Zur Anerkennung der Auswanderung

Da es noch Viele gibt, welche die Auswanderung für einen Nationalschaden halten, so dürfte eine Zusammenstellung einiger Vorteile derselben an der Zeit sein. Auch auf Deutschland passen die Worte Macaulays: „Die Auswanderung ist eine der größten Taten der Nation; sie schafft neue Nationen; sie beschäftigt, bereichert, verbessert, stärkt uns und sichert uns eine größere und dauerndere Zukunft, als alle Eroberungen.“ Deutschland wird sogar noch in besonderer Rücksicht Vorteile davon genießen; denn unsere Auswanderer schaffen uns politische Freunde, was bei den Engländern, die nicht nach englischen Kolonien gehen, keineswegs zu Gunsten des eigenen Mutterlandes der Fall ist. Vor allen Dingen verschaffen uns unsere Auswanderer Kunden.

Es dürfte wohl unzweifelhaft sein, dass, wenn die Auswanderung nach den Vereinigten Staaten nicht gewesen wäre, die Bevölkerung Europas und ganz besonders Englands und Deutschlands, nicht so groß sein oder doch sicherlich sich nicht auf derdermaligen Stufe des befinden würde. Durch die Auswanderung nach vorwiegend Ackerbau treibenden Ländern wird der Vermehrungsprozess und die Nationalkraft des Volkes vergrößert.


Besonders bei der germanischen Rasse findet dieser Aufschwung statt durch Vervielfältigung oder Steigerung der Gelegenheiten zum Broterwerb, durch vergrößerte Sicherheit der Existenz, d. ist: durch verminderte Schwankung der Brotpreise, seltenere Wiederkehr von Teuerungen und deren geringere Intensität.

In Amerika widmet sich der Auswanderer meist dem Ackerbau; seine Bedürfnisse an Manufakturwaren bezieht er zum größten Teile noch aus Europa, einen beträchtlichen Teil davon aus Deutschland. Da aber auch der kleine Landbebauer, der nur mit einigen Hundert Thalern einwanderte, sogleich durch die unentgeltliche Erwerbung einer Heimstätte – und selbst der bei seiner Ankunft drüben gänzlich Mittellose nach leichtem Erwerbe von einigen Hundert Thalern in den Besitz einer Heimstätte gelangt und dadurch unabhängig und konsumtionsfähiger wird, als in Europa, so konsumiert der Ausgewanderte eine sehr bedeutend größere Quantität von Manufakturwaren. Seine Familie, an deren Bildung er in Deutschland in sehr vielen Fällen verhindert gewesen wäre, vermehrt sich in Amerika weit rascher, als hier, und seine Nachkömmlinge, denen Allen eine Heimstätte offen steht, sind wiederum weit größere Konsumenten für europäische Fabrikate. Es dürfte nicht zu viel gesagt sein, wollte man annehmen, dass die europäische Industrie durch die Ausgewanderten in weit höherem Maße befördert wird, als durch eine gleiche Anzahl Zurückbleibender. Die Annahme eines Verhältnisses von 2 zu 1 dürfte keine übertriebene sein, so dass die 100.000 Auswanderer per Jahr aus Deutschland nach den Vereinigten Staaten, den Fabriken und dem Handel des Mutterlandes so viel Beschäftigung geben würden, als 200.000 derselben Klasse der Bevölkerung, die daheim bleiben; denn diese haben ihre Bedürfnisse an Fabrikaten aufs Äußerte einzuschränken, während jene sich bald nach ihrer Ankunft jenseits einen größeren Konsum solcher meist aus Europa herbeigebrachten Manufakturen erlauben können. Die Zunahme der aus den Auswandernden entspringenden Bevölkerung, die auch importierte Waren und in noch größerem Verhältnisse verbrauchen, die sich in den Vereinigten Staaten bereits auf Millionen beläuft, ist jedoch der Hauptgewinn für Deutschlands Industrie, zu dem sich noch der gesellt, dass auch die Amerikaner selbst sich in ihren Gewohnheiten und Verbrauch dem Deutschen anließen.

