Einführung.

Abb. 1. Daniel Chodowiecki: Leiste mit Karikaturen. (Originalgröße.)

Die einzige Arbeit, welche bisher die gesamte deutsche Karikatur im Zusammenhange darzustellen sich bemüht, hat den französischen Kenner dieser Materie J. Grand-Carteret zum Verfasser. Sie erschien in Paris 1885 und beleuchtet infolgedessen noch nicht die letzte, so interessante Phase der deutschen Karikatur, welche sich fast wie absichtlich in Gegensatz zu der jeder früheren Epoche setzt. Das Werk Grand-Carterets hat den großen Vorzug, eine — wenn auch noch lückenhafte — so doch überaus fleißige und dankenswerte Zusammenstellung des Materials zu liefern und durch die biographischen Notizen über die Künstler, sowie durch einen gewissenhaften Katalog der periodisch erscheinenden und erschienenen illustrierten humoristischen und politische satirischen Blätter jedem Späteren viel Mühe und Arbeit zu ersparen. Während Grand-Carteret die Karikatur — man fasse hier diesen Begriff im weitesten Sinne, als Sammelwort für Darstellungen jeder Art, welche in der Absicht geschaffen sind, unsere Heiterkeit, unsre lachende Anteilnahme, unseren bitteren Spott, unsere Verachtung zu erregen; man nehme Sitten-Schilderung, wie politische Satire in ihm aus; ja selbst das zwecklose, liebenswürdige Spiel der künstlerischen Phantasie rechne man zu ihm — während der Franzose also die deutsche Karikatur, soweit die deutsche Zunge klingt, in den Rahmen seiner Besprechung aufnimmt, Deutschland, Österreich, Schweiz, wird der Schreiber nur die Arbeiten Deutschlands im neunzehnten Jahrhundert berücksichtigen. Wenn er trotzdem den Schweizer Toepfer in der Debatte zu Worte kommen lassen wird, so erscheint ihm dieser zuerst als Künstler von Interesse, und er muss als geistiger Ahne des größten niederdeutschen Humoristen und Zeichnern Wilhelm Busch unserer doppelten Anteilnahme gewiss sein.


Abb. 2. Neujahrswunsch um 1800. (Sammlung v. Lipperheide.)

Was man dem Werk Grand-Carterets zum Vorwurf machen könnte, ist einzig und allein in der Herkunft des Verfassers begründet. Nicht, daß es irgendwie tendenziös färbte, — in diesen Fehler verfällt er nur selten, — aber wie ist es überhaupt denkbar, daß ein Mensch anderer Rasse volles, eingehendes Nachempfinden für alle Eigenheiten deutscher Arbeiten haben könnte; und wie kann es ihm möglich sein, sich in das einzuleben, was die intimsten Eigenheiten fremder Volksseele offenbart? Ja, uns, die doch Sprache, Denken, tausend Erscheinungen der Rasse, des Empfindens unbewusst miteinander verbindet, wie schwer wird es schon uns, den Witz, den Humor, die Karikatur einer vergangenen Epoche, läge sie nur fünfzig Jahre zurück, zu verstehen, sich da hineinzufinden; und wir haben doch schon durch Geburt vor jenen hierin einen Vorsprung voraus, den selbst das ernsteste Streben nicht weit zu machen vermag. Alles, was Grand-Carteret durch Arbeit und Gewissenhaftigkeit erreichen konnte, ist erreicht; und wenn er meines Erachtens trotzdem zum Verständnis der Bewegung nichts von Belang beigebracht hat, so hat das seine Begründung in einem Etwas, welches stärker ist als er.

Was in der Arbeit Grand-Carterets besonders vermisst wird, ist das Eingehen auf künstlerische Eigenart einzelner Zeichner, wie ganzer Epochen, und der Hinweis auf die fundamentalen Änderungen, welche die fortschreitende Entwickelung der Vervielfältigungsverfahren mit sich brachte. Ebenso scheint mir die Entwickelung und Wandlung der humoristischen und satirischen Momente, die vollkommene Umgestaltung unserer Seelischen Struktur im Laufe eines Jahrhunderts — das, wag eigentlich der leitende Gedanke sein müsste, — nirgends hervorgehoben.

