11. Leutnant Walker war ein junger, schlank aber kräftig gebauter Mann von sieben- bis achtundzwanzig Jahren ...

Leutnant Walker war ein junger, schlank aber kräftig gebauter Mann von sieben- bis achtundzwanzig Jahren. Von armen Eltern geboren und mit wenig Aussicht, sein Fortkommen im alten Vaterland zu finden, war er als Freiwilliger nach Australien gegangen und hatte sich hier in den damals sehr bewegten und unruhigen Zeiten so ausgezeichnet, daß seine Vorgesetzten aufmerksam auf ihn wurden. Tollkühn, und doch auch wieder mit großer Besonnenheit bei allem Mute, führte er gegen die flüchtigen Verbrecher einige außerordentlich glückliche Züge aus. Bald wurde er der Schrecken der Buschranger, die beim Gerücht seiner Ankunft die Nachbarschaft gewöhnlich freiwillig räumten.

In Sydney hatte er vor einigen Jahren die Familie Powell kennengelernt, und Sarah hatte damals einen tiefen Eindruck auf ihn gemacht. Daß er ihr nicht gleichgültig sei, glaubte er schon früher in ihren Augen gelesen zu haben.


Aber wer war der Fremde, mit dem er sie da allein am Flußrande getroffen hatte? Dieser einzige Umstand beunruhigte ihn noch. Doch Kundschaften war ja sein Geschäft, und was diesen Gegenstand betraf, wollte er schon von dem alten Herrn Kenntnis erhalten.

‚Ein Freund des Hauses‘, hatte Sarah gesagt – bah – solche Leute sind selten gefährlich, und mit raschem Angriff konnte er sein Ziel gewiß erreichen. Viel Zeit blieb ihm freilich nicht dazu. Ein paar Tage durfte er sich zwar an einem Orte, wenn er es für nötig fand, aufhalten, aber er mußte Rechenschaft über die Gründe ablegen, und seine Zeit war ihm deshalb nur knapp zugemessen.

Vor allen Dingen mußte er jetzt wissen, wer der Fremde war und in welcher Beziehung er zu der Familie stand, das andere fand sich dann von selbst.

„Es freut mich herzlich, mein lieber Mr. Walker“, sagte der alte Herr, während sie zusammen zum Hause schritten, „Sie hier bei mir begrüßen zu können.“

„Hatte ich Ihnen nicht versprochen, daß ich Sie am Murray heimsuchen würde?“

„Ja, du lieber Gott“, sagte der alte Herr, „solcher Versprechen gibt man viele, und das Herz wünscht dabei auch vielleicht, sie erfüllen zu können, ob es aber die Umstände immer erlauben, ist eine andere Sache.“

„Bei dem wilden, abenteuerlichen Leben, das wir führen, ist alles möglich“, lachte der Leutnant, „und keine Gegend in den Kolonien vor uns sicher. Übrigens habe ich mir Ihre Station weit stiller und einsamer gedacht.“

„Ihre Leute haben Leben hineingebracht“, lächelte Mr. Powell, „sonst ist es allerdings hier still und einsam genug, und meine armen Mädchen dauern mich wirklich manchmal, daß sie, soweit drin im Busche, fast alle Jugendfreuden entbehren müssen.“

„Aber Sie haben doch wohl oft Besuch?“

„Sehr selten. Die meisten Fremden, die hier durchkommen, sind solche, mit denen man sich eben nicht weiter einlassen kann, als daß man ihnen Nahrung und für die Nacht ein Dach zum Schlafen gibt.“

„Ich kenne die Burschen gut genug“, sagte Walker. „Neun Zehntel von ihnen sind frühere Sträflinge, und der zehnte verdiente es zu sein.“

„Und doch hört man verhältnismäßig höchst selten von einer Veruntreuung oder gar einem Einbruche. Das meiste, was in der Art geschieht, geht gewöhnlich von den Schwarzen aus.“

„Sie haben gestern einen Zusammenstoß mit ihnen gehabt?“ fragte Walker.

