Zustand Frankreichs bei dem Sturze des Schreckensystems.

Wenn wir alle im Laufe dieser Erzählung zerstreuten Züge enger zusammendrängen, so erhalten wir folgendes Bild von Frankreich: Der Bürgerkrieg entstammt, der Nationalconvent verstümmelt, ohnmächtig, unterjocht; die Herrschaft des Schreckens mit proconsularischen Quälereien eingeführt; alle Gefühle der Natur erstickt; die Freiheit der Handlungen, der Worte, der Presse gefesselt; Handel, Künste und Wissenschaften zerstört; Vandalismus und Raub gekrönt; die Gastfreundschaft aufgehoben, Verläumdungen und Verrath belohnt; die Ackergesetze gepredigt; die Moral verdorben; der Nationalcredit verletzt; das Eigenthum geplündert; das Recht über Leben und Tod den gefühllosesten Geschöpfen vertraut; Blutgerichte ohne Zahl; wandernde Blutgerüste; vollgepropfte Kerker, in welchen Pest und Grausen um die Wette wütheten; 100,000 Schlachtopfer enthauptet, mit Kartätschen erschossen, ersäuft; 30,000 Vertheidiger der Republik aus Eigensinn außer dem Gesetze erklärt; 600,000 Franzosen zur Auswanderung gezwungen; Millionen von Familien, von Wittwen und Waisen in Thränen schwimmend; ganze Departemente, durch das Schwert oder durch Flammen gefressen; weitgestreckte Gefilde mit Todtengerippen besäet; das Alter auf seinem Lager, die Kindheit im Mutterschooße erwürgt; die jungfräuliche Schaam selbst noch in den Armen des Todes entehrt; die Bewohner des Ozeans mit den Leichen gemästet, welche die Loire, Rhone und Seine ihnen auf blutigen Wellen zuführten; Vaucluse in eine Thränenquelle, Nantes in ein Grab, Paris, Arras, Bourdeaux in Henkerstätten verwandelt; Lyon ein Trümmer; der Süden eine Wüste; ganz Frankreich ein ungeheurer Schauplatz von Schrecken, Raub und Mord.

Die Thräne stockt im Auge der Menschlichkeit bei der Unermeßlichkeit des Elendes, und verlegen fragt der kalte Verstand nach dem Zwecke, den man durch diese ungeheuere Mittel erreichen wollte?


Der Zweck war groß. Mehr als halb Europa widersetzte sich einer Verfassung, für welche sich die Leidenschaft erklärt hatte. Die schlechten Erfolge der vorhergegangenen Feldzüge hatten die Erbitterung der coalisirten Mächte in einem so hohen Grade vermehrt, daß es von Seiten der französischen Regierung auf nichts Geringeres ankam, als die Integrität des Reiches, wenn es seyn müßte, mit Aufopferung der ganzen gegenwärtigen Generation zu retten. Das Grausenerregende, das in diesem Entschlusse lag, fühlte man nicht eher, als bis es zur Ausführung kam; aber auch da noch geboten die Umstände, daß die Menschlichkeit dem Patriotismus wiche. So floß das Blut in Strömen, und die einzige erträgliche Erklärung, die man von diesem niegesehenen Phänomen geben kann, ist der Widerspruch, in welchem die Erhaltung der Individuen, mit der Erhaltung der Nation gerieth, — ein Widerspruch, der zum Unglück der Menschheit nur allzuoft stattgefunden hat, und niemals, oder wenigstens höchst selten, auf eine unblutige Art gelöst worden ist, in Frankreich aber, wenn man alle einzelnen Umstände dieses Widerspruches zusammen rechnet, sich vorzüglich blutig lösen mußte.

Das Erstaunen über die großen Erfolge während dieser Periode (vom 2. Juni 1793 bis den 27. Juli 1794) wird durch eine genauere Bekanntschaft mit den großen Mitteln vermindert, welche der Wohlfahrtsausschuß gebrauchte, um sie hervorzubringen. Von diesen muß noch besonders die Rede seyn.

