Ursachen des Zurückbleibens unserer großen Fischerei hinter derjenigen anderer Völker.

Uns Deutschen war bei unserer nationalen Zerrissenheit von vorn herein eine derartige Unterstützung der großen Fischerei verwehrt. Der von Friedrich dem Großen der Emder Häringsfischerei am 31. Juli 1769 gewährte Octroi ist ein vereinzeltes Beispiel von einem Versuche ähnlicher Art für Preussen, ein an unrechter Stelle und auf verkehrte Weise angewandtes Kraftmittel, das sein Ziel verfehlte. Den Hansestädten lag es fast allein ob, den wichtigen Erwerbszweig der Großfischerei von Deutschen Küsten aus zu pflegen. Sie haben es Jahrhunderte lang getan und es gab Zeiten, wo der Walfischfang von Hamburg allein bedeutender war als der von England und Schottland zusammengenommen. Auf den unermesslich ergiebigen Fischgründen New Foundlands vermochten freilich Deutsche Schiffe keine Rechte zu erlangen. Von Islands fischreichen Küsten wurden sie durch Machtspruch des Königs von Dänemark schon frühe vertrieben. Die Kraft der Hansa war dahin, als die Fischgründe New Foundlands durch Frankreich und England ausgebeutet wurden. Deutschland hatte keine Kriegsflotten, keine Kolonien, auf welche sich die Fischereien jener Nationen stützten. Das Material freilich für den Seefischereibetrieb war auch an den Deutschen Küsten, vornehmlich in der seegewohnten Bevölkerung Ostfrieslands und der Inseln an der Deutschen Nordseeküste bis Schleswig hin, gegeben, wenn auch spärlicher wie an der Normannischen Felsenküste, der Bai von Biscaya und den Britischen Inseln. Die Holländer, Briten und Dänen nützten dieses Deutsche Material in ihrem Dienste weidlich aus.

In der Zersplitterung und Ohnmacht des Deutschen Staatswesens, welche, in frühen Zeiten vorbereitet, zuletzt in dem ehemaligen Deutschen Bunde gesetzliche Sanktion genoss, lag also eine der Ursachen, weshalb überhaupt unsere Küsten-, unsere Marine-Interessen nicht die Würdigung und Geltung erlangten, welche ihnen gebührt. Andere Motive des Zurückbleibens Deutschlands in seiner maritimen Entwickelung waren z. B. die einem leichten Seeverkehr vielfach ungünstige Beschaffenheit des Litorals, die geringen Vorteile, welche gerade an der Nordsee die zwischen dem Küstensaum und den inneren Landesteilen sich erstreckenden Haiden, Sand- und Moorstrecken für Besiedelung durch größere Volksmengen und einen städtisch-industriellen Verkehr boten. Die spärliche Bevölkerung, welche sich auf dem fruchtbaren, aber niedrigen Schwemmboden des Strandes und der Flussmündungen des Deutschen Meeres anbaute, musste Habe und Leben vor dem Meere als ihrem Feinde hinter hohen Wällen schützen und von selbst erzeugte sich in ihr ein kontinental-agrarischer Sinn, während der Ansiedler der unwirtlichen Kalk und Kreidefelsen, welche die Küsten Englands besäumen, von Haus aus auf „die grüne Weide der See“ angewiesen war und auf den Salzwogen gleichsam heimisch wurde.


Jenes politische Hemmniss ist jetzt glücklich beseitigt, noch aber fehlt viel dazu, dass Küste und Binnenland in ihrer gegenseitigen Wechselwirkung sich verstehen, dass der große Beruf, welchen die Seestädte für die Nation nach dem völkerverbindenden Meere hin zu erfüllen haben, erkannt und als ein gemeinsam von allen Gliedern des Vaterlandes zu fördernder aufgefasst werde.

Das erheischt noch eine längere Arbeit, zu welcher vielleicht ein kleiner Beitrag geliefert werden mag, wenn die Geschichte einer von Deutschen Nordseestädten und vorzugsweise von den Hansestädten erfassten und durch Jahrhunderte mit zäher Energie fortgesetzten Marine-Unternehmung erzählt, ihr Zusammenhang mit dem Handels- und selbst dem politischen Leben früherer Zeit beleuchtet und auf diese Weise, wenigstens von Einer Seite her, ein Blick in den Werdeprozess Nord-Deutscher Seehandels-Emporien eröffnet wird.