„Leider“, seufzte Mr. Powell – „mir tut es immer in der Seele weh, wenn mit den Unglücklichen rauh verfahren wird. Wir legen unseren Maßstab von Recht und Gerechtigkeit an sie, und die armen Teufel kommen dabei jedesmal zu kurz.“

„Noch lange nicht so, als wenn ich meine Schwarzen hinter ihnen her schicke“, lachte Walker, indem er stehen blieb und nach seiner Schar zurückschaute. „Aber da wir gerade von Gästen sprechen, der eine Herr, den ich mit Fräulein Sarah am Flusse fand, scheint zurückgeblieben zu sein – ist es ein Verwandter von Ihnen?“

„Nein – ein Freund, der uns schon vor etwa einem Jahre hier besuchte und den wir alle liebgewannen. Sein Name ist Mac Donald.“

„Mac Donald? Der Name kommt ziemlich häufig im alten Lande vor. Sie wissen nicht, aus welchem Teil Englands er stammt?“

„Nein – er hat seine Familie noch nie erwähnt, und ich selber bin nicht so zudringlich gewesen, ihn zu fragen.“

„Man gewöhnt sich das in den Kolonien an“, lachte Walker, „die Vergangenheit unserer Nachbarn selbst bei den unverfänglichsten Personen unberührt zu lassen. – er hat wahrscheinlich eine Station hier im Westen?“

„Noch nicht; geht aber eben damit um, einen passenden Weidegrund zu finden.“

„Gott sei Dank“, dachte Walker, während er mit dem alten Herrn wieder dem Hause zuschritt, „nur eine oberflächliche Bekanntschaft, die nicht allzu gefährlich sein wird.“

Die beiden Männer betraten jetzt das Haus, wo Leutnant Walker auch von Mrs. Powell und Elisabeth auf das herzlichste begrüßt wurde.

Walker, von Jugend auf unter fremden Leuten, fühlte sich rasch heimisch.

Erst gegen Abend entzog ihn eine lange Unterredung, die er mit seinem Wachtmeister hatte, der Gesellschaft des Hauses.

Der Wachtmeister mußte ihm vorerst Bericht über alles erstatten, was er bisher bemerkt und unterwegs gefunden hatte, und besonders Nachricht von den Leuten geben, die auf der Station beschäftigt waren.

Die einzige nicht bekannte Person, die sich auf allen Besitzungen Mr. Powells befand, war der neu an Millers Statt eingestellte Hüttenwächter, und der Wachtmeister, um auch über diesen etwas Näheres zu erfahren, hatte schon einen Mann seiner schwarzen Truppe abgeschickt. Wenn auch nicht wahrscheinlich, war es doch möglich, daß er zu der in den Sümpfen zersprengten Bande gehört und seinen Weg hierher gefunden hätte.

„Gut“, sagte Walker, „den ausgesandten Kundschafter müssen wir jedenfalls erwarten, sobald er aber zurück ist, brechen Sie mit dem Trupp wieder auf, dem Darling zu. Auf halbem Wege machen Sie einen Tag Halt, um die Gegend auszukundschaften; am Darling hole ich Sie dann wieder ein. Vier Mann Ihrer Leute bleiben hier zu meiner Verfügung.“

„Noch nichts gehört, Herr Oberleutnant“, fragte der Wachtmeister, „was aus unserem besten Stück Wild geworden ist – ob sie ihn eingeholt und erwischt haben?“

„Ich glaube, sie haben ihn“, sagte Walker, „im letzten Bericht ist wenigstens die Vermutung ausgesprochen worden. Heute oder morgen muß ich aber noch Näheres darüber erfahren. Ich habe meinen Burschen deshalb auf der letzten Station zurückgelassen, damit mich der Brief so rasch als möglich erreicht.“

„Täte mir leid um den hübschen Preis“, sagte der Wachtmeister verdrießlich. „Wir haben immer die schwerste Arbeit, und die Nachzügler schöpfen dann den Rahm von der Milch.“

„Was tut’s, wenn sie ihn nur haben“, erwiderte achselzuckend der Offizier. „Übrigens können wir hier oben jedenfalls noch Prisengeld machen, denn es sollte mich garnicht wundern, wenn der Bursche, der da oben auf der Station sitzt, jener Schuft, der ‚rote John‘ ist, wie ihn die Buschranger nannten, und hundert Pfund Sterling stehen auch auf dessen Kopf. – Eine Flinte hat er wenigstens bei sich.“

„Alle Teufel!“ rief der Wachtmeister erstaunt – „aber woher wissen Sie das?“

„Der Deutsche, den ich traf, als ich die Station umritt, und den er aus seinem Dienst vertrieb, hat es mir erzählt.“

„Ja, der ist böse auf ihn“, sagte der Wachtmeister achselzuckend. „Nein, der rote John ist es keinesfalls, denn der treibt sich schon lange Jahre im Wald umher, und diesen Burschen hier kennt jener Herr im Hause, Mac Donald, von einer Station unten am Murray her.“