Es wäre also eine ebenso verdienstvolle, wie schwierige Aufgabe, einmal eine Geschichte der deutschen Karikatur zu schreiben, in der die Entwickelungslinien deutlich gezeichnet wären. Der Verfasser müsste als Künstler, als Historiker, als kulturgeschichtlicher Forscher gleich verständnisvoll dem Thema gegenüberstehen. Dieses Buch fehlt uns, wie das liebe Brot; aber wer hätte wohl Mut und Fähigkeiten genug, um diese Herkulesarbeit zu bewältigen?

Abb. 3-5. „Nürnberger Schimpfwörter.“ Um 1790.

Und dass der leitende Gedanke dieser Entwickelung auch anderwärts nirgends betont wird, das ist es, was mich davon abhält, der Begründung und philosophischen Klärung der Begriffe nachzugehen, mit welchen wir uns hier befassen werden. Mit all den geistvollen, ästhetischen Erörterungen fördern wir nichts; denn nirgends ist berücksichtigt, dass der Witz, Humor, die Karikatur Wandlungen unterworfen sind, sich abnutzen, Neuem Platz machen; dass das, was vor fünfzig Jahren noch als komisch, humorvoll, karikaturistisch erschien, was die Menschen in Fröhlichkeit versetzte, uns nicht mehr lachen macht, in uns nicht mehr die Gefühle auslöst, welche erst den Dingen ihre Tendenz, ihren Gehalt geben. Ein Messer, mit dem man nicht mehr schneiden kann, ist und bleibt nur ein Stück Metall, und wenn es auch zehnmal die Gestalt eines Messers hätte. Und ebensowenig, wie uns diese fernen Dinge heute noch ergötzen, würde von Früheren unsere heutige Heiterkeit und ihre Gründe begriffen werden. Was würde ein Jemand von vor hundert Jahren über uns denken, wenn wir vor einem Th. Th. Heine ihm sagten: Sieh' einmal: diese Linie erregt schon — nur als abstrakte Linie — durch ihre bizarre Bewegung eine Heiterkeit, oder ich finde in dem absichtlichen Missklang dieser Farbenzusammenstellung einen Grund zum Lachen. Und so gut diese Dinge nichts Feststehendes in der Zeit haben, nur in ewigem Wandel, in steter Veränderung ihr Leben fristen können, ebenso sehr wird ihre völlige Verschiedenheit bestimmt durch örtliche Entfernung, ist sie den Unterschieden der Rasse unterworfen. Jedes Volk hat seinen Witz; überall äußert er sich anders, — allein schon der norddeutsche Witz ist dem Süddeutschen oft unverständlich, und der Norddeutsche möchte heute umgekehrt den des Süddeutschen flach und nichtssagend finden. Rassenerbteil, Bildungshöhe, Sittlichkeit, Denkschnelle, geistige Behäbigkeit, alles, alles beeinflusst den Witz, scheint ihn in seinen Grundfesten umzuwandeln, und ich möchte es leugnen, daß Humor, Witz, Karikatur überall und stets von den gleichen Quellen unseres Geistes genährt werden und genährt wurden.

Abb. 6. „Herr All und Frau Jung.“ Handkoloriertes Blatt; um 1810. (Sammlung v. Lipperheide)

Gerade, daß sich all diese Deutungen so wenig mit der bildenden Kunst befassen, nirgends eine Analyse bildlicher Darstellung bieten, stets das geistige, aber selten das rein ästhetische Moment betonen, macht es uns desto leichter, über sie hinwegzugehen. Nein, mich dünkt auch für unser Seelenleben gibt es keine Ewigkeitswerte, und mit dem Witz des Wortes und des Bildes ändern sich auch seine Ursachen und Wirkungen; lassen wir diese Frage offen, nur soviel: Weder scheint mir das Komische in einer Auflösung des Erwarteten begründet, noch möchte ich mich dem zuwenden, daß das Lustgefühl beim Komischen ein gemischtes ist, und daß es im Anschwellen, Überheben unseres Ichs dem Dargestellten gegenüber wurzelt, im Gegensatze zum Erhabenen, welches ein verdrängen, Unterdrücken unseres Ichs hervorbringt. Gerade in der modernen Karikatur sind Momente hinzugetreten, welche meines Erachtens in keiner Deutung restlos ausgehen, und deren Wirkung auf mich von keiner der Erklärungen gedeckt wird, nicht von der eines Kant, Jean Paul, Vischer, noch von der moderner Psychologen, eines Hecker, Kraeppelin, Lipps.

Abb. 7. Matthieu Oesterreich: Gesellschaftsstudie 1752. (Verkleinert.)

