7. Der „Salzteich“ lag in einer flachen, dürren, rings von rotsandigen Malleyhügeln eingefaßten Ebene ...

Der „Salzteich“ lag in einer flachen, dürren, rings von rotsandigen Malleyhügeln eingefaßten Ebene, und machte beim ersten Anblick einen höchst überraschenden Eindruck. Eine Stelle von etwa zweihundert Fuß im Durchmesser sah nämlich, trotz der schon drückend werdenden Hitze, genau so aus, als ob sie mit starkem, festem Eise bedeckt wäre. Festes, wohl anderthalb Zoll dickes Salz lag hier zutage, und nur an einer Stelle war die glatte Fläche aufgebrochen und in Schollen zerschlagen, nämlich wo Mr. Powell für den Bedarf seiner Station das Salz hatte wegholen lassen.

Die Schwarzen waren mit den geraubten Schafen hier vorübergezogen, und den beiden jungen Powells brannte der Boden unter den Füßen, den Dieben nachzusetzen. Bale hielt sie aber zurück, denn den Fährten im Sande nach war der Trupp der Schwarzen zahlreicher, als sie im Anfange vermutet hatten.


Lange brauchten sie übrigens nicht zu warten, denn nach kaum einer Viertelstunde erschienen die beiden sehnlichst erwarteten Reiter und meldeten, daß der Rauch von einem kleinen Feuer hergerührt habe, auch nur die Fährten eines einzigen Schwarzen zu erkennen gewesen wären. Jedenfalls sei der Rauch nur ein Signal für die übrigen im Busche zerstreuten Eingeborenen gewesen.

Der Verfolgung der Diebe lag jetzt nichts weiter im Wege, und mit dem Stockkeeper und Mac Donald an der Spitze, von denen der eine rechts, der andere links die Fährten hielt, galoppierten sie, so rasch es ihnen das Gelände erlaubte, vorwärts. Sehr zustatten kam ihnen dabei, daß die Schwarzen der Schafe wegen ebenfalls die offensten Stellen hatten aussuchen müssen, um rasch vorwärts zu kommen. Sie zweifelten auch schon garnicht mehr daran, sie in kürzester Zeit einzuholen, als sie plötzlich sechs der Tiere mitten im Busche tot, und zwar mit aufgeschnittenen Bäuchen fanden.

„Da haben wir’s!“ rief der Aufseher, indem er bei einem der geschlachteten Tiere hielt und vom Pferde sprang. „Aber was soll das heißen? Die Canaillen können doch nicht wissen, daß wir ihnen auf der Fährte sind?“

„Sie werden ihr gewöhnliches Spiel gespielt haben“, brummte einer der anderen Stockkeeper mit einem derben Fluch. „Sehen Sie nur einmal nach, Sir, ob die Tiere noch ihre Nieren haben.“

„Die sind tatsächlich fort!“ rief Mr. Bale; „nun seh’ einer diese nichtswürdigen Leckermäuler an. In ähnlicher Weise werden wir wohl die ganze Herde wiederfinden.“

„Je länger wir zögern, desto mehr schlachten sie ab“, sagte Mac Donald.

„Wir haben keinen Augenblick mehr zu verlieren. Vorwärts!“ rief auch Bale, und wieder aufsteigend, stieß er seinem Pferd die Sporen in die Seiten, daß es mit ihm in voller Flucht dem Zuge voranflog. Nach den Fährten brauchten sie auch hier gar nicht mehr zu sehen, denn gleich darauf fanden sie wieder zwei erschlagene Schafe, und dann noch drei und so fort, denen sämtlich nur die Nieren herausgeschnitten waren. Dadurch hatten sich aber die Schwarzen auch länger aufgehalten, und von der Spitze des nächsten Hügels aus entdeckten sie jetzt den ganzen Stamm, der eben den Rand eines dichten Malleybusches erreicht und dort Halt gemacht hatte. Die Eingeborenen wußten, daß ihnen die Reiter dahinein nicht gut folgen konnten, und von Fußgängern hatten sie nicht viel zu fürchten. Dort war übrigens ein Trupp von ihnen wieder beschäftigt, einen Teil der Herde abzuschlachten und wahrscheinlich auch nur der Nieren zu berauben, während andere den kleinen Rest, vielleicht zwölf oder vierzehn Stück, eben in das Dickicht trieben, in dem sie gleich darauf mit ihnen verschwanden.

