer sehr hoch. In der Südsee hatte Samoa normale Gesundheitsverhältnisse aufzuweisen, während die eingeborene Bevölkerung von Deutsch-Neuguinea unter einigen Typhusepidemien und der großen Verbreitung der Wurmkrankheit zu leiden hatte.

Die weiße Bevölkerung in sämtlichen Schutzgebieten ist von 23.342, auf 24.389, also um rund 1.000 Menschen gestiegen. Der Zuwachs kommt hauptsächlich auf Deutsch-Ostafrika, dann auf Kamerun und Neuguinea. Die tatsächliche Bewegung der gesamten farbigen Bevölkerung, ihre Ab- und Zunahme, lässt sich schwer bestimmen, solange nicht allgemeine exakte Zählungen vorliegen.

Die Rechtspflege hat allgemein Fortschritte gemacht, besonders aus Kamerun wird eine Zunahme der Gerichtstätigkeit auch für die Eingeborenenrechtspflege gemeldet.

Die Regierungsschulen sind in einzelnen Schutzgebieten wie in Kamerun nicht ausreichend entwickelt. Die Missionen entfalten überall eine sehr rege Tätigkeit auch auf dem Gebiet des Schulwesens, der Krankenpflege und der Hygiene. Bewährt hat sich in Deutsch-Neuguinea die schulmäßige Ausbildung von Dolmetschern, die dann den einzelnen Häuptlingen der Eingeborenen-Selbstverwaltung zur Erleichterung des Verkehrs mit den deutschen Behörden beigegeben werden.

Die weltwirtschaftliche Lage war für die Kolonialwirtschaft im Allgemeinen günstig. In den Kolonien selbst waren die allgemeinen Grundlagen für die Entwicklung der Kolonialwirtschaft nicht überall zufriedenstellend. Mehr und mehr zeigt sich, dass jetzt nach dem Ausbau wichtiger Eisenbahnstrecken die weitere wirtschaftliche Entwicklung unserer Schutzgebiete in erster Linie von der Arbeiterfrage abhängt. Auf dem Gebiet des Geld- und Kreditwesens ist hervorzuheben die weitere Ausdehnung der Geldwirtschaft und die Befestigung des deutschen Geldmittelumlaufs in Kamerun, die Ausdehnung des Geldverkehrs im Seengebiet von Deutsch-Ostafrika, die günstige Lage der Handelsbank und der Notenbank in Deutsch-Ostafrika, der im Zusammenhang mit der allgemein wirtschaftlichen Lage in Togo stehende Rückgang der Geschäfte der westafrikanischen Bank in Lome und die weitere Entwicklung der Bank- und Sparkassenabteilung der Forthaith-Gesellschaft in Deutsch-Neuguinea. In Deutsch-Südwestafrika begann die Südwestafrikanische Bodenkreditgesellschaft ihre Tätigkeit zur Befriedigung des Bedürfnisses nach städtischem Bodenkredit, ferner wurden die Grundlagen für die Errichtung einer Landwirtschaftsbank geschaffen. In Deutsch-Ostafrika traten ebenfalls Bestrebungen auf, den landwirtschaftlichen Kredit in ähnlicher Weise wie in Deutsch-Südwestafrika zu organisieren. Die Förderung der Kapitalieninvestition in den Schutzgebieten und die möglichste Verhütung unsolider Gründungen von kolonialen Unternehmungen, die erweislich zu Rückschlägen in der Kapitalieninvestition führen, haben im Berichtsjahre die besondere Beachtung der Kolonialverwaltung gefunden.

Eine der wichtigsten allgemeinen Grundlagen der Kolonialwirtschaft, das Verkehrswesen, ist in seinen verschiedenen Zweigen wieder erheblich gefördert worden, Der Eisenbahnbau und -betrieb hat in allen afrikanischen Schutzgebieten Fortschritte aufzuweisen, namentlich in Deutsch-Ostafrika, wo die Tanganjikabahn am Ende des Berichtsjahres nahezu fertiggestellt war. Im Norden des Schutzgebietes wurde die Neubaustrecke der Usambarabahn Buiko-Moschi vollendet, auch wurden Vorarbeiten über die weitere Fortsetzung der Bahn nach Aruscha unternommen. Für eine Südbahn und eine Eisenbahn nach Ruanda wurden Erkundigungen und Vorarbeiten gemacht. In Deutsch-Südwestafrika wurde der Umbau der Strecke Karibib-Windhuk beendigt, ebenso der Bau der Nord-Südbahn. Die Betriebsergebnisse der Otavibahn waren infolge der Vermehrung der Kupferbeförderung gut. In Kamerun hat die Nordbahn eine günstige Verkehrsentwicklung aufzuweisen, an der Mittellandbahn wurde weiter gebaut, In Togo wurde der Anschluss an Atakpama erreicht. Für neue Trassen wurden Vorarbeiten gemacht. Die Binnenwasserstraßen haben in Kamerun durch die neuerworbenen Gebiete eine erhöhte Bedeutung erlangt. Für den Seeschifffahrtsverkehr der Schutzgebiete waren der Neubau der Landungsbrücke in Swakopmund, der Hafenausbau in Tanga, die Errichtung der neuen Landungsbrücke in Lome und die Hafenbauarbeiten in Duala von Bedeutung. Für neue Landungs- und Hafenanlagen in Lüderitzbucht wurden Vorarbeiten gemacht. Für unsere Südseeschutzgebiete war es wichtig, dass die regelmäßige Dampferverbindung Sydney-Tutuila-San-Franzisko wiederhergestellt wurde. Im Post- und Telegraphen- und Kabelverkehr sind bemerkenswerte Fortschritte zu verzeichnen. Abgesehen von der weiteren Ausgestaltung des Post- und Telegraphenwesens in den einzelnen Schutzgebieten war die Legung des Kabels der Deutsch-Niederländischen Kabel-Gesellschaft von Monrovia nach Lome und Duala von großer Bedeutung. Kamerun und Togo sind nunmehr die ersten Schutzgebiete, die eine deutsche Kabelverbindung mit der Heimat besitzen. Auch das funkentelegraphische Netz wurde ausgebaut. In Deutsch-Neuguinea ist eine funkentelegraphische Verbindung zwischen der Insel Angaur und der Insel Jap hergestellt worden, die ja mehrfach an das Weltkabelnetz angeschlossen ist. Der Wege- und Brückenbau wurde in allen Schutzgebieten wieder rege gefördert, insbesondere in Togo, Kamerun und in der Südsee.