Dritte Fortsetzung

Die Finanzlage war in allen Schutzgebieten günstig. In Deutsch-Südwestafrika infolge der erheblichen Steigerung der eigenen Einnahmen aus dem Diamantenabbau, in Kamerun infolge erhöhter Zolleinnahmen auf Grund der allgemeinen Prosperität des Handels und der erhöhten Zölle für Spirituosen, in Deutsch-Ostafrika infolge erhöhter Zoll- und Steuereinnahmen, ebenso wie in Samoa und in Deutsch-Neuguinea. Der erhöhte Zuschuss für letzteres Schutzgebiet wird hauptsächlich für sanitäre Einrichtungen und landwirtschaftliches Versuchswesen verwendet. Nur in Togo hat sich die Finanzlage infolge der geringeren Einnahmen aus den Verkehrsanlagen und der durch schlechte Ernteergebnisse verursachten Schwächung der Kaufkraft der Eingeborenen etwas verschlechtert.“

So 1884, so 1894. Es ist keine Lobrederei, was in dem amtlichen Bericht zum Ausdruck kommt, sondern reine, volle Wahrheit. Die blutigen Zwistigkeiten zwischen den einzelnen Eingeborenenstämmen hatten aufgehört; Recht und Gerechtigkeit hielten den Siegeszug, der Boden wurde bestellt; ein guter Anfang für die Erschließung fruchtbarer Gebiete war gemacht. Deutschland opferte Millionen und Abermillionen für die Erschließung der Schutzgebiete. Es sandte viele seiner guten und besten Beamten hinaus, die ihr ganzes Können und ihre Gesundheit in den Dienst der Eingeborenen stellten. Die ärztliche deutsche Wissenschaft bekämpfte mit Nachdruck und Erfolg verheerende Seuchen. Als die Schlafkrankheit auftrat, hat Deutschlands erste medizinische Autorität, Professor von Koch, die Reise in das Innere Afrikas nicht gescheut, um den Eingeborenen zu Hilfe zu eilen. Wissenschaftlich und geologisch wurden die deutschen Schutzgebiete aufgeschlossen. Der schwarze, einst unbekannte Erdteil ist, soweit deutsches Kolonialgebiet in Betracht kommt, vor Ausbruch des Krieges erforscht gewesen. Kein weißer Fleck verunstaltete mehr die deutsche Kolonialkarte. Die deutsche Kolonialliteratur nahm einen ungeahnten Aufschwung.


Schon ein Jahr vor dem Ausbruch des entsetzlichen Weltkrieges hat Staatssekretär Solf in meisterhafter Weise die Grundlinien der deutschen Eingeborenenpolitik im Reichstage geschildert, als er am 6. März 1913 hier ausführte:

„Die Eingeborenen, meine Herren, sind unsere Schutzgenossen, und die deutsche Regierung hat um dessentwillen die Verpflichtung, die berechtigten Interessen der Eingeborenen zu den ihrigen zu machen. Denn wir wollen die Eingeborenen nicht ausrotten, wir wollen sie erhalten. Das ist die Anstandspflicht, die wir mit der Hissung der deutschen Flagge in unseren afrikanischen Kolonien und In der Südsee übernommen haben, Die Ausübung dieser Pflicht entspricht auch der Klugheit; denn sie allein verschafft auch die Möglichkeit vernünftiger Wirtschaftspolitik und damit die Grundlage unserer deutsch-nationalen Betätigung.

Die Völker, mit denen die Kolonisationsarbeit uns in Berührung bringt, stehen auf niedriger Kultur, auf viel niedrigerem Standpunkt als wir zivilisierten Weißen, teilweise tief unter uns. Nicht nur die legale Verpflichtung, die uns als den Schutzherren obliegt, — nein, meine Herren, unsere Stellung als Kulturstaat zwingt uns, mit den selbstverständlichen Argumenten der zivilisierten Weltanschauung diesen Völkern zu helfen und zu versuchen, ihnen bessere Lebensbedingungen zu verschaffen, als sie selbst in ihrer Beschränktheit und Unfähigkeit bisher sich haben verschaffen können. (Sehr richtig! und bravo!)