Für die Zwitterstellung, welche die Karikatur in der Kunst einnimmt, indem sie in einer bestimmten Absicht geschaffen wird und vielfach Dinge gibt, die eigentlich in das Gebiet des gesprochenen Wortes fallen, die Grenzen der bildlichen Darstellung verschieben und überschreiten, — für diese eigentümliche Stellung scheint es mir nicht ohne Belang, dass viele Schriftsteller — Künstler des Wortes — bis in die modernste Zeit, bis auf Johannes Schlafs „geschundenen Pegasus“, den Hang zur bildlichen Karikatur gezeigt haben, und dass wirklich oftmals hier eine starke Begabung mit der literarischen Hand in Hand ging. Die Schöpfungen sind meist nicht reif genug, um hier Raum zu finden; selbst die bekannten Karikaturen Schillers „Abenteuer des neuen Telemachs“ sind zu dilettantisch, um ernst beurteilt zu werben. Eigenartig, bizarr, von leichter Hand, zeigt sich vor allem nur Theodor Amadeus Hoffmann, in dem sicherlich das Zeug zu einem der merkwürdigsten Karikaturenzeichner des beginnenden neunzehnten Jahrhunderts gesteckt hat. Seine phantastischen Gestalten, — wie die des wahnsinnigen Kreislers, — sind Ausgeburten krankhafter Phantasie, Bilder eines zweiten Gesichts, grause Spukgestalten von satanischem Humor, wie sie schreckhaft starre Augen in Fieberträumen zu sehen wähnen. Gerade diese Note, welche wir z. B. in dem Spanier Goya, bei Jacques Callot und in dem Franzosen Felicien Ropps wiederfinden, ist bis heute der deutschen Karikatur fast vollends fremd geblieben, und doch mochte auch sie bei uns einer eigenen Entwickelung fähig sein.

Abb. 8. Spottbild auf die Gallsche Schädellehre. Um 1800.

Wir haben zu unterscheiden zwischen humoristischer und karikaturistischer Zeichnung. Die erste schafft tendenzlos, nur die eine Absicht kennend, uns ihr Lachen mitzuteilen. Sie will nicht beleuchten, aufreizen oder beruhigen, wandeln oder bessern, das Ethische tritt vollends hinter dem Ästhetischen zurück; sie treibt ein zweckloses, freikünstlerisches Spiel mit den Dingen und will uns nur ihre Weltanschauung vermitteln, eben jene, welche man Humor nennt. Friedrich Theodor Vischer sagt vom Humor: Als poetische Tätigkeit bringt er ein Ganzes aus sich heraus, ein Kunstwerk, das von ihm durchdrungen ist, — und geistvoll trifft Vischer ferner seine Eigenheiten: „Der unendliche Widerspruch von Höhe und Niedrigkeit in der Menschenwelt, die rührend - komische Wahrheit, dass der große Mensch so klein, dieses weisheitsvollste Wesen so kindisch, schildert er erfinderisch in den individuellsten Kollisionen, aber immer (?) mild und mit Liebe. Der Humor ist voll Unschuld, aber es ist nicht die einfache Unschuld eines Kindes, sondern eine solche, die durch innere Wehen, durch Zerrissenheit, Kampf, Schuldbewusstsein hindurchgegangen ist, und sich wieder mit ihrem Gott versöhnt hat. Diesen Kampf, die Erfahrung des Abfalls vom Unendlichen, die Erkenntnis des Bösen, die Zerstörung der jugendlich schönen Illusionen setzt der Humor allerdings voraus.“ Uns muß diese Auslassung um so wichtiger erscheinen, weil sie aus dem Jahre 1837 von dem Gleichen stammt, der im Jahre 1880 in Verkennung gerade dieser, hier so scharfsinnig gedeuteten Tatsachen, Wilhelm Busch Pornographie vorwarf. — Die humoristische Zeichnung ist es vorzüglich, welche der steten Wandlung und Umgestaltung unterworfen ist, und welche am reinsten deutsche Eigenart ausspricht; sie hat bei uns die höchste künstlerische Form erreicht, im Gegensatz zu Frankreich, wo sich seit Mitte des Jahrhunderts besonders soziale und politische Karikatur in unerreichter Kraft und Vollkommenheit auslebt.

