Erste Fortsetzung

Über die Ungerechtigkeiten und Erniedrigungen, die an Auswanderer in Brasilien verübt worden sind, besonders an Parceria-Kolonisten von ihren Pachtherren, von denen sie gleich Leibeigenen behandelt wurden, habe ich mich häufig genug ausgesprochen. Lange vor dem Jahre 1846, in welchem der beigedruckte Notenwechsel zwischen dem k. Preußischen Minister von Canitz und Graf Abrantes Statt fand, in welchem von beiden Seiten meiner Stellung in der Auswanderungsfrage nach Brasilien nur Gerechtigkeit widerfuhr, habe ich so gehandelt wie dort verzeichnet, und eben so, auch nicht um ein Haar verschieden, handelte ich weitere elf Jahre fort; das heißt, ich beförderte nie die Auswanderung nach Brasilien, und erklärte sie nur für statthaft, wenn die von der Regierung (und man sieht ja sogar 1846 schon von Marquis d'Abrantes der k. preußischen Regierung selbst) zugesagten Reformen eingetreten sein würden. Bis dahin riet ich entschieden von aller Auswanderung nach Brasilien ab, und machte in diesem Sinne wiederholte öffentliche Erklärungen in den Blättern in meinem eigenen Namen als Konsul von Brasilien.

Um jedoch den boshaften und lügnerischen Behauptungen eines Henry Lange und Blumenau gebührend entgegenzutreten, will ich in aller Kürze zeigen, was ihre Begriffe von Vaterlandsverrat usw. für eine seltsame Färbung besitzen, da dem Letzteren sicherlich nicht unbekannt ist, wie ich zu meinem Ungemach die verschiedensten Wespennester des Landmonopols, der Korruption, der Intoleranz, des kostspieligen wissenschaftlichen Dünkels aufgestört habe, wohlbewusst ihrem Zorn mich aussetzend, aber meinem Pflichtgefühle Folge leistend.


Die beiden Doktoren der Naturwissenschaft lassen mir keinen Ausweg. Vaterlandsverrat habe ich begangen, beides an Brasilien und Deutschland. Die brasilianischen Kammern machten mich vor 33 Jahren zum Bürger und ich ließ es über mich ergehen, um so noch leichter in dem Sinne weiter wirken zu können, wie ich bereits in jenem Lande gewirkt hatte. Wenn offen und öffentlich die Wahrheit sagen, Hochverrat am bras. Kaiser genannt zu werden verdient, so will ich selbst mich dieses Verbrechens für schuldig erklären. Vaterlandsverrat an Deutschland heißt nach Herrn Heinrich Lange, englisiert Dr. Henry Lange, Deutsche englisieren und yankeesieren wollen. Henry Lange will hier ja nur brasilianisieren. Diesen Herren gegenüber folgende Tatsachen:

Bereits im Jahre 1836 stand ich in den vertrautesten Beziehungen zu Pater Feijo, dem ehrlichen und patriotischen Regenten von Brasilien, dem es heiliger Ernst war, das Zölibat der Geistlichkeit abzuschaffen, weil es gerade in Brasilien die krasseste Lasterhaftigkeit befördert, wie er in seiner damals gedruckten Gesetzesvorlage an die Kammern motivierte. Ich hatte schon damals, sogar mit Feijos Gutheißung, und später zu verschiedenen Malen gegen den ekelhaften Spektakel zu protestieren gewagt, den der Klerus mit der Siegestrompete anhob, wenn ein protestantischer Landstreicher, meist durch Versprechungen betrogen, zu ihrer Kirche übertrat. Andrerseits wendete ich mich gegen die Wühlereien fanatischer römisch-katholischer Geistlichen, auch deutschen Ursprungs*). Ich verfocht die vielverfolgte Berechtigung von Mischehen, welche – auch wenn schon in Europa geschlossen – den Jesuiten stets Gelegenheit zu empörenden Demonstrationen gaben und noch heute geben, und die Beerdigung von Nichtkatholiken auf katholischen Kirchhöfen, wenn es an anderen mangelte. Im Jahre 1853 reichte ich einen Bericht über die über alle Begriffe notwendige Reform der Seminarien und des Klerus ein, der, von den einsichtsvollsten Mitgliedern des Staatsrates als der gediegenste von allen eingereichten Reformvorschlägen anerkannt, auch in seinen Folgen von den Dunkelmännern empfunden wurde.

*) Wie weit diese Dinge getrieben werden konnten, davon bietet ein Beispiel Pater Klüber, der statt eines Franziskanergürtels eine Kette um die Hüfte trug, um damit auf der Kanzel zu rasseln.