„Nun, wie dem auch sei“, erwiderte Walker – „dieser rote John ist ebenfalls noch auf freien Füßen, und aller Wahrscheinlichkeit nach auf den Murray zu geflohen. Kommen wir ihm aber hier auf die Fährte, so kann er uns weder rechts noch links in den wasserarmen Busch entgehen. Das Wild ist jedenfalls umstellt, und ich denke immer, wo wir den einen Burschen antreffen, sind ein paar von den anderen auch nicht weit.“

„Desto besser, die können wir gebrauchen“, lachte der Wachtmeister; „meine Schwarzen brennen überhaupt darauf, wieder einmal Arbeit zu bekommen.“

„Übrigens“, sagte der Leutnant, als er sich zum Gehen wandte, „wohin ist der Stamm, der hier gestern lagerte? Sie haben doch eine Streife nachgeschickt?“

„Jawohl, Herr Oberleutnant, sie sind über den Fluß und drüben ein Stück in den Busch hinein; nachher aber haben sie sich aufwärts gehalten und sind weiter oben wieder herüber auf diese Seite übergesetzt, um sich jedenfalls mit der Bande, die vorgestern in die Schafe eingebrochen ist, zn vereinigen.“

„Das dacht’ ich mir; ich habe ihre Fährten etwa vier Meilen von hier gefunden. Aber haben sie einen der ihrigen zum Spionieren zurückgelassen?“

„Zum Spionieren wohl kaum – es ist ein armer Teufel von Krüppel. Jedenfalls haben sie zu spät Wind von uns gekriegt und konnten den nicht so rasch mit fortbringen. Er sitzt da drüben.“

„Gut. So bald der Kundschafter von der Schaf Station zurück ist, lassen Sie mich’s wissen. Wen haben Sie hingeschickt?“

„Kuyunko! Der kennt überhaupt die meisten jener Burschen, weil er zu dem Stamm gehört, zwischen dem sie sich eine Zeitlang herumgetrieben haben.“

Am nächsten Morgen herrschte reges Leben im Lager der schwarzen Polizei, die, mit Ausnahme von vier, ihre Pferde sattelte und zum Aufbruch rüstete. Einer der Schar, den Walker zurückgelassen hatte, war mit Briefen angekommen, und der Leutnant stand neben dem Wachtmeister, seine Befehle erteilend, als Mac Donald zu ihnen trat.

„Sie wollen schon wieder fort von hier?“ fragte er nach kurzem Gruß den jungen Offizier.

„Lieber Gott“, erwiderte dieser achselzuckend, „Ruhe gibt es für uns nicht.“

„Sie haben Depeschen bekommen, wie ich sehe“, sagte Mac Donald.

„Neue Hetzereien“, erwiderte mürrisch der Offizier.

„Die doch auch wieder ihr Interesse haben müssen“, fiel der Fremde ein. „Ist es doch eine Art von Jagd, auf der Sie stets begriffen sind, und wer Freude daran findet, wird trotz aller Mühseligkeiten und Beschwerden, ja selbst Gefahren, nicht müde.“

„Und doch vertauschte ich dieses Leben gern und gleich“, erwiderte Walker rasch. „Sieben Jahre bin ich jetzt Menschenfänger.“

„Edles Wild!“ lächelte Mac Donald.

„Edel?“ rief Walker, verächtlich die Lippen emporwerfend; „wenn Sie das Wild so kennten, wie ich, würden Sie den Namen edel nicht dafür mißbrauchen; denn die nichtswürdigsten Mordtaten und Plünderungen sind an der Tagesordnung, wo einmal ein Sträfling seine Ketten bricht.“

„Sollte wirklich kein einziger Guter unter ihnen sein?“ lächelte Mac Donald. „Ihr Herren von der Polizei seid nur zu sehr geneigt, jeden Menschen für einen Schurken zu halten.“

„Und wenn man fortwährend mit dem Auswurf der Gesellschaft verkehrt, immer nur Beispiele von Schlechtigkeit vor Augen sieht, muß da nicht der Gutmütigste zuletzt an der Menschheit verzweifeln?“ rief der Leutnant. „Erst jetzt ist wieder, kaum fünfzehn Meilen von uns entfernt, ein scheußlicher Mord verübt worden.“

„Ein Mord?“ rief Mac Donald bestürzt.