Je zweifelhafter das Schicksal der jungen Republik im Anfang des Jahres 1793 war, desto mehr waren die Inhaber der Assignate darauf bedacht, ihre Papiere gegen Metall umzusetzen, denn der Werth, oder Unwerth dieser Papiere hing lediglich von der Dauer oder Nichtdauer der Republik ab; und da die damalige Lage der Dinge auf eine baldige Umwälzung zum Vortheil des Königthums schließen ließ, so zitterten die Reichen am Meisten für ihr Vermögen. Der Aufkauf des baaren Geldes gab den Assignaten den ersten Stoß. In kurzer Zeit sanken sie von ihrem Nominalwerthe so tief herab, daß die Regierung, welche gerade jetzt die unermeßlichen Ausgaben zu bestreiten hatte, und dazu kein anderes Mittel vorfand, als die Assignate, für den Erfolg ihrer Unternehmungen besorgt zu werden, die größte Ursache hatte. Um den sinkenden Credit der Assignate zu heben, wurde in jener permanenten Sitzung, welche Dumouriez's Uebergang zu den Oesterreichern veranlaßte, auf Cambons Antrag verordnet: „daß aller Verkauf und Kauf des baaren Geldes bei sechsjähriger Kettenstrafe, sowohl für den Käufer als für den Verkäufer verboten sey, und alle Ausgaben der Republik von nun an in Assignaten mit erzwungenem Münzcours bezahlt werden sollten.

Diese fürchterliche Strafe wurde seit dem 2. Juni, welcher den Sieg des Berges entschied, in Todesstrafe verwandelt. Die revolutionäre Regierung, welche bald darauf ihren Anfang nahm, gelangte durch dieses Gesetz in den Besitz der größten Mittel, welche jemals einer Regierung zu Gebote gestanden haben; und mit dem größten Rechte sagte Barrere: „Die Assignatenfabrik sey reicher als alle Goldminen, welche der Fleiß der Spanier in den Gebirgen von Südamerika aufgewühlt hatte.“ Nicht genug, daß der Wohlfahrtsausschuß die Assignate durch den Schrecken im vollen Cours erhielt, vermehrte er auch die Masse derselben in's Ungeheuere. Vier eigene große Manufakturen, in welchen nur Assignatenpapier verfertigt wurde, waren in einer ununterbrochenen Thätigkeit. Von der constituirenden Versammlung der Legislatur und dem Nationalconvente zusammen waren bis zum 1. August 1793 15,100,040,840 Livres Assignate creirt worden. Davon waren in dieser Epoche, wo man anfing, die mit dem königlichen Bildnisse bezeichneten Assignaten aus dem Umlauf zu setzen, noch 3,217,222,053 Livres im Umlaufe; und diese ungeheure Masse, welche durch sich selbst eine Stockung hervor bringen konnte, wurde noch täglich vermehrt.

So lange die Nationalgüter ihnen zum Unterpfand dienten, war ihr Werth nicht zu bestreiten, und erst als man anfing, die Masse über den Werth dieser Nationalgüter, den man zu ungefähr 15 Milliarden Livres annahm, zu vermehren, wurde ihr Verfall nothwendig.

Außer dieser unerschöpflichen Quelle sprudelten noch mehrere andere für die französische Regierung dieser Zeiten. Dahin gehörten:

1) Die Guillotinaden. Hievon ist schon hinlänglich die Rede gewesen. Wir bemerken hier nur noch, daß der mit den Guillotinaden verbundene Uebergang des Eigenthums auf Andere in einer neuen Ordnung der Dinge unumgänglich nöthig war, vorausgesetzt, daß diese neue Ordnung durchaus stattfinden sollte. Wurden reiche Privatpersonen nicht guillotinirt, so wurden sie, wie man es nannte, wenigstens gerupft.

2) Die gezwungenen Anleihen. Ihre Absicht war, einen Theil der ungeheuern Assignatenmasse, welche den Preis aller Lebensmittel nothwendig sehr erhöhen mußte, außer Umlauf zu setzen. Als sie dieser Absicht nicht entsprachen, kam der Wohlfahrtsausschuß durch das Gesetz des Maximums zu Hülfe.

3) Die revolutionären Taxen. Sie wurden eingeführt, um die Kosten der Kleidung, Bewaffnung und des Soldes der in Masse ausgestandenen Bürger, und den Unterhalt oder die Entschädigung, die den Eltern, Gattinnen oder Kinder derselben ertheilt werden mußten, bezahlen zu können. Der Mißbrauch, welchen sich die Conventscommissäre bei der Eintreibung dieser Taxen zu Schulden kommen ließen, verwandelte diese Maßregel des Wohlfahrtsausschusses in eine Maßregel des höchsten Despotismus. Am Meisten wurde in den großen Handelsstädten geras't. Man nahm den Reichen gemünztes und ungemünztes Gold und Silber hinweg, so viel man wollte; man zwang sie, ihre Geldvorräthe gegen Assignate umzusetzen; man beschuldigte sie des Egoismus, wenn sie ihren Plünderern nicht mit den größten Aufopferungen entgegen kamen; man nannte es brüderliche Mahnung, wenn man sich mit Millionen oder Hunderttausenden abfinden ließ, ohne sich an dem Kopfe ihrer Besitzer zu vergreifen. Tallien ließ sich zu Bordeaux die Silbergeschirre der reichsten Kaufleute ausliefern, verwandelte sie in sein Eigenthum und prunkte damit auf seiner Tafel, sogar den ehemaligen Besitzern gegenüber. Diese proconsularischen Quälereien brachten