Zur wahrhaften Wut aber erhoben sich Verdummungsapostel, Landpotentaten und brasilianische Patrioten – falls man sie so nennen darf – bei Gelegenheit der schon 1855 angekündigten 1857iger „rein brasilianisch-wissenschaftlichen Erforschungs-Expedition einiger Provinzen des Reichs“. Ich zeigte die vollständige Unfähigkeit der betrauten Männer in gedruckten Berichten und bewies, wie man sich mit ungeheuren Ausgaben nur Schande vor der wissenschaftlichen Welt kaufen werde. Ich beantragte mit Gutheißung des greisen Humboldt und Karl Ritters, dass Baron v. Richthoffen und Dr. Wagner nach ihrem Übereinkommen mit mir für 5.000 Pfd. Sterl. in 2 Jahren alle die Zwecke der Expedition erfüllen sollten und würden, unter welchen ganz besonders an Einhundert Höhenmessungen, von denen auch nicht eine, die zuverlässig wäre, in diesen 10 Jahren ausgeführt worden ist. Diesen Vorschlag nahm man als eine tiefe Beleidigung brasilianischer Ehre auf und für denselben erhielt ich den einzigen amtlichen Verweis, der mir je gegeben wurde. Die Expedition, mit wahrhafter Vergeudung ausgestattet, und sogar von einer ganzen Flotte von Dampfern mit dem Kaiser selbst an Bord bis auf 20 Miles in See geleitet, lebte glänzend 2 Jahre und rechtfertigte meine Voraussage ebenso glänzend, denn sie kostete dem Staate in diesen 2 Jahren 860 Contos de Reis und seit den letzten 7 Jahren 20 Contos jährlich auf unbestimmte Zeit für Berichterstattung, die aber außer einigem Wenigen über Botanik, das man mit 3.000 Rthr. durch einen reisenden Botaniker hätte erreichen können, nichts geliefert hat noch je liefern wird, was der Wissenschaft zu Gute käme.

In demselben Jahre brach die schwere Handelskrisis herein; die Hamburger Häuser hatten, nach einem allmählichen Hinauftreiben der Kaffeepreise um fast 70 pCt., einen Vorrat von einer halben Million Sack davon und erbaten sich, der brasilianische und Hamburger Gesandte an der Spitze, von der Berliner Kriegskasse einen Vorschuss von 7 Millionen Thlr. Damit sollten die Zwangsverkäufe der wucherisch angehäuften Produkte vermieden, längst bankrotte Häuser *), aber auch die Preise gegen das Publikum hochgehalten und das ganze Landpotentatenwesen mit allen der freien Einwanderung entgegenstehenden Interessen befestigt werden. Die Sklaven und Parceria-Kolonisten sollten nur desto strenger zum Pflücken der kostbar erhaltenen Bohne angetrieben werden. Diesem schamlosen Wucherplan trat ich hier aufs energischste entgegen und verhehlte auch der brasilianischen Regierung nicht, warum ich es getan. Mein Zirkular vom 5. Dezember 1857 liegt Jedermann als Beweis vor. Der damals selbst chronisch bankrotte österreichische Staatsschatz öffnete seine Schleusen für die Hamburger, die Kaffeepreise konnten ziemlich behauptet werden; der deutsche Bauer und Handwerker musste den Kaffee ja haben, – die Zollvereinseinnahme blieb bedeutend vermindert. Ja, es regneten sogar österreichische Adelstitel auf die Petenten herab. Trotzdem wurde mein Vorgehen nicht vergessen. Die Hamburger betrachteten überdies die Parceria-Kolonisten-Versendung als eine Hauptstütze ihres Kaffeehandels, und der brasilianische Gesandte war persönlich beteiligt bei Kaffee- und Menschen-Spekulation. Ihren vereinten Klagen gelang es, trotz meiner 25-jährigen Leistungen das Entlassungsdekret auszuwirken. Der Kaiser soll es nie unterschrieben haben und es führt jedenfalls keinen Grund seines Entstehens an; aber Jedermann sah, dass es mit der Einwanderungsfrage eng zusammenhing. Hatte ich doch kurz vorher noch eine Herausforderung der öffentlichen Meinung darin gefunden, dass dem Vorsitzenden des Berliner „Vereins zum Schutze der Auswanderer“, obgleich derselbe Jahre lang von aller Warnung gegen die brasilianischen Werbebetrügereien abgesehen hatte, ein Komturenkreuz gegeben wurde; auch hatte ich Senhor Araujo wiederholt aufgefordert, den Herrn W. G. Rath von Olfers zur Ordnung des Sello’schen Testaments anzuhalten, indem die darin enthaltenen Beschreibungen und Höhenmessungen von dem höchsten Werte für die Kolonisation Südbrasiliens sind, wodurch ich nur das Zusammenwirken zweier tätiger Feinde gegen mich veranlasste. Aber selbst der Fall rücksichtlich der wissenschaftlichen Expedition hängt damit zusammen; ich hatte darauf angetragen, statt einer solchen Geldvergeudung lieber die noch heute, nach11 Jahren, nicht ausgeführte Ländervermessung zum Zwecke der Einwanderung ins Werk zu setzen.