Kolonisieren ist Missionieren, und zwar Missionieren in dem hohen Sinne der Erziehung zur Kultur. (Sehr richtig! rechts und im Zentrum.) Wie die richtige Einschätzung der Imponderabilien seiner eigenen Nation eine der vornehmsten Aufgaben eines jeden führenden Staatsmannes ist, so muss auch der Kolonisator unablässig bemüht sein, das Denken und Fühlen der Eingeborenen zu untersuchen, zu ergründen und seine Arbeitsmethode danach einzurichten. Und, meine Herren, seine Arbeiten sind viele und mannigfache. Die Eingeborenen sind unwissend — sie müssen unterrichtet werden. Sie sind faul — sie müssen arbeiten lernen. Sie sind schmutzig — sie müssen gewaschen werden. (Heiterkeit.) Sie sind krank, mit allerlei Gebrechen — sie müssen geheilt werden. Sie sind wild, grausam und abergläubisch — sie müssen besänftigt und erleuchtet werden.
(Zurufe von den Sozialdemokraten: Trotha!!)
Alles in allem, meine Herren: sie sind große Kinder, die der Erziehung und der Leitung bedürfen.“

Deutschland hat mit Hingabe und Erfolg den kolonisatorischen Aufgaben sich gewidmet.

Es hat auch die Dankbarkeit der Eingeborenen hierfür geerntet. Schreiber dieser Zeilen konnte am 27. Februar 1918 im Reichstag ausführen:

„Man hat warmes Lob unserer tapferen Schutztruppe in Ostafrika gespendet. Wir schließen uns dem selbstverständlich an. Aber gestatten Sie das eine zu sagen: glänzend gerechtfertigt ist die Eingeborenenpolitik des früheren Gouverneurs von Ostafrika und jetzigen Reichstagabgeordneten Freiherrn von Rechenberg. Denn glauben Sie, dass die Eingeborenen Jahre hindurch so zu uns gehalten hätten, wie wir zu unserem Stolz und unserer Ehre sagen können, wenn nicht durch den Gouverneur in Ostafrika die vernünftige Politik der weisen und klugen Behandlung der Eingeborenen befolgt worden wäre? Ich dehne den Dank aus auf den damaligen Staatssekretär Dernburg, der gegenüber den vielen Angriffen, die gerade gegenüber der Politik in Ostafrika erfolgt sind, die Richtigkeit dieser Politik betont hat. Jetzt hat sie in Ostafrika die Feuerprobe bestanden. Es war richtig, dass wir die Eingeborenen erzogen haben, dass man keine Gewaltpolitik getrieben hat.“

So die Wahrheit, die nicht verschweigt, dass Deutschland in den Kinderjahren seiner Kolonialpolitik auch Fehler gemacht hat. Aber ein Bestreben durchglühte das ganze deutsche Volk: Es wollte die Fehler ablegen. Darum hat die Kritik nicht geschwiegen. Im deutschen Reichstag ist offen vor aller Welt an Einzelmaßnahmen scharfe und unnachsichtliche Kritik geübt worden. Nun geht Evans Lewin her und stellt in seiner Schrift nur diese Einzelkritiken zusammen. Er reißt die Reden aus ihrem Zusammenhang heraus und verfälscht dadurch den Sinn derselben; er verschweigt, was in denselben Reden zum Ruhm und Erfolg der deutschen Kolonialpolitik ausgeführt worden ist. Er unterdrückt auch die oben erwähnten Sätze, die ich während des Krieges im Reichstag gesprochen habe. Ein solches Verhalten ist unehrlich und zeigt die Schwäche des englischen Standpunktes. Deutschland scheut kein Urteil über seine Kolonialpolitik, vor keinem Gerichtshof der Welt; aber der Gerichtshof muss objektiv sein. Evans Lewin hat eine Tendenzschrift schlimmster Art geschrieben. Wenn deutsche Reichstagsabgeordnete, zu denen auch der Schreiber dieser Zeilen gehört, im Reichstag gegen Griffe und Missgriffe der deutschen Verwaltung Stellung genommen haben, so haben sie immer daneben anerkannt, dass Deutschland Großes und Gutes geleistet hat. Ihre Kritik diente nur dem Zweck, das Höchste, Beste und Edelste für die Bevölkerung in Afrika zu erreichen. Dabei traten sie allerdings in der Frage der Mittel und Wege zu diesem Ziel manchmal in Gegensatz zu eigenen Volksgenossen. Wenn aber Evans Lewin nur diese Kritiken hervorhebt und zusammenstellt — und daraus besteht seine ganze Schrift — so versündigt er s?ch gegen die Wahrheit. Hiergegen kann nicht laut und offen genug protestiert werden. Ich tue das in meinem Namen, wie ich es schon im Reichstag getan habe, ich tue es aber auch im Namen der anderen Abgeordneten und im Namen der anderen Gewährsmänner, die Evans Lewin in seiner Schrift anführt.

Diese einmütige Kundgebung der von Lewin missbrauchten Reichstagabgeordneten wird sehr wirksam ergänzt durch maßgebende englische Urteile.