Vorgeschichte des Walfischfanges; südlicheres Vorkommen der Waltiere in früheren Zeiten.

Die Walfischjagd wird zuerst im Anfang des 17. Jahrhunderts in großartigem Maßstabe von den Engländern und Holländern unternommen. Die Entdeckungen Holländischer und Englischer Meerfahrer, eines Hudson, Davis, Frobisher, Barents, de Rijp, Willoughby, richten die Aufmerksamkeit der Küstenbevölkerungen des Atlantischen und des Deutschen Meeres nach dem Norden. Die gesuchte Nordost-Durchfahrt konnte freilich trotz der heldeumütigsten Anstrengungen nicht erreicht werden. Anstatt des geträumten Weges nach den Gold- und Edelsteinschätzen Indiens fand man aber andere Reichtümer. Die verschiedenen Berichte stimmten darin überein, dass gerade die neu entdeckten Gewässer und die Baien der arktischen Inseln und Küsten von einer Menge von Fischen der größten Art belebt waren, Fischen, deren Fang einen bedeutenden Handelsgewinn liefern müsse. Zunächst war es das Fett der großen Meerungeheuer, welches eins der wertvollsten und gesuchtesten Handelserzeugnisse jener Zeit, den Tran, in ungeahnten Mengen abgab. Der Robbentran , Zelsmond *), wurde bereits im Mittelalter als Beleuchtungsstoff, vorzüglich aber zur Lederbereitung massenhaft gebraucht.

Der Fang größerer Fische als die an den Europäischen Küsten bekannten wurde wahrscheinlich schon vor dem 10. Jahrhundert von Norwegen aus betrieben. Die Edda erwähnt den Walfischfang. Um das Jahr 890 unternahm Other von Drontheim aus eine Nordfahrt bis zum Weissen Meere; er berichtet darüber an König Alfred von England und dieser Bericht ist in der Übersetzung eines Spanischen Christen, des Orosius, wiedergegeben. Other erzählt von seiner Fahrt in die unbekannten Gefilde des Nordens und berichtet dabei unter Anderem, dass er nur drei Tage gebraucht habe, um den Punkt zu erreichen, „bis wohin die Walfischjäger zu gehen pflegten“ **). Wenn nach Scoresby diese Stelle auf die Walross- und Seehundjäger zu beziehen ist, so finden sich doch andere, freilich auch verschieden ausgelegte Stellen, welche geradezu vom Walfischfang sprechen. Danach wären von Other Walfische „von 48 bis 50 Ellen Länge“ getötet worden, und zwar „ihrer 60 in zwei Tagen“. Mit vielem Recht vermutet Scoresby, dass hierunter vielleicht eine Gattung Delphine, wie sie noch heute in Massen an den Küsten von Island, der Orkney- und Shetland-Inseln gefangen und getötet werden, gemeint sei. Auf den Färöern fängt man noch jetzt jährlich in Schaaren die sogenannten Grindwhale oder Rundköpfe (Delphinus globiceps Cuv.), eine Art großer, 16 bis 18 Fuß langer Delphine, nahe an der Küste, zu welcher man sie in Schaaren antreibt, indem man ihnen zugleich den Rückweg abzuschneiden sucht. Oder es mögen Finnwale gewesen sein, welche, freilich von ansehnlicherer Länge (50 bis 60 Fuß), gelegentlich auf ähnliche Weise in schmalen Fjorden Norwegens gefangen werden, denn die auf langjährige Erforschung und Erfahrung gegründete Ansicht Seoresby’s, dass der Grönländische Walfisch (Balaena mysticetus) nicht über die Grenze der Polar-Regionen aus dem Norden herabgehe, ist bis jetzt nicht widerlegt, vielmehr durch Maury’s und Anderer Untersuchungen im Allgemeinen bestätigt worden. Hierher gehören auch die Erzählungen von großen Meerungeheuern, welche zu verschiedenen Zeiten einzeln oder in mehreren Exemplaren an Mittel-Europäischen Küsten antrieben und getötet wurden. Auf der obern Halle des Bremer Rathauses hängt das Bild eines Walfisches, der „uffm Sande im Lesummer Strohm nahendt dem Lessmer Brüche“ am 8. Mai 1669 erschossen wurde und welcher „vom Maul bis zum Auge 5 Fuß, vom Maul bis zum Schwanz 29 Fuß lang, dessen Flossfedern 3 Fuß und dessen Schwanz 9 Fuß breit“ war, während der Umfang 12 Fuß betrug ***). Eben so prangte im vorigen Jahrhundert an der Wand des Stadthaussaales zu Brouwershaven in Süd-Holland das Bild eines Walfisches, der im Jahre 1606 auf der Springer-Plaat gefangen worden war. Dieser Fisch war angeblich 72 Fuß lang, 8 Fuß dick und hatte einen Rachen von 11 Fuß Weite, darinnen 40 große Zähne, der Schwanz war 17 Fuß lang. (S. Tegenwoordige Staat der Vereenig de Nederlanden, X, p. 370.)


