Höchste Güter

Aber es war nicht bloß der schimmernde Glanz des Höchste Goldes, das für die Waldleute im wahren Sinne des Güter. Wortes auf der Straße lag, es waren auch die höchsten Güter menschlicher Gemeinschaft, die ihrem Rechtsbund nicht bloß den Zwang der Pflicht auferlegten, sondern die höhere Weihe der Freiheit und Unabhängigkeit gaben. In allen ihren Unternehmungen und Schicksalsstunden, die die Eidgenossenschaft erlebte, hat ihr dieser Doppelstern geleuchtet. Nüchterner Tatsachensinn und ein Notwendigkeitsglaube an die Freiheit waren ihre Führer. Die fest zugreifende Tüchtigkeit des Tätigen und die beharrliche Unerschütterlichkeit des Gläubigen zeichnen sich schon früh in dem Kreuz und Quer ihrer scheinbar nur auf die nächstliegenden Aufgaben gerichteten Sinnesart ab. Einstweilen sind es die deutschsprechenden Stämme der Urkantone, die eine verkehrspolitische Tat ersten Ranges in den allerbescheidensten Grenzen durchfuhren. Das germanische Mark trägt anfangs allein die Kämpfe und Pflichten, die der Eidgenossenschaft auferlegt werden. Aber auch späterhin, als anderes Blut und anderer Sinn in den Bund einbezogen werden, sind es doch im wesentlichen und endlichen die höchsten Gedanken der Freiheit und Unabhängigkeit, die das Feuer des ewigen Lichtes auf ihrem geschichtlichen Wege vorauswerfen. Ohne diese Erkenntnis wäre jeder Versuch, der das Verhältnis der Schweiz zur Kunst in Betracht zieht, ein unzulängliches Beginnen.

Es ist also die Eröffnung des neuen Nord-Südweges, die den Kern des entscheidenden Verbandes zustande bringt. Die älteren Verbindungen in der westöstlichen Richtung, die in der Talfurche der Rhone bis zum Genfer See und auf dem breiten Boden des Aaregebietes angebahnt waren, hatten das trotz der helvetischen Urgemeinschaft nicht vermocht. Trotz der überbrückenden Beziehungen der römischen Militärstraße, die aufsteigend von Aosta, auf dem Großen St. Bernhard, über Martigny, Moudon, Aventicum und Vindonissa die gebieterische Klarheit der lateinischen Sprache brachte, blieb die burgundisch-alemannisclie Kluft offen. Es ist nicht ohne Belang, darauf zu achten, denn es scheint, dass die geistigen Strömungen und die Vorstöße politischer Kräfte, die von Westen aus gegen die Reibungsflächen der nordsüdlich gelagerten Landschaften mit ihren verschiedenen ursprünglich romanischen Stämmen vordringen, diese unsichtbaren Grenzen nicht ohne Widerstand überwinden.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die alte Schweiz