Aus der Besteigungsgeschichte

Die Einheimischen fürchteten ehemals den Berg, auf dem „der Zuggeist“ haust und so war es ein Fremder, der zuerst Deutschlands höchste Zinne betrat. Es war Leutnant Naus, der gelegentlich der Aufnahmearbeiten für die bayerische Generalstabskarte in Begleitung seines Burschen Maier und des Georg Deuschl aus Partenkirchen am 27. August 1820 vom Plattachferner aus den jungfräulichen Gipfel und zwar den höheren Westgipfel bezwang. Die zweite vom Maurermeister Simon Resch in Begleitung des Hirten „Schaftoni“ aus Telfs 1823 unternommene Besteigung galt dem Ostgipfel, wobei der Ferner etwa da verlassen wurde, wo er in die Wände am tiefsten einschneidet, also oberhalb der jetzigen kleinen Schneefernereckhütte. Die nächsten drei Ersteigungen 1834 und 35 galten wiederum dem Ostgipfel; in der Folge wandte sich das Interesse wieder dem höheren Westgipfel zu, der 1838 seinen zweiten Besuch erhielt. Im Jahre 1851 fand daselbst die Aufstellung des Kreuzes statt (das 1882 auf den Ostgipfel versetzt wurde), wobei der k. Jagdgehilfe Michael Bauer, seinen Hund im Rucksack und durch den Stutzen behindert, aufs geratewohl durch das österreichische Schneekar abstieg, damals eine Bravourleistung allerersten Ranges. 1855 wurde die Knorrhütte erbaut und damit die Besteigung bequem gemacht, die durch Anbringung von Versicherungen oberhalb der Sandreisse und am Grat 1875 eine weitere Erleichterung erfuhr und durch die im Jahre 1897 beendeten Verbesserungen nunmehr auch für Mindergeübte ihre Schrecken verloren hat.

Im Jahre 1871 wurde von drei Engländern (zwei Trench und Cluster) mit den beiden Führern Sonnweber aus Ehrwald zum erstenmale der Aufstieg durch das österreichische Schneekar gemacht, 1875 und 1876 wurden daselbst die ersten Verbesserungen angebracht. Die Erbauung der Wiener Neustädterhütte 1884 ermöglichte im Verein mit den Steigverbesserungen, die im Laufe der Jahre vorgenommen wurden, die Überschreitung, die jetzt von allen einigermaßen rüstigen Touristen ausgeführt wird.


Im Jahre 1877 wurde mit den Steiganlagcn, die den West- und Ostgipfel verbinden, begonnen, die in der Folge so ausgebaut wurden, dass nunmehr wohl kein Tourist versäumt, beide Gipfel zu betreten.

Die Route ins Höllental wurde erstmals 1872 von Winhart aus München mit Josef Rauch aus Ehrwald im Abstieg begangen; 1876 wurde der Ostgipfel zum erstenmale auf dieser Route von den beiden Führern Dengg aus Garmisch erreicht; vier Wochen darauf wurde die erste touristische Ersteigung von F. Tillmetz und F. Johannes aus München mit den beiden genannten Führern ausgeführt.

E. T. Compton eröffnete mit T. Martin und C. Thompson 1887 die jetzige Route über das Brett, während man früher ins Matteiserkar einstieg und die vom Höllental ferner trennenden beiden Gratrippen überklettern musste. Der Bau der Höllentalhütte und der Weganlage am Brett im Jahre 1893 eröffnete auch diese Anstiegslinie für tüchtige Hochtouristen, die nach und nach durch Drahtseilanlagen vom Felseinstieg bis zum Ostgipfel nunmehr nach Möglichkeit erleichtert wurde.

Nur historisches Interesse bietet der Abstieg durch das bayerische Schneekar durch Franz v. Schilcher mit Josef Ostler aus Garmisch i. J. 1872; die objektiven Gefahren, Steinschlag und Lawinen schließen jede Erleichterung dieser außergewöhnlich schwierigen Route aus.

Die sämtlichen Weg- und Steiganlagen wurden durch die Sektion München des D. u. Oe. A. V. [Deutsch und Österreichischer Alpen-Verein] ausgeführt; ebenso gehören die Hütten mit Ausnahme der Wiener Neustädterhütte dieser Sektion.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Zugspitze