Allgemeiner Überblick.

Das Thema dieser Betrachtung, die arktischen Fischerfahrten der Deutschen in den letzten Jahrhunderten, knüpft zugleich an ein unmittelbares Tagesinteresse an. In Folge der zur Ausführung gebrachten ersten Deutschen Nordpolar-Expedition und während der Vorbereitung der zweiten größeren hat sich das öffentliche Interesse wiederum in erhöhtem Maße auf die Europäischen Polarländer gelenkt, auf jene einsame erhabene Welt der Gletscher- und Eisregionen, welche die Natur fast unnahbar machte. In der vorgeschichtlichen Zeit erscheint jener geheimnissvolle Strich unseres Erdballs, umhüllt von dem Schleier der Nacht und des Nebels, als der Sitz gewaltiger Götter, über deren Tun uns die Mythe phantasiereicher nordischer Völker in einem reich sprudelnden poetischen Schatze eine Fülle bedeutsamer Bilder vorführt. Allmählich wird der Schleier gelüftet, der kühne Normanne, der Pionier der Seefahrt, bricht sich auch im hohen Norden durch Stürme und Eis mit seinem gebrechlichen Fahrzeuge Bahnen; ihm folgt der verwegene Baske.

Inzwischen hat sich durch Erfindungen und Entdeckungen der maritime Unternehmungsgeist der Nationen gewaltig gehoben. Die Holländer und Engländer lenken zuerst unter den modernen seefahrenden Nationen den Kiel ihrer unbehülflich gebauten Schiffe nördlich hinaus über die ultima Thule, Island. Küsten, Inseln werden entdeckt, es verbreitet sich die Kunde von dem fabelhaften Fischreichtume der neu entdeckten Gewässer, und nun folgt bald den Spuren der Pfadfinder eine Flotte von Fischerfahrzeugen, begierig nach der Beute, welche der Fischreichtum der Baien um Spitzbergen ihnen bietet. Jene öden Gestade wurden, kaum 25 Jahre nach ihrer Entdeckung durch die nach einer Nordostdurchfahrt forschenden Holländischen Seefahrer Barents, Jan Corneliszoon de Rijp und Jakob van Heemskerk, zu einem maritimen Goldlande und schauten ein reges Menschenleben. Kolonien wurden gegründet und längere Zeit hindurch, wenn auch immer nur auf wenige Sommermonate, bewohnt. Zahllose Fahrzeuge durchkreuzen die Baien und Küstengewässer auf der Jagd nach dem Walfisch und in stolzen Flotten wird die reiche Beute alljährlich nach den heimischen Ufern geführt.


Bald aber weicht der Fischer von der Küste, er muss, um seine Beute aufzusuchen, in gefahrvoller Fahrt sich mitten in die schwimmenden Eisfelder hinein wagen. Endlich lohnen auch diese schwierigen und an Opfern reichen Unternehmungen den rechnenden Kaufleuten Englands und Hollands kaum mehr. Nur die Wissenschaft entsendet noch von Zeit zu Zeit hingebungsvolle Jünger, die den Gefahren der stürmischen See und des Klima’s trotzen um des edleren Zweckes willen, geistige Schätze heimzubringen, oder Neugier, nach pikantem Unterhaltungs- und Schilderungsstoff verlangend, wagt sich bis in die hohen Breiten von Spitzbergen hinauf. So viele Geheimnisse aber auch der Natur entrissen werden, neue Rätsel tauchen immer wieder auf und das ersehnte Ziel, der Nordpol, ist noch unerreicht.

Die Geschichte der großen Fischerei in Europa, insbesondere derjenigen in den nordischen Gewässern, ist bis jetzt noch nicht genügend erforscht und namentlich ist der Anteil, welchen Deutsche Häfen daran genommen haben, nicht in dem Maße, wie er es wert ist, bekannt. Gerade jetzt scheint, wie bemerkt, der Zeitpunkt günstig, hierauf näher einzugehen. Eine journalistische Arbeit führte mich zu weiteren Studien darüber, wobei ich von mehreren Seiten auf das Freundlichste unterstützt und aufgemuntert wurde. Die Resultate dieser Studien habe ich im Nachfolgenden niedergelegt. Die Arbeit wird noch in manchem Stücke unvollständig erscheinen, indessen wollte ich sie aus verschiedenen Gründen jetzt in die Öffentlichkeit treten lassen. Vielleicht mag sie später fortgeführt und auf verwandte Gebiete ausgedehnt werden.