„Und mit blutdürstiger Grausamkeit“, bestätigte der Offizier. „Soeben bringt mir mein Bursche die Nachricht. Ein Reisender, der vom Darling herunterkam, ist in einer Biegung, die der Fluß dort macht, von einem Weißen erschlagen und beraubt worden.“

„Und haben Sie eine Ahnung, wohin sich der Verbrecher gewandt haben könnte?“

„Ahnung?“ sagte Walker verwundert, „was brauche ich dazu für eine Ahnung? Ich setze sechs von meinen Bluthunden auf die Fährte, und da müßte es mit dem Bösen zugehen, wenn wir den Mörder nicht in wenigen Tagen hätten.“

„Aber woher vermuten Sie, daß ein Weißer den Mord verübt?“

„Aus den einfachsten Gründen. Erstens ist der Todesstoß mit einem breiten Messer geführt, wie es kein Schwarzer trägt, und dann hat der Räuber das Geld und die Schuhe mitgenommen und seine alten Schuhe dafür zurückgelassen.“

„Ich hoffe, daß Sie den Täter finden“, sagte Mac Donald, der sah, daß Leutnant Walker noch beschäftigt war; er schritt daher, sich leicht verbeugend, langsam den Stationsgebäuden zu. Leutnant Walker hatte allerdings noch manches mit seinem Wachtmeister zu besprechen, und dieser empfing jetzt seine Befehle, nach denen er mit sechs von den Reitern stromauf sprengte. Ein anderer Trupp wurde in der entgegengesetzten Richtung fortgeschickt und nur einige Mann in den Busch hineingesandt.

Kuyunko, der nach der Schafstation geschickte Schwarze, war nämlich nicht zurückgekehrt, und um zu wissen, was aus ihm geworden war, wurden ihm zwei andere Polizei - Soldaten nachgeschickt. Der Offizier ging in das Haus, um Mr. Powell aufzusuchen.

Auf sein Anklopfen antwortete ihm Sarahs Stimme, und als er die Tür öffnete, trat ihm das junge Mädchen allein entgegen.

„Entschuldigen Sie die Störung, mein Fräulein“, sagte der junge Offizier, einen flüchtigen Blick im Zimmer umherwerfend, – „ich suchte Ihren Vater.“

„Er ist mit Mutter und Lisbeth vor einer Viertelstunde etwa nach der neuen Einfriedigung hinaufgegangen“, lautete Sarahs etwas befangene Antwort.

Walker stand an der Tür, unschlüssig, ob er gehen oder bleiben solle. Das Bewußtsein aber, daß dieser Augenblick vielleicht nie wiederkehre, da ihn der morgige Tag möglicherweise weit von hier fand, ließ ihn langsam von der Tür zurücktreten, und er sagte:

„Wenn Sie mir erlauben, Miss, erwarte ich ihn dann hier. – Wer weiß, welchen Anstrengungen und langen Ritten ich jetzt wieder ausgesetzt bin, und die kurze Ruhe vorher wird mir gut tun.“

Sarah wollte antworten, aber sie vermochte kein Wort über die Lippen zu bringen. Die beiden jungen Leute fühlten, daß dieser Augenblick entscheidend für sie sein müsse. Sarah war es nicht entgangen, welche Gefühle sie schon in Sydney, wenn auch unfreiwillig, in der Brust des Offiziers geweckt hatte, und Walker, der das junge bildschöne Mädchen mit aller Glut seiner ersten heißen Leidenschaft liebte, hatte die Hoffnung, sie einst die Seine zu nennen, trotz ihrem zurückhaltenden Wesen nicht aufgegeben. Hielt er es doch für mädchenhafte Schüchternheit, daß sie ihm auswich, wo sie nur irgend konnte.

Jetzt war der entscheidende Augenblick gekommen; der nächste Tag trennte sie vielleicht wieder auf lange Monate, wenn nicht auf Jahre, denn seine Pflicht rief ihn bald dahin, bald dorthin, ohne Rücksicht darauf, wohin das Herz ihn zog. Sarah aber faßte sich zuerst. Ihr Gast durfte nicht ahnen, was in ihrem Herzen vorging, und mit Gewalt ihre Aufregung bezwingend, sagte sie freundlich:

„Ist es Ihnen recht, so führe ich Sie hinaus – ich habe mit meiner Mutter etwas zu besprechen.“

Sie wollte der Tür zuschreiten. Schon streckte sich ihre Hand nach der Klinke aus – draußen, das wußte sie, war sie sicher.

„Miss Sarah!“ rief Walker, „wollen Sie mir gestatten, nur wenige Worte an Sie zu richten?“

Er versuchte dabei, ihre Hand zu ergreifen, die sie ihm aber ängstlich entzog, und deutete dann bittend auf einen Stuhl, damit sie ihm nicht durch ihre Flucht die Möglichkeit zum Reden benähme.