4) die freiwilligen Geschenke in Gang, welche, wie man leicht denken kann, in vielen Fällen sehr unfreiwillig waren.

Sowohl die revolutionären Taxen, als die freiwilligen Geschenke, brachten dem Nationalschatze, nach Abzug der mit der Eintreibung verbundenen Kosten, nicht mehr als 20,116,330 Livres.

Das Kirchensilber, in Münze verwandelt, gab eine Ausbeute von 40 Millionen.

Die Contributionen in den eroberten Ländern waren nicht minder einträglich. Diejenigen, welche nach der Eroberung Belgiens im Juli 1794 eingetrieben wurden, beliefen sich auf 13,359,404 Livres in klingender Münze. Noch weit beträchtlicher waren unstreitig die sogenannten Requisitionen oder Lieferungen in Natur.

Bedenkt man nun, daß bei allen diesen Gewaltthätigkeiten, wenigstens noch sechs Milliarden Assignaten im Umlaufe waren, welche mit dem baaren Gelde al pari standen; so muß man gestehen, daß Frankreich vermöge seiner Volksmenge und des Nachdruckes, welchen die Schreckensregierung allen Operationen gab, dem ganzen Europa gewachsen seyn mußte. Große Zwecke, große Mittel; aber nicht die volle Kraft, die letztern zu gebrauchen, weil es nur auf Kosten der Menschheit geschehen konnte: dieß ist der Charakter der revolutionären Regierung.

Buchholz hat noch folgende, zum Theil sehr richtige Betrachtungen über die Ereignisse jener Zeit angestellt:

„Allenthalben, wo eine größere oder kleinere Gesellschaft von Menschen ohne Verfassung und Gesetze lebt, findet man Freiheit und Gleichheit. Sie dauert nicht länger, als bis die Gesellschaft, durch die Menge ihrer Bestandtheile genöthigt wird, sich zu ordnen, d. h. Verfassung und Gesetze, wie roh sie immer seyn mögen, anzunehmen; aber sie lebt als Wunsch in der Brust aller Derjenigen fort, welche bei der Anordnung der Bestandtheile auf eine untere Stufe zu stehen gekommen sind. Dieß ist der Grund, warum Freiheit und Gleichheit als Idee immer wieder zum Vorschein tritt, so oft von einer neuen Anordnung der Dinge die Rede ist. Mehr großmüthig als einsichtsvoll, haben einzelne Philosophen der neuern Zeit, aus dieser Erscheinung auf eine bestimmte Anlage des menschlichen Geschlechts zurückschließend, behaupten wollen, alle Verfassungen müßten sich zuletzt in Freiheits- und Gleichheitssysteme auflösen. Aber der Wunsch nach Freiheit und Gleichheit ist nicht eine besondere Anlage des Menschen, sondern nur das Resultat seiner übrigen Anlagen, und wird als solches von der Natur nur gebraucht, um höhere Zwecke zu erreichen, die, wenn überall ein Plan im menschlichen Leben ist, sich nothwendig in eine gränzenlose Entwicklung des menschlichen Geschlechts auflösen müssen. Weit entfernt also, daß der Wunsch nach Freiheit und Gleichheit zur Vereinfachung der Staaten, Verfassungen und Gesetzgebungen hinwirken sollte, kann er nur dazu beitragen, daß sie noch zusammengesetzter werden, well die Natur ihren Zweck nur auf diesem Wege erreichen kann.

