München.

Wenn wir der Reihe nach vorgehen, so haben wir zuerst München zu erwähnen, wo Lola Montez und Ludwig I., der Partizipien-Dichter, dem Spott reichlich Stoff boten. Über Lola Montez in der Karikatur ist bereits eine Arbeit in der „Zeitschrift für Bücherfreunde“ erschienen, eine größere Publikation mit gegen sechzig Karikaturen aus die „Gräfin von Kainsfeld“ bereitet Eduard Fuchs vor. Sechzig Karikaturen! Ein Zeichen dafür, welche Macht die bildliche Verspottung in jenen Tagen hatte. Wir bringen hier den „Engelsturz“ (Abb. 46), die künstlerisch am höchsten stehende Arbeit. Lola, getragen vom Gensdarmeriehauptmann Bauer, fährt samt dem suspendierten Corps „Allemania (oder Lolamannia“, wie es genannt wurde) hinab in den flammenden Höllenrachen. Geschart um den bayerischen Löwen stehen Professoren und Studenten, Michael mit dem Flammenschwert, mit dem Schild, auf dem Münchens Wahrzeichen in der Umschrift steht: „Einigkeit macht stark“, flößt sie hinab. Eine zweite Karikatur stellt Lola auf der Tribüne dar, mit einem bärtigen Gesicht, eine stofflich interessante, künstlerisch durchaus minderwertige Arbeit. — Eine dritte ist eine kleine Verspottung (Abb. 45) in altertümelnder Holzschnittmanier aus dem „Berliner Krakehler“, Lola als Hexe auf einem Besen reitend. Viele der Lolablätter befassen sich mit ihren galanten Abenteuern und sind, wenn auch künstlerisch wertvoll, inhaltlich nicht gerade salonfähig. Wie man es überhaupt in so erregten Zeiten nicht allzu genau auf die Goldwaage legt, was gemeinlich gesagt werden darf, und was nach sittlichem Übereinkommen nicht in die Debatte gezogen werden dürfte.

Abb. 59. Müller und Schulze. Kladderadatsch 1848. A. Hofmann & Comp., Berlin.


Aber außer diesen Einblatt-Drucken hat die Karikatur in München aus dem Jahre 1848 noch einen dauernden Gewinn gezogen. Ende 1847 erschienen die „Leuchtkugeln, Randzeichnungen zur Geschichte der Gegenwart“ (1848 bis 1851); schon vor 1848 waren die „Fliegenden Blätter“ herausgeflattert. Sie sind durch ein halbes Jahrhundert das führende humoristische Organ Deutschlands gewesen, der Sammelpunkt für fast alle karikaturistischen Talente Süddeutschlands, der Platz der Betätigung von Hunderten, bedeutenden, von Künstlern des Wortes und des Stifts. Ich möchte schon hier ein wenig aus den Humor eingehen, der in den „Fliegenden“ eine Heimstätte fand, und nur kurz erwähnen, daß sie ihre ersten Triumphe der politischen Satire verdanken, und daß ihnen die Reise des Barons Eisele und seines Hofmeisters Dr. Beisele, der Wühlhuber und Heulmayer, Figuren, welche Caspar Braun erfand, der Staatshämoridarius von Pocci — sowie die witzige Kritik der Zustände, welche sich hieran knüpfte, eine außerordentliche Popularität gaben. Bald aber zogen sie sich völlig von jeder Kritik — sei es nun des sozialen Lebens oder der Politik — zurück, mit übermäßiger Vorsicht, und sie sind vielfach heute deshalb für uns antiquiert und nichts sagend. Fred. Walter, der in der „Kunst unserer Zeit“ (Mai-Heft 1898) eine eingehende Studie über die „Fliegenden“ veröffentlicht hat, charakterisiert die Art des später hier gepflegten Humors zutreffend: Behaglich sehen wir zum Fenster hinaus, und draußen treibt das Narrenschiff vorbei, mit den Narren aller Stände, Geschlechter und Kategorien. Sie treiben vorbei und wissen nicht, daß sie die Schellenkappe tragen, und zeigen ihre Schwächen in naiver Harmlosigkeit, und wir lachen über sie und erkennen sie als Sünder ihrer Zeit. Schon recht, nur schauen wir nicht mehr behaglich zum Fenster hinaus, und haben alle Gründe, nicht mehr an die naive Harmlosigkeit der anderen zu glauben. So haben sie in letzter Zeit heftige Angriffe erfahren, auch einmal von dem Verfasser.