Die soziale Karikatur, welche erst ganz neuerdings in Deutschland mit dem klaren Bewußtsein des Klassenkampfes hervortrat, ist ein Bindeglied zwischen humoristischer Zeichnung und der mit politischer Tendenz, ober sie ist vielleicht nur als eine neue, vornehmere Form der letzten zu betrachten. Sie ordnet die agitatorischen Intentionen den künstlerischen unter, und gerade sie schafft die intimen, für unsere Zeit eigentümlichen Kunstwerke, während der politischen Karikatur niemand intime Wirkungen nachsagen kann. Bisher bezeichnet die politische Karikatur in seiner Arbeit über satirische Zeichnung als „gemischte Kunst“, und, als fürchte er einen Zusammenstoß seiner Ästhetik mit dem Leben, setzt er hinzu: „Hat man nur erst gründlich eingesehen, daß die Kunst mit Tendenz keine reine ist, so kann man ihr ohne Scheu, mit voller Überzeugung, ihr großes, geschichtliches Recht wiedergeben“. Die Erörterung, welche sich hieran knüpfen müsste, ist müßig, manche der beigegebenen Illustrationen werden zeigen, daß Kunstwert und Tendenz restlos ineinander aufgehen können, und daß in keiner Weise politische Karikatur, nur weil sie handelnd in das öffentliche Leben eingreift, eine subalterne Kunstübung ist; so wenig wie das Schaffen eines Schrankes nun eine niedere Betätigung wäre, weil dieser Gegenstand neben ästhetischen Genügen noch praktischen Zwecken dient. Jedenfalls hat die politische Karikatur so, wie sie eine eigene Stelle im Leben einnimmt, auch eigene Gesetze in der künstlerischen Wirkung.

Abb. 9. Daniel Hildebrandt (Daniel Heß): Der Scharringelhof, Blatt 5. 1801. (Verkleinert)

Eduard Fuchs versucht in seinem „1848 in der Karikatur“ die Rode, welche diese in den politischen Wirren als Kampfmittel gespielt hat, zu Schildern: doch ist es schwer und unmöglich, zahlengemäß die Richtigkeit der Ausführungen zu belegen. Besser wären diese Untersuchungen bei der Dreyfußaffaire angebracht gewesen, wo man einmal in Frankreich von Tag zu Tag den Einfluß der führenden Zeichner: Forain, Caran d' Ache, Jbels, Léandre u. s. f. im Pssst, Sifflet, Rire — auf die Stimmung der Massen hätte erkennen können. Die neuen Arbeiten Grand-Carterets streifen ähnliche Probleme. Eine im Wesen des politischen Bildes begründete Eigenheit ist es, daß sie fast stets auf Seite der Opposition, des Schwächeren, des Unterliegenden steht. Die deutschen Karikaturen, z. B. im Krieg 1870, sind geringfügig, in minderer Anzahl und ohne Stachel, während die Franzosen — als -Besiegte — ihrer bittersten Spottlust alle Zügel schießen lassen und eine Unzahl Blätter von gewaltiger, wuchtiger Kraft geschaffen haben , — jedes ein aufstachelndes Kriegslied, flammend, voller Hohn und Verachtung. So wird die Politische Karikatur ihren Höhepunkt stets in den Zeiten Politischer Erregtheit haben, in ruhigeren wird sie dann wieder ebben, verflachen, um plötzlich wie eine Springwelle von neuem emporzuschnellen. Und schon diese Linie zeigt ihre Stellung im Streite der Mächte und Meinungen, ihre Wichtigkeit als Kampfmittel. Man könnte sie die Biblia pauperum des öffentlichen Lebens nennen. Wie sich die Armenbibel an die wandte, denen das geschriebene, gedruckte Wort kein Leben gewann, um zu ihnen mit der stärkeren Suggestion des bildlichen Eindrucks zu sprechen, so wendet sich die politische Karikatur — vorzüglich die frühere, welche mit sogenannten „fliegenden Blättern“, „Einblattdrucken“ oder mit Plakaten das Land überschwemmte — agitatorisch an die breitesten Massen derer, welche nicht scharfsinnig den Bewegungen zu folgen verstehen. Und selbst denen, welche im Politischen Leben stehen, will sie, wie in einer Anmerkung, einer glossierenden Fußnote zur Zeitgeschichte, noch einmal in schlagender Weise das vorführen, was hier das Springende ist. Kurz und klar will sie den Sinn erfassen, knapp und scharf ihn zum Ausdruck bringen. Sie will nicht mit uns unterhandeln, uns mit Gründen der Vernunft etwas beweisen, sondern sie will uns blenden, uns überzeugen, ehe wir nachdenken können. Der große Nutzen dieser Kunstübung also ist es, daß sie mit scheinbarem Spiel den indifferenten Massen eine starke Anteilnahme am öffentlichen Leben erhält. Ohne unsere satirisch-politischen Witzblätter würben sich die Leiter der Politik kaum heute einer solchen Volkstümlichkeit erfreuen.