Ferner müssen wir die Zurückkehrenden in Betracht ziehen, welche sich jetzt schon auf Tausende jährlich belaufen und sich in 20 Jahren verzehnfachen dürften. Sie bringen großen Erwerb mit sich, der jetzt wohl schon auf mehrere Millionen per Jahr und für jene Zeiten auf 10 Mill. und wohl viel mehr Thaler pro anno zu veranschlagen ist, find im Stande, alle Annehmlichkeiten und Produkte des Mutterlandes zu genießen und können ihren Kindern eine vorzügliche Erziehung geben, was bei Vielen, namentlich den Gebildeteren, der Beweggrund ihrer Rückkehr wird. Andererseits aber vermehren selbst die Nichtzurückkehrenden schon jetzt den Reichtum des Mutterlandes durch bedeutende Geldsendungen an Angehörige und Abhängige, und werden dieses in immer zunehmendem Grade tun.*)

Ein Vorteil ist auch der, dass durch den Besuch oder die Heimkehr Ausgewanderter viele Handgriffe, verbesserte Arbeitsmethoden oder Produktionsprozesse und neue Einrichtungen mannigfacher Art, zeitsparende Arbeitsweisen eingeführt werden. Unleugbar ist dies seit 10–20 Jahren bei der Gasarbeit, beim Röhrenlegen, bei Eisenbahnarbeiten oder Maschinen- und Kanalbauten der Fall. Eine andere Wirkung der Auswanderung auf das Mutterland hat sich in der Tat schon sehr erfolgreich bewiesen. Sie besteht in dem Abzug solcher Arbeiterelemente, die nicht stark begehrt werden, welche die Löhne drücken und in natürlicher Folge schlechterer Ernährung die Produktion, Handel und Konsum schwächen. – Dagegen werden nun die zurückbleibenden Arbeiter besser gestellt, können mehr auf ihre kräftige Ernährung verwenden und infolge dessen auch mehr Arbeit liefern. Die heimischen Fabriken selbst gewinnen durch diesen besser bezahlten Arbeiterstand einen neuen, ausgedehnten Absatz, während der ärmere, wenn auch zahlreichere Proletarier Nichts für ihre Erzeugnisse zu erübrigen vermochte. Offenbar erhält somit die Fabrikation eine sichere Stütze im Inlande, hat einen größeren Überschuss und kann somit den Export unabhängiger und umfangreicher betreiben.

*) Nach einem letztlich veröffentlichten Berichte der englischen Auswanderer-Kommission waren im vergangenen Jahre von Irländern aus den Vereinigten Staaten nachweisbar über eine halbe Million Pfund Sterling an ihre armen Verwandten, und innerhalb der letzten 16 Jahre über fünf Millionen Pfund Sterling heimgesandt worden. Wir sind überzeugt, dass der Deutsche dem Irländer an Verwandtenliebe nicht nachsteht, und da er viel erwerbsfähiger ist und die Zahl der Deutschen in Amerika die der Irländer weit übersteigt, so darf wohl angenommen werden, dass die für ähnliche Zwecke nach Deutschland zurückströmende Summe innerhalb der letzten 10 Jahre sich auf 30 bis 40 Millionen Thaler beläuft.

Dazu kommt, dass eine etwaige durch Auswanderung herbeigeführte lokale Arbeiternot den einsichtsvollen Arbeitgeber zur Anschaffung besserer Werkzeuge und Maschinen treibt, wodurch die Leistungsfähigkeit des Arbeiters*) und der Ertrag, zumal des Feldes, sehr erhöht und oft verzehnfacht wird. Durch die Verwendung der Maschinenarbeit wird der Fall vermieden, in dem sich Ungarn kürzlich befand, dass nämlich wegen überreicher Ernte der Feldtagelohn 3 ½ , Gulden betrug oder Akkordarbeit für den dritten Teil der Heimsung gedungen werden musste. Bringt auch die Auswanderung anfänglich an einigen Orten etwas störende Verhältnisse in Arbeitskräften und selbst in Talenten und Kapital hervor, so wird sie doch bei einer erfolgreichen Einwanderung, wie in Nordamerika oder Australien, eine fortfließende immer wachsende Quelle wirtschaftlicher Anregung im Mutterlande des Auswanderers und ihre Wechselwirkung vielfach segensreich.