Auch in Frankreich trat dieser Wunsch zum Vorscheine, sobald die monarchische Verfassung aufgehoben war, und irgend eine andere an ihre Stelle treten mußte. Es war Verkennung seiner Bestimmung, was nach dem Tode Ludewigs XVI. den Nationaleonvent in zwei Partheien theilte, welche nothwendig die Gestalt zweier Factionen annehmen mußten, da weder die eine noch die andere diesen Wunsch nach seinem wahren Werthe zu würdigen verstand. Die schrecklichen Folgen ahnend, welche mit der Befriedigung desselben nothwendig verbunden waren, widersetzten sich ihr die Girondisten; blindlings die Ideen der Großmuth und Gerechtigkeit ehrend, und unbekümmert um Folgen, welche sich mehr ahnen als beweisen ließen, redete ihr die Bergparthei das Wort. Faßt man mehr den Charakter beider Partheien, als den der einzelnen Mitglieder derselben ins Auge, so muß man, um gegen beide gerecht zu seyn, eingestehen, daß auf Seiten der Girondisten die meiste Einsicht, und auf Seiten der Bergparthei die meiste Energie war. Allerdings verdienten die ersteren in dem Kampfe, welchen sie mit ihren Gegnern zu kämpfen hatten, den Sieg davon zu tragen, weil, wo es auf Organisation ankommt, der Einsicht immer der Vorrang, selbst vor der Tugend gebührt; aber sie unterlagen, weil ihre Einsicht nicht entwickelt genug war, weil sie durch Leidenschaften ersetzen wollten, was ihnen daran abging, und weil sie es wagten, sich dem herrschen, den Wunsche zu einer Zeit entgegen zu stellen, wo sie trotz ihrer bessern Einsicht und sogar vermöge derselben, als Verräther an dem allgemeinen Wohl erscheinen mußten. Sie fielen, weil sie allzufrüh organisiren wollten.

Unstreitig würde die siegende Parthei nach dem Sturze der Girondisten ihren Irrthum sehr bald eingesehen haben, wäre sie nicht durch besondere Umstände verhindert worden ihre Blicke über die leidige Gegenwart hinaus zu erstrecken. Der leidenschaftliche Krieg, durch welchen die coalisirten Mächte (England allein ausgenommen, welches, wie fast immer, kaufmännische Zwecke verfolgte) die Wiederherstellung der alten Ordnung der Dinge erzwingen wollten, gab dem Freiheits- und Gleichheitsysteme der Bergparthei einen Nachdruck, den es als bloße Conception eines schwärmerischen Gemüthes nie erhalten haben würde. Von allen Seiten bedroht, konnte Frankreich nur durch ungeheure Anstrengungen gerettet werden. Wie unnatürlich auch der Patriotismus in diesem großen Reiche als allgemeine Triebfeder seyn mochte, da alle übrigen zerbrochen waren; so mußte man ihn dazu erheben, und ihn jedem einzelnen Bürger aufdringen, weil kein anderes Mittel übrig gelassen war. So entstand das Schreckenssystem, wobei man genöthigt war, die Bereitwilligkeit der ärmeren Volksklassen als Muster aufzustellen, und Ohnehoserei als Tugend auszuprägen. Blutströme gehörten gewiß nicht in den Plan einer Regierung, deren vorzüglichste Mitglieder sich in früheren Zeiten mit dem lebhaftesten Eifer gegen die Todesstrafe erklärt hatten; aber diese Blutströme waren unvermeidlich, von dem Augenblicke an, wo Frankreichs kritische Lage die Tugend an die Tagesordnung brachte; denn der größte Theil der Menschen ist nur dann zu großen Aufopferungen bereit, wenn die Gefahr noch größer in der Nähe droht. Kein Wunder, daß alle bedeutenden Eigenthümer Gegenstände der Verfolgung wurden! Gleiches Schicksal mußte Diejenigen treffen; welche ihr ehemaliger Stand dem Verdachte der Unzufriedenheit mit den Maßregeln der Regierung aussetzte. Die Kerker wurden angefüllt. Sollten die Schuldigen ihr Leben retten, so war Landesverweisung das einzige Mittel; aber eine traurige Erfahrung hatte gezeigt, wie gefährlich Landesverwiesene werden können. Um Frankreich nicht noch größeren Gefahren auszusetzen, als womit es bereits umgeben war, mußte also die Regierung grausam werden. Sie würde es gewesen seyn, wenn sie nur ihr Freiheits- und Gleichheitssystem hätte durchsetzen wollen; sie wurde es doppelt, weil äußere Umstände diesem Systeme für den nächsten Augenblick eine rettende Kraft verliehen. Sowohl die Menge der Schlachtopfer, als die große Anzahl der unschuldig Hingerichteten, machte durch das Mitleiden, welches ihr Schicksal erregte, zuerst aufmerksam auf die Abgeschmacktheit eines unbedingten Freiheits- und Gleichheitssystems so wie es durch den Wohlfahrtsausschuß von dem Convente ausgeübt wurde. Ohne genauer zu untersuchen, wie viel von diesem System der Regierung durch äußere Umstände aufgedrungen war, fingen Mehrere an, es für das bloße Werk des Ehrgeizes und der Herrschsucht zu halten. Selbst Mitglieder der Bergparthei wurden von diesem Wahne ergriffen; und so flößte Abscheu vor einer Regierung, welche ihre Zwecke nur durch Blutströme erreichen konnte, und sich selbst in den außerordentlichsten Maßregeln gefiel, den Wunsch ein, das Problem einer revolutionären Regierung menschlicher zu lösen.

