Ramberg. Jobsiade. Kortum.

Ludwig Kaemerer charakterisiert dies Zusammenspiel in der Monographie des Künstlers (Belhagen & Klasing 1897): „Obzwar Chodowiecki in manchen Zügen Wahlverwandtschaft mit dem Dichter der Minna von Barnhelm verbindet, der gleich ihm das deutsche Bürgerleben für die Kunst entdeckt hat, wäre es doch verwegen, ihn etwa den Lessing der Malerei zu nennen. Wohl aber spüren wir in seinem Wesen und seiner Auffassung der Dinge, die um ihn her geschehen, etwas von der kindlichen Naivität des Wandsbecker Boten Claudius, dem Witz Hippels, der Innigkeit Pestalozzis, der Satire Lichtenbergs, etwas von Matthissons Sentimentalität, Ifflands theatralischem Geschick, Nicolais und Engels Nüchternheit, Seumes männlicher Art — und all das nicht in widerspruchsvollem Nebeneinander, wie etwa bei Lavater, sondern in ausgeglichener Mischung als Ausdruck einer anpassungsfähigen und doch kernhaften Natur.“

Abb. 27. F.M Volz: Der Antizeitgeist. Nürnberg 1819


Es scheint verfrüht, wenn wir hier schon J. Heinrich Ramberg (1763 bis 1840) erwähnen, aber seine Kunst zeigt ihn von solch einer eklektischen Vielseitigkeit, einer so glatten Rokokoliebenswürdigkeit, einer so hofmännischen Grazie, dass wir ihn ruhig in das achtzehnte Jahrhundert hineinzwängen wollen, als einen letzten Ausläufer eines, wenn auch oberflächlichen, so doch schönheitsfreudigen und leichtsinnigen Kunstregimes. Ramberg lebte als Hofmaler in Hannover, er zeigte auch auf dem Gebiet der Karikatur eine fruchtbare Tätigkeit. Neben politischen Blättern ist ein Reineke Fuchs zu erwähnen, und besonders ein „Till Eulenspiegel“. Abb. 14 mit den gedrungenen, ausdrucksvollen Typen verrät ein fleißiges Studium der Holländer. Wie wir überhaupt dem Einfluß von Brower, Steen, Ostade noch häufig begegnen werden. Der prächtige derbe Humor der alten Holländer findet sich in ähnlicher, verwandter Form beim Niederdeutschen wieder. Ja, weist doch Busch in seiner Selbstbiographie (neue Ausgabe „vor Pater Filucius“) darauf hin, daß diese Künstler seine Lieblinge und unerreichbare Vorbilder wären.

Von allen humoristischen Werken hat nur eines seinen Einfluß bis in unsere Tage erstreckt.

Hier sitz' ich auf dem Meilenstein
Und schaue froh verwundert,
Wie du auf deinem Rößlein fein
Hertrabst durch das Jahrhundert.


So begrüßt Wilhelm Busch Karl Arnold Kortum, welcher die Batzen in Buschs alten Deckel werfen muss. Schon ist er vorüber. —

Es sitzt so stramm der Reiter,
Wie lustig wackelt ihm der Zopf —
Zack, zack, so geht es weiter.


„Leben, Meinungen und taten von Hieronymus Jobs, dem Kandidaten.“ In diesem breiten, anspruchsvollen Titel steckt eine ganze Allongeperücke voll Wichtigkeit und Selbstgefälligkeit, „und wie er sich weiland viel Ruhm erwarb“, unsere ehrfürchtige Erwartung steigt noch vor der Gelehrsamkeit dieses Herrn. Und plötzlich — so ganz beiläufig, aber wie ein Eselsfußtritt - auch endlich als Nachtwächter zu Sulzburg starb.

Die Jobsiade (Münster 1784), deren Titelsilhouette (Abb. 13) wir als Karikatur auf die deutsche Silhouettomanie, wenn wir es so nennen dürfen, beigegeben haben, ist - „vorn und hinten und in der Mitten, geziert mit schönen Holzschnitten; eine Historia, lustig und fein, in neumodischen Knittelverselein.“ Und die Beherrschung dieses Knittelverses, der nachhinkt und uns jedesmal wie mit einem Wassersturz übergießt, die Heranziehung der Komik im Reim hat sich auf Busch vererbt. So schlecht Kortums Verse scheinen — als ob ein Wagen über einen Knüppeldamm führe —, so leicht folgen sie doch jeder Stimmung, jeder Absicht. Man lese sich nur einmal das prächtige Examen daraufhin durch, wie vorzüglich hier Stimmen und Charaktere, auch im Klang der Verse, auseinander gehalten sind.

Ich als zeitlicher pro tempore Inspektor
Und der hiesigen Geistlichkeit Direktor,
frage Sie quid sit episcopus.


Alles weist uns auf das sonore, würdige Organ.

Nun folgte Herr Krisch, ohn` Verweilen,
Und fragte: aus wieviel Teilen
muss eine gute Predigt bestehn,
Wenn Sie nach Riegeln soll geschehn.


Abb. 28. Der Klub der Denker. Um 1820.

Klingt da nicht schrill das piepsige Stimmchen, und sieht man nicht den dürren, sanguinischen Herrn? 3n der Jobsiade gehen meines Erachtend das erstemal die Mittel mit der Darstellung Hand in Hand, ist für humoristische Dinge ein eigner Stil des Wortes geschaffen, während in der Karikatur jener Zeit stets nur der Gegenstand karikaturistisch aufgefasst worden ist, aber nie für die Darstellung eine eigne Sprache der Linie, der Kunstmittel gefunden wurde. Das, was hier Kortum für den Vers getan, hat nach achtzig Jahren Wilhelm Busch auch für die bildliche Darstellung erobert. Er hat bewiesen, daß auch die Karikatur ihre eigenen Kunstmittel haben muss, dass zu dem W a s des Dargestellten, zu der Auffassung erst noch als Drittes das W i e der Darstellung kommen muss, um das zu ergeben, was wir unter einer modernen Karikatur verstehen. Wir haben uns deshalb etwas eingehender mit Kortum beschäftigt, weil er in der Art seines trocknen Humors, wie in der Behandlung des Verses ein Vorbild seines späteren Landsmanns Wilhelm Busch ist, mit dem ihn viel Gemeinsames verbindet: jene Behäbigkeit, die Freude am Essen und Trinken, und besonders die nicht allzu große Freundschaft mit den Menschen, welche beide aus dem ff kennen, und denen sie beide mit gutem Recht eher das Schlechteste als das Beste zutrauen. Und, wenn auch Kortum lustig der Zopf wackelt, so ist er doch der einzige, der als Karikaturist des Wortes aus dem achtzehnten Jahrhundert für uns heute noch in Betracht kommt. Nicht allein das sittengeschichtliche Interesse ist es, sondern es steckt in dem Humor dieses Bändchens etwas, das bleibend und das auch noch heute wertvoll ist, während andere komische Heldengedichte — denn, wenn man überhaupt klassifiziert, muss mau die Jobsiade dieser Gattung zuzählen — längst jenen Stachel für uns verloren haben, und während humoristische Romane jener Zeit, wie Nicolais „Sebaldus Nothanker“, uns angähnen.

Abb.29. Krähwinkler entdecken den Nordpol, um 1820, (Sammlung v. Lipperheide.)

Abb. 30. der Krähwinkler mit dem Wegweiser. Um 1820. (Sammlung v. Lipperheide.)



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die deutsche Karikatur im 19. Jahrhundert