*) Darunter Christian Matias Schröder & Co., der Haupteigner der Kolonie Dona Francisca, auch Schrödersort genannt, das aber doch zusammenbrechen musste, indem es erwiesener Weise schon 12 Jahre lang bankrott war und nur 72.000 M. gegen 1.700.000 M. aufzuweisen hatte – wobei auch viele der ohnehin geprellten Kolonisten das Bisschen, was sie bei ihm stehen hatten, verloren; der Herr Senator Schröder aber wurde unter recht warmen Kondolationen und unter einer obligaten Ehrenerklärung mit dem vollen Senatorengehalt pensioniert. (!) Das geschah in demselben Jahre, in welchem der Hamburger Senat dem brasil. Gesandten Araujo zu Ehren eine goldene Medaille schlagen ließ, und in dem die brasilianische Regierung dem Vorsitzenden des verstummten Berliner Vereins zum Schutze der Auswanderer ein Komturkreuz übergeben ließ und in dem zugleich die Parceria-Betrügereien ihren Gipfel erreicht hatten, – dem für mich so verhängnisvollsten Jahre.

Angesichts dieser Tatsachen behaupten die Herren Dr. Lange und Dr. Blumenau und einige anonyme Schreiber, wohl deren Freunde, den nie vorher habe ich derlei vermummte Feinde gespürt, dennoch, ich hätte unpatriotisch (!) und im Rücken der brasilianischen Regierung gehandelt. Wenn ich gleichzeitig in zahlreichen Artikeln in brasilianischen und deutschen Blättern ebendieselben Ansichten geäußert habe, um meiner persönlichen Wirksamkeit Nachdruck zu verleihen, und mir deshalb der lächerliche Vorwurf einer zu großen Tätigkeit gemacht wird (siehe „Deutsche Blätter“ Nr. 29 d. J.), so ist das nur ein Beweis von persönlicher Antipathie und von dem absoluten Mangel eines Pflichtbewusstseins für eine hochmenschliche Aufgabe.

Herrn Dr. Blumenaus Feindschaft dürfte unschwer auf ihre Quelle zurück, zuführen sein, seltsam aber scheint es, wenn der Kartograph Herr Lange, der doch oft die Lupe gebrauchen muss, gleichsam mit verbundenen Augen für Brasilien und namentlich für die Kolonie Blumenau auftritt. Es wurzelt seine Begeisterung ohne Zweifel hauptsächlich in einer Prämie, derjenigen wohl, welche von der letzten französischen Weltausstellung für die meisterhaft erfüllte Kolonie-Verwaltungskunst der brasilianischen Regierung und, als deren Stellvertreterin, der Kolonie Blumenau (siehe Anhang) zuerteilt worden. Man weiß, was Frankreich unter einer „Kolonie“ versteht, und weiß, welche Art von Leuten die Mehrheit der betreffenden Jury bildeten und wie viele Dutzend brasilianische Diplomaten höchsten und niedersten Kalibers den Glanz jener Weltausstellung erhöhten, und dass diese bei der Nichtigkeit aller brasilianischen Diplomatie in Europa keine wichtigere gemeinsame Aufgabe hatten, als die Erreichung dieser Prämie, welche allen üblen Leumund gegen Brasilien mit einem Male beschwichtigen und Brasilien wieder zum Eldorado aller Auswanderer machen sollte. Herr Dr. Blumenau erhielt gleichfalls, wenn wir nicht irren, eine „Medaille humanitaire“*), welche H. Lange verpflichten sollte, eine lockende Sprache mehr aus Tatsachen, als aus Versprechungen herzuleiten. Oder sollte Herr Dr. Lange am Ende gar nicht wissen, wie es auf seiner gepriesenen Kolonie Blumenau aussieht, wie viele oder vielmehr wie wenige wirklich im Gebrauche stehende Pflüge, wie viele Pferde, Ochsen, Kühe und Schafe sich auf der Kolonie befinden, wie wenige Schulen und Kirchen, Straßen, Posten dort vorhanden? Im vierzehnten Jahre besaß diese in den „deutschen Blättern“ vielgepriesene Kolonie noch keine protestantische Kirche! Warum gibt uns Herr Dr. Lange nicht an, wie viele Ausländer, nicht Deutsche, sich unter der neulich als Muster der Menschheit hingestellten deutschen Bevölkerung befinden, wie viele naturalisierte eingewanderte Deutsche, wie viele deutsche Kinder, die insgesamt zwangsweise als naturalisierte Brasilianer betrachtet und als solche werden, wie viele Stock-Brasilianer und wie viele Sklaven die Kolonie zählt?