Abb. 60. A. Achenbach: Alles besetzt. Düsseldorfer Monatshefte 1848

Abb. 61. Schröder. Düsseldorfer Monatshefte 1848.

Abb. 62. Th. Hosemann. Düsseldorfer Monatshefte 1848.
Sie: Ach Herrjes, mein Mann! _ ne, ick satge doch, watt der Mensch mir vor`n Schreck injagt. Jch denke du liegst ganz ruhig in`n Friedrichshein.
Er. Ne alleweile noch nich, ick wurde man blols durch n Milsverständnis en bisken länger in Spandau ufjehalten.[/b]

Ganz anders aber muss unser Urteil lauten, wenn wir uns fragen, was die „Fliegenden Blätter“ geleistet haben, und was ihre Arbeit von fünfzig Jahren für Deutschland bedeutet. Sie haben eine Zentrale des süddeutschen und bayerischen Witzes gebildet, die Stelle geboten, wo Künstler wie Busch und Oberländer und Schwind sich ausgeben konnten.

Die literarischen Bewegungen haben dort ihr Gegenspiel, wie ihre Parodie in Bild und Wort gefunden. Der Humor, der zwecklose Humor, wie ihn nur der Deutsche kennt, hat sich nirgends liebenswürdiger geäußert. Die Vervielfältigung, der Holzschnitt hat sich bis zu einer seltenen Höhe entwickelt. Reproduktionen nach Tuschblättern z. B. von Marold wurden dort geschaffen, gut genug um die Mappen der Sammler zu zieren. Gewiß, das soll altes anerkannt werden: die „Fliegenden“ waren und sind eine große künstlerische Tat. Und doch ist selbst der Humor der „Fliegenden“ dem Norddeutschen oft fremd; es ist zu bedauern, daß kein norddeutsches Blatt ihnen das Gegengewicht halten kann, daß mit den beginnenden fünfziger Jahren die guten Ansätze des Berliner Humors durch die stete Umformung der Stadt und ihrer Bewohner nie zur Entwicklung kommen konnten, und daß wir hier weder die Kräfte, noch die Schulung und besonders nicht die Stätte und das Entgegenkommen der Massen besitzen. Gerade der in den „Fliegenden“ gepflegte Witz besitzt oft nur lokales Interesse, hat als Hintergrund Dinge, Zustände, die dem Norddeutschen fremd und fern; so schätzt man es mehr des zeichnerischen Inhalts als des geschrieben wegen. Eberling, Kinkel, Fr. Th. Bischer haben schon vordem diele Unzulänglichkeiten empfunden und ausgesprochen.

[i]Abb.63. Der wirkliche Geheimrat. Düsseldorfer Monatshefte 1848.


Was uns aber immer wieder zu den „Fliegenden“ hinzieht, das ist der Stab zeichnender Mitarbeiter, humoristischer Talente ersten Ranges.

Mehr als die „Fliegenden“ hätten uns die so früh verblassten „Leuchtkugeln“ bringen können, die in witziger und treffender Weise das Jahr 1848 glossieren. Sie sind es besonders, welche die Zopfträger verspotten, und mit das Beste an Karikatur des Jahres 1848 wird von ihnen geboten (Abb. 47 bis 49, 52 u. 53). Ist doch sogar ein Kaulbach unter ihren Mitarbeitern.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die deutsche Karikatur im 19. Jahrhundert