Abb. 10. D. Chodowieck: Liberté, Egalité, Sanculotte.

Abb. 11. Daniel Chodowiecki. Wallfahrt nach Französisch-Buchholz.

Abb. 12. D. Chodowiecki: Phétion, Marat und das Fischweib.


Die Beleuchtungsart der politischen Karikatur hat etwas vom elektrischen Scheinwerfer, welcher hier breite Sichtmassen häuft, um Sie gegen tiefschwarze Schatten noch greller wirken zu lassen. Tiefe Art der Beleuchtung zwingt die politische Karikatur in ihren Angriffen scharf und oft ungerecht zu werden, aber das ist eben in ihrem Wesen und ihren Zielen begründet, und man kann es ihr nicht zum Vorwurf machen. Das volle Bewußtsein der Ziele und des Wesens hat der politischen Karikatur in der letzten Zeit, in einem Füttner, Feininger, Brandt, in den Franzosen Léondre, Forain einen ganz eigenen künstlerischen Stil gegeben. Die Zeichner lernen wie Volksredner Schlagworte münzen, schaffen Bilder, die sie suggestiv uns einprägen; sie schreiben Lapidarschrift, weisen monumentale Züge auf, schreiten im Gegensatz zu aller früheren Karikatur zu einer absichtlichen, kräftigen Einfachheit, Großzügigkeit fort, welche sich trefflich für die Wichtigkeit ihrer Aufgaben eignet; und die Zeit, in der die politische Karikatur, - wie Fuchs sagt, — „als Kampfmittel unterschätzt, in ihren Aufgaben verkannt, als Kunstwerk verachtet wurde“, ist heute vorüber. Gerade die zum Stil gewordene Großzügigkeit zeigt uns, daß hier Fragen im Spiele sind, die hoch über dem kleinen Leben, über dem engen Streife des Einzelnen stehen. Der Ton der politischen Karikatur klingt jetzt kräftiger und doch vornehmer, wie früher; man bewahrt einen gewissen Anstand dem Gegner gegenüber, und so witzlose, wüste — bildliche und wörtliche — Schimpfereien, wie sie die Fehden der Reformationszeit heraufbeschworen, möchte man heute anderen Gebieten zurechnen. Die Angriffe gegen einzelne Personen sind auch schon heute in der politischen Karikatur — im Verhältnis zu 1848, dem eigentlichen Geburtsjahr der deutschen satirischen und humoristischen Zeichner — seltner geworben; und selbst dieses bedeutet einen Fortschritt; denn man hat nicht mehr das bedrängende Gefühl, daß diese Leute in ihren Privatinteressen geschädigt werden, sondern daß, was man in ihnen dem Spott preisgibt, das ist das, was sie vertreten; sie sind nur die Schale, nicht der Kern.

Abb. 13. Silhouette zu Kortums „Jobsiade“. (oder Jobfiade)

Die höchste Form der politischen Karikatur ist die, welche, ohne Persönlichkeiten hineinzuziehen, die Zustände geißelt; sie scheint sub specie aeternitatis geschaffen.

Humoristische und karikaturistische Zeichnung ist in Deutschland jüngeren Datums; daß wir zuerst einen eigenen Stil dieser Kunstübung aufweisen können, liegt kaum fünfzig Jahre zurück. Als verachtet hat sie lange Männer von echter Begabung von sich fern gehalten, und nur Talente dritten Grade haben sich in ihr betätigt. Daß die meisten Einzelblätter politischer Satire namenlos erschienen sind, ist in der Lage der Dinge begründet; nur selten werden wir die früheren Zeichner feststellen können, oft ist es auch unmöglich, die Beziehungen zu ergründen; doch dann werden es meist Anlässe von geringfügigem Interesse sein, welche wohl der Spezialforschung von Nutzen, aber hier für uns in keiner Weise fördernd wären.

Eulenspiegel erkrankt in Mölln und tritt seinen Nachlass in drei Teile.

Abb. 14. J. H. Ramberg: Aus „Till Eulenspiegel“. (Verkleinert.)



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die deutsche Karikatur im 19. Jahrhundert