Sarah zögerte einen Augenblick, aber sie fühlte, daß sie jetzt unmöglich anders konnte als ihn anzuhören.

„Miss Sarah, es kann Ihnen kaum noch ein Geheimnis sein, wie tief sich seit dem ersten Augenblick, an dem ich Sie gesehen habe, Ihr Bild in meine Brust gegraben hat. Bitte, unterbrechen Sie mich nicht. Ich liebe Sie – liebe Sie mit aller der treuen, aufrichtigen Glut, deren ein Mann fähig ist, und von Ihrer Antwort – ob sie freundlich – ob sie abweisend ausfällt, hängt vielleicht das ganze Glück meines Lebens ab. Ich bin nicht von großer Herkunft“, fuhr er treuherzig fort, „was ich bin – was ich habe, verdanke ich mir selber und meinem Fleiß. Werfen Sie in die Waagschale noch meine innige heiße Liebe für Sie, und lassen Sie mich wenigstens hoffen, daß ich, wenn ich zu Ihnen zurückkehre, ein freundliches Willkommen erwarten darf. – Ich habe Sie überrascht“, setzte er, ehe sie etwas erwidern konnte, hinzu, „mein Antrag kam Ihnen zu unerwartet. – Sie wollen sich bedenken. Gestatten Sie mir, morgen früh das Ja oder Nein von Ihren Lippen zu hören.“

Er war aufgesprungen, hatte seine Mütze ergriffen und wollte rasch das Zimmer verlassen. Jetzt aber hielt Sarah ihn zurück. „Herr Walker“, stammelte sie – „Sie haben – Sie haben mich in der Tat mit – mit Ihrem Antrage – überrascht, aber,– gehen Sie nicht fort – jetzt nicht fort; es muß vor allen Dingen Wahrheit zwischen uns herrschen. Ihr Antrag ehrt mich – Sie sind auch, soviel ich von Ihnen gehört habe, als ein braver, tüchtiger Mann bekannt, und – meine Ansprüche an das Leben bescheiden genug, aber –“

„Miss Sarah!“

„Ich kann nie die Ihre werden.“

Walker erwiderte kein Wort. Minutenlang stand er ihr schweigend gegenüber. Endlich flüsterte er mehr, als er sprach: „Darf ich wissen warum?“

„Es ist meine Pflicht, es Ihnen zu sagen“, erwiderte Sarah. „In voller Aufrichtigkeit haben Sie mir Ihr ganzes Herz geöffnet – ich will Ihnen darin nicht nachstehen. Ich – liebe schon.“

„Es ist vorbei“, erwiderte der junge Mann, „und ich glaube den Glücklichen zu kennen. Mögen Sie Ihre Wahl nie bereuen, das ist mein heißester Wunsch – aber – wehe auch dem Mann, wenn er Sie täuschen sollte“, setzte er erregt hinzu. „Meine Pflicht bannt mich heute noch an diese Räume. Morgen früh breche ich von hier auf – vergessen Sie bis dahin, daß ich einst solche kühnen Hoffnungen gehegt habe.“

Sarah wollte etwas erwidern, aber er streckte bittend und abwehrend die Hand aus, öffnete die Tür, die er rasch wieder hinter sich schloß, und – hätte fast einen Schrei der Überraschung ausgestoßen, denn vor ihm, kaum zwei Schritt von der Tür entfernt, stand Mac Donald. Ehe er aber ein Wort sagen konnte, verneigte sich der Fremde leicht, und schritt den schmalen Gang hinab, der zu seinem eigenen Zimmer führte.

Walker starrte ihm nach, als ob er einen Geist gesehen hätte. War jener eben erst ins Haus getreten, oder hatte er seine Unterredung mit Sarah gehört? War er Zeuge gewesen, wie – er machte eine Bewegung, als ob er dem Fremden folgen wollte. Doch dann verließ er rasch das Haus, bestieg sein Pferd und sprengte in wilder Hast in den Busch hinein.

Mac Donald aber ging in sein Zimmer, schloß die Tür hinter sich ab, warf sich auf einen Stuhl und saß lange, das Gesicht in den Händen bergend. Erst als er die Familie ins Haus zurückkehren hörte, stand er auf und trat, wie von einem plötzlichen Entschluß getrieben, zu seiner Satteltasche, die er zur Abreise packte. Ebenso sah er seine Waffen nach, reinigte und lud sie, und warf sich dann angekleidet auf sein Lager, um seinen Gedanken nachzuhängen, bis er hinüber in das Familienzimmer gerufen würde.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die beiden Sträflinge