*) Auch Selsmont, Zel-smeer, Sal-smeer, Zel (Hüllmann, Städtewesen des Mittelalters, I, S. 48). Zel heißt auch im heutigen Dänisch „Seehund“, Englisch seal.

**) S. B. J. Noel, Tabloau historique de la pêche de la baleine, Paris, an VIII, p. 7, und Scoresby, Account of the Arctic Regions, p. 7.

***) In Post’s Bremischer Chronik (Bremer Dombibliothek) wird das Ereigniss wie folgt näher beschrieben: „Demnach im Lesumer Strom von den einwohnenden Landleuten im Lessmer Bruch ein Geräusch im Wasserstrom und folgends ein großer Fisch, so den Schwanz herausgestrecket, befunden, hat ein Bauerknecht darauf mit Hagel Feuer gegeben, darüber der Fisch sich heftig geregt und bei abfallendem Wasser auf ein Sand hinter Hemeling’s Erben Vorwerk im Lesumer Bruch gerathen, davon er zwar gesucht sich abzuwälzen, ist aber von einem Bauer aus einem Feuerrohr mit vier Kugeln durchschossen, darauf er, nach dem Berichte der Landleute, so hoch als die in der Nähe am Ufer St. Magni [Name des Orts] stehenden Bäume das Wasser in die Luft gespritzet, darauf er gestorben. Wie dieser Fisch nach Vegesack auf des Herrn Gohgräfen Arend Havemann Befehl gebracht worden, ist er daselbst von vielen Personen besichtigt und hat man befunden, dass er in der Länge 29 Werk-Schue, im Umkreise oder Dicke am Leibe 12 Fuß, die Breite des Schwanzes aber 9 Fuß gewesen ist. Am 9. Mai ist derselbe nach Bremen geführt und in Prahmen von Verschiedenen beschaut. Am 10. Mai aber ist er ans Land geschleppt, auf der Schweineweide zerschnitten und daselbst zu Thran verbrannt. Es war derselbe eine Art der Wallfische und zwar weiblichen Geschlechts. Der Maler und Coutrefaiteur Franz Wulffhagen hat ihn auf Geheiss des Rathes zum immerwährenden Andenkon abbilden müssen. Das Skelet befindet sich noch jetzt im Bremer Museum.“


Von anderen Gegenden liegen aus verschiedenen Zeiten ähnliche Berichte vor. So lesen wir in Hottmann, Wangeroogischer Ehrenpreiss, gedruckt und verfasst 1665, S. 7: „Äußerlich ist die Insel reich an den köstlichsten Seefischen — — — wie auch Meerwundern: Saalhunden, Seewölfen, Seekatzen, Springers, einer Art Walfische, wie denn vor 20 Jahren“ — 1645 also — „auch ein großer Wallfisch von der See an dieses Land ausgeworfen, dessen Kopf 16 Holzfuß lang gewesen, von dessen Graten oder Rippen die Einwohner noch auf diese Zeit Zaunpfale um ihre Garten haben und zu Hau- und Hackblocken gebrauchen.“

In Bruintjes Kreek bei Bruinesse in Holland wurde, wie im Tegenwoordige Staat der Vereenigde Nederlanden erzählt wird, im Jahre 1682 durch einen Muschelfischer von St. Anna-Land ein großer Fisch, wie man meint, ein Walfisch, dessen Länge 50 Fuß gewesen, gefangen. Der Fisch hatte die Länge und Breite einer Treckschuite. Auch aus dem Anfang des vorigen Jahrhunderts liegen ähnliche Berichte vor, namentlich aus dem Jahre 1723 von der Elbmündung und aus dem Jahre 1738 von St. Peter im Eyderstedtischen. Wir fügen die Berichte darüber in der Anmerkung bei *).