*) Es scheint fast unmöglich, dass die französische Ausstellungs-Jury der Kolonie Blumenau den Kolonisationspreis zugesprochen habe ohne in alle Einzelheiten der Verwaltung seit ihrer 17- oder 18jährigen Bildung, und besonders auch auf die pekuniären Mittel, die von der Zeit ihrer Bildung bis zum Jahre 1867 verwendet worden sind, eingeweiht zu sein. Es mussten der Jury daher auch die Angabe 1. des von H. Blumenau auf die Kolonie verwandten eigenen Kapitals, 2. die der ihm durch die Regierung gemachten Vorschüsse und 3. die von der Regierung an H. Blumenau bezahlten Prämien, von 40.000 Milreis auf wohl 4.000 Köpfe = 160 Contos de Reis, gemacht werden.
        Annehmend, dass erstere Summe gleich 15 Contos
        die zweite Summe gleich 80 Contos
        die letztere Summe gleich 160 Contos
so hatten sich die Kosten der Kolonie, mit den Kosten, welche die Regierung mit der Zahlung ihrer Beamten auf derselben, der Soldaten zum Schutze gegen die Indianer, und mit Kirche und Schule – wohl in 17 Jahren 250 Contos betragend, sich im Ganzen auf 500 Contos belaufen. Es scheint jedoch, dass die Regierung viel bedeutendere Auslagen gehabt hat, denn seit den letzten 5 Jahren kostete ihr allein ihre Administration derselben über 17 Contos oder in 5 Jahren 85 Contos.


Warum sagt er uns nicht, warum dort nicht Roggen, Weizen, Gerste und Kartoffeln gebaut und nach Rio ausgeführt werden, wo sie fünf mal so hoch bezahlt werden als in Europa, und dass die Kolonisten dennoch Kaffee und Zuckerrohr bauen müssen, welche durch Nachtfröste und Ungeziefer häufig gefährdet sind?*) Warum weiß er nichts von einem verhängnisvollen 5–8 Geviertmeilen großen, langgestreckten Streifen Landes, den Herr Blumenau merkwürdiger Weise beim Verkaufe der Kolonie als sein Eigentum zurückbehalten? Ja, dieser Streifen! Er legt sich gerade auf der Seite vor die Kolonie, nach der ihre weitere Ausdehnung vorgeschrieben ist, nämlich nach dem kürzesten Verbindungswege mit dem Einschiffungsorte am Flusse Itajahy Pequeno! Warum sagt uns Herr Dr. Lange nicht, dass die Provinzial-Präsidentur Herrn Dr. Blumenau, ihn, den Direktor der Kolonie, vergeblich aufgefordert, doch jenen Streifen Landes zu parzellieren und zu vermessen, zur Vermeidung der Einpferchung der Kolonie?**) Wie hoch glaubt wohl Herr Dr. Lange, dass Herr Dr. Blumenau bei zunehmender Einwanderung seine Preise für dieses Land stellen würde? Warum sagt er uns nicht, dass dieses Stück Land voll dumpfen Urwaldes die größten Feinde der Kolonisten, die Ameisen, Affen, Papageien, Capivaras usw., beherbergt und sie unmittelbar in ihre Felder führt? Dass dieses Stück Urwald vorläufig jeden Entwässerungsversuch lahm legt? Dass Herr Dr. Blumenau sich an keinen festen Parzellierungs-Preis binden will, zum eventuellen und für das Wohl der Kolonie unerlässlichen Verkauf desselben? Warum sagt Herr Dr. Lange seinem Freunde Blumenau nicht, dass gerade der Kardinal-Vorteil, welchen die Kolonisten in Nord-Amerika genießen, darin besteht, dass auf keiner Seite ihres geschenkten oder gekauften Landes sich Urwald oder auch nur unbebautes Land halten kann, dass der neue Ansiedler dort nicht wie in Brasilien in dumpfer Abgeschlossenheit seine Arbeit als Raub des Ungeziefers hilflos dahinsinken sieht (die Ameisen allein haben längs jener Küste schon ganze Ansiedlungen vertrieben), dass in den Vereinigten Staaten die zahlreich nachrückenden Einwanderer auch dem letzten Ankömmling bald alle Vorteile einer verhältnismäßig dichten Bevölkerung in Aussicht stellen? Warum sagt uns Herr Dr. Lange nichts von der geist- und gemütlosen brasilianischen Bevölkerung, von dem Mangel eines Seehafens, von der herrschsüchtigen, jeder Wissenschaft entgegenstrebenden Jesuitenhetzerei? Oder lebt der Mensch vom Brot allein? Wenn man den sehr zweifelhaften materiellen Gewinn durch den Verfall jedes sittlichen Verkehrs, durch Preisgebung seiner Religion, seines Vaterlandes, seiner gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Errungenschaften erkaufen muss, so ist der Preis auf jeden Fall zu teuer, und ein solcher Tausch, wenn etwa unvermeidlich, wäre das größte Unglück für den Einzelnen und für die Allgemeinheit.