Weitere Befehle waren nicht mehr nötig. Jeder sah das Ziel deutlich vor sich, und den Hügel abwärts sprengten die Reiter der Stelle zu, auf der die Schwarzen noch emsig beschäftigt waren. Jedenfalls mußten diese auch die Verfolger bemerkt haben. Trotzdem ließen sie sich aber nicht stören, und die Reiter waren kaum noch zweihundert Schritt von ihnen entfernt, ehe sie die erschlagenen Tiere verließen und mit der leichten Beute und blutigen Händen ebenfalls in das Dickicht tauchten.

Wenige Minuten später hielten die schäumenden und schnaubenden Pferde an der Grenze der Malleybüsche, die ihnen die starren, grünbelaubten Arme wie abwehrend entgegenstreckten. Bale teilte rasch seinen kleinen Trupp in zwei Abteilungen. Die Führung der einen übergab er dem zweiten Stockman, der das Dickicht von der rechten Seite zu umgehen und den Flüchtigen in der offenen dahinterliegenden Ebene den Weg abzuschneiden hatte, während er selber mit Mac Donald und den beiden jüngeren Powells die Richtung nach links einschlug.

Bale hatte sich nicht geirrt und kam, indem er den kürzeren Weg wählte, gerade zur rechten Zeit auf eine kleine Salzbuschebene, um den Haupttrupp der Eingeborenen noch zu treffen, die aus dem Dickicht heraus der gegenüberliegenden Wildnis zuflohen. Dort wären sie vollkommen sicher gewesen.

„Wir haben sie!“ schrie da der wetterbraune Buschmann jubelnd, während er sich in den Steigbügeln aufrichtete und seine Flinte hoch über dem Kopf schwang – „wir haben die ganze Bande!“ und dem Pferd die Sporen wieder eindrückend, daß es mit einem Satz über die nächsten niederen Büsche hinflog, sprengte er auf die durch den unvermuteten Anblick der Feinde in Verwirrung geratenen Schwarzen ein.

Deren Schlachtplan war aber ebenso rasch entworfen wie ausgeführt, und während die Frauen und Kinder in flüchtigen Sätzen die alte Richtung beibehielten, warfen sich die Männer mit geschwungenen Speeren den ihnen an Zahl nicht gleichkommenden, aber an Waffen weit überlegenen Feinden entgegen.

Bale kannte aber das Gelände, und den übrigen zurufend, ihm zu folgen, schien ihm einzig und allein daran gelegen zu sein, den kleinen Trupp der hilflosen Frauen von der Dickung abzuschneiden. Mac Donald dagegen und die beiden jungen Powells hörten kaum seinen Ruf, oder achteten nicht darauf, und trieben ihre Tiere mutig den jetzt plötzlich haltenbleibenden bewaffneten Schwarzen entgegen; was kümmerten sie die Frauen? Bale wußte indes, was er tat, denn eine hier tief durch den Sand gerissene Rinne machte es den Pferden unmöglich, die Schwarzen zu erreichen, und diese sahen den Feind kaum an der Stelle, wo sie ihn haben wollten, und wo er einen weiten Umweg machen mußte, um die eingeschnittene Schlucht wieder zu umgehen, als sie im Nu hinter den niederen Büschen verschwunden waren und, wahrscheinlich einer der kleineren Sandrinnen folgend, dem schützenden Dickicht entgegenflohen.

Nur Bale allein hatte ihnen den Vorsprung abgewonnen, und mitten durch die Schar der Weiber, die scheu und schreiend zur Seite stoben, dahinsprengend, gelang es ihm, noch vor den Schwarzen den unteren und offenen Rand des Sandhügels zu erreichen. Dem einzelnen Mann wollten die Eingeborenen, die überdies von anderer Seite größere Gefahr im Anzuge wußten, nicht weichen, und während sie sich vorsichtig in einem dichten Streifen niederer, wild verwachsener Salzbüsche und Gehölze hielten, an dessen oberem Rand der Aufseher seinen Braunen gerade gezügelt hatte, umkrochen ein paar von ihnen die Stelle und schleuderten aus sicherem Versteck ihre kurzen, hölzernen Wurflanzen gegen den Reiter und sein Pferd. In demselben Augenblick schoß der Aufseher, jetzt zu blinder Wut gereizt, sein mit grobem Schrot geladenes Gewehr mitten in die Schwarzen ab, die mit Geheul antworteten. Aber auch sein Pferd bäumte sich, von dem Knall erschreckt, und zeigte kaum Bauch und Brust über den Büschen, als es drei Speere zu gleicher Zeit tödlich trafen.

