Älteste Kulturschichten

Vom Höhlenmenschen bis zum Pfahlbauern, dann zum Hirten und Ackerbauern und vom Pfahldorf bis zur Dorfsiedelung an Straßen und in reichen Triften — alle urzeitlichen und geschichtlichen Formen der Wirtschaft und Gesellschaft überziehen den Schweizer Boden bis zur steilen Berghöhe der Alpen.

Die schönsten und edelsten Quellen antiker Lebensgesittung springen in dem lieblichen Bereich von Aventicum auf, als der Römer die reiche Muße südlicher Lebensart einführt. Burgundisches Volksrecht schlägt hier Wurzel. Alemannisches Ungestüm bricht ein. Einzeln, dann in Gruppen und von festen Organisationspunkten aus tritt der christliche Glaubensbote auf, aber erst allgemach wird seiner Stimme geglaubt. Irische Hitzköpfe bringen die unverstandene Lehre der Liebe, und mit dem Kreuz in der Hand machen sie Wildnisse urbar. Die Klosterglocken schallen viele Geschlechter lang aus dichten Wäldern. Pilgerscharen des Nordens ziehen in ungezählten Mengen die wohlbekannten Straßen nach dem spanischen Sant Jago und dem italienischen Rom und finden auf helvetischem Boden in Hospizen und Klöstern bereit, wessen Leib und Seele bedürfen, ehe sie die Kämme des Hochgebirges erklimmen. Die Kaiser des Abendlandes, Karl der Große als Erster, beachten dies Durchgangsland und machen es sich gefügig, um den Weg nach dem Süden offen zu halten. Und alles dies meldet die Geschichte, lange bevor ihrem Auge erkennbar wird, wie sich da und dort an den Seen und Straßen, an dem Aufstieg zu den Alpen oder im Durchpass der tiefeingeschnittenen Täler die Bevölkerung zusammenzieht, Gemeinden bildet, Mauern um ihre Wohnstätten baut, das Recht ausbildet und ihre Wirtschaftsinteressen ausgleicht.


Schon stehen am Rhein und Bodensee, am Zürichsee und an dem fruchtbaren Gelände des Lemansees, an der Rheinstraße bei Chur und an dem Rhoneweg bei Saint-Maurice und Martigny Kirchen und Dome, sogar an wichtigen Plätzen Pfalzen und Vogteiburgen — da erst, im 13. Jahrhundert, hebt sich die politische Urzelle ab, aus der das Staatsgebilde der Schweiz hervorgegangen ist.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die alte Schweiz