*) Blumenau, 3. Juli 1867. Ein besonders großer Fehler war es bisher, dass man die klimatischen Eigentümlichkeiten der verschiedenen Provinzen zu wenig berücksichtigte oder ganz unbeachtet ließ. Das hat die hiesige Kolonie zu ihrem großen Schaden erfahren müssen. Dieselbe wurde hauptsächlich auf den Anbau des Zuckerrohrs und Kaffees gegründet. Der Mandiokbau eignete sich weit weniger für die hiesigen Verhältnisse. Mit Eifer wurden jene Kulturen begonnen und sie eröffneten recht befriedigende Aussichten. Da kam das Jahr 1859 mit seinem unseligen Froste und machte einen Strich durch die ganze Rechnung. Man ließ sich aber dadurch nicht abschrecken, man hielt den Frost für ein ausnahmsweises seltenes Ereignis, man fing diese Kulturen von neuem an und betrieb sie weiter, bis das Jahr 1862 mit noch härteren Frösten abermals alle Ernteaussichten mit einem Male vernichtete. Was war nun der Erfolg der zehnjährigen Arbeit und der Kapitalkraft, die man auf die Kaffee- und Zuckerrohr-Kultur verwendet hatte? Wenig mehr, als die bittere Erfahrung, dass man den Kaffee- und Zuckerrohrbau im Allgemeinen als Hauptkultur hier aufgeben müsse und sie höchstens nur noch für einige geschützte Lagen beibehalten könne. Das war ein harter Schlag für die Kolonie, von dem sich bis heute noch nicht recht erholt hat. Was sollen wir bauen? das war nun die Frage, die bis heute noch nicht zu allseitiger Befriedigung gelöst ist. Noch 3mal seitdem wurde die Ernte durch Fröste zerstört!

**) Der Beweis hiervon findet sich in folgendem, der Kolonie-Zeitung selbst entnommenem Artikel. Der betreffende § enthält auch Einiges andere, was einen ziemlich klaren Einblick in den künstlichen Bestand der Kolonie auf Regierungskosten gibt. „Kolonie Blumenau. Da die Ansiedelung der Kolonie bis jetzt fast ausschließlich in den Tälern des Itajahy und Testo hinauf betrieben worden ist, so dass viele Kolonisten vier und mehr Legoas vom Flusse und vom Mittelpunkt der Kolonie entfernt wohnen, während die viel näher gelegenen Täler der Bäche Velha und Itaupava, welche gute Ländereien enthalten, noch unbesiedelt sind, so hat die Präsidentur angeordnet, in den letztgedachten beiden Tälern Grundstücke vermessen zu lassen und an die neuankommenden Kolonisten anzuweisen.
„Der Kolonist Schadrach, der im Itaupava-Tale Staatsland (zu welchem Preise?) gekauft hat, erbot sich, den Teil der Straße, mit welchem sie ein Grundstück durchschneiden würde, auf seine Kosten zu bauen, wenn nur die Regierung zwischen einem Lande und dem Flussufer Kolonisten ansiedeln und die Straße weiter bauen wolle. Der gegenwärtige Direktor der Kolonie wird angewiesen, den Dr. Blumenau, welcher Land an der Mündung des Belhabaches besitzt, zu veranlassen, dass er dasselbe entweder für Kolonisten zerstückele, oder nach dem Vorgange Schadrachs auf seine Kosten den notwendigen Weg durch das selbe herstellen lasse, damit die Regierung dann auf dem angrenzenden Staatslande Grundstücke ausweisen kann. „Da zur Kenntnis der Präsidentur gelangt ist, dass jetzt Leute auftreten, welche die Ländereien im Itaupavathale auf Grund angeblicher älterer Besitzrechte in Anspruch nehmen, so hat der Vermessungsrichter von Itajahy. Auftrag erhalten, diese Ansprüche des Nähern zu untersuchen.“ (Beides ist ein Zeichen, dass Etwas vorgeht, um einen neuen großen Landdiebstahl auszuführen, da man merkte, es könnte doch etwas wert werden, wenn mehr Leute kommen. Bis vor kurzem wollte es niemand geschenkt, weil es nicht gut für Kaffee oder Zucker ist.“
„Ein weiterer Erlass des Präsidenten weist den Direktor an, eine Änderung bei Verteilung der Koloniearbeiten an die Kolonisten und bei der Bezahlung der betr. Arbeiten in der Weise eintreten zu lassen, dass die öffentlichen Arbeiten in kleineren Stücken verdungen werden, um möglichst Vielen lohnende Beschäftigung zu gewähren, die Tagelohnarbeit aber nur für die Neuangekommenen auf die Zeit von sechs Monaten beizubehalten. Weiter wird ihm dringend anempfohlen, den Kolonisten baldigst vorläufige Besitztitel über ihre Ländereien, zugleich mit Büchelchen, worin ihre Schulden und betr. Abzahlungen einzutragen sind, auszuhändigen.“


In meinen ursprünglichen Ansichten von der Notwendigkeit der Reformen in Brasilien wurde ich noch mehr befestigt, als, nach Einstellung der Sklaveneinfuhr und nachdem Epidemien Hunderttausende von Schwarzen hingerafft, die Deutschen selbst von den Landpotentaten als Parceria-Kolonisten fast zu dem Range der Sklaven herabgedrückt wurden. Ich trat entschlossen der Regierung gegenüber, nicht heimlich und verstohlen,
wie Dr. H. Lange nur nachheuchelt, und wie Dr. Blumenau zu glauben nur an gibt. Seine an mich im Laufe von 9 Jahren gerichteten Briefe bezeugen das Gegenteil und ich sehe mich genötigt, nach dessen lügenhaftem Auftreten einige wortgetreue Auszüge derselben hier beizudrucken. Mehr noch wird die Offenheit meiner Opposition bewiesen durch Dutzende von Briefen brasilianischer Staatsmänner an mich. Sie waren freilich nicht gerade die gewissenhaften und patriotischen Männer, für welche ich sie fast 10 Jahre lang gehalten hatte. Sie verrieten schließlich hohen und höchsten Stellen, großen Einkünften und brasilianischen Würden und Titeln zu lieb ihre eigenen mir oftmals eingestandenen Überzeugungen und brachten ihr Vaterland um die freie Einwanderung, die allein, wie sie selbst es eingesehen hatten, seinen vielen Übeln allmählich abhelfen konnte.

Das Zusammenwirken des Landmonopols, der Sklaverei und der eisernen Intoleranz hatten mich schon vor 30 Jahren überzeugt, dass ein Gedeihen deutscher Einwanderer auch nur als einzelne Grundbesitzer nicht möglich, und dass selbst geschlossene Kolonien, hier und dahin an absichtlich ungünstig gewählte Stellen gelegt und von monopolisierten Ländereien eingeschlossen, zu Grunde gehen müssten. Dagegen hatte ich längst erkannt, dass die deutschen Einwanderer nach Uruguay und Rio Grande do Sul gelenkt bei günstigen sozialen und konfessionellen Bedingungen, unterstützt von Eisenbahnen nach dem Welthafen Montevideo, im Laufe weniger Jahrzehnte das vorherrschende Element der Bevölkerung jenes Staates ausmachen könnten. Auch ich bin ganz der Ansicht der Kölner Zeitung, dass die Deutschen in Rio Grande do Sul trotz Allem, was dort jetzt noch nicht in Ordnung ist, wohl gedeihen und, da sie sich im Vergleiche zu dem Brasilianer in sich selbst ganz erheblich mehren, mit einem nur mäßigem Nachschub von Außen und von allen nördlichen deutschen Kolonien, wie bisher, in 20 Jahren von jetzt, der einflussreichste Teil der Bevölkerung sein, und dass der Provinz R. Grande, ganz im Gegensatze zu den übrigen nördlichen Teilen des Reichs, durch die Befreiung der Sklaven sehr große Vorteile entstehen werden. Diese nämlich werden sich nach Norden ziehen, gelockt durch die größere Masse der Afrikaner und durch die tropische Natur, und die Weißen des Nordens, welchen das Zusammenleben mit den befreiten Sklaven unerträglich ist, werden sich in Rio Grande niederlassen. Die europäische Einwanderung wird sich dann vorzugsweise eben dahin richten, wodurch dort ein großer Aufschwung entstehen muss, während im ganzen Norden der größte Verfall aller sozialen Zustände, eine vieljährige Verwirrung in administrativen und staatlichen Verhältnissen stattfinden wird.