Die Schwarzen stießen ein Freudengeschrei aus und warfen sich gegen das wie rasend um sich schlagende Pferd. Mac Donald, dessen Grauschimmel den schmalsten Teil der Rinne übersprungen hatte, eilte Bale zu Hilfe und vor den Hufen des neuen Feindes zogen sich die Angreifer scheu zurück. Zu gleicher Zeit wurde auch der andere Trupp der Stockmen sichtbar, und Georg und William, die indes um die Schlucht waren, flogen auf schäumenden Rennern herbei. Georg war der erste, und das Pferd herumreißend, legte er sein Gewehr an und drückte den mit einer Kugel geladenen Lauf ziemlich aufs Geratewohl nach der Richtung hin ab, wo die letzten Schwarzen eben in den Busch hineinschlüpfen wollten.

Mit dem Einschlagen der Kugel sprang einer der Eingeborenen hoch, tat noch zwei oder drei Sätze, klammerte sich an einen der Büsche und stürzte dann rücklings in den Sand.

„Hurra!“ schrie William, „das war ein guter Schuß – drauf auf die Hunde!“ und sein Pferd flog über den harten Sand, dem Gefallenen zu. Mac Donald nur blieb dicht an seiner Seite. Ein paar Schwarze eilten herbei, wahrscheinlich, um den Verwundeten mit sich in das Dickicht zu schleppen. Die beiden Reiter waren ihnen aber zu dicht auf den Fersen, und die Schwarzen, ihre Speere gegen sie schleudernd – die indes zu kurz fielen, oder, in der Hast geworfen, vorbeiflogen – verschwanden in den Büschen. Nur eine dunkle Gestalt sprang aus dem schützenden Busch wieder heraus und warf sich wehklagend über den Getöteten.

Auch Georg war indessen herangekommen, sein Opfer zu sehen. Als er sich ihm näherte und die stumme, traurige Gruppe erkannte, da schien es doch, als ob sein Herz ein anderes Gefühl als das eines freudigen Triumphes beschliche, und mit leiser Stimme fragte er, auf den Leichnam deutend:

„Ist er tot?“

„Sie haben gut getroffen“, sagte Mac Donald; „der stiehlt keine Schafe mehr.“

„Aber zwei?“ fragte Georg schüchtern – „habe ich zwei getroffen?“

„Ich glaube ja – wenn auch wohl nicht mit der einen Kugel – das unglückliche Wesen hier ist ein junges Mädchen, das den Tod seines Vaters oder Bruders beweint. Aber wir wollen zu den Pferden zurück und die anderen unterstützen, um wenigstens die Schafe zurückzubekommen.“

Der andere Trupp hatte das vordere Dickicht halb umzingelt, in dem sich noch ein Teil der Schwarzen mit den Schafen befand. Dort hinein konnten sie aber nicht mit den Pferden dringen, und die Büsche umreitend, warfen die Schwarzen einzelne Speere nach ihnen, von denen der eine den zweiten Stockkeeper leicht am Schenkel verwundete. Dadurch aber erreichten sie ihren Zweck, die gereizten Weißen an einer Stelle zu sammeln, und plötzlich sprangen an der oberen Spitze des Dickichts, wo sie kaum mehr als hundert Schritt von dem großen Busch entfernt waren, die übrigen Schwarzen mit den Schafen heraus und trieben die geängstigten Tiere mit wildem Geschrei ihrem Versteck zu. Als die Schäfer und Stockkeeper in wilder Wut dorthin sprengten, blieb ihnen nichts weiter übrig, als ihre Gewehre auf die Flüchtigen abzuschießen.

Ein einzelner Schwarzer hatte sich von den anderen getrennt. Der zweite Stockkeeper schnitt ihm den Weg ab, gab Feuer und schoß ihm die ganze Ladung groben Schrots auf etwa zwanzig Schritt in den Rücken. Er lief noch etwa vier oder fünf Schritt und schlug dann mit emporgeworfenen Armen in den Sand nieder.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die beiden Sträflinge