*) Die neulich bei Berlin abgehaltenen Versuche mit Mähmaschinen werden manchen Hartgläubigen bekehren. Diese Maschinen sind in Nordamerika schon seit 20 Jahren allgemein in Gebrauch, ebenso wie der Grabendampfpflug, die Kartoffelernte- und Dampfdreschmaschine. Es ist erstaunlich, wie langsam Deutschland in der Annahme dieser oft gegen 20 Mann ersparenden Vorrichtungen verfährt. Freilich auch die Nähmaschine hat 18 Jahre gebraucht, um bei uns Boden zu fassen, und es kommen heute kaum 10 in Deutschland auf 100 in Nordamerika. – Ein interessantes Beispiel der ungemeinen Wirksamkeit der Mähmaschinen habe ich in Missouri mit angesehen; 350 Meilen südwestlich von St. Louis, nahe beim Indianer-Reserve-Lande, fand ich 2 deutsche Ansiedler mit einer solchen gemieteten Maschine in der offenen Prairie. Sie hatten ungefähr schon 1.200 Ctr. Heu in größeren Haufen eingesetzt und wollten in Laufe derselben Woche noch eine gleiche Masse setzen, was bei der trockenen Herbsthitze möglich war, um es im Winter selbst zu verbrauchen oder den Rest an neue Ankömmlinge zu verkaufen. Sie hatten ihre deutsche Heimat in Pommern erst vor 7 Wochen verlassen, ihre Heimstätte selbst gewählt und erhalten, Frau und Kind in Springfield zurückgelassen, gemäht, gewendet und eingesetzt, Alles allein mittels Maschine und zwei Pferden. Die Reise hatte für 2 Familien (Schwäger) mit 9 Kindern, zusammen 13 Personen, 840 Thaler gekostet, und mit dem Rest von 1000 Thalern zusammen wollten sie Jeder noch ein Bretter-Häuschen, Schuppen und Ställe aufführen und sich bis zur nächsten Ernte erhalten; bis dahin hofften sie außer hinreichender Nahrung und dem entsprechenden Vorrat noch je 500 Dollar für Tabak allein bar bei Seite zu legen. Jede Beihilfe, deren bedürftig wären, war ihnen von Nachbaren sicher, auch Hausbedarf jeder Art auf Wiedergabe im nächsten Jahre. Die Leute waren so durchaus mit ihrer Lage zufrieden.

Wenn Obiges der Fall ist, so ist erwiesen, dass durch die Auswanderung die Gelegenheit zum lohnenden Erwerb in Deutschland vergrößert wird.

Da sich die Auswanderer hauptsächlich dem Ackerbau widmen, und der Ackerbau fast immer und überall mehr Produkte liefert, als die ackerbauende Bevölkerung konsumieren kann, was in Amerika bei dem besonders fruchtbaren Boden und sehr selten eintretenden Missernten in hohem Grade der Fall ist, so ist in Amerika stets ein Überfluss an Nahrungsmitteln, der einen Ausfall auf dieser Seite des Ozeans zu decken vermag. Und da ferner durch eine Ausbreitung des geregelten Ackerbaues auf allen Teilen der gemäßigten Zone nach Osten und Westen hin die jährliche Gesamtproduktion immer geringeren Schwankungen unterworfen sein wird, so werden durch gleichzeitige Vermehrung der Transportmittel die Schwankungen der Brotpreise immer geringer und Teuerungen immer seltener und weniger fühlbar werden. Mithin wird durch Auswanderung die Sicherheit der Existenz, die Volkszunahme, der Wohlstand und daher auch die Bildung in ganz Europa vermehrt.

Die Deutschen sind anerkanntermaßen im Ausland das beste ackerbautreibende Volk, und da ihnen eine tiefbegründete, auf Liebe zur Arbeit und zum Frieden beruhende Gesittung innewohnt, so müssen sie mit der Zeit in Amerika einen vorwiegenden Einfluss gewinnen, der um so kräftigender auf das Mutterland zurückwirken muss, als es jetzt immer klarer wird, dass (während der vereinzelte Deutsche bisher im Ausland die Tendenz hatte, in der fremden Nationalität scheinbar aufzugehen) größere, zusammenwohnende oder doch verbundene Massen von Deutschen im Ausland ihre nationale Kultur beibehalten und ihre Sympathie für das Mutterland bewahren, und dass besonders schon der bisherige Schritt zu einer vollständigen Einigung Deutschlands unter den Deutschen im Ausland ein nie geahntes nationales Selbstbewusstsein hervorgerufen hat, welches der Machtentfaltung Deutschlands außerordentlich günstig ist.