Aber nur durch Deutsche kann die Bestimmung Rio Grandes und der ihm südlich und westlich angrenzenden Länder je erfüllt werden. Keine der dort bestehenden Nationalitäten besitzt die physische und geistige Kraft, in deren ungeteilten Besitz sich zu behaupten. Nur der Deutsche führt den Pflug und lebt sich überall, besonders auf dem ihm eigen gehörigen Boden, ein. Seine stets zahlreichen Kinder legen sich um ihn herum und breiten die Kultur organisch wachsend über das Land aus. Alle anderen Nationalitäten liefern wenig Ackerbauer, z. B. die Italiener, welche jetzt drei Viertel der Einwanderer am La Plata bilden. Ihre Beschäftigung ist gewerbliche, leichter Art, ihr Haus stand, ihre Familie ist klein. Noch minder die Franzosen. Beide Nationalitäten, wie auch die Schweizer, ziehen zum größten Teil nach einigem Erwerb wieder der Heimat zu. Nicht so der Deutsche. Das Vaterland seiner Kinder wird ihm zum eigenen, das engere zum weiteren, denn „so weit die deutsche Zunge reicht“ war seine Heimat dem Gemüte nach, jetzt ist es in der Tat. Das ihm deutsche Wissenschaft, Kunst und geistige Nahrung erschaffende und spendende Land bleibt Deutschland für alle Zeiten und ist es an allen Orten, wo nicht eine brasilianische Urwaldnacht das Licht erstickt. – Denn nur mit den Waffen des Friedens kämpft Deutschland einen wahren Kampf, zu dem es berufen.

Wie erhebend für jeden Deutschen ist das Bewusstsein der ungeheuren Ausbreitungsfähigkeit unseres Volkes! Während wir zu Hause nur bei scharfer Beobachtung die verschiedenartigste Rückwirkung jener großartigen Strömung nach Amerika zu fühlen vermögen, bildet dort die deutsche Bevölkerung schon nahezu den Kern der freien Landarbeit, fast eine der Hauptsäulen der Kunst, des Gesanges und der Wissenschaft; und der Materialismus eines noch im Werden begriffenen Landes wird durch das Deutschtum dem Streben nach Höherem zugeführt. Deutschlands Rang wird dereinst in der Weltgeschichte um so mehr der Erste sein, weil es, bisher von aller nationalen Konzentration entfernt, nur mit Friedenswaffen, durch die Macht der Humanität und des Geistes immer neue Ländernach Außen erobern wird. Im Vereine mit den Amerikanern und wohl bald vornan werden Deutschlands Apostel hinüberschreiten nach Asien und dort dem vom Osten her vordringenden Russentum in der großen Aufgabe der Zivilisation die Hand reichen, so verschieden auch in Mittel und Zwecken. Es ist für Deutschlands künftigen Einfluss auf die Weltangelegenheiten, zu dem es durch eine immense Produktivität geistiger und physischer Ausflüsse berechtigt ist, von Wichtigkeit, die Auswanderung anzuerkennen und selbst zu begünstigen, jedenfalls aber zu schützen, und auf diese Weise seinen Handel und künftige Bündnisse mit entfernten Ländern, auch mit solchen, die heute noch schwach bewohnt, aber stark bevölkert zu werden bestimmt sind, durch sie zu verbreiten.

Die Vertretung der deutschen Nationalität und ihrer Interessen im Auslande durch abgetrennte Auswanderungskerne ist unendlich wichtiger als eine Kolonialbesitzung, und wäre sie so groß und gesichert wie Indien für England. Selbst eine deutsche Bundesflotte kann einer Staats-Kolonie z. B. am Plata oder in Japan keine Kraft verleihen, im Gegenteil durch den beständig zu erhaltenden Verteidigungszustand nur materiell schwächen. – Auch sind Staatskolonien nicht mehr Bedingung einer Seemacht; Russland, Österreich, die Vereinigten Staaten, Italien haben Flotten, aber keine Kolonien.

Jedes Land, in dem unsere Auswanderer gedeihen, wird uns zur kostenlosen Kolonie. Was vorerst nur eine Zusammengehörigkeit im Geiste ist, wird im Laufe der Jahrhunderte eine substanzielle, ein allgemein-nationales Bündnis zu Schutz und Trutz. So allein kann die Gefahr abgewiesen werden, welche den Ausbau des Slawentums über ein auf seine engen Grenzen beschränktes Deutschland verhängt. – Für eine deutsche Kolonisation im weiteren Sinne gibt es in der Welt ein durchaus geeignetes Land in Uruguay im Vereine mit Rio Grande do Sul, allenfalls auch in Entre Rios und am westlichen Ufer des unteren Parana, sehr möglicher Weise auch auf dem Festlande nördlich von Magalhaes und im südlichen Chile. Uruguay würde den Wert aller anderen Punkte bei Weitem übersteigen. Ich habe die Gründe dafür schon vor Jahren angeführt; sie gelten heute noch viel mehr als damals in Folge des grenzenlosen Verkommens der aller staatlichen und nationalen Eigenschaften baren eingeborenen Bevölkerungen jener durch Klima und Fruchtbarkeit gesegneten Länder. Ein namhaftes Resultat würde sich freilich erst nach Jahrzehnten einstellen bei friedlichster Entwicklung zum unberechenbar großen Vorteile aller beteiligten besonders aber der jetzigen Landesbewohner selbst. Alle Auswanderung aber nach anderen Ländern als die der Union muss also möglichst und vor Zersplitterung bewahrt werden, um einer Vergeudung, Entfremdung und Entgermanisierung durch überwuchernde, träge, aufzehrende Elemente des Auslandes zu verhindern. Denn wenn für den Deutschen die Auswanderung nach Nordamerika keine Entfremdung von seinen Landsleuten mehr ist, da er überall mit solchen im vollsten Genuss aller, dem Vaterlande oft selbst noch mangelnder Freiheiten sich befindet, so ist es jedoch etwas sehr Verschiedenes mit jenen deutschen Auswanderern, die noch, wenn auch in einer Gesamtzahl von kaum 4 bis 5 Prozent der ganzen Auswanderungsmasse, aus Unkenntnis, oder weil Vorschuss, Überfahrtsnachlass und gar freie Passage gegeben wird, sich nach Südamerika wenden. Der Grund solcher Vergünstigungen seitens der Regierungen oder einzelner Spekulanten und Landmonopolisierer ist meist Verwendung zum Militärdienst, Arbeit zu sehr niedrigem Lohne oder Verkauf von wilden Ländereien zu hohen Preisen usw. Die kleinen, nur periodisch unter den oben genannten Bedingungen, hauptsächlich nach Brasilien abgehenden und sich dort sporadisch niedersetzenden oder sich zerstreuenden Züge bestehen nur noch aus den Abfällen oder Krumen der großen Pilgerschaaren, die Jahr aus, Jahr ein nach den Vereinigten Staaten ziehen. Diese durch obige Mittel größtenteils erkünstelte Auswanderung ist denn auch vorerst, mit Ausnahme etwa der nach Rio Grande do Sul, wo fiel schon einen sichereren Anlehnungskörper findet, eine wirkliche Entfremdung von der Heimat, oft auch von der Muttersprache, wie dies schon Erzherzog Maximilian auf einer Reise in Brasilien begegnete. Es ist ein Verlust für die Heimat; kein Austausch mit dieser findet statt; kein Absatz an sie wird vermittelt, wenn der Zielpunkt nicht so gewählt ist, dass er sich allmählich bei Zunahme der deutschen Einwanderung für den Einwanderer selbst günstiger gestalten kann. Liberale und wohlbefestigte Institutionen, Religionsfreiheit, freier Bodenbesitz, Fruchtbarkeit des Bodens, gute Lage für den Welthandel, Seehäfen sind die Hauptbedingungen für von uns zu billigende Ziele für Auswanderung unserer Landsleute.

Finden sich diese Bedingungen nun in den meisten südamerikanischen Staaten gar nicht, in anderen vereinzelt vor, so besteht doch in den La Plata-Ländern, vorzugsweise Uruguay und auch Rio Grande do Sul, eine Grundlage, deren weiterer Ausbau geringere Schwierigkeiten für die Zukunft bietet. Jedenfalls gibt dort die Beschaffenheit und Lage des Landes sicherere Bedingungen.