Die Ultrarevolutionäre, an deren Spitze Hebert stand, bildeten sich in vollstem Ernste ein, daß es gar keiner Regierung bedürfe, und indem sie die beiden Sätze der Verfassungsurkunde: „daß das Gesetz der Ausdruck des allgemeinen Willens sey,“ und: „daß die Souveränetät des Volkes sich nicht übertragen lasse,“ im buchstäblichen Sinne nahmen, verfolgten sie schwärmerisch die Idee einer reinen Ochlokratie. Zwar gestanden sie sich untereinander, daß sie nicht begriffen, wie durch Aufhebung oder Vernichtung eines ordnenden Prinzips jemals Ordnung entstehen könnte; sie behaupteten aber zugleich (und offenbar mit einem Scheine von Wahrheit), daß aus einem noch so chaotischen Gemische ungleichartiger Theile nicht mehr Greuel hervorgehen könnten, als sie täglich verüben sehen. Unentschlossenheit, die nothwendige Folge der Verworrenheit in den Begriffen, wurde die Ursache ihres Todes. Vergeblich hatten sie die „Erklärung der Menschenrechte“ in Trauerflor gehüllt, vergeblich hatten sie alle Anstalten zu einer Gegenrevolution getroffen, welche dem wilden Blutvergießen wehren sollte; sie starben unbemitleidet, wurden sogar verlacht, weil sie den einen Unsinn durch den an, dern verdrängen wollten.

Auf gleiche Weise wurden die Eitrarevolutionäre, an deren Spitze Danton stand, die Opfer ihrer allzufrühzeitigen Menschlichkeit. Auch sie sahen in den Maßregeln der Regierung mehr die Willkühr, als die Nothwendigkeit und wollten — wenn gleich auf einem minder gefährlichen Wege als ihre Vorgänger, die Ultrarevolutionäre — das Blutvergießen hemmen; da sie aber weder die Umstände, noch ihre Kräfte gehörig berechnet hatten, und eben dadurch genöthigt waren, die Ausführung ihres Planes von einer Zeit zur andern aufzuschieben, so unterlagen sie zuletzt Feinden, denen sie in anderer Hinsicht so sehr überlegen waren.

Das Gleichheits- und Freiheitssystem konnte nur durch sich selbst zerstört werden. Dieß geschah, indem seine entschlossensten Vertheidiger nach und nach dahin gebracht wurden, seine Unhaltbarkeit zu durchschauen. Endlich sah Robespierre selbst ein, daß sein Werk sich nicht beendigen ließe. Fester in seinen Grundsätzen und durchglüht von einem stärkeren Freiheits-Enthusiasmus, als alle seine Collegen, hatte er am längsten wiederstanden; aber eben deßwegen führte auch sein Wankelmuth sogleich eine neue Crisis herbei, die nur mit seinem Sturze vollendet werden konnte. Robespierre fiel, und möglich wurde — ein neues Staatsgebäude.

Und so hatte Frankreich zwei wesentliche Vortheile von der Schreckensperiode gezogen. Erstlich hatte es durch dieselbe Mittel kennen gelernt, seine Integrität mit Erfolg zu vertheidigen; zweitens hatte es durch sie die erste klare Aussicht zu einer neuen Ordnung der Dinge erhalten, welche nicht eher stattfinden konnte, als bis, vermöge des Terrorismus, diejenige Passivität der großen Menge hervorgebracht war, welch dem Schöpfergeist freien Spielraum gestattete. Das unhaltbarste aller Systeme gebrauchte die Natur zur Erreichung ihres Zwecks; und damit stand im engsten Zusammenhange, daß Robespierre unter den Dolchen der Furcht fiel.“