*) In Post’s Chronik, Bd. 5, S. 165, wird also berichtet: „Im Anfang des Decemhers 1723 hat bei einem Sturmwind eine unerhörte Sache sich begeben, dass nämlich unterschiedliche der grössten Art Wallfische, eigentlich Cajelot-Fische genannt, sich zwischen der Elbe und Weser hat sehen lassen, in der Zahl 18, welche Ungeheuer die Einwohner des Strandes Anfangs in Schrecken gesetzt, und sind gegen die Elbe zugeschwommen, auch bis an die Insel, das neue Werk genannt, gekommen, da aber die Fluth weggegangen, sind 13 derselben seewärts wieder gekehrt, 5 aber haben von den Sandbänken nicht kommen können, welche ein entsetzlich Brüllen und Geheul gemacht und sich unter einander schrecklich geworfen und geschlagen. Wie die Fluth kommen, sind noch 3 derselben halb todt in See getrieben, an die beiden übrigen haben sich die am Strande und auf dem Lande Herumwohnenden gewagt, der grösste dieser beiden ist 95 Schuh lang gewesen und soll dem Berichte nach der Speck davon 36.400 Pfund gewogen haben. Von dem Gehirn oder sogenannten Wallrath sind unterschiedliche Fässer vollgefüllt, und hat ein Kaufmann zu Bremen allein für 4000 Thaler davon bekommen.“ — Im Jahre 1738 am 24. Januar strandete unweit St. Peter in Eyderstedt ein Cachelot, der in dem umfassenden Holländischen Werke über den Walfischfang: De Walvischvangst, Amsterdam 1784, ausführlich beschrieben und auch abgebildet ist. Er war 48 Fuß lang, 12 F. hoch und mass 36 F. im Umfang.“ — Eschricht zählt in seinem Werke über die Walthiere eine Reihe von Beispielen auf, wo, vom 17. Jahrhundert bis 1860, Walfische an Mittel-Europäischen Küsten strandeten.

Neben oder eben vor den Norwegern treten die Bewohner der Biscayischen Bucht als des großen Fischfanges kundig auf. Es muss jene kleinere Art gewesen sein, welche die Biscayer auf kurzen Meerfahrten von ihren Küsten aus mit Speeren und sonstigen Hand-Wurfgeschossen verfolgten und töteten. Der Fischfang wurde regelmäßig und in großem Umfange betrieben. Im Jahre 1261 finden wir nach den Angaben Noel’s, dass von allen in Bayonne eingeführten „Walfischzungen“ ein Zoll erhoben wird. Walfische (baleines) wurden auf den Märkten von Biarritz und Cherbourg gesalzen und frisch verkauft und als Fastenspeise gegessen. Noel erzählt noch Mehreres über diesen sogenannten Walfischfang der Biscayer oder Basken. Ein Mönchsbericht erwähnt endlich den Walfischfang an der Französischen Küste in dem 12. Jahrhundert. Aus alle dem ergiebt sich, dass in jener Zeit in den Mittel Europäischen Meeren Walfische — deren Art uns freilich unbekannt bleibt — nichts Seltenes waren. Im Laufe der Zeit erst wurden sie an der Küste spärlicher und zogen sich immer mehr nach Norden zurück. Die Biscayer als kühne Seefahrer folgten ihnen und betrieben später in den nordischen Gewässern, wie berichtet wird, mit 50 bis 60 Fahrzeugen gemeinschaftlich mit den Isländern den Walfischfang.

Im Anfange des 17. Jahrhunderts tritt die Walfischjagd zuerst in größerem Umfange und als ein regelmäßig im Europäischen Eismeere betriebenes Gewerbe auf. Man wähnte, unter dem Pole hin eine Fahrt gen Osten nach China und Indien zu finden, und entdeckte bei dieser Gelegenheit, im Jahre 1596, die Insel Spitzbergen, jenes vielfach ausgebuchtete, mit ewigem Eis bedeckte Eiland, dessen ersten Anblick die Nordfahrer alter und neuer Zeit mit dem einer weissen, sonnenbeglänzten Wolke vergleichen.

Spitzbergen wurde die vornehmste Station der Walfischjäger und blieb es fast zwei